Montag, 29. April 2013

NSU: Noch mehr vermutliche Schüsse


Jetzt wird es echt eng für Beate Zschäpe! Kurz vor Beginn des langerwarteten NSU-Prozess gegen das letzte Mitglied des Natinalsozialistischen Untergrunds ermittelt die Staatsanwaltschaft Erfurt wegen neuer schwerer Vorwürfe gegen die 38-Jährige. So soll Zschäpe dabei gewesen sein, als 1996 am Erfurter Bahnhof auf zwei spätere Filmemacher aus Hamburg geschossen wurde. Es bestehe der Verdacht des „versuchten mittäterschaftlichen Mordes oder Totschlags“, enthüllte der MDR unter Berufung auf die Berliner Regisseure Benjamin und Dominik Reding, die sich seit Sommer 2012 erinnern, seinerzeit Opfer der späteren NSU gewesen zu sein.

Nach dem Bericht des 45-Jährigen Dominik Reding waren beide am Silvesterabend 1996 in der Gaststätte des Erfurter Bahnhofs mit zwei Männern und einer Frau in Streit geraten. Als er mit seinem Bruder habe zum Zug flüchten wollen, seien sie von dem Trio verfolgt worden. Auf dem Bahnsteig seien dann Schüsse auf sie abgegeben worden. Die NSU, damals noch in Gründung, habe die schaffnerin zum Verriegeln der Türen und der Zugführer zur vorzeiten Abfahrt gezwungen.

Das Problem: Snackautomaten, Sitzbänke, leuchtende Anzeigetafeln – der Erfurter Hauptbahnhof ist mit vielem ausgestattet, womit die Deutsche Bahn das Reisen angenehm und sicher macht, nur Videoüberwachung gibt es keine. Bei der Suche nach Beweisen ist die Staatsanwaltschaft Erfurt deshalb auf Augenzeugen angewiesen, die Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt an dem fraglichen Abend vor 16 Jahren bei der Tatausübung beobachtet haben. ("hier sehen Sie die Höhepunkte der Fahndung im Video" (Der Spiegel))

Reding zumindest ist sicher. Uwe Mundlos habe ihn "verbal bedroht", Böhnhardt habe vermutlich geschossen und Zschäpe habe den Mordversuch auf ihre typische Weise als "Mutter von Hirn und Werkzeug" unterstützt, indem sie auf Gutbürgerlichkeit geachtet und sich um die Hauswirtschaft im späteren gemeinsamen Unterschlupf gekümmert habe. Dennoch hatte die Bundesanwaltschaft das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft Erfurt abgegeben. Angeblich liege kein terroristischer Hintergrund vor - da gleicht das Muster dem, das die NSU-Mordserie jahrelang zu einigen "Döner-Morden" verharmloste.

Dabei spricht Redings Reaktion Bände. „Wir hatten an dem Abend Angst um unser Leben“, sagte Dominik Reding dem MDR. Weil sie Repressionen durch die rechtsextreme Szene fürchteten, hatten er und sein Bruder damals auf eine Anzeige verzichtet. Erst im letzten Sommer - sieben Monate nach dem Tod der zwei tödlichen Drei - fassten die beiden Opfer genug Mut, der Polizei von ihrer erschreckenden Begegnung zu berichten, um bei der medialen Vorbereitung des Prozesses gegen Beate Zschäpe zu helfen. Klappt die Verurteilung der letzten Überlebenden der NSU wegen Mittäterschaft bei zehn Morden, mehrfachem Mordversuch und besonders schwerer Brandstiftung nicht, könnte direkt im Anschluss das Verfahren wegen des Silvesterabends von Erfurt folgen: Wegen gefährlichen Eingriffs in den Zugverkehr (Paragraf 315 StGB) drohte der "Nazi-Braut" (Bild) dann eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.

Ein Land schreibt einen Thriller:
NSU: Live in der Verlosungsshow
Platznot im Alexanderplatz-Prozess
Killerkatzen im Untergrund
Das weltoffene Deutschland im Visier
NSU: Push the forearm fully forward
Heiße Spur nach Hollywood
NSU: Die Mutter von Hirn und Werkzeug
Musterstück der Selbstentlarvung
Rettung durch Rechtsrotz
NSU: Schreddern mit rechts
NSU: Softwarepanne halb so wild
NSU: Neues Opfer beim Verfassungsschutz
NSU: Im Namen der Nabe
NSU: Handy-Spur ins Rätselcamp
NSU: Brauner Pate auf freiem Fuß
NSU: Rufmord an den Opfern
NSU: Heiße Spur ins Juwelendiebmilieu
NSU: Eine Muh, eine Mäh, eine Zschäperättätä
NSU: Von der Zelle in die Zelle
NSU: Die Spur der Schweine
NSU: Gewaltbrücke zu den Sternsingern
NSU: Gebührenwahnsinn beim Meldeamt
NSU: Nun auch auf dem linken Auge blind
NSU: Die Welt ist klein
NSU: Verdacht auf Verjährung
NSU: Weniger hats schwer
NSU: Terrorwochen abgebrochen
NSU: Rechts, wo kein Herz schlägt
NSU: Was steckt dahitler?
NSU: Neue Spuren ins Nichts
NSU: Tanz den Trinitrotoluol
NSU: Der Fall Braun
NSU: Honeckers rechte Rache
NSU: Die Mundart-Mörder
NSU-Todeslisten: Sie hatten noch viel vor
NSU: Was wusste Google?
NSU: Kommando späte Reue
NSU: Die tödliche Bilanz des braunen Terrors
NSU: Mit Hasskappen gegen den Heimsieg
NSU: Mordspur nach Möhlau

9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ach, Silvester? Und es hat geknallt, als die Nationalsozialisten hinter den beiden traumatisierten Helden her waren? Und dann haben die Nazis die Einschusslöcher mit Mörtel ausgebessert, die Patronenhülsen eingesammelt und sind trotz der komischen Blicke von Reisenden, Aufsichtern und BGS-Beamten einfach zur nächsten Silversterparty getrottet.

