Samstag, 4. August 2012

Die Dritte-Liga-Mischmaschine

Die schlechteste Mannschaft der 3. Liga zu Gast bei der besten Ostmannschaft, der Aufsteiger aus Halle empfängt den Platzhirsch aus Erfurt, die Fanlager sind befreundet, der Himmel ist blau, das Kurt-Wabbel-Stadion prallvoll und 11.326 Zuschauer erwarten ein Fest von diesem ersten Punktspiel gegeneinander seit 20 Jahren.

"Wir mischen die 3. Liga auf!" plakatiert die Fankurve zum Einmarsch der Mannschaften. Und genau so kommt es auch. Im 3. Spiel in der 3. Liga kommt der HFC von Anfang an besser ins Spiel als die nach zwei Auftaktniederlagen bereits schwer verunsicherten Thüringer. Über Wagefeld und Hartmann tragen die Gastgeber erste vorsichtige Angriffe vor, Zählbares kommt nicht heraus, aber es ist deutlich zu spüren, dass die erstmals in unschuldigem Weiß aufgelaufenen Männer von Trainer Sven Köhler entschlossen sind, die Gunst der Stunde zu nutzen und die nächsten drei Punkte einzufahren.

Dabei vertraut Köhler wieder auf Dennis Mast auf Linksaußen, in der Abwehr stehen nach den Verletzungsausfällen von Eismann und Becken wie im Vorjahr Mouaya und Kanitz. Bis zur 20. Minute gibt es trotzdem nur eine wirklich große Chance, als Hartmann frei am langen Pfosten stehend vorbeiköpft. Dann aber der Auftritt von Nils Pichinot, dem Neuzugang aus Jena: Nach einem langen Ball aus dem Mittefeld spurtet er auf links Richtung Grundlinie, eigentlich ohne Chance, den Ball noch zu erreichen. Aber Erfurts Torhüter Sponsel will auf Nummer sicher gehen - und holt den Hallenser von den Beinen.

Elfmeter, ein völlig neues Gefühl für die Hallenser, die in der vergangenen Saison nicht nur die fairste Viertligamannschaft waren, sondern auch die, die die wenigstens Strafstöße zugesprochen kam. Maik Wagefeld aber, neuer Kapitän in Halle, stört das gar nicht. In der 21. Minute tritt er an und verwandelt sicher.

Der nächste Schock für Erfurt, auch wenn die mitgereisten 1300 Fans aus der aus unbekannten Gründen in Fußballreportagen stets "Blumenstadt" genannten Thüringer Landeshauptstadt weiter kämpferisch Lärm machen. Halle spielt jetzt breiter, Erfurt aufgeregter. Nur nach den wenigen Ecken kommt ein Hauch Gefahr auf, ansonsten haben Hartmann, Wagefeld, Ruprecht und Mouaya die Sache fest im Griff. Bemerkenswert: selbst der kleine Kanitz gewinnt die meisten Kopfballduelle gegen die Männer in Dunkelblau.

Das ändert sich erst nach der Pause, als Halle versucht, die Gäste kommen zu lassen, um kontern zu können. Mehrmals brennt es jetzt lichterloh vor Torwart Darko Horvat, der allerdings immer souverän klären kann. Bis zur 52. Minute. Ein Schuss von der Strafraumgrenze kommt so scharf, dass Horvat ihn nur nach vorn wegfausten kann, direkt in die Füße eines heranstürmenden Erfurters. Der zieht aus drei Metern sofort ab. Und schießt - schon rein physikalisch ein Wunder - am Tor vorbei.

Jetzt ist es, als würde das Team von Trainer Emmerling spüren, dass hier heute auch wieder nichts geht. "Wir ham die Schnauze voll", brüllt es aus dem Gästeblock, ein Bierbecher fliegt. Aber auch die vielen, vielen erst in den letzten Erfolgsmonaten neu zum HFC gestoßenen Zuschauer sind nicht recht zufrieden. "Da muss viel mehr kommen", fordern sie, "der muss den Mast rausnehmen" und "was der Hartmann an Fehlpässen spielt!"

Hartmann ist eigentlich Wagefeld, Mast macht eigentlich ein gutes Spiel. Er ist es, der eine Ecke herausholt, die der eingewechselte Müller tritt. Wagefeld leitet nach innen weiter, wo Ruprecht steht, der aus Nahdistanz mit dem Fuß einstochert. 2:0 in der 75. Minute, das wars auch schon, sagen die hängenden Köpfe der Erfurter.

Nur für Halle war es das noch nicht, denn jetzt kommt die 3.-Liga-Mischmaschine erst richtig auf Touren. Lindenhahn wird von Pichinot wunderbar freigespielt und läuft allein auf Sponsel zu, der den Schuss des kleinen Hallensers, aus dem wohl nie mehr ein Torschützenkönig werden wird, mit der Fußspitze pariert. Dann Freistoß für den HFC von halbrechts, Wagefeld legt sich den Ball zurecht, die kundigen Neuzuschauer diskutieren einen Linksschuss in den linken Winkel. Wagefeld hat nicht zugehört - er schießt mit rechts direkt in den rechten Winkel.

3:0, noch ein Treffer bis zur möglichen Tabellenführung. Sven Köhler bringt Philipp Zeiger, einen weiteren Neuzugang. Der ist keine zwei Minuten auf dem Platz, als er über das selbstgemachte 4:0 jubeln kann. Zumindest ein paar Sekunden, dann wird auch dem langen Langhaarigen klar, dass der Treffer nicht zählt, weil der Linienrichter ein Abseits gesehen haben will. Ist aber auch egal, denn die Liga ist auch so aufgemischt. Platz 3, besser in einer Profiliga stand der HFC seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht. Erfurt hat sich aufgegeben, die Köpfe hängen, es wird foulgespielt, wo es geht. Noch mehr Bierbecher fliegen. Dann ist Schluss und, wirklich, die Gästefans pfeifen ihre Männer aus und applaudieren den Spielern mit dem HFC-Logo auf der Brust.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Ecke zum 2:0 wurde von Anton Müller getreten, der für Telmo Teixera kam. Verlängert wurde diese Ecke von Maik Wagefeld, welcher somit an jedem Tor heute direkt beteiligt war.
Ansonsten wieder einmal ein netter und toller Bericht.

ppq hat gesagt…

habe es geändert. mir war ja auch so, aber die leitmedien...

man soll sich daran nicht orientieren, nie

Anonym hat gesagt…

"aus unbekannten Gründen in Fußballreportagen stets "Blumenstadt" "

iga?
http://www.erfurt-web.de/Blumenstadt_Erfurt_-_iga-Jubil%C3%A4um

ppq hat gesagt…

nachdem die bundesgartenschau ja wegen kohls blühbefehl seit 20 jahren durch den osten tingelt, müssten hier langsam alle städte blumenstadt heißen