Dienstag, 31. Mai 2011

Who the fuck is Alice?

Eine erschütternde Erkenntnis für Anhänger zackiger Standgerichtsbarkeit: Alice Schwarzer reicht als Beweis in einem Vergewaltigungprozess nicht aus.



Der oft so fürchterliche Walser Junior ist bei der Gelegenheit heute mal auf Ballhöhe

Der Euro - ehrlich erklärt

Es war keine leichte Entscheidung, die Angela Merkel da nach langen Beratungen mit dem Ethikrat treffen musste. Jawohl, erklärte sie wenig später vor der internationalen Presse, es sei "heute kein schöner Tag für meinen Kollegen Wolfgang Schäuble". Aber Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit, die neuen Pfeiler ihrer Politik, hätten aus ihrer Sicht "zwingend nach einer solchen Korrektur verlangt". In bewegenden Worten sprach Angela Merkel, wie immer in eine mattfarbene Pokemon-Jacke gehüllt, dann von ihrem entsagungsreichen Leben in der DDR. Wie sie, die Tochter eines Pfarrers, der auf bestem Fuß mit der Staatssicherheit stand, sich nicht nur von ihrer Familie verraten, sondern auch von Schule, FDJ-Gruppe und Staat belogen gefühlt habe.

"Wir ahnten immer, dass die Welt ganz anders ist, als sie uns die Propaganda der Partei zu zeigen versuchte", sagte Merkel, ein unüberhörbares Beben in der Stimme. Diese frühen Jahre im Trommelfeuer der Parteiagitation, die keine Wahrheit unverletzt und kein Stück Wirklichkeit unverbogen ließ, hätten sie letztlich veranlasst, gegen den Widerstand von Wolfgang Schäuble und seinem treuen SPD-Staatssekretär Jörg Asmussen durchzugreifen. "Ich beanspruche dabei nichts anderes als die natürliche Richtlinienkompetenz, die ich als Regierungschefin habe."

Für Schäuble, den altgedienten Fahrensmann auf der Brücke der politischen Intrige, ist es ein Desaster. Dabei hatte der letztes Jahr noch von einem allumfassenden Medienchor für amtsmüde erklärte Kabinettssenior nur das Beste gewollt! Schon vor Monaten hatte er deshalb gemeinsam mit seiner Propagandaabteilung beschlossen, einen Aufklärungsfilm produzieren zu lassen, der den Deutschen endlich erläutert, welche wunderschönen Vorteile ihnen der Euro brachte, bringt und bringen wird.

Ein kurzes Filmchen sollte es werden, einsetzbar vor allem im Internet, wo sich Verbrecher und ewige Meckerköpfe treffen, um mit gewalttätigen Worten Unheil für Europa anzurichten. Binnen weniger Monate entstand so ein liebevoll animiertes Video namens "Der Euro: Einfach erklärt", voller Wahrheiten, wie sie kein Stammtisch auszusprechen wagt: der Euro hat für Preisstabilität und volle Staatskassen gesorgt, er hat die Menschen glücklich und aus ihnen echte Europäer gemacht, er bereichert das Leben und erhöht die Sparguthaben.

Nur Angela Merkel war außer sich. Merkel war empört, verletzt, ungehalten, nachdem sie das Euro-Video im Kreise ihrer engsten Mitarbeiterinnen gesehen hatte. Der Film erinnere sie an ein "Machwerk aus der Werkstatt von Heinrich Goebbels"(Merkel), Erinnerungen würden auch wach an den berühmten "Schwarzen Kanal" mit Karl-Eduard von Schnitzler. Und seit die gebürtige Hamburgerin, die als erste Ostdeutsche im Kanzleramt gilt, letztes Wochenende ihre neue Politik der totalen Transparenz ausgerufen hat, gelten alte Regeln im Kabinett nicht mehr: Merkel bestellte Schäuble ein, verlange nach umgehenden Änderungen am Film "im Sinne der Wahrhaftigkeit und der Anständigkeit".

Ihr gehe es darum, "den Menschen draußen im Lande zu sagen, was ist", teilte sie später am Telefon PPQ-Mitarbeitern mit, denen sie persönlich den Auftrag überbrachte, den Schäuble-Film unter dem Titel "Der Euro - richtig erklärt" zu überarbeiten. Dies sei alternativlos, da das Video in derzeitigem Zustand "höchstens zum Lachen anregt". Dass sie ihren Kollegen Schäuble beschädigt habe, nehme sie hin, sagte Merkel. „Politik heißt nicht, ständig nach dem Wetterhahn auf dem Dach zu schauen, sondern seine Überzeugungen umzusetzen.“

Montag, 30. Mai 2011

Ostrock - ihr habt es so gewollt

Apropos Ostrock

Ist euch schon mal aufgefallen, dass Jürgen Ehle und Nick Cave Zwillingsbrüder sind?

Elsterglanz war gestern, hier kommt Yvonne

Der Ruf aus der Leserschaft nach mehr Ostrock, authentischen Künstlern aus der Region und rockigen Klängen, die zeigen, dass Fred Frohberg der wahre Elvis war, er hat uns aufgerüttelt und an unsere Verantwortung als in Los Angeles gehostetes Heimatboard erinnert. Weit weg von hier sind sie ja aber immer noch, die jungen Künstler, die ihre Songs aus purer Freude schreiben, die Straßenfußballer des Rock´n´Roll, die Lieder aus ihrer Leidenschaft zaubern wie Messias Messi Pässe aus seinen Innenrist.

Bruch&Gammel etwa, eine formidable Formation aus dem pittoresken Kurstädtchen Bad Dürrenberg, in dem schon Goethe große Werke schuf, schicken sich in diesen Tagen an, die Klassiker der einheimischen Ironitis aufs Altenteil zu schicken. Dazu adaptierten die drei im Video unten auftretenden Mitglieder des apokalyptischen Duos (Wahlspruch: "Hauptsache gesund und die Frau hat Arbeit") den Welthit "Hier kommt die Sonne", mit dem schon die zuletzt in einem Schloss nahe Bad Dürrenberg nach Inspiration suchende Berliner Heimatcombo Rammstein zeitweilig gigantische Erfolge verbuchen konnte.

Doch erst bei B&G findet das Werk seine wahre Bestimmung, seine Botschaft, seinen Sinn. Ursprünglich gedacht als aufrüttelnder Ruf nach einem baldigen Beginn einer nachhaltigen Zukunft der Weltenergieversorgung durch pure, unverfälschte Sonnenenergie, mahnt das jetzt "Hier kommt Yvonne" genannte Opus nun zu vernünftiger Ernährung - gerade in den Zeiten von Rinderwahn, Schweinegrippe und Darmkeimalarm ein Beitrag zur Volksgesundheit, der wichtiger ist als alle goldenen Schallplatten und Grand-Prix-Titel.

All das wird mit sanftem, menschenfreundlichen Humor dargeboten, wie er die Region um die Kupferhalden, Goethetheater und Kurparks auszeichnet. Humor, wie ihn ganz Deutschland liebt, seit ihn die Gruppe Elsterglanz mit ihrem "Rambo"-Film hoffähig gemacht hat. Nach den Prinzen, Tokio Hotel und eben jenen Elsterglanz zeigen Bruch&Gammel eindrucksvoll schon als dritte Gruppe von Kunstschaffenden in den vergangenen zwei Jahrzehnten, welche überbordende Kreativität und Schöpferkraft auch in den bevölkerungstechnisch ausgedörrten Landstrichen Mitteldeutschlands steckt. Hier nun also kommt "Yvonne", ein Girl aus der Region. Festhalten. Harter Stoff. Video oben - Youtube hatte es gelöscht, weil es den Namen des Originalinterpreten enthielt.

Erst drauf schwören, dann drauf pfeifen

Sie schwören darauf. Aber sie pfeifen auch drauf. Die politische Klasse in Deutschland, nach eigener Einschätzung berufen, das Land zu leiten, zu führen und seinen Menschen mit Ver- und Geboten jeden Tag ein bisschen deutlicher klarzumachen, wie sie korrekt zu leben haben, bekam vor drei Jahren vom Bundesverfassungsgericht den Auftrag, bundesdeutsche Wahlrecht bis 2011 verfassungskonform zu gestalten. Die bisherige Praxis der Vergabe von Überhangmandaten, die teilweise dazu führte, dass Partein mehr Mandate dadurch erhielten, dass weniger Zweitstimmen bekommen hatten, sei grundgesetzwidrig. Eine Neufassung müsse bis spätestens zum 30. Juni 2011.