Anonym hat gesagt…

"Dominik und Benjamin Reding hoffen, vielleicht ein kleines Puzzlestück geliefert zu haben, das Zschäpes Rolle innerhalb der Terrorzelle belegt. "Wir empfanden sie in diesem Moment als integriertes Mitglied innerhalb der Gruppe", sagt Dominik Reding"

Schon ne blöde Sache mit der terroristischen Vereinigung erst ab 3 Mitgliedern. Das muss man ja wohl irgendiwe hinfabriziert bekommen, man man.

Corax hat gesagt…

Die nächste Eskalationsstufe wäre dann wohl, dass gegen Tschäpe ermittelt wird, weil sie mit den beiden Uwes unschuldige Bürger in UFOs entführt und dort zwangsoperiert hat. Die Opfer haben sich sicher schon bei der Polizei gemeldet. Man überlegt wohl nur noch, ob oder wann man diesen Joker ausspielen soll oder kann.

Volker hat gesagt…

Da will ich meinen Mostrich von gestern mal unter den richtigen Leitartikel kopieren:

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Heute haben wir erfahren, dass Zschäpe außer den Türken, Griechen, Polizisten und Kreisverwaltungsreferenten auch die Regisseure ausrotten wollte.

Den ersten Versuch unternahm sie in der Silvesternacht 1996. Konkret mit "drei bis fünf Stück" Schüssen.
Das "Stück" ist wichtig beim Ausfüllen des ME-Scheins.
Bitte beachten: Bei Schüssen als Einheit nicht "1000" oder "Liter" sondern immer "Stk.". Sonst gibt´s auf die Finger vom Revisor.

Beim ersten Lesen habe ich zugegebenermaßen gezweifelt.
Wenn der NSU pistolenmäßig so gut drauf war, warum haben die nicht getroffen?
Und warum haben die couragierten antifaschistischen Widerstandskämpfer nicht sofort Anzeige erstattet, wo doch Gesicht zeigen in der Szene groß geschrieben wird?

Noch mysteriöser dass "ein Eintrag bei der Bahn den Verdacht auf Schüsse bestätigt habe".
Wer ist "die Bahn"?
Der Lokführer, der Schaffner, der Mann mit der roten Mütze, die Bahnpolizei?
Und wo findet sich der "Eintrag"?
Im Logbuch des Lokführers? Auf den Bestellzetteln des Mitropa-Kellners? An der Tür vom Bahnhofsklo?

Wie kamen die überhaupt auf den "Verdacht von Schüssen"?
Haben die was gehört? Oder gesehen?

Hat "die Bahn" die Polizei informiert?
Hat die Polizei ein Ermittlungsverfahren eingeleitet?
Warum haben die keine Spuren gesichert?
Warum haben die keine Zeugen gesucht?

Aber was soll´s. Wir sind hier beim antifaschistischen Widerstandskampf, da haben Wahrheit und Logik sowieso Zutrittsverbot.

Es sieht jedenfalls danach aus, dass die Realität wieder mal die Satire überholt.
Am Beginn des NSU-Fake haben wir noch spekuliert, ob Barschl vielleicht auch ein NSU-Opfer ist. Nun arbeiten die sich ernsthaft in diese Richtung. Jedenfalls zeitlich.
Jetzt haben wir einen Mordversuch von 1996. Als nächstes kommt Zschäpes Mord von 1993 (oder so).
Von da ist es nur ein kleiner Schritt zum Genfer See. Aber ein großer Schritt für die Menschheit.

eulenfurz hat gesagt…

Und Mannichl? Küchenfee Zschäpe hat bestimmt das Lebkuchenmesser zugeliefert!

Volker hat gesagt…

"Und Mannichl? Küchenfee Zschäpe hat bestimmt das Lebkuchenmesser zugeliefert!"

Ja klar!
Hat sie selbst zugegeben.

Le Penseur hat gesagt…

@PPQ:

Ich stehe, offengestanden, jetzt zwar nicht mundlos, aber etwas fassungslos da. Und ein déjà-vu der beliebten Heimatschnulze »Du kannst es nicht ahnen, du munteres Rehlein du!« (die, wie ich einmal in einem Interview las, von Autor und Komponist als Total-Verarsche der heimatfilmsüchtigen Kinogänger geplant war, sich aber dann als leider ernstgenommener Kassenschlager erwies) kommt mir hoch.

Irgendwie müssen doch die Referenten im BKA mittlerweile schon prustend unter den Schreibtischen liegen, wenn die lesen, welchen Scheiß (pardon l'expression) die Zeitungen ohne mit der Wimper zu zucken, einfach abdrucken ...

@Volker:

PPQs Artikel ist wirklich Spitze — aber Ihr Mostrich-Posting toppt ihn vielleicht noch! Ich erlaube mir, dieses Juwel auf meinem Blog zu zitieren. Danke!

Anonym hat gesagt…

@Denker
Es ist mir eine Ehre.

VS

M. Manie hat gesagt…

Hach ja: Silvesterabend! Da knallt's doch sonst nie, oder? Lange Leitung haben, ist offenbar schwer angesagt. Kurzes Gedächtnis sowieso? Aber was tut man nicht alles, damit man durch allerhand Sender geistert? Strip-Tease bringt's wohl nicht mehr? - Ausziehen! Ausziehen! Ausziehen!