Sonntag, 9. Dezember 2012

Sternstunden der Demokratur: Wahl ohne Auswahl

Nein, es geht nicht darum, wer den längsten hat. Sondern darum, wer die meisten bekommt. Nach Angela Merkels Honecker-Gedächtnisergebnis von 97,94 Prozent bei der Kür zur Kanzlerkandidatin der CDU zieht die SPD nun entschlossen nach. Peer Steinbrück, ein Arbeiterführer von altem Schrot uns Korn, tritt an, sich von den Delegierten des SPD-Parteitages mit mindestens demselben Stimmenergebnis auf den Sockel heben zu lassen.

Murmeltiertag in Hannover. Die Halle ist dieselbe, die Deko zwar rot statt blau, aber die Kandidatenlist genau so überschaubar. Ein Kandidatenname reichte der CDU, um einen "Wahl" abzuhalten, ein einziger Name reicht auch der SPD, ganz Mediendeutschland davon zu überzeugen, dass es einen ganz grundsätzlichen Unterschied zwischen dem vielkritisierten Zettelfalten bei den in der DDR üblichen Blockwahlen und der unendlichen Freiheit der Wahl für jeden Parteitagsdelegierten gibt, Steinbrück entweder zu wählen. Oder nicht zu wählen.

Diese Art künstlich inszenierter Kür ist augenscheinlich "alternativlos" (Merkel), soll vermieden werden, dass Meinungsstreit und verschiedene Ansichten, Lagerkampf und interne Differenzen an die Öffentlichkeit dringen. Der Feind hört mit, der Gegner wartet doch nur darauf. War es im Kalten Krieg üblich, mittels „Faltens“ alle vom Politbüro festgelegten Kandidaten zu "wählen", um ein "einhelliges Bekenntnis der Bevölkerung zu den Kandidaten der Nationalen Fornt" zu simulieren, stellt sich Peer Steinbrück ohne Gegenkandidaten zur "Wahl" des Kanzlerkandidaten, um Einheit und Geschlossenheit der deutschen Sozialdemokratie durch ein möglichst hohes Stimmenergebnis vorspielen zu können.

Wie seinerzeit vom Politbüro wurde der Ausgang der Abstimmung zuvor von jedem Zufallselement befreit. Der Parteivorstand führt Regie bis zum Ergebnis, das demokratische Verfahren der Wahl eines Kandidaten findet sich wieder als reine Proklamations-Veranstaltung. Aus der Wahl, dem heiligen Akt der Demokratie, wird Demokratur, ein übles Schauspiel für Fernsehkameras und Qualiotätszeitungskommentatoren, bei dem der anbfangs wenigstens noch pro forma geplante Punkt "Aussprache zur Ansprache des einzigen Kandidaten für das Amt des Kanzlerkandidaten" kon sequenterweise kommentarlos aus der Tagesordnung getilgt wird..

Kein Widerspruch möglich. Wer keine Wahl hat, hat immerhin auch keine Qual. Sich nicht entscheiden zu sollen, weil schon entschieden worden ist, heißt auch, sich nicht entscheiden zu müssen. Sicher ist sicher, sagen Männer, die damit Erfahrung haben, wie gern das Volk sich so betreuen lässt. "Zunächst möchte ich feststellen, dass ich das natürlich für grundlegend falsch halte, diese Wahlen als Pseudowahlen zu bezeichnen", begründete etwa Erich Honecker, warum auch unter seiner Leitung schon alles äußerst demokratisch zuging, obwohl auch damals Wahl nicht Auswahl bedeutete, sondern Zustimmung oder Staatsfeind. "Immerhin war doch die Möglichkeit gegeben, in Vorbereitung der Wahlen Einfluss zu nehmen, auch auf die Aufstellung der Kandidaten."

Noch mehr Nebeneinkünfte von Steinbrück? Der Mann, der im Fernsehen als Peter Haber Martin Beck war
Endlich! Steinbrück stellt Kompetenzteam vor

14 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Besonders ironisch ist, daß dieses undemokratische Prozedere vor der Statute von Willy "mehr Demokratie wagen" Brandt seinen Ausgang nahm: http://mosereien.wordpress.com/2012/11/11/spd-kanzlerkandidat/

ppq hat gesagt…

besser so mosereien

Friederich hat gesagt…

Ach kommt, seid nicht kleinlich. Zu Zeiten, wo FDJ-Funktionärinnen in der CDU nordkoreanisch anmutende Wahlergebnisse erreichen, kann natürlich auch die andere große Volkspartei nicht abseits stehen und auf einmal einen auf Demokratie machen.

ppq hat gesagt…

also bei den prozenten hat sie ja die nase vorn - näher dran an honecker, eindeutig. aber beim applaus bin ich nicht sicher. wurde der bei der cdu auch wie heute bei phoenix allen ernstes mit der stoppuhr gemessen wie damals, als sich die genossen noch von ihren plätzen erhoben und langanhaltenden, wahlweise auch stürmischen beifall spendeten? wenn ja, dann müsste man die beiden messwerte mal nebeneinanderlegen, um zu wissen, wer von den beiden blutleeren pappkameraden mehr zügellose, orgiastische ausgelassenheit zu erzeugen versteht

eulenfurz hat gesagt…

"Murmeltiertag in Hannover."