Drei Jahre, vorüber wie ein Traum. Inzwischen haben die Regierungsparteien mitgeteilt, dass sie den Termin nicht halten wollen. Oder wie es der "Focus" das klitzekleine Verfassungsversäumnis freundlich entschuldigt: "Bundestag versäumt Frist für Wahlrechts-Reform".

Das klingt, als habe da wer den Bus verpasst, sei von einer höheren Macht gehindert oder von böswilligen Menschen abgehalten worden. Dabei handelt es sich einmal mehr um einen Fall von offenem Verfassungsbruch, selbstbewusst durchgeführt in der Gewissheit, dass keine Institution, kein Volk, ja nicht einmal die Medien dem Vorgang mehr Aufmerksamkeit widmen werden als einem in Ruanda grassierenden Darmkeim. Das sei kein "Ruhmesblatt" für die Koalition, dass man die Vorgabe aus Karlsruhe wegen der schwierigen Materie nun nicht erfülle, sagte der CDU-Abgeordnete Thomas Strobl in der Welt, aber es liege eben "an der komplizierten Materie".

Die nahe zurückliegende Vergangenheit lehrt, dass die meisten Verfassungsbrüche und -verstöße hierzulande im Namen und angeblichen Auftrag der Wähler geschehen sind, durchgeführt von Volksvertretern und Verfassungsinstitutionen, die auf das Grundgesetz geschworen haben, bei der Umsetzung ihres Versprechens, die Verfassung zu verteidigen, aber immer nur bis zu dem Punkt kommen, wo sie ihnen hinderlich erscheint und also ausgehebelt wird.

Ginge es nach den Fakten, müssten sämtliche Regierungsparteien der letzten zehn Jahre wegen erwiesener verfassungsfeindlicher Bestrebungen verboten werden - inklusive der derzeitigen Opposition, die wegen der Wahlrechtsreform von einer "unglaublichen Respektlosigkeit" gegenüber Karlsruhe spricht und den Vorgang eine "groben Missachtung" der Rechtsprechung nennt. Die SPD hatte sich einst selbst von den Verfassungsrichtern bescheinigen lassen müssen, dass das von der Regierung Schröder erlassene Verbot von Studiengebühren verfassungswidrig war. Später hatte das höchste deutsche Gericht die Abschaffung der Pendlerpauschale für verfassungswidrig erklärt, die Hartz4-Sätze als verfassungswidrig gekippt, die Übertragung von immer mehr Entscheidungsbefugnissen an die EU gestoppt und die zwangsweise Vorratsdatenspeicherung aufgehoben.

Doch sie versuchen es wieder. Und immer wieder. Und kein Aufschrei geht durchs Land, kein Proteststurm bricht los, es ist alles wie immer. Im Schatten von Ehec, Fukushima und Kachelmann kann die politische Klasse ungestört weitermachen mit dem Abbau von Grundrechten durch die Aushöhlung per Gesetz oder Umformulierung des Grundgesetzes selbst. Aus 11000 Worten, aus denen das Grundgesetz ursprünglich bestand, wurden im Zuge von bisher 57 Änderungsgesetzen, die 114 Artikel 209 mal änderten, mehr als 21000 Worte. So viel Arbeit für die Parlamentarier. Da bleibt kaum Zeit sich zu wundern, dass niemand mehr diesen Staat und seine Institutionen ernst nehmen möchte.

Sonntag, 29. Mai 2011

Gesänge fremder Völkerschaften: Hoch im Norden

Das ist Multikulti: Das Originalalbum wurde gegen den Willen der Weltgemeinschaft aller fortschrittlichen Menschen in Südafrika aufgenommen, der Künstler war ja auch Amerikaner, trotzdem bekam er einen Grammy dafür und beherrschte einen Sommer lang alle Hitparaden. Unter anderem mit einer Nummer namens "You can call me Al", die von zu ihrem 25. Jubiläum außerhalb von Paul-Simon-Fankreisen nur "If you´ll be my bodyguard" genannt wird.

Ein Klassiker mit ganz eigenem Gepränge. Die Bläser fetzen, der Trommeln tanzen, darüber hoppelt Simons Stimme. Ein Stück, das nach der großen Bühne ruft - und nach einer Hamburgischen Bigband zur Umsetzung.

Im Rahmen der völkerkundlich im Einklang mit allen Uno-Regeln zur kulturellen Diversifikation swingenden etnologischen PPQ-Kulturdatenbank "Gesänge fremder Völkerschaften" haben die Bläser des Gymnasiums Grootmoor sich deshalb der nahezu unverwüstlichen Komposition angenommen, um ihr neuen Glanz zu verleihen. Die Bläser treten hier oben, hoch im Norden, tiefergelegt auf. Der Gesang erinnert an die berühmten mongolischen Obertongesänge, eine Gesangstechnik, die aus dem Klangspektrum der Stimme einzelne Obertöne so herausfiltert, dass sie als getrennte Töne wahrgenommen werden können. Das Ergebnis ist eine eigene Welt: Unterkült nach Art der Pfeffersäcke, schmissig afrikanisch, mit einem Hauch Innerasien abgeschmeckt und korrekt deutsch dirigiert. Eine Perle des Pop.

Mehr Gesänge von noch mehr Völkerschaften
Blasen in Steueroasen
Pogo in Polen
Hiphop in Halle
Tennessee auf Tschechisch

Wer hat es gesagt?

Immer wenn denkende Menschen mit Politikern verhandeln, begehen sie einen kapitalen Fehler. Sie denken darüber nach, was sie haben wollen, und womit sie gerade noch leben könnten als Kompromiss, und schlagen das dann vor.

So funktioniert Politik nicht. Politik funktioniert so, dass beide Seiten Schwachsinn fordern, den sie gar nicht haben wollen, damit sie mit dem Ergebnis leben können, nachdem man sich in der Mitte getroffen hat.

Samstag, 28. Mai 2011

Tanz um den tödlichen Darmkeim

Nach nur einer Woche mit dem gefährlichen Darmkeim Ehec ist schon jeder 13,5 millionste Deutsche an der heimtückischen Bakterienerkrankung gestorben - vierhunderttausend Prozent mehr Opfer, als die Menschheitskatastrophe um den Reaktorgau im japanischen Futschikato in den vergangenen zwei Monaten gefordert hat. Eine Darmkeim-Apokalyse, die schlimmer ist als alles, was Deutschland in den letzten vier Tagen an grauenhaften Bedrohungen erlebt hat.

Im politischen Berlin wächst angesichts dieser Zahlen die Furcht, bei den anstehenden Landtagswahlen abgestraft zu werden. Nachdem schon vor dem Ausbruch von Ehec zuletzt kaum noch die Hälfte der Wahlbürger an die Urnen getreten waren, um ein machtvolles Bekenntnis zum Ausstieg aus Kohleenergie, Atomkraft und Afghanistankrieg abzugeben, drohe mit weiter steigenden Todesraten ein erneuter Rückgang der absoluten Wahlbeteiligung, warnte die Opposition. Die Bundesregierung sei gefordert, schnell umzusteuern und den "Menschen wieder Sicherheit zurückzugeben", wie der eher breitgewachsene SPD-Chef und amtierende Pop-Beauftragte der deutschen Arbeiterbewegung, Sigmar Gabriel, in einem anderen Zusammenhang anmerkte.

Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel scheint diesmal entschlossen, schnell zu handeln. Die Zauderkanzlerin werde in der kommenden Woche eine Ethik-Kommission zum Totalausstieg vorstellen, hieß es in Regierungskreisen. Geplant sei eine Ausweitung des Atom-Moratoriums auf Gemüseverzehr, rohen Pazifikfisch und Gewürze unbekannter Herkunft. Erste Entseuchungstrupps (Foto oben) seien in den am schwersten von Ehec betroffenen Gebieten bereits im Einsatz. Am Mittwoch werde Merkel selbst aktiv werden: Gemeinsam mit ihren engsten Mitarbeitern will die CDU-Vorsitzende in einer Hausarztpraxis in ihrer lauschigen Heimatgemeinde im mecklenburgischen Hohenwalde Blut spenden. Nach Hohenwalde war Merkel bereits am Wochenende vom Personenschutz des Kanzleramtes wegen der steigenden Seuchengefahr evakuiert worden. Eine Live-Übertragung ihrer Blutspende soll später in der Sendung "Hart aber fair" (ohne Komma) als Aufzeichnung ausgestrahlt werden. Dabei werde sich Merkel erstmals auch zu ihrer eigenen Darmflora äußern.

