Sonntag, 19. Juni 2011

Hassprediger gegen Halle

"Ein kleines, lispelndes Mädchen von acht Jahren", so sieht André Herrmann die Stadt Halle, Metropole an der Straße der Gewalt. Hermann kommt aus Leipzig, und er ist voll von Hass, wie er dieser Tage auf einer Poetenkonferenz im sächsischen Dresden öffentlich machte. Hermann hasst Halle, die Stadt, die alles hat, was seiner Heimatgemeinde fehlt: Einen richtigen Fluss in der Mitte, nicht nur die Pleiße. Eine Oberbürgermeisterin, die zeigt, das auch Frauen in Spitzenfunktionen einiges anrichten können. Eine Fußballmannschaft, die in der vierten und nicht nur in der fünften Liga spielt. Leipzig hat kein innerstädtisches Gefängnis, kein bedeutsame Fliesenszene, keinen Händel und also auch keine Händelfestspiele, keine Halloren-Schokoladenfabrik, keine Kathi-Kuchenmehl-Bäckerei, ja, nicht einmal eine Erstliga-Damenbasketballmannschaft oder eine über die Saison hinaus haltbare Eishockeyvertretung vermag die deutlich größere, doch deutlich unbedeutendere Stadt auf die Beine zu stellen.

Diese Leere müsste Leipzig eine Lehre sein. Doch nein. Aller Hass, alle Wut und aller Zorn richten sich, ganz nach dem Vorbild der Fremdenfeinde überall auf der Welt, gegen "die Anderen", gegen "die da drüben", gegen erfolgreichen Vettern und deren hübschere Töchter. Die vielen Fehlstellen, die seine Heimatstadt auszeichnen, haben auch aus André Hermann einen Hassprediger gemacht. Neid auf die erfolgreichere Gemeinde hinter der sächsischen Landesgrenze zerfrisst ihn. Mit Hohn sucht er sich trösten angesichts der Tatsache, dass die "Diva in Grau" (Halle) Goethes gelobtes Leipzig längst aussehen lässt wie ein beliebiges Provinznest. An der Pleiße sind bis heute nicht alle Weltkriegsbomben geborgen. Der Bahnhof ist noch immer nicht fertig. Die einst weltbekannte Messe flüchtete aufs flache Land. Ein Cellospieler wurde Bürgermeister und Verkehrsminister und endete schließlich nicht im Kanzleramt, wie von allen Leipziger erhofft. Sondern als vergessener Vorsitzender des Forums Ostdeutschland der Sozialdemokratie.

Das schlägt durch, das verbittert selbst die jüngere Generation der Sachsen, als deren selbstbewusster Repräsentant André Hermann gelten darf. Aus Mangel an eigenen vorzeigbaren Leistungen richtet sich sein ganzes Wesen, sein Trachten und Sinnen aus nach dem Wollen und Können des vermeintlich übermächtigen Konkurrenten: Halle, eine Name wie Donnerhall, der, man erlebt es oben im Video gleich zu Anfang, selbst in Dresden, der gemütlichen Elbmetropole ohne jeden Welterbestatus, durch reine Nennung für bemüht höhnisches Gelächter sorgt.

Dessen Ursprung ist klar wie der Quell eines Bergbaches. Hesekiel schon beschrieb die Situation, auch er in seiner Zeit ein wandernder Alltagspoet, der Halle Trost zusprach."Es sind wohl widerspenstige und stachlige Dornen bei dir, und du wohnst unter Skorpionen; aber du sollst dich nicht fürchten vor ihren Worten noch vor ihrem Angesicht dich entsetzen, ob sie wohl ein ungehorsames Haus sind."