Eher Problem-Peer-Tag.

derherold hat gesagt…

"wie damals"

Ich sagte Mitte der 90iger zu einem ehem. SED-Mitglied, daß es zwei Unterschiede beim Medienapparat damals/heute gäbe: 1. diesmal machen sie es freiwilig und 2. diesmal gibt es Westgeld

ppq hat gesagt…

und mit welcher begeisterung sie mitmachen! ich bin immer wieder richtig konsterniert

ppq hat gesagt…

merkel hatte 7.41 min beifall, steinbrück 11 min

es ist unfassbar und klingt wie eine nachricht aus der sowjetunion der 70er jahre, aber die "medienvertreter" haben das wirklich gestoppt

Friederich hat gesagt…

Es könnte immerhin, wenn in der EUdSSR erst Zustände wie in der Sowjetunion der Dreißiger oder Fünfziger herrschen, eine Situation eintreten, wo man sich nach Zuständen wie in der Sowjetunion der Siebziger sehnt.

Anonym hat gesagt…

Daß die das alles freiwillig und mit Begeisterung machen ist auch verständlich.- Denn diese ganzen Gutmenschenrituale gehören zu den wenigen noch wirksamen Analgetika. – Sie machen für wenige Momente schmerzfrei, flössen sogar Behagen und Wohlempfinden ein. Sie betäuben den ungeheuren Schmerz, den das Bewusstsein ungeheurer, singulärer Schuld permanent hervorruft. – Eine Schuld, deren gigantische, unaussprechliche Schwere nicht Generationen werden tilgen können. – Schuld, deren Mannigfaltigkeit schon kaum übersehbar ist , die sie ja nicht nur aus unserer angeborenen braunen Erbschuld, sondern auch aus Schuld am Zeh-Oh-Zwo, Ozonloch, Waldsterben, Aids, Patriarchat, Kolonialismus, Kapitalismus und und, und, besteht.

derherold hat gesagt…

@Friederich, es gab in den 80igern einen konservativen Publizisten, v. Schrenck-Notzing, der sagte, man errege sich so über die "spießigen, vermufften 50iger". Vielleicht sei man in Bälde froh, wenn man die Redefreiheit wie in den 50igern (West) hätte.

"Zustände wie in der UdSSR in den 30igern" ... glaube ich nicht. Man will ja wohl doch eher etwas kommod leben.

Es wird eher wie in der DDR in den 80igern. Nur diesmal wird die EKD 120%-ig auf Seiten des Regimes stehen.

derherold hat gesagt…

"...aus unserer angeborenen braunen Erbschuld... Patriarchat... Kapitalismus"

Komisch, ich habe den Eindruck, daß z.B. Josef F. mit dieser "Erbschuld" und "Beraterverträgen" von Konzernen und einer einer sehr viel jüngeren Ehefrau ganz gut leben kann.

Hier geht es um Macht, um "Disziplinierung der Massen" und ganz schnödes schmieriges Mitläufertum.

Zorgnax hat gesagt…

"merkel hatte 7.41 min beifall, steinbrück 11 min"
Heißt das jetzt, daß Peer die Saalwette gewonnen hat?

Anonym hat gesagt…

Man hat offfenbar aus den Fehlern der DDR 1.0 gelernt. Ergo wird die DDR 2.0 wesentlich raffinierter und hinterhältiger aufgezogen. Vor allem die Dicke der Salamis für die gleichnamige Taktik ist wesentlich geringer. - Die pseudoreligiöse Unterfütterung ist ebenfalls geschickter. Durch Installation von Klima-Muku-Antifa--Gender-Katechismen, und die Selbst-Inszenierung der Nomenklatura als große Erlöser und Heilsbringer, schluckt der Pöfel diese "alterntivlosen Paradigmen" viel bereitwilliger als weiland in der Ur-DDR. - Das Bundes-Stimmvieh wird seine Ketten mit immer glühenderer Inbrunst lieben und seine Sklavenhalter immer abgöttischer verehren. Als strahlendste Held_In aller Zeiten wird die "€uro-/Klima/Frau_Innen/Energie/Zukunfts-Retterin in Geschichte eingehen.