Das Ende im Ostrock

Es gab sie schon immer, die brutalen Schläger, marodierenden Messerstecher, die Autodiebe und Komatrinker. Doch erst der von PPQ-Lesern nach Monaten wirklich sträflicher DDR-Musikstille hier im Zentralboard für fortgesetzte Nischenkultur lautstark geäußerte Wunsch nach mehr oder überhaupt wieder Beschäftigung mit dem Ostrock als Wurzel und Quell östlicher Identität hat das Thema der Prognosesicherheit von DDR-Lyrikdichtern in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit zurückgerückt.

Das Ergebnis einer Ad-hoc-Analyse ist erstaunlich: Die schlimme Kindheit hatten alle, eingesperrt zwischen Stacheldraht und Mauerbeton, den Sonett-Kassettenrekorder ebenso, dazu das Rema-Andante und die Rockhaus-Platte mit dem nach einer verbotenen liberalen Partei klingenden Titel "I.L.D.". Darauf die mürbe Miniatur aus dem Leben der oberen Zehntausend, der Sohn ein gefallener Engel, die Eltern verzweifelte Besserverdienende. Guido Westerwelle in einer neuen Rolle als Vater eines Immigrantenkindes, mechanistisch Vaterliebe heuchelnd durch teure iPhone-Geschenke. Der Sohn ein mißratenes Früchtchen ohne Ambition als die, sich den Spaß zu gönnen, Spaß zu haben.

Zwei Welten, die sich bis heute erhalten haben, eine Generationskonflikt, der nur oberflächlich betrachtet einer kultureller Natur ist. Mike Kilian, der Mann rechts im Video (oben), der auch den Text des entsprechenden Ostrockkapitels namens "Mich zu lieben" geschrieben hat, verzichtete in weiser Voraussicht schon vor 23 Jahren auf eine zeitliche Zuschreibung der Geschehnisse. Wir wissen nur: Der namenlose Junge, der heute mit hoher Wahrscheinlichkeit Kevin oder Ali heißen würde, fängt mit zwölf an, ins Milieu abzurutschen. Vielleicht wird er Hooligan, bestimmt aber verachtet er seine ihn inniglich liebenden Eltern. Guido ratlos.

Nimmt der Junge Drogen? Hört er laute Musik? Bewirbt er sich bei Big Brother? Was ist denn nur nicht in Ordnung mit ihm? Die Gesellschaft versucht zu helfen, es gibt viele neue Gesetze, rauchverbote, Zwangsjugendklubs. Doch der Abstieg ist programmiert, das Ende absehbar. Ein Jahr Knast, offenbar ohne Bewährung, das ist hart, aber verständlich, denn zurückgerechnet aus der Strafmündigkeit muss es sich hier um eine Art Mehmet handeln. Wenigstens sind die Eltern bei ihm, so will es die Dramaturgie des Textes, noch zum Prozess gekommen. Das wäre heute nicht in allen Familien so.

Soweit man hört, hat es geholfen. Der Junge aus dem Lied ist inzwischen 41, er hatte nie wieder mit der Polizei zu tun, hat aber auch keine Frau gefunden. Abgesehen von einer Ehe, die er 1996 in Hildesheim schloß, die aber vier Jahre später wieder geschieden wurde. Er ist jetzt jeden Abend im Stadtpark, immer mit dem Hund. Der heißt übrigens Maik, aber mit ai.

Mit 12 hab ich im Stadtpark
Bänke angesägt,
ich hab Autos aufgebrochen
und mich mit Bullen angelegt.
Meine Alten buckelten für die Kohle
damit ich's mal besser hab.
Sie gaben mir alles,
nur eins haben sie verpasst.

Mich zu lieben,
mir Wärme zu geben,
mich zu lieben,
einfach mal mit mir reden.
{Oh yeh, ouha...}

Jetzt sitz ich für ein Jahr
mit meinem Arsch im Knast.
wollte allein die Kurve kriegen
doch hab sie immer verpasst.
Meine Alten bangen um ihren hohen Job,
was für ein Skandal.
Wir gaben ihm alles, haben sie dem Richter erzählt.
Nur eins haben sie vergessen

Mich zu lieben,
mir Wärme zu geben,
mich zu lieben,
einfach mal mit mir reden.
Mich zu nehmen, wie ich bin.
Ohu yehe...

Freitag, 27. Mai 2011

Gabriels peinliche Entgleisung

Riesenärger in der SPD! Nur eine halbe Woche nach dem grandiosen Comeback der einstigen "Arbeiterpartei" (Willy Brandt) bei der Wahl in Bremen hat der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Brangs, Äußerungen von Parteichef Sigmar Gabriel als "peinlich" kritisiert. Der vom Wahlmagdeburger Gabriel verwendete Begriff Schicksalsgemeinschaft sei "in der Zeit des Nationalsozialismus oft bemüht" worden und "wird auch heute noch von rechtsradikalen Ideologen benutzt", sagte Brangs in Dresden. Er sprach von "peinlichen Entgleisungen" und nannte Gabriels Wortwahl "beschämend".

Als sich Sigmar Gabriel mal einen Bild-Leserreporter bestellte
Calimero zu Gabriel und die Autobahn

Realität - nur eine Frage der Regie

Die Realität, sie ist noch stets nur eine Frage der Regie. Als Dynamo Dresden im Relegationsspiel in Osnabrück kurz vor dem größten Erfolg der letzten Jahre stand, waren sie natürlich auch wieder da. Eine Handvoll Irrer, die die Gelegenheit passend fanden, genau jetzt die mitgebrachten bengalischen Feuer zu zünden, um ihrer Freude auf eine Weise Ausdruck zu verleihen, die - ein wenig bösen Willen vorausgesetzt - den Schiedsrichter auch hätte veranlassen können, das Spiel abzubrechen. Osnabrück wäre dann in der 2. Liga geblieben, Dresden in der 3.

Sehen konnte das Ausmaß der Ausschreitungen allerdings nur, wer als Osnabrück-Anhänger die Übertragung des NDR sah. Der MDR, der den sächsischen Traditionsklub mit einem eigenen Team nach Norden begleitet hatte, um den Fans zu Hause einen landsmannschaftlich-begeisterten Kommantar zu bieten, reagierte schnell. Solche Bilder will man daheim nicht sehen, entschied die Regie. Solche Bilder muss daheim auch keiner sehen. Wie sieht das denn aus? Und zeigte statt der brennenden Dynamo-Kurve, der herumirrenden Spieler und des heftig diskutierenden Schiedsrichters minutenlang unverfängliche Wiederholungen von Spielszenen. Das Live-Bild mit dem, was wirklich geschah in Osnabrück, packte die Sendeleitung in ein kleines Kästchen am Bildschirmrand.

Ausschreitungen? Immer dasselbe mit den Fans von der Elbe? Aber woher denn! Das große Dynamo-Herz der MDR-Verantwortlichen ließ den peinlichen Eklat genau auf dieselbe Art zu einer Marginalie schrumpfen, wie ihr aufklärerisches Engagement seinerzeit die blödsinnigen "antisemitistischen" (MDR) "Juden Jena"-Rufe von HFC-Fans zu einer Staatsaffäre aufgeblasen hatten.

Welche Verwunderung muss in Dresden herrschen, wenn der DFB nun ein "Nachspiel" der "Jagd- und Prügelszenen am Rande des Relegationsspiels zwischen dem VfL Osnabrück und Dynamo Dresden" ankündigt, wo doch großartige Jagd- und Prügelszenen beim Nachfolgesender des DDR-Fernsehens gar nicht zu sehen waren? Und die "Sächsische Zeitung" auch nur sehr sparsam darüber berichtet? "Bereits während der Partie hatten Dynamo-Anhänger auf der Tribüne Fahnen angezündet und Feuerwerkskörper abgebrannt", weiß man immerhin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die dank der heimischen Eintracht Erfahrungen hat mit solchen Vorkommnissen.

