Samstag, 13. August 2011

Lob des Sozialismus

Die ehemalige FDJ-Zeitung "Junge Welt", die ihre Mitarbeiter schlechter bezahlt als imperialistische Fastfood-Ketten aus dem einzigen verbliebenen Reich des Bösen, hat nun auch begriffen, wie Marketing funktioniert. Ist die Sache selbst auch verloren, taugt sie doch dazu, alle Gewinner zu verärgern. Nach dem Vorbild der NPD, die den Wahlkampf in Berlin mit einem assoziationsreich "Gas geben" überschriebenen Plakat startete, was ihr im "Spiegel" kostenlosen Anzeigenplatz im Wert von mehreren zehntausend Euro bescherte, setzt die an Geld und Lesern notorisch klamme linke Kampfschrift zum Mauerbaujubiläum auf Widerworte.

War doch schön damals, viel besser als heute!, lässt sich ein kurzer Text übersetzen, der so falsch ist, dass nicht einmal sein Gegenteil wahr wäre.

"Wir sagen an dieser Stelle einfach mal: Danke", schreibt die Redaktion mit mehr als einer Träne im Auge an alle, die damals die Mauer bauten. "Danke für 28 Jahre Friedenssicherung in Europa", die ohne das Stillhalten der Westmächte nicht möglich gewesen wäre. Danke auch "für 28 Jahre ohne Beteiligung deutscher Soldaten an Kriegseinsätzen", abgesehen natürlich von den Einsätzen einiger hundert NVA-Ausbilder in Afrika, Südamerika und Asien. Danke "auch für 28 Jahre ohne Hartz IV und Erwerbslosigkeit", weil damals im DDR-Paradies alle Geld bekamen, ohne etwas zu tun. Oder, wenn sie das nicht wollten, eben nach Paragraph 249 wegen "Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten" im Gefängnis landeten.

Die "Junge Welt", das frühere Zentralorgan von Egon Krenz, dankt desweiteren "für 28 Jahre ohne Obdachlosigkeit, Suppenküchen und Tafeln", dankt also für Wohnen in Abrisshäusern, in zerfallenden Innenstädten, für Wohnungen mit Klo halbe Treppe, für fünf Jahre Warten auf einen Zuweisungsschein, für Umzug nur für die, die Beziehungen haben.

Aber ja doch, danke auch "für 28 Jahre Versorgung mit Krippen- und Kindergartenplätzen", die jede Familie bekam, damit Mutti und Vati fleißig beim Aufbau des Sozialismus helfen konnten. Früh halb sechs den Kleinen wecken, das ist gesund, das macht munter. Abends halb sieben schon wird er wieder abgeholt zum Zähneputzen und ab ins Bettchen. Danke, danke für soviel fürsorgliches Familienleben.

Danke desweiteren "für 28 Jahre ohne Neonaziplakate »GAS geben« in der deutschen Hauptstadt", die, soweit irrt die "Junge Welt" auf gute alte Naziart, natürlich nicht deutsche Hauptstadt war, sondern nur "Hauptstadt der DDR". Und für "28 Jahre Geschichtswissenschaft statt Guidoknoppgeschichtchen", so dass jeder wusste, was für ein lieber Kerl Väterchen Stalin war, wie gut es Breshnew mit der DDR meinte und wie voll freiwillig Ulbricht Honecker ans Ruder ließ.

Es scheint dann aber schon ein wenig dünn zu werden fürs das große Lob des Sozialismus, denn die Junge Welt sagt nun schon "danke für 28 Jahre Club Cola und FKK", obwohl es "Club Cola" erst seit 1967 gab - und FKK immer noch gibt. Und danke "für 28 Jahre ohne Hedgefonds und Private-Equity-Heuschrecken", obwohl die DDR ohne Geldspritzen ihres Stasi-Hedgefonds Kommerzielle Koordinierung schon die Mitte der 80er Jahre nicht überlebt hätte.

