Donnerstag, 13. Dezember 2012

Mannichl: Jahrestag beim Weihnachtsmärchen


Es war eine Art Probelauf und mutet aus vier Jahren Entfernung an wie ein Versuch, herauszufinden, wieviel ungereimter Unsinn unwidersprochen und ungestraft in die Öffentlichkeit verklappt werden kann. Viel, das war das Ergebnis, an dem die öffentliche Aufarbeitung des Überfalls auf den Passauer Poizeipräsidenten Alois Mannichl keinen Zweifel ließ.

Es war der 13. Dezember vor vier Jahren, manch älterer Mitbürger erinnert sich noch daran, als der Führungspolizist an seiner Haustür mit einem Messer angegriffen wurde. Nach Aussagen des Opfers rief der Täter „Du trampelst nimmer auf den Gräbern unserer Kameraden herum“. Dann stach er ansatzlos auf ihn ein.

Es begann ein Weihnachtsmärchen, das bis dahin seinesgleichen suchte. Nach Beschreibungen Mannichls suchte die Polizei nach einem Täter, der ein grünes Schlangenmotiv ins Gesicht tätowiert hatte. Als Tatwaffe wurde ein Lebkuchenmesser ausgemacht, dass der Täter planmäßig auf einer Fensterbank des Mannichl-Hauses gefunden hatte. Nachdem eine Nachbarin die Sichtung eines Autos mit mehreren Mitfahrern an einer entfernten Tankstelle gemeldet hatte, nahm die 50-köpfige Sonderkommission "Fürstenzell" ein paar vorbestrafte Neonazis öffentlichkeitswirksam fest.

Der bayrische Innenminister Hermann sah im feigen Stich des Lebkuchenmessers eine "neue Qualität rechten Terrors", eine ganze Medienrepublik quitschte vor Vergnügen über die unverhofft in die stille, nachrichtenarme Vorweihnachtszeit brechende Geschichte vom tätowierten NPD-Kader. Die Politik tat, was sie stets tut: Sie begann eine pflichtschuldigst die übliche Diskussion über ein NPD-Verbotsverfahren.

Die Ermittlungen aber stockten. Der Schlangentattoonazi konnte nicht gefunden werden. Die in Haft genommenen Nazis aber kamen wieder auf freien Fuß - Verfassungsschützer hatten sie zur Tatzeit beschattet und konnten bezeugen, dass sie sich nicht in der Nähe von Mannichls Haus aufgehalten hatten. Zum Jahreswechsel 2008/2009 wurde die Sonderkommission „Fürstenzell“ aufgelöst, die Politik verstummte, die Medien begannen, sich anderen Themen zu widmen: Der islamistische Terror, Salafisten gab es damals noch nicht, bedrohte Deutschland.

Mit der Zahl der Verlautbarungen der Ermittler fuhr auch das Opfer die Anzahl seiner Äußerungen zurück. Die zugewachsene Wunde im Polizeichef wurde nun auf Ernsthaftigkeit geprüft. Das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) setzte eine Belohnung von 20.000 Euro für Hinweise auf die Täter aus, weigerte sich aber trotz eines Tipps, der zweifellos zur Ergreifung der Schuldigen geführt hätte, die Summe an PPQ auszuzahlen.

Stattdessen gingen die Fahnder nach dem vierten Neuschnee und der dritten Tauphase daran, Spuren in Tatort-Nähe zu sichern. Zigarettenkippen, Speichelspuren oder Visitenkarten wurden eingesammelt, ehe die Sonderkommission von 50 auf 30 Beamte verkleinert und nach München verlegt wurde. 3000 Hinweise waren gesammelt, 2100 Zeugen vernommen worden. Die Staatsanwaltschaft sprach jetzt von „merkwürdigen“ Tatumständen, liebevoll sprechen Reporter von einer "offiziellen Version" der Tat. Als gäbe es noch eine inoffizielle. Mit dem letzten Schnee fällt den Leitmedien schließlich kollektiv auf, dass "Theorien, mal mehr mal weniger abstrus, ins Kraut" geschossen seien.

Eine kam noch, mit großem zeitlichen Abstand. Ein halbes Jahr nachdem der Fall "vorerst zu den Akten gelegt" worden war, flog die Terrorzelle NSU auf. Nun prüfte das Landeskriminalamt Bayern eine mögliche Verbindung zwischen den rechtsextremistischen der Zwickauer Terrorzelle und der Messerattacke auf Mannichl. DNA-Spuren, die es bis dahin gar nicht gegeben hatte, wurden verglichen, Alois Mannichl äußerte Hoffnungen, sein Fall werde nun doch noch aufgeklärt. Doch so laut die Spur auch beworben wurde, sie führte nicht zu neuen Erkenntnissen. Alois Mannichl arbeitet heute in leitender Funktion bei der Kripo im Polizeipräsidium in Straubing. Der Phantomnazi ist weiter auf der Flucht.

2 Kommentare:

eulenfurz hat gesagt…

Es gibt auch noch eine Verbindung des NSU zum Reichsflugscheibenministerium und den Mayas und bis tief in die Hohlerde. Und eine geheimnisvolle Telefonnumer direkt in die Hölle:

322 1488 28 18

Anonym hat gesagt…

Immerhin hat uns der geplagte und geschundene Polizeipräsident eine Bereicherung gebracht, genauer der deutschen Sprache einen Neologismus, nämlich das "Mannicheln". Ähnlich wie uns ein mindestens ebenso phantomöser "NS-Untergrund" den griffigen Terminus des "Dönermordens" bescherte. Dass unsere Muttersprache damit präziser und denotativer wird, muss rundweg begrüßt werden. -
Dank also euch Mannichls und NSUs für euer sprachbereicherndes Wirken.