Der Schiri habe die Partie aus Sicherheitsgründen einige Sekunden vor dem Ablauf der regulären Spielzeit abgepfiffen, weil Dynamo-Fans aufs Spielfeld drängten. Beim Sturm der Fans kam es dann zu "Tritten und Schlägen gegen Beamte, Ordner und Fotografen, im Stadion wurden Kameras, Werbebanden und Sitzschalen zerstört". Sätze, die laut Google-News keine Ostzeitung auch nur sinngemäß druckt.Dafür aber alle West-Medien. Hier die Angst, dem Fußballstandort zu schaden. Dort die klammheimliche Freude, dem ballspielenden Osten alle Klischees als völlig korrekt unter die Nase reiben zu können.

"Ostklubs sind eine Bereicherung", höhnt das Hamburger Abendblatt. "Hunnen oder Wandalen in der Völkerwanderungszeit" , sieht eine Zeitung in Offenbach. Die Blätter im Osten dagegen schweigen wie ein Mann. Nicht einmal der MDR, der ja dabei war, findet auf seiner Homepage ein Plätzchen, Bilder der Ausschreitungen zu zeigen.

Presseecho bei Ostfussball.com
Von Außen sieht man besser: BazOnline erklärt Dynamo

Donnerstag, 26. Mai 2011

Mord mit Morbus Mortadella

Eben noch war es die Tomate aus dem Norden, nun ist es die Gurke aus dem Süden. Das norddeutsche Spanien ist als Verursacher der unter fast 300 Deutschen grassierenden Darmseuche Ehec enttarnt worden. Wie Experten am Hamburger Hygieneinstitut herausfanden, wurde das Bakterium an Salatgurken gefunden, die aus dem historisch für seinen lockeren Umgang mit deutschen Hygienevorschriften bekannten Spanien stammen.

Damit hat das Bakterium, von der Wartezimmerschrift "Focus" einst "Morbus Mortadella" getauft, gerade noch zur rechten Zeit Stoff für weitere Schlagzeilen geliefert. Zwar ist bislang nur jeder 500.000 Deutsche erkrankt, dennoch müsse man aber mit dem Thema bis Dienstag nächster Woche kommen, hieß es unisono bei führenden Medienhäusern. Erst dann werde mit dem Kachelmann-Urteil ein neuer Aufreger mit gewissem Emp-Potenzial erwartet.

Geplant sei, nun zuerst einmal die verusicherten Verbraucher zu Wort kommen zu lassen, um die bisher noch nicht verunsicherten Verbraucher zu verunsichern. Derzeit werde über einen griffigen Seuchennamen - angelehnt an die bewährten Schweinegrippe und Rinderpest - beraten. Im Rennen seien "Gurkenkrebs" und "Gemüsegrippe". Danach würden erste Politiker einen Ausschluß Spaniens aus der EU fordern und am kommenden Montag werde der "Spiegel" die Treibstufe mit dem Titelbild "Killer Gurke - Schlägt der Garten zurück" zünden. Experten wie Udo Ulfkotte werden in diesem Zusammenhang mit Hinweisen auf einen bereits seit Jahren von Geheimdiensten vorhergesagten "Fäkalien-Dschihad" zitiert werden.

Das zeitliche Zusammentreffen der Hinrichtung Osama Bin Ladens mit dem direkt nachfolgenden Ausbruch des isländischen Vulkans Grímsvötn und der ausbrechenen Gurkenepidemie zeige, dass Al Kaida dazulerne und neue Terrorformen austeste. Schon die Wahl der Gurke als Überträger verweise auf den menschenfeindlichen Witz der neuen Al-Kaida-Führung: Die nepalesische Freischärlertruppe der Gurkas (Foto oben) sei seit Jahrhunderten als tödlich bekannt.

Guatanamo-Häftlinge bewürfen ihre Wärter traditionell mit Kot, um sie zu infizieren, berichtet Ulfkotte. Ein Fäkalien-Dschihadist in den USA habe seinen Kot sogar in der Mikrowelle getrocknet, Küchlein damit dekoriert, und an ahnungslose Kunden verkauft, einer seiner europäischen Kollegen durchstreifte Supermärkte, um Obst und Gemüse mit einem Gemisch aus Urin und kontaminiertem Kot zu besprühen.

Tod vom Tomatenteller

Eben noch war die ausgebildete Fernsehmechanikerin Ilse Aigner als Retterin der deutschen Hausfassaden vor US-amerikanischen Kamerainvasoren unterwegs, nun schon warnt sie vor der nächsten gemeinschaftsbedrohenden Gefahr: Das Virus EHEC, angetreten, die grauenhaften Menschheitsseuchen Rindergrippe und Schweinekaries noch in den Schatten zu stellen, breite sich "besorgniserregend" aus, lobte die Ministerin den "aggressiven Darmkeim" (Aigner). Vor allem in den Schlagzeilen stelle sie eine Ausbreitung von blutigem Durchfall und Nierenversagen fest, das "bedrohlich" sei. Angesichts von täglich durchschnittlich 2200 Todesfällen in Deutschland aus allen möglichen anderen Gründen seien die drei Todesfälle, die auf EHEC zurückgeführt werden, "sehr ungewöhnlich". Bei einer älteren HUS-Patientin aus Schleswig-Holstein war die Infektion nach Angaben des zuständigen Landes zudem nicht die Todesursache.

Der Tod vom Salatteller beunruhigt aber programmgemäß immer mehr Menschen. Die Bundesregierung müsse umgehend einen Beschluss zum Ausstieg aus der Salatwirtschaft fällen, hieß es bei den Grünen. Es habe sich gezeigt, dass das Restrisiko von Landwirtschaft mit Gewächshäusern und Großmärkten "nicht beherrschbar" sei, sekundierte die SPD. Die Linke warnte, der Durchfall stehe vor dem Durchbruch, es gehe jetzt um die Verstaatlichung der lebenserhaltenden Systeme. Der Zusammenhang zwischen Gülle und Infektionen sei nicht belegt, auch die Salat-These nicht, argumentiert Ilse Aigner, eine langjährige Verfechterin von mehr ungewaschenem Obst in Kindereinrichtungen. Experten gehen allerdings trotz der sachkundigen Festlegung der Ministerin davon aus, dass vorportionierte Salate als Quelle in Frage kommen. Es gehe jetzt darum, schnell noch zu handeln, weil das Robert-Koch-Institut bereits ein Abflauen der Infektionen erwarte, die bisher epidemisch auf rund 140 Menschen übergegriffen haben. Damit ist bereits jeder 13.000 Deutsche infiziert, warnt die Opposition, die für einen Umstieg vom ungesunden Salat auf Brühwurst und Käsestangen plädiert.

Aigner lehnt das nicht ab, will aber auch nicht durchgreifen und ein Salat-Moratorium verhängen. "Wir können momentan noch nicht sagen, wo die Quelle ist und können deshalb auch keine neuen Fälle ausschließen", tröstete Aigner Betroffene in der ARD. Aus Brüssel meldete die EU Bedenken an. Frauen seien von dem besonders aggressiv auftretenden Bakterium am häufigsten betroffen, wohl wegen ihrer öfter auf ungewaschenen Salat fußenden Ernährung. Das stehe in "deutlichem Widerspruch zur Gleichstellungsrichtlinie der EU vom 7.3.2006", hieß es in einer Mitteilung an die Bundesregierung. Deutschland werde aufgefordert, schnell Abhilfe zu schaffen. Anderenfalls sehe sich die EU-Kommission veranlasst, eine Zwangssalatquote für Männer einzuführen.