Danke dann noch für "28 Jahre ohne Praxisgebühr und Zwei-Klassen-Medizin", was auch nicht ganz richtig sein kann, denn alle historischen Quellen sagen, dass sich die führenden Genossen nie in der Poliklinik Süd, sondern stets im "Regierungskrankenhaus" behandeln ließen.

Aber seis drum. Danke "für 28 Jahre Hohenschönhausen ohne Hubertus Knabe" - wir hatten Karl Eduard von Schnitzler, das Original. Danke "für 28 Jahre munteren Sex ohne Feuchtgebiete und Bild-Fachwissen", wir hatten Jutta Rasch-Treuwerths Fachwissen, deren Feuchtgebiet die "Junge Welt" war. Ist das lustig. Danke zum Schluss noch, schreibt das Blatt jetzt, "für 28 Jahre Bildung für alle" - mit der es, die "Junge Welt"-Danksagung allein beweist es schon, soweit nicht hergewesen sein kann.

Immerhin, die "Junge Welt" ist angekommen in der freiheitlichen Demokratie, die sie aufs Messer zu bekämpfen entschlossen ist. Derselbe Text mit entgegengesetztem Impetus vor 28 Jahren in derselben Zeitung veröffentlicht, hätte alle Beteiligten Existenz und Freiheit gekostet. Heute lachen wir drüber.

Danke dafür, Junge Welt!


8 Kommentare:

H_W hat gesagt…

Lieber ppq,

WIR lachen über solch verlogenes Geschwurbel.
Aber wir müssen auch weinen, weil es immer noch allzuviele Leute gibt, die solche Mist ernsthaft glauben :-(((

Gruß, H_W

nwr hat gesagt…

Nicht zu vergessen: Caro-Zigaretten und Fit-Spülmittel, außerdem Sero und Konsumbrot, und dann noch anstehen nach ein paar ollen Südfrüchten... Wer sich danach zurücksehnt, muß was an der Waffel haben!

Anonym hat gesagt…

Es war nicht alles schlecht, nämlich, daß im ND stand, was man öffentlich sagen durfte und was nicht. Jeder wußte, Meinungsfreiheit bestand in der Freiheit, die Meinung der herrschenden Klasse, ihrer Verbündeten und der führenden Kraft, der SED, der Partei neuen Typus, zu äußern. Heute ist die Lage ziemlich unübersichtlich und man läuft unbedacht Gefahr, die propagierte Meinungsfreiheit ernst zu nehmen, schreibt ein Buch, das nicht hilfreich ist oder sagt "Autobahn" und schon steht man da, vom werktätigen Volk verachtet und von den Gesetzen unserer Republik verfolgt.

ppq hat gesagt…

sehr richtig. ich sagte gestern gerade zu jemandem so was ähnliches. im fernsehen sprach einer darüber, das dieser ode rjener nach dem mauerbau verhaftet worden war, "weil er sagte, was er dachte".

das ist natürlich falsch! jeder kontne ja sagen, was er dachte, so lange es mit dem übereinstimmte, was man denken sollte.

er ist also nicht verhaftet worden, weil er sagte, was er dachte, sondern weil sich herausgestellt hatte, dass er was falsches dachte und auch noch dumm genug war, es zu sagen.

