Sonntag, 10. März 2013

Zur Wiedergeburt gibts Fischkoppfilet


Das wars dann mit dem Abstieg. Eben noch steckte der Drittliga-Aufsteiger HFC knietief im Abstiegssumpf, nach vorn ungefährlich, hinten unsicher und auf der Bank zunehmend ratlos. Und nach nur 15 Minuten im Heimspiel gegen den alten DDR-Oberligarivalen Hansa Rostock ist das alles vorbei, erledigt und fast schon vergessen.

Denn da steht es 2:0 für den Gastgeber, der die Küstenkicker zum ersten Mal seit 22 Jahren wieder im heimischen Stadion begrüßen darf. Vor mehr als zwei Jahrzehnten hatten sich die Pfade der beiden traditionellen Mittelklassevereine der DDR getrennt: Hansa, einst als Empor Lauter im Erzgebirge erfolgreich, fand pünktlich mit der deutschen Fußballeinheit zurück zu alter Stärke und schaffte den Sprung in die 1. Bundesliga. Der HFC aber tauchte tief und tiefer in die Abgründe des Amateurfußballs und schaffte erst nach vielen dürren Jahren in der 5. Liga wieder den Sprung zurück ins Profilager.

Trotzdem ist die Begegnung der alten Bekannten kein Klassentreffen, sondern Klassenkampf. Hansa will wieder in die 2. Liga zurück, Halle nach einem trüben Herbst im Tabellenkeller nur irgendwie die erste Drittliga-Saison in der 3. Liga überstehen. Fünf neue Leute kamen im Winter, gegen Hansa stehen alle fünf von Beginn an auf dem Rasen - und diese fünf werden es nach 90 Minuten auch sein, die den Unterschied zu der Mannschaft gemacht haben, die vor allem mit einer apokalyptischen Heimbilanz sicher unterwegs schien, die Rückkehr in die Regionalliga klarzumachen.

Aber seit Januar ist alles anders. Traf die Elf von Trainer Sven Köhler bis Weihnachten nur durchschnittlich 0,82 Mal pro Spiel, stieg diese Quote hauptsächlich dank der Neuverpflichtung des finnischen Stürmers Timo "Fury" Furuholm auf 1,5 Tore pro Spiel. Zugleich sank die Quote der Gegentore, in der Hinrunde noch bei 1,455 Gegentore pro Spiel, mit den neuen Stammkräften Ziebig und Kojola auf nur noch 0,83 - fast schon logischerweise gelang es so, aus den letzten sechs Spielen 13 von möglichen 18 Punkten zu holen.

Auch gegen Hansa stottert der Motor der Rotweißen nur ein paar Minuten. Zweimal spielen die Norddeutschen gefährlich nach vorn, echte Torchancen aber ergeben sich nicht daraus. Ganz anders auf der Gegenseite: Schon die erste HFC-Ecke nach fünf Minuten segelt gefährlich aufs Tor von Brinkies. Nach nur zwölf Minuten darf die HFC-Kurve, die das Spiel mit einer Mundart-Choreografie unter dem Titel "Wir sind Halle, Aas" vorgeheizt hatte, zum ersten Mal jubeln. Nach einem tapferen Solo von Toni Lindenhahn flankt Neuzugang Daniel Ziebig auf Neuzugang Timo Furuholm. Der köpft und trifft.

Während Hansa noch in Schockstarre verharrt, ist der HFC schon wieder da. Diesmal lässt sich Dennis Mast auf Linksaußen foulen, der erstmals wieder aufgebotene Kapitän Maik Wagefeld zirkelt den Ball in den Fünfmeter-Raum. Und hier steht Marco Hartmann, der den von Brinkies' Körper abprallenden Ball aus einem Meter über die Linie drückt.

Noch ist keine Viertelstunde vergangen und die Kogge scheint wirklich schon versenkt. Ungerührt singen die mitgereisten 1.200 unter den insgesamt knapp 13.000 Zuschauern im ausverkauften früheren Kurt-Wabbel-Stadion ihre Mannen nach vorn, doch gefährlicher sind die Konter der Rotweißen, etwa als eine Flanke von Dennis Mast nur haarscharf nicht senkrecht ins Tor fällt, sondern von der Latte ins Aus springt.

Aber Hansa ist noch da, auf einmal wieder. In der 20. Minute gelingt den Rostockern ein Dribbling bis an die Grundlinie, Ruprecht kommt zu spät, um die Flanke abzuwehren, Kojola steht innen zudem zu weit weg von Plat und der netzt aus einem Meter ein.

An dieser Stelle spätestens hätte in der Hinrunde das große Bangen eingesetzt. Reicht der Vorsprung? Wenigstens für einen Punkt? Nicht so heute. Auch nach dem Anschlusstreffer macht der HFC nie den Eindruck, als fürchte er um den Sieg ganz im Gegenteil. Zwar brennen Ziegenbein und Co. kein Offensivfeuerwerk ab, aber sie behalten das spiel fest im Griff. Das wird belohnt. Nach einem Freistoß, diesmal auf der rechten Seite, ist es erneut Timo Furuholm, der den von Daniel Ziebig getretenen Ball aus nächster Nähe ins Tor köpfen kann. Als Hansa-Spieler Haas direkt im Anschluss daran auch noch Rot sieht, weil er Ziebig im Mittelfeld von der Seite umsenst, ist der Kuchen gegessen. Und zum Nachtisch gibt es heute Fischkoppfilet.

Auch wenn ein Hansa-Abwehrspieler Dennis Mast noch bei einem Abwehrversuch im eigenen Fünf-Meter-Raum die Nase bricht und der Elfmeterpfiff ausbleibt. Auch wenn Lindenhahn 4:1 wegen Abseits nicht anerkannt wird. Und auch wenn die Hansa-Fans kurz nach Wiederanpfiff noch mit Hilfe von Nebeltöpfen und bengalischen Feuern versuchen, einen Spielabbruch zu provozieren: Es reicht zum fünften Sieg im siebten Rückrundenspiel, zu Buche stehen jetzt 16 von 21 möglichen Punkte seit Rückrundenstart. So spielt kein Absteiger, so spielt genaugenommen ein Aufsteiger wie der Vergleich mit den Zahlen von Tabellenführer Karlsruhe zeigt. Über den gesamten Saisonverlauf holten die Badener zwei Punkte pro Spiel. Halle liegt im Spieljahr 2013 bei 2,28.

Etappensieg mit Fußballfön

4 Kommentare:

Gustaf Fröhlich hat gesagt…

.. da darf sich der Rostocker in Schloß Bellevue jetzt über den ChemieFuror beklagen!

derherold hat gesagt…

"So spielt kein Absteiger, so spielt genaugenommen ein Aufsteiger..."

So isse, die typische Hallorenkugel: Gestern noch zu Tode betrübt, heute schon größenwahnsinnig ! ;-)

Irgendwann habe ich mal lautern gehört, daß Empor nach Rostock ging, weil sie da schon einen Tisch fanden.

Anonym hat gesagt…

16 von 21 möglichen Punkten.

Borsig hat gesagt…

GeschichteN schreiben immer die Sieger. (Frei nach B. Brecht)

In der Summe war es ja nur ein Unentschieden !