Erschütternde Bilder: Die letzten 13 Weltuntergänge im Bild Auswahl beschränkt auf Mitte Dezember bis Ende April)

Mittwoch, 25. Mai 2011

Die Rückkehr des Aschemonsters

So ändern sich die Zeiten. Kaum ist ein Jahr rum, heißt der Eyjafjallajökull plötzlich Grimsvötn, aber die von der Weltregie stets für das Frühjahr vorgesehene Aschewolke legt trotzdem den Flugverkehr lahm. Das Aschemonster, im "Bild"-Photoshop hergestellt nach Motiven eines Gemäldes von Edvard Munch (Abbildung oben), ist zurück. Dabei hatten die Behörden doch beim letzten Mal eigens die Aschegrenzwerte so angepasst, dass es wieder sicher war, zu fliegen. Vergebens. Die Weltwirtschaft, angeführt von der deutschen Industrie gerade aus einem tiefen Loch gekrochen, fällt nun wieder zurück, Billigflieger heben die Ticketpreise, amerikanische Präsidenten fliehen mit der letzten Maschine nach Hause, Backpacker sitzen fest. Mit Hamburg und Bremen haben diesmal sogar Städte Flughäfen geschlossen, von denen bisher nicht bekannt war, dass sie über welche verfügen.

Das Aschefachmagazin "Bild" hatte es vorhergesagt. Der Staub aus Island, der aus "mineralischen Teilchen und feinsten Gesteinbruchpartikeln" (Bild) besteht, wird noch "zwei bis drei Jahre" brauchen, ehe er zur Erde herabgesunken sein werde, hieß es im letzten Jahr. Auch "Spiegel Online", Fachmagazin für Coverversionen, erklärt damals schon "die langfristigen Folgen der Explosion - und warum alles noch schlimmer kommen könnte". Nun ist es schlimmer. Wie immer.

Plötzlich auch im "Spiegel" aufgetaucht: Die Phantomwolke II

Nahsüd-Offensive: Obama verunsichert texanische Wähler

Mit seiner neuen Nahsüd-Offensive hat Barack Obama nach Angaben des "Spiegel" die texanischen Wähler in den USA verwirrt. Manche Lobbyisten zweifeln bereits an der Solidarität des Präsidenten. Die Republikaner versuchen schon, den Streit als Wahlkampfthema auszuschlachten.

Ed Koch, New Yorks streitbarer Ex-Bürgermeister, mag selbst mit 86 Jahren nicht vom politischen Tagesgeschäft lassen. Er mischt sich weiterhin munter in die Kommunalpolitik ein: Koch wettert gegen Brückenmauten, gegen eine Neuaufteilung von Wahlbezirken oder gegen den derzeitigen Amtsinhaber Mike Bloomberg. Kochs Lieblingsthema ist aber Texas. Deshalb kommentierte der Demokrat, der sich gerne als ein Wortführer der texanischen Lobby in den USA sieht, auch die Debatte um Barack Obamas Nahsüdpolitik - doch mit Beifall hielt er sich zurück.

Er habe kein Vertrauen mehr, dass Obamas "Engagement für die Sicherheit von Texas und Kalifornien wirklich felsenfest" sei, sagte Koch als Reaktion auf dessen jüngsten Nahsüd-Vorstoß. In einer Rede hatte Barack Obama klargestellt, dass es Frieden mit Mexiko nur dann geben könne, wenn die USA seit 1845 besetzte Gebiete räumen und Mexiko, der ehemalige Besitzer der Landstriche, wieder die Hoheit übernehme. Zwar habe Mexiko damals den Krieg vom Zaun gebrochen, als General Santa Anna in Texas einfiel. Die Mexikaner zurückgeschlagen zu haben, gebe den USA aber noch nicht das Recht, Gebiete dauerhaft zu besetzen, sagte Obama auch mit Blick nach Russland und Polen.

Obamas neuer Nahsüdkurs hat seine bisher so treue texanische und kalifornische Wählergemeinde in den USA gespalten und die Politik in Europa verunsichert. Wenn der Aggressor das Recht behält, aufgrund seiner Aggression verlorene Gebiete auch noch nach Jahrzehnten zurückfordern zu dürfen, heißt es teils besorgt, teils freudig erregt, dann seien beinahe alle Grenzen in Europa wieder offen. Obamas Hinweis, dass es Frieden im Süden der USA nur dann geben könne, wenn Texas und Kalifornien ihre seit 1845 wiederrechtlich annektierten Gebiete räumten, gelte ja nicht nur für die USA. Obama hatte die umstrittene Passage zur Rückgabe der beiden Staaten an den früheren Eigner Mexiko nach langer Diskussion mit seinen Beratern persönlich in die Rede eingebaut. So deutlich hatte das noch kein US-Präsident gesagt.

Die Reaktionen von Texanern in aller Welt waren kontrovers. Das Bowie-Center bezeichnete den Bezug auf die Grenzen von 1845 als "Rohrkrepierer". Andere dagegen nannten die Äußerungen "Schnee von gestern". Schon jetzt beginnen die ersten Parteifinanziers zu murren, wenn auch meist anonym. Einer der wenigen, der sich dazu namentlich zitieren ließ, war Milliardär Mort Zuckerman, Verleger der sonst so Obama-freundlichen "New York Daily News". "Ich habe in den letzten Tagen mit vielen Leuten - ehemaligen Befürwortern - gesprochen, die sehr empört sind und sich entfremdet fühlen", sagte er der Agentur Reuters. "Obama wird weniger politische Unterstützung erhalten, weniger Aktivisten für seinen Wahlkampf - und ich bin sicher, dass sich das auch auf finanzielle Hilfe auswirkt."

Die potentiellen Obama-Herausforderer mühen sich bereits, die aktuelle Debatte auszuschlachten und zum Wahlkampfthema hochzujazzen. Die republikanische Kongressabgeordnete Michele Bachmann flutete den Vorwahlstaat Iowa mit 150.000 automatischen Telefonanrufen, in der sie Obamas Rede als "eine Beleidigung" brandmarkte, flankiert von einer halben Million E-Mails und einer Online-Petition. Minnesotas Ex-Gouverneur Tim Pawlenty, der seine Kandidatur am Montag bekanntgab, warf Obama vor, Texas "den Wölfen zum Fraß vorgeworfen" zu haben. Newt Gingrich nannte Obamas Israel-Linie "gefährlich". "Der Präsident hat einen Fehler gemacht", sagte auch Mitch McConnell, der republikanische Minderheitsführer im Senat, auf Fox News.

Es seien mexikanische Truppen gewesen, die am 25. April 1846 den Rio Grande überquert und zwei Dragonerkompanien mit 500 Kavalleristen unter Captain Seth Thornton überfallen hätten. Dadurch sei damals der Kriegszustand eingetreten, die USA hätten sich nur gegen den Aggressor gewehrt. Die Mexikaner könnten bis heute froh sein, dass ihnen die USA nach der Kapitulation vom 14. September 1847 wenigstens ihre zwei Monate lang vom US-Militär besetzte Hauptstadt wiedergegeben hätten.

Unterstützung für die Position der Obama-Kritiker kam auch aus Moskau. Hier wies ein Kreml-Sprecher darauf hin, dass Deutschland Polen und die damalige Sowjetunion überfallen habe. Für alle späteren Gebietsverluste müssten die Deutschen selbst einstehen. "Das ist der Lauf der Geschichte", hieß es, "dass der Sieger nimmt und der Verlierer verliert." Deshalb heiße er ja Verlierer.

Kritik auch in der Washington Post

Dienstag, 24. Mai 2011

Die Ohnmacht der Allmächtigen

Die Maschinen zu schwer, die Anzüge zu schwarz, die Autos zu lang, die Fantasien zu wild. Den Westen, angekommen in einer Phase der Dekadenz und Selbstbetrunkenheit, hat US-Präsident Barack Obama bei seinem Besuch in Dublin mit einer außergewöhnlichen Aktion an mehr Zusammenarbeit, größere Bescheidenheit, Demut und sorgsameren Umgang mit den natürlichen Ressourcen gemahnt, die wir nur von unseren Enkeln und Urururenkeln geborgt haben. Beim Verlassen der US-Botschaft schien alles ganz normal - wie damals Kennedy und seitdem jeder nachfolgende Präsident fuhren die Obamas in der zweiten Limousine des imposanten Trosses, begeistert gefeiert von jubelnden Zuschauern.

Dann aber zeigt sich, wie die Überdehnung eines Imperiums im Kleinen aussieht: Der Wagen von Obama kommt noch die kleine Schwelle an der Toreinfahrt hinauf. Locker. Doch beladen mit all der Geschichte, der Schuld, den Skrupeln und verschwiegenen Schwächen, den Billionen von Schulden und den gebrochenen Versprechen setzt der Präsidentenwagen auf. Und steht wie festgeschweißt im Niemandsland zwischen US-Territorium (US-Präsident auf dem Rücksitz) und Irland (Fahrer und Leibwächter).

