Freitag, 2. November 2012

Der Segen der Mega-Enteignung

Ab und zu und immer öfter klingen die Beiträge in der Qualitätspresse, als habe ein böser Geist die Autoren befallen und das zwinge sie nun, wider besseren Wissen Unsinn aufzuschreiben. Satireblätter wie die „Frankfurter Rundschau“ verstehen sich besonders gut darin, an der Bar jeder Vernunft in großen Schlucken zu trinken und ihren Mageninhalt dann – kurz anverdaut – über ihrem Publikum auszugießen.

Es sind Sternstunden des Wahnsinns, in denen Männer wie Stephan Kaufmann den „Kampf gegen die Krise“ schildern und dabei auf einen „Mangel an Inflation“ stoßen. Die Weltwirtschaft schwimme im Geld, zählt der Autor auf, die Zentralbanken druckten Scheine, bis die Pressen glühen - doch der Erfolg bleibe mäßig. „Von Inflation fehlt momentan jede Spur“, flunkert Kaufmann, der einen Namen trägt, der vermuten lässt, dass seine Vorfahren einst rechnen konnten. Er selbst aber kann es offenkundig nicht.

Denn Kaufmann schaut, so macht man das als Zauberkünstler, der nicht möchte, dass die Leute im Saal den Trick erkennen, in seiner tapsigen Analyse ausschließlich auf die nominalen Inflationsraten. Die Gleichung „mehr Geld – mehr Geldentwertung“ gehe diesmal nicht auf, weil das frische Geld bei den Zentralbanken liegenbleibe. Damit entstehe keine Inflation, flunkert Stephan Kaufmann, dabei „könnte die doch viele positive Effekte haben!“

Im Lehrbuch für Krisen-PR sollte das Werk des Wirtschaftsliteraten ein eigenes Kapitel bekommen. Elegant umschifft der Autor die Tatsachen, um die Lehre von der „guten Inflation“ an den Mann zu bringen. Deutschland brauche so um die vier Prozent, empfehle ein Experte des Internationalen Währungsfonds. So wie Kaufmann das schreibt, klingt es, als wäre das weit, weit weg von den zwei Prozent, die Deutschland derzeit hat.

Doch ist das so? Mitnichten. Denn zwischen blanken Inflationsprozenten, wie sie Kaufmann verwendet, und wirklicher Teuerungsrate liegen Welten. Nach dem Mauerfall zum Beispiel ertrugen die Deutschen Inflationsraten von vier bis fünf Prozent im Jahr. Allerdings lagen die Zinsen für Geldanlagen damals bei acht Prozent, selbst ein simples Sparbuch warf fast so viel ab wie die Geldentwertung im selben Zeitraum vernichtete.

Inzwischen sieht das anders aus. Guthabenzinsen bei Banken liegen in der Nähe von einem halben Prozent, Staatsanleihen werfen allenfalls noch ein Prozent ab. Die Inflationsrate aber steht bei um die zwei Prozent - 4,8 Billionen Euro Geldvermögen, über die die Deutschen derzeit verfügen, werden so jedes Jahr nominal nicht weniger. Aber in Kaufkraft gerechnet ist das Geldvermögen rund 90 Milliarden weniger wert.

Eine „Mega-Enteignung“ nennt es der „Focus“, der Stephan Kaufmanns wegweisenden Beitrag wohl nicht gelesen hat und immer noch darauf beharrt, dass die reale Inflationsrate das ist, was sich zwischen Anlagezins und Geldentwertung abspielt. Wo der Mann von der FR sich nach noch mehr Inflation sehnt, weil er ja derzeit überhaupt keine sehen kann, sieht der „Focus“ einen „hinterlistigen Anschlag auf die privaten Sparvermögen“. Angezettelt von den europäischen Regierungen, tatkräftig unterstützt durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) führen die Chefetagen im europäischen Haus eine Strategie, die minimale Guthaben-Zinsen mit moderater Inflation kombiniere. Und die Völker damit enteigne, ohne dass die es überhaupt mitbekommen.

Auch dank aufklärender Expertenartikel wie dem von Stephan Kaufmann, dem als Lösung für die Krise die alten Rezepte der IG Metall aus den 80er Jahren einfallen: Möglichst hohe Lohnabschlüsse, daraus resultierende steigen die Preise in Deutschland, dadurch verlöre Deutschland endlich an Wettbewerbsfähigkeit, seine Importe steigen stärker als seine Exporte, denn die europäischen Krisenstaaten sind nun gefragte Lieferanten…

9 Kommentare:

Thomas hat gesagt…

Ja, bloß 4 Prozent! Dann wäre das Guthaben nach 12, 13 Jahren immer noch die Hälfte wert! Ich meine, man müßte das einfach positiver sehen. Denn es sind ja nicht nur die Guthaben die verschlankt werden, es werden ja auch andere Güter teurer, dank der innovativen Energistrategien unserer Regierungsberechtigten.

ppq hat gesagt…

völlig richtig. und es erspart dem staat, das ganze geld einzusammeln! was das wieder spart!