Anonym hat gesagt…

1) Die DDR-Führung hätte 1968 sehr gern die NVA in CSSR geschickt um die Demokratiebestrebungen zurückzudrängen. Die NVA wurde in letzter Minute zurückgepfiffen. 1973 war dei DDR-Luftwaffe am syrischen Angriffskrieg beteiligt (die MIGs wurden überstrichen, die DDR-Soldaten trugen Phantasieuniformen)
2) "Erwerbslosigkeit" war nur durch massiven Personalüberhang möglich. In der Landwirtschaft gab es die LPG (ca. 1000 ha) mit etwa 500 Beschäftigten, davon 50 in der Verwaltung.
3) Netter Nebeneffekt der Kindergartenversorgung war die Möglichkeit, schon die Jüngsten ideologisch formen zu können, z.B. durch Lieder wie "Wenn ich groß bin, gehe ich zu Volksarmee".
4) Rechtsextremismus gab es auch in der DDR, siehe Überfall auf die Zionskirche. Die Fußballvereine der Staatssicherheit, Dynamo Berlin und Dynamo Dresden, gelten heute als rechtsextrem.
5) Guido Knoop ist kein Historiker und statt Geschichtswissenschaft gab es in der DDR nur ein einseitiges allesüberlagerndes marxistisches Geschichtsverständnis und keinerlei Methodenpluralismus.
6) Die DDR-Wirtschaft war in den Bereichen Technologie, Umgang mit der Umwelt, Rationalisierungsgrad, Produktivität, Ausstattung mit modernen Maschinen etc. dem Westen um Längen unterlegen.
Bitterfeld war die dreckigste Stadt Europas.
7) 28 Jahre Höhenschönhausen bedeuteten aber auch 28 Jahre Willkür gegenüber Gefangenen, Menschenhandel zwecks Devisenbeschaffung und keine Möglichkeit die eigene Haft durch unabhängige Gerichte prüfen zu lassen. Es gab keine unabhängige Justiz und keine Verwaltungsgerichtsbarkeit.
8) Der Zugang zu höheren Schulen und Universitäten unterlag vollständiger staatlicher Willkür, wenn die Behörden Person X nicht an der Erweiterten Oberschule oder der Uni haben wollten, dann gab es keine Möglichkeit diesen Verwaltungsakt gerichtlich überprüfen zu lassen. Weiterhin gab es Indoktrinierungen durch Pflichtunterricht in Marxismus-Leninismus bis in die Universitäten und schon in der Schule eine starke Militarisierung durch verpflichtenden Wehrunterricht.
9) Sämtliche soziale Wohltaten waren nur möglich, da die DDR diese stark subventionierte. Dies hatte zur Folge, dass die DDR seit Anfang der 80er Jahre fast pleite war und nur durch Kredite aus dem Westen gerettet wurde. Ein Lehrer in der DDR verdiente bei gleicher Ausbildung und Leistung etwa ein Fünftel dessen, was sein westdeutscher Kollege bekam. Das Preisniveau West-Ost war sehr unterschiedlich, aber unter dem Strich galt die Kaufkraftparität 1:1. Real wurde allerdings eher 1 Westmark: 5 Ostmark getauscht.
10) Ein Staat, der sich einmauert um sein Volk zum Bleiben zu zwingen, da er die "Abstimmung mit den Füßen" schon verloren hatte, auf Flüchtlinge schießt und das Verlassen unter Strafe stellt, ist ein Verbrecherregime!

suedwestfunk hat gesagt…

Den Beitrag fand ich Klasse, freut mich, dass viele andere meine Meinung teilen und den "Autor der Freiheit" an ppq vergaben. Besser ein Titel für einen Kommentar gegen die Verherrlichung von Stasiland als fünf Jahre Bautzen ;-)

Anonym hat gesagt…

Danke desweiteren "für 28 Jahre ohne Neonaziplakate »GAS geben« in der deutschen Hauptstadt", die, soweit irrt die "Junge Welt" auf gute alte Naziart, natürlich nicht deutsche Hauptstadt war, sondern nur "Hauptstadt der DDR".

Da irrt der Autor.
Berlin war immer Hauptstadt.
Und nicht "für ne deutsche Hauptstadt bist zu viel zu klein" .

ppq hat gesagt…

da irrt der anonymus. für die "junge welt" war berlin bis 90 "hauptstadt der ddr"

was denn sonst? die wären alle in den knast gegangen, hätten sie was anderes geschrieben als was auf den ortseingangsschildern stand