Die Weltgeschichte zwinkert, die Ohnmacht der Allmächtigen, von Heiner Rank vor fast 40 Jahren als Alptraum einer fernen Zukunft beschrieben, steigt für einen tollen Moment in die Gegenwart herunter. 41 Sekunden dauert er. "Obama's car gets stuck at US Embassy" - ein Augenblick wie Brandts Kniefall in Warschau, die Inthronisierung des "First Dog", Clintons feuchte Zigarrenbeichte und Reagan und Kohl in Bitburg. Auch politisches Gewicht wird am Ende nur in Kilo gemessen.

Warum Osama sterben musste

Die letzte Meldung, die kam, war die über die gefundenen Pornofilme in seinem kleinen, überaus luxuriösen "Unterschlupf" (dpa) in Pakistan. Nur zwei Wochen nach seiner überraschenden Rückkehr in die Weltpolitik zog sich Osama Bin Laden danach wieder zurück. Ungeklärt blieben die genauen Umstände seines Ablebens, nachdem PPQ in einer Rekonstruktion der Ereignisse der Todesnacht aufgezeigt hatte, dass es viele Möglichkeiten der Abläufe gibt. Keine davon sich aber mit den offiziellen Angaben in Einklang bringen lässt.

Was wirklich geschah in jener Todesstunde im lauschigen Abbottabad, lässt jetzt ein geheimes Strategiepapier ahnen, das der Tagesspiegel in voller Länge veröffentlicht hat. Danach hatten US-Geheimdienste und -Regierungsstellen Furcht vor einer Festnahme des Terrorfürsten, weil die nachfolgend zwingend notwendigen juristischen Prozeduren Amerika mehr schaden als nutzen hätten können. Konkret habe ein "weltweiter Aufschrei gegen die ungesetzliche Festnahme durch die USA" gedroht, daszu die Gefahr, dem Terrorfürsten keine konkrete Tatbeteiligung nachweisen zu können. Nach Prognosen der Tagesspiegel-Experten hätte ein Prozess mehrere Milliarden Dollar gekostet, am Ende aber hätte Haftverschonung aus gesundheitlichen gründen oder sogar ein Freispruch stehen können. Amerika drohe ein neues Trauma, beschreibt das Blatt das Szenario etwa fünf Jahre nach Beginn des Prozesses: "Bin Laden, noch immer Untersuchungshäftling, hat inzwischen in der Haft vier Räume zur Verfügung, ein Akten- und Arbeitszimmer, eine gemütliche Gebetsecke, einen Besucherraum und ein Schlaf- und Fernsehzimmer mit arabischsprachigen Kanälen. Der Angeklagte klagt nicht, muslimische und lutheranische Sozialarbeiter bereiten ihn behutsam auf ein Leben in Freiheit vor, das so unwahrscheinlich nicht mehr ist."

Auch Osama Bin Laden, das zeigt ein neues Bekennervideo, das von der auf Internetüberwachung spezialisierten Unintelligence-Group (UIG) auf islamistischen Webseiten (iTV) entdeckt wurde, spekulierte wohl auf ein solches Ende seiner Karriere. In dem kurzen Film zeigt sich Osama Bin Laden noch einmal mit gefärbtem Bart und in seinem alten, quittegelben Kaftan, um seinen sogenannten "Letzten Willen" zu verlesen. Er klingt altersmilde und sieht recht gesund aus, mehrere Schnitte im Film verraten aber, dass er mehrere Anläufe gebraucht haben muss, um seinen Text einzusprechen. Die "Botschaft an die Welt" (Originaltitel) ist zum ersten Mal mit einer deutschen Synchronstimme übersprochen, die Experten zufolge Ali Al Aschersleben gehören soll, einem führenden Mitglied der Al Kaida im Mansfelder Land. Parallel dazu wird der Text in einem englischsprachigen und einem arabischen Laufband transportiert.

Auch der Al-Kaida-Chef spricht im Zusammenhang mit seinem Ableben von "Mord" und nennt nicht näher bezeichnete "Kreuzfahrer" als seine Mörder. Er habe das Videoband vorsorglich aufgezeichnet, um der Welt klar zu machen, das ihn die Lektüre von Georgi Dimitroffs großen Reden im Reichsbrandprozess davon überzeugt hatten, seinen Kampf um die Befreiung der Umma nicht mehr mit Blutbädern und Bombenanschlägen zu führen. Er sei vielmehr entschlossen gewesen, sich seinen Häschern zu stellen und seinen Anklägern dann - wie einst Dimitroff - in einem rechtsstaatlichen Verfahren den Prozess zu machen.

Davor aber hätten die Kreuzfahrer Furcht gehabt, weshalb er habe sterben müssen, versucht Osama seinem Tod einen höheren Sinn anzudichten, um die Massen in der arabischen Welt noch einmal hinter Al Kaida zu versammeln. Eine neue Strategie deutet der Chefterrorist ganz am Ende an: Zu seinem Nachfolger ernennt er nicht, wie vom Fachblatt "Die Zeit" erwartet, den Ägypter Saif al-Adel. Sondern den deutschen Rapper Wasiem Taha, bekannt geworden als "Massiv". Dessen Einstellung sei "beispielhaft", seine Lieder hätten ihm stets gefallen und die friedliche Art seines Kampfes um Reschpekt imponiere ihm, so Osama Bin Laden. "Jedes seiner Lieder sei ein Beweis dafür, dass Ideen unsterblich sind", sagt Osama Bin Laden, und Ideen seien es, die All Kaida dringend benötige.

Deshalb habe er sich entschlossen, Massiv als Terrorfürsten zu benennen.Eine Strategie, in der die Unintelligence-Group (UIG) den Versuch sieht, nach den weiten Flächen Arabiens die dichtbesiedelten arabischen Städte in Europa zu erobern. Hier waren zuletzt drei junge Nachwuchsterroristen, auf die die Leitung des Terrornetzwerkes ebenso große Hoffnungen gesetzt hatte wie die Medien, spurlos von der Bildfläche verschwunden.


Die Terror-Jahre bei PPQ:
Al Kaida im Mansfelder Land
Talibanbart will Reichstag sichern
Terrorangst in Dunkeldeutschland
Wo die Dämonen wohnen
Gotteskrieger mit Kommaschwäche

Montag, 23. Mai 2011

Wer hat es gesagt?

Eine hoch entwickelte Wirtschaft kann man nicht im Detail planen. Da hat der Markt eine wichtige Funktion.

Benzinpreis: Zu hoch, wenn er niedrig ist

Zweieinhalb Jahre intensiver Forschungen der Preisbewegungen an jeweils 100 Tankstellen in Hamburg, Köln, Leipzig und München, 200 Seiten Papier und schon ist die Erkenntnis unter den Menschen: In Deutschland gibt es fünf große Mineralölkonzerne, die Tankstellen betreiben. Keiner von ihnen legt seine Benzinpreis mit dem Würfelbecher fest. Sondern jeder Tankstellenpächter guckt, was die Konkurrenz rundherum macht. Und verkauft sein Benzin dann zu einem etwa ähnlichen Preis.

Für diese Erkenntnis braucht es in Deutschland nicht gesunden Menschenverstand, sondern eine Bundeskartellbehörde. Die hat jetzt aufgedeckt, dass die großen Mineralölkonzerne gar nicht, wie von Anhängern der sozialistischen Planwirtschaft stets vermutet, in geheimen Kungelrunden zusammensitzen und die Preisbewegungen langfristig miteinander absprechen müssen. Sondern dass es reicht, Preise abzugucken.

Ein Schlag ins Kontor aller Verschwörungstheoretiker. Doch die Kartellwächter trösten: Die Benzinpreise in Deutschland seien trotzdem "höher als sie sein müssten". Schuld daran sei ein "marktbeherrschendes Oligopol" aus den fünf großen Konzernen Aral/BP, Shell, Jet, Esso und Total, die zusammen auf einen Marktanteil von rund 70 Prozent kommen. Damit bestätigt sich festes Wissen eines großen Teils der Bevölkerung, dem vorher schon gelegentlich aufgefallen war, dass es nur fünf große Ketten gibt. Es bestätigt sich aber auch eine Theorie der Kartellwächter: "Wir haben schon seit Längerem die Arbeitshypothese eines Oligopols", sagt Kartellamtssprecher Kay Weidner. Das spreche die Preise letztlich informell ab, indem es sie abschaue. Dadurch seien die Preise "häufig zu hoch".