Anonym hat gesagt…

Die Entwicklung der Kaufkraft ist ja nicht nur von der Inflation sondern auch von der Lohnentwicklung abhängig. Wenn nun Lohnabschlüsse in D (bspw. durch lohnpolitische Maßnahmen wie einen Mindestlohn) erreicht werden, die oberhalb des Inflationsziels liegen, dann gewinnen lohnabhängig Beschäftigte an Kaufkraft. Das wäre ein Szenario, dass der vergangenen Dekade diametral entgegenstünde. Für Kapitaleinkünftler wäre dieses Szenario weniger schön, allerdings wurde diese Klasse zuletzt mehr als genügend gehätschelt (Bankenrettungen, Steuersenkungen etc.). Jetzt ist es eben an der Zeit, dass die Lohnquote wieder steigt.

Anonym hat gesagt…

"Kaufmann" kann durchaus auch von einer Verballhornung des harmlosen Vornamens "Jakob" stammen.

derherold hat gesagt…

"vergangenen Dekade diametral entgegenstünde"

Es wäre hilfreich, wenn man sich wenigstens mit den Aussagen des eigenen Lagers kongruent auseindersetzte. Hätte Genosse Flaßbeck Recht und hätte die dt. Inflationsrate weit unter einem angeblichen EU-Ziel von 2% gelegen, könnte die Inflation nicht über den Tarifabschlüssen gelegen haben.

Es gibt nicht DIE lohnabhängig Beschäftigten: Mit der "levée en masse" der eingewanderten Deklassierten und ihrer Integration auf dem Arbeitsmarkt ab 2002 ist selbstverständlich die Lohnentwicklung des unteren Drittels beeinträchtigt worden. Daß Einwanderer als Lohndrücker fungieren, dürfte allgemein bekannt gewesen sein.

Daß "der einfache Lohnabhängige gar nichts vom Aufschwung in seiner Tasche gespürt", sollte auch nicht überraschen, da ab 2002-06 das Wachstum des BIP bei 1,5-2% p.a. lag, der Anstieg der Steuereinanhmen aber bei 3-4%.

derherold hat gesagt…

Bei 2-3% Inflation - also nich unterhalb der vom Propagandapparata herbeijubilierten Inflationsrate von 4%, bliebe den Gewerkschaften gar nichts anderes übrig, als Lohabschlüsse von >5% zu fordern ... was wiederum zu einer Steigerung der Inflation führen dürfte.
Hierzu dürfte immer noch "adapative (Inflations-)Erwartung" einschlägig sein, insbesondere "autoregressiv".

"Für Kapitaleinkünftler wäre dieses Szenario weniger schön"

Warum ? Anzunehmen, daß "die Reichen" ihren Zaster in staatsfinanzierende Versicherungsverträge angelegt hätten, ist leicht naiv. Da sei(en) hedge fonds, bonds und Unternehmensanteile vor: Selbstverständlich werden Immobilien, Gold, DAX&Co. bei steigender Inflation ebenfalls steigen, quod erat demonstrandum.

Volker hat gesagt…

Seien wir ehrlich, noch spüren wir nicht viel von Inflation.
Aber sie kommt, daran gibt es keine Zweifel. Die absurde Staatsverschuldung kann nur bedient werden mit frisch gedrucktem, ungedecktem Geld.
Die Frage ist nur, wann es losgeht. Und auf welche Rate wir und einstellen müssen.

Neben dem verblogrollten Bankhaus Rott gibt auch Frank Schäffler einen Blick in die Zukunft; z.B. in seinem
Blog und in seinen Kolumnen bei Wallstreet-Online:
"Das ist eine Mammutaufgabe. Eine Aufgabe ähnlicher Größenordnung hatte Gosplan, die zentrale Planungsbehörde der Sowjetunion. Gosplan und die sowjetische Zentralverwaltungswirtschaft sind am Ende gescheitert."

eulenfurz hat gesagt…

Nunja, übervolle Auftragslage bei doppelt so hohen Preisen, wie noch vor drei Jahren - das ist mein subjektives Empfinden. Ob das Inflation ist? Zumindest scheint jeder seine Euros rauszupfeffern, und man selber weiß gar nicht, wo man diese Euroberge sinnvoll anlegen soll, weil alles Sinnvolle seit drei Jahren mindestens doppelt so teuer geworden ist.

Irrenhaus!

ppq hat gesagt…

@ volker: die hohe kunst ist ja, niemanden etwas spüren zu lassen. siehe der frosch mit der maske