Halle, erste sozialistische Arbeiterstadt in Deutschland
Ode an das Gute: Wawerzineks Verneigung vor der schönsten Stadt Bimmelkopf im Zeitenschimmel

9 Kommentare:

Tuttinho Bull hat gesagt…

Es ist in der Tat beschämend wie die Nachgeburt der Heldenstadt da seinem Affen Zucker gibt. Halle-Bashing sollte man sich für wirklich schlechte Zeiten aufheben. Dieses treten auf schon am Boden liegende ist selbst für die mit selten erreichter Schamlosigkeit ausgestatteten Leibdzscher etwas zu viel. Wobei die Frechheit mit "nur einer Mannschaft in der 5.Liga" nach einer Abkehr von dieser Maxime schreit. Da möchte auch ich am liebsten was von Goethe,Bach,Damenhandballmannschaft,KHL-Phantasien,Kunstszene etc. erzählen. Aber ich reiße mich zusammen und verschone die launische Diva an der Saale mit dem rumreiten auf der bitteren Wahrheit und huldige stattdessen lieber dem schrupfenden Namenszusatz eines internationalen Flughafen in gebührender Weise:

Hoch lebe die kreisfreie Händel-Stadt Halle an der Saale; Möge ihr Geist und ihre Schönheit ein leuchtendes Vorbild für alle neidischen zu ihr blickenden Städte des nahen und fernen Ostens sein !!

PS:
Ich hoffe, ich konnte damit die aufgerissenen Gräben zuschütten.

derherold hat gesagt…

Mein Gott, Leipzig hat immer noch den Auftritt aus den 20igern ... aber nur noch die Bevölkerung der 80iger.

Die Hallenser sprechen besseres Deutsch und die Leipziger sollten sich lieber um den sagenhaften Absturz ihrer Universität kümmern.

(Als alter Waldstraßenviertelbewohner muß ich allerdings sagen, daß hier L. im Vorteil liegt.)

Anonym hat gesagt…

http://www.halle.de/de/Kultur-Tourismus/Kultur-Freizeit/index.aspx?RecID=622&Type=0

in Halle gibt`s nen Freibad ; also : nicht rummeckern .

VRIL

( anne will ist heute wieder extra-bescheuert )

Volker hat gesagt…

Was hat eigentlich Halle mit Händel zu tun?
Wenn ich mir das richtig gemerkt habe, ist Halle die Stadt, aus der Händel geflohen ist.

ppq hat gesagt…

richtig bemerkt. wie alle großen dieser welt kam er von hier und zog dann aus, es den menschen anderswo auch so schön zu machen.

also so einen erstmal haben... da fehlt es den meisten städten, wenigstens denen an der straße der gewalt

@tuttinho: danke, der graben, der da audfgerissen wurde, gilt damit offiziell als zugeschüttet.

nwr hat gesagt…

"Ein kleines, lispelndes Mädchen von acht Jahren"

Bei der derzeitigen Geburtenrate / Altersstatistik eher eine sabbernde Oma von 80 Lenzen. Leipzig steht aber auch nicht besser da.

Anonym hat gesagt…

Scheinbar ist der Schreiber dieses Berichtes nicht mit dem Prinzip der Satire vertraut. Aber Ironie verstehen Kinder auch erst ab etwa 8-9 Jahren, da passt der Vergleich mit dem kleinen Mädchen ja wieder...

ppq hat gesagt…

hallo anonym, das war ein volltreffer!

wenn einer, der offenbar nicht in der lage ist, ironie zu erkennen, einem anderen nachsagt, er könne ironie nicht erkennen...

klasse, besser gehts nicht. wie lange hast du für den knaller geübt?

Kurt hat gesagt…

Ich hab mal eine Zeit lang Feldstudien bei diesen, genau diesen, Släm-Poetrieh-Poeten betrieben. Ich wollte herausbekommen, was da so dran ist, respektive drinn steckt. Ergebnis: Weit überwiegend sind es junge Männer mit Abitur, die sich auf dem Niveau des gehobenen Studentenkellers gegenseitig in Reimform bespaßen. Gesucht hatte ich Kunst und gefunden habe ich Akteure wie Michael Bittner, der sich selbst als Sohn der Arbeiterklasse bezeichnet (hui, das war von ihm natürlich ironisch gemeint oder doch nicht).
Es ist also nichts verwunderliches an diesem "Halle-Hass-Gesang". Sehr viel mehr können die nicht. Leider. Zu schlecht, um große Kunst zu sein, zu verbissen um bei Bluthilde bloggen zu können, bleibt ein mediokrer Eindruck. Jedenfalls, wenn man erwachsen ist.