Allerdings kommen die Kartellwächter mit dieser These gerade in einem Moment um die Ecke, in dem der Benzinpreis gemessen am Ölpreis etwa auf fairem Niveau liegt. Bereinigt um Wechselkursschwankungen tut er das nicht immer. Wie der Chart des Ölpreises in Euro (grüne Linie) und des Preises von Superbenzin in Euro (blaue Linie) oben zeigt, ist Benzin in Deutschland nämlich vor allem zu teuer, wenn der Ölpreis niedrig ist. Schuld daran aber ist nicht ein geheimnisvolles Oligopol, sondern die Preismacht des Staates: Zwei Drittel des Benzinpreises sind Steuern, also etwa 90 Cent je Liter, davon 65,45 Cent fallen völlig unabhängig von der Höhe des Benzinpreises an.

Der Effekt ist deutlich: Steigt der Ölpreis, steigt der Benzinpreis mit. Fällt aber Ölpreis, bleibt der Benzinpreis dennoch hoch. Mit der Aufregung über den Benzinpreis verhält es sich genau andersherum: Orientiert sich der Benzinpreis am Ölpreis, macht er Schlagzeilen und in den Medien herrscht große Empörung darüber, wie der arme Autofahrer abgezockt wird. Wird aber der arme Autofahrer trotz niedriger Ölpreis an der Tankstelle mit hohen Benzinpreisen gnadenlos abgezockt, schweigt die von einem drögen Dreisatz wie Ölpreis mal Benzinpreis durch Dollarkurs heillos überforderte Qualitätspresse feinstill.

Zukunftmusik: Kartellamt bestätigt: Konzerne an Profiten orientiert!

Abschied vom Schlangennazi

Es war kalt in Deutschland, damals, kurz vor Weihnachten 2008, als der Passauer Polizeichef Alois Mannichl von einem riesenhaften, kahlgeschorenen und mit einer Schlange im Gesicht tätowierten Rechtsradikalen mit einem zufällig herumliegenden Lebkuchenmesser planmäßig beinahe erstochen wurde. Eine "neue Qualität rechtsradikaler Gewalt" entdeckte Bayerns Innenminister Hermann in der verabscheuungswürdigen Tat. Schnell wurde einige herumreisende Nazis verhaftet und einige Fernsehdiskussionsrunden angesetzt. Hinter der Tat, das war bereits am Tag danach klar, steckte ein Racheakt eines Neonazis, der erbost darüber war, dass Alois Mannichl "mehrfach gegen Aufmärsche von Rechtsextremen vorgegangen" (dpa) war.

Von Süddeutscher bis "Spiegel" griffen Experten flugs zur Feder und erläuterten, wie das Land hatte in einem Strudel aus Faschismus, brutaler Rechtsgewalt, Selbstzweifeln und Antisemitismus versinken können, so dass sogar ein gesichtstätowierter Fremdenhasser dem generalmobilisierten Fahndungsapparat entgehen kann.

Nur eine Frage der Zeit sollte es sein, bis Alois Mannichl, der im Zuge seines Attentats beförderte Polizeichef von Passau, gerächt und der nach PPQ-Erkenntnissen während der Tat mit einer Perückenglatze auftretende Rechtsterrorist gefasst werden würde. Die Sonderkommission Glatzenjagd wurde immer wieder personell aufgestockt, Monate nach der Tat sicherten Experten auf den Gehwegen rund um den Tatort Spuren im Schneematsch: Zigarettenkippen und Kinderdreiräder konnten geborgen, nicht aber der Naziszene zugeordnet werden.

Der Schlangennazi schien wie vom Erdboden verschwunden. War die Tätowierung nur aufgemalt? Der Schlangenmensch in Wirklichkeit ein bekannter Fußball-Nationalspieler? Oder der Sohn des Opfers, dessen Gesicht dem auf einem der Phantombilder abgebildeten täuschend ähnlich sah?

So viel Fragen. Und keine Antwort. Schon zum ersten Jahrestag seiner Tat erinnerte kaum noch eine Zeitung an den Anbruch der neuen Ära rechtsradikaler Gewalt, zum zweiten lag ein dichtes Tuch aus Vergessen über dem Schoß, der doch noch so fürchterlich fruchtbar war.

Und dabei bleibt es nun wohl auch. Nur zweieinhalb Jahre nach dem "klar rechts motivierten" (dpa) Anschlag auf Alois Mannichl "haben die Ermittler keine Hinweise dafür, wer dahintersteckt", wie der "Spiegel" aus der Passauer Neuen Presse abschreibt. Nun werde der Fall zu den Akten gelegt, die Ermittlungsgruppe des bayerischen Landeskriminalamtes in München aufgelöst. Man arbeite noch restliche Spuren ab, doch sehe man derzeit keine Möglichkeit zur Klärung des Falls, habe LKA-Präsident Peter Dathe vor der braunen Gefahr kapituliert.

Erfolg sieht anders aus. Mehr als 2,5 Millionen Euro hat sich der Rechtsstaat die Arbeit der zeitweise mehr als 50 Beamte umfassenden Sonderkommission "Lebkuchenmesser" kosten lassen. Die Beamten gingen rund 3000 falschen Hinweise nach, sie vernahmen 2100 "mögliche Zeugen", wie es der "Spiegel" doppeldeutig nennt. Auch verdächtige seien befragt worden. Doch niemand gestand.

Das Opfer Alois Mannichl bleibt dennoch optimistisch. Nach der alten Fahnderregel, dass ein Fall am besten in den ersten 48 Stunden gelöst werden solle, spreche alles dafür, dass der Mörder eines Tages gefunden werde: "Ich bin ganz sicher, dass man den Täter irgendwann erwischt", sagte er.

Das große Archiv der CSI Fürstenzell:
Stabile Spurenlage
Jagd auf einen Unsichtbaren
Die Tat macht den Nazi
Hasch mich, ich bin der Mörder
Die Beweiskraft von Fingernägeln
Die schönsten Pannen bei CSI
In Luft aufgelöst
Keiner war es nicht
Der Revolver raucht nicht mehr
Schlangenglatze fast gefangen
Ringen mit Rechten
Neues vom Pannichl
Kurt Demmler wusste alles
Auf der Flucht: Der Schlangenmensch
Stochern im Stichkanal
Parole Räuberpistole
50 Mann auf des toten Mannes Kiste

Sonntag, 22. Mai 2011

Die virtuelle Gefahr

Wenn sich Besinnungslosigkeit, eine ausgeprägte Algebraschwäche und sklavische Agenturhörigkeit verbinden, singt der große Meinungschor so etwas wie dieser Tage: "Neue Rekorde bei der Internetkriminalität", schreibt die "Süddeutsche", "Deutsche immer häufiger Opfer von Internetkriminalität", sekundiert die "Deutsche Welle", „Netz-Kriminalität ein enormes Problem“, erläutert die FAZ. es kann einem Angst werden und Bange vielleicht sogar, denn all das klingt, als käme der Netzverbrecher demnächst auf jeden Fall vorbei. Das Internet werde immer stärker zum Tatort, imaginiert die Agentur Reuters, die Zahl der Straftaten im Netz sei 2010 "auf einen neuen Rekordwert von knapp 225.000 gestiegen". Eine Steigerung um 8,1 Prozent, hat der Innenminister ausrechnen lassen.

Allerdings nennen alle Blätter und Agenturen absolute Zahlen eher unwillig und weit im hinteren Teil ihrer hochanalytischen Texte, die überwiegend aus Satzbausteinen der Pressemitteilung des Bundesinnenministers bestehen. Und Vergleichsdaten zur Einordnung nennen sie gar nicht.

Der Grund liegt auf der Hand: 225.000 Internetverbrechen sind, gemessen an der Gesamtmenge krimineller Vergehen in Deutschland, die bei rund sechs Millionen liegt, gerademal 3,75 Prozent. Und die Steigerungsrate von 8,1 Prozent liegt auch noch unter der Wachstumsrate bei neuen DSL-Anschlüssen.

Die Zahl der Internetverbrechen wächst also nicht einmal so schnell wie die Zahl der schnellen Internetzugänge. Dennoch ist die mediale Aufregung über 87.000 Online-Betrugsfälle ungleich größer als die über mehr als eine Million Offline-Betrügern und die 225.000 Internetstraftaten bekommen zehnmal mehr Schlagzeilenplatz als die 1,3Millionen Fälle von Straßenraub.

So entsteht eine Art virtuelle Verbrechenswelt, in der nicht zählt, was wirklich ist, sondern was wirklich gut klingt. es geht um die hohe Schule des Lügens mit der Wahrheit: Der Agentursatz "der Computer wird immer häufiger zum Tatwerkzeug von Kriminellen", ist ansich völlig korrekt, müsste aber, um wahr zu sein, ergänzt werden um die Informationen, dass 51 Millionen Bundesbürger einen Internetzugang haben - und damit rein statistisch die Chance, aller 600 Jahre Opfer eines Onlinebetrügers zu werden. da braucht es Geduld, da braucht es den festen Willen, auf "Fishing-Attacken" (Die Zeit) hereinzufallen. Dabei ist die Zahl der Internetverbrechen nach PPQ-Berechnungen seit 1911 um ganze 40 oder sogar 77 Millionen Prozent gestiegen . Minister Hans-Peter Friedrich warnt auf tagesschau.de vor den Konsequenzen für das Internet. Halte dieser Trend an, könnte das Internet so unsicher werden, dass es unbrauchbar werde, sagte er. Der Minister forderte daher erneut eine Vorratsdatenspeicherung für Internetverbindungen, um Straftaten besser verfolgen zu können. Das hatte das Bundesverfassungsgericht vor einem Jahr gekippt, angesichts der rein virtuellen Verbrechenswelle aber wird die Verfassung nun wohl aber mal wieder geändert werden müssen

Werde auch du Freiwilliger Helfer der Cyberpolizei
Schäuble-Mail:Sicherheit für Schnuckibaer
im feuchten Traum der E-Postnutzer
Briefe, die niemand empfangen kann: Die Idee E-Post

Samstag, 21. Mai 2011

Am Ende vor dem Abgrund

Am Ende des langen Weges ist nicht mehr viel Energie übrig. Der Hallesche FC, als Aufstiegsanwärter in die Regionalligasaison gestartet und schon im Winter mit der Aussicht zufrieden, bis zum Sommer irgendwie halboben mitspielen zu können, hat sich vier Tage nach dem gewonnenen Landespokalfinale mit einer weiteren Heimniederlage aus dem Notstadion in Halle-Neustadt verabschiedet. Nach einem 0:3 gegen Kiel und einem 0:2 gegen den HSV hieß es auch gegen Wolfsburg wieder 0:2 - drei der vier letzten Heimauftritte wurden damit verloren. Mehr als in der gesamten vorvorigen Saison.

Dass es so nicht weitergehen kann, ist klar. Deshalb auch vor dem Anpfiff eine große Verabschiedungsorgie. Mit Thomas Neubert geht der Westernhagen des deutschen Fußballs und ehemalige Fußballgott. Beim Ortsnachbarn in Ammerdorf haben sie ihm eine ganze werbebande gewidmet (Foto links), jetzt zieht der Rockzirkus weiter. Auch Christian Kamalla muss gehen, der am längsten beim HFC aktive Spieler, dazu mit Selim Aydemir der launische Zauberer, der nach Höherem strebt, im Training aber gern mal Bus fährt, und mit Phillip Schubert ein Mann, auf den immer Verlass war. Dazu scheiden der langzeitverletzte Siebert, die einst als Stürmer verpflichteten Markus Müller und Alan Lekavski und Ronny Hebestreit, der seine Karriere beendet.

Mindestens acht neue Leute wie Trainer Sven Köhler aber auch brauchen, will er mit dieser Mannschaft wirklich mal um den Aufstieg mitspielen. Zwar hat Halle gegen Wolfsburg die ersten 30 Minuten für sich, dann aber foult VfL-Keeper Hitz Marko Hartmann im Strafraum. Er sieht Rot, den fälligen Elfmeter verschießt diesmal Nico Kanitz. Zuletzt hatte das Benjamin Boltze erledigt, wenn auch nicht so spektakulär: Kanitz hat den Ball krachen an die Latte.

Der HFC spielt trotzdem gefällig weiter, der vierte Treffer im Monat Mai scheint nur eine Frage der Zeit. Bis ein Wolfsburger auf links durchläuft und schießt, Tom Butzmann noch den Fuß an den Ball bekommt. Und Torwart Darko Horvat, der schon in die andere Ecke fällt, damit schulbuchmäßig überlistet.

Es sind die Hallenser, die heute das Spiel entscheiden. Während die Wölfe in Unterzahl versuchen, den Vorsprung zu halten, spielt Halle breit und quer und nur gelegentlich gefährlich nach vorn, angetrieben zumeist von Marco Hartmann, Telmo Texeira und Toni Lindenhahn, den drei einzigen in Rotweiß, denen anzusehen ist, dass sie gern nochmal gewinnen würden.

Sven Köhler will dann aber noch Christian Kamalla (Foto oben) Gelegenheit geben, sich vom Publikum zu verabschieden, vor dem seit 1990 gespielt hat. "Malle", berühmt für seine kompromisslose Art, den Ball ins Aus zu schlagen, kommt nach der Halbzeitpause. Er ist neun Minuten auf dem Platz, als ihm ein grandioser Fehlpass vor dem eigenen Strafraum gelingt. Polter ist zur Stelle und macht das 0:2.

Das wars dann auch. Lindenhahn hat eine Kopfballchance, Butzmann ebenso, selbst Kamalla schießt aufs Tor und der eingewechselte Pavel David versucht es sogar mit einem Fallrückzieher. Näher als bis auf einen Meter aber kommt der Ball nicht an die Wolfsburger Torlinie, auch nicht, als Markus Müller eingewechselt wird.

Das zähe Auslaufen am Ende einer allein schon wegen des jämmerlichen Ausweichstadions quälenden Saison zieht sich so strahlendem Sonnenschein hin wie ein grauer Landregen. Nichts geht mehr da unten, auch wenn sich Hartmann immer wieder müht. Ein Spiel letztlich wie die ganze Saison, die die mit der schlechtesten Bilanz seit dem Aufstieg in die Regionalliga werden wird. Unter denen, die da auf dem Platz stehen, sind etliche, mit denen man nie absteigen wird. Aber fürs Aufsteigen sorgen werden die müssen, die noch gar nichts davon wissen.

Endlich: Schärfere Gesetze gegen Hetze

Es wurde aber auch höchste Zeit, dass endlich etwas gegen diese Unsitte unternommen wird! Weil es auch mehr als sechs Jahrzehnte nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Ende der Ein-Parteien-Diktatur DDR in Deutschland immer noch möglich ist, ganz unterschiedliche Ansichten zu unterschiedlichen Sachverhalten zu äußern, hat der Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat jetzt eine schon seit langem notwendige Erweiterung des Volksverhetzungsparagrafen gefordert. Der Vorsitzende des Gremiums, Karamba Diaby, kündigte eine entsprechende Petition an den Deutschen Bundestag an. Es gehe darum, den Paragrafen 130 im Strafgesetzbuch zu verschärfen. "Die Debatte um die Äußerungen von Thilo Sarrazin zeigen überdeutlich, dass wir wirkungsvollere Maßnahmen gegen Äußerungen brauchen, die ich für rassistisch und diskriminierend halte", sagte der engagierte Sozialdemokrat.

Der aus dem Senegal stammende Chemiker engagiert sich hauptberuflich als Leiter des Projektpools „Migration und Integration“ in der Jugendwerkstatt Frohe Zukunft im mitteldeutschen Halle, das trotz seiner seit 20 Jahren andauernden Bemühungen als Trainer für Interkulturelle Kompetenz und Diversity, Koordinator des Landesnetzwerkes der Migranten-Selbstorganisationen Sachsen-Anhalt, Vorsitzender des Ausländerbeirats der Stadt Halle und Präsident des Deutsch-Senegalesischen Vereins „Deutschland-Nangadef“ als eine Hochburg interkultureller Unbildung gilt. Direkt an der Straße der Gewalt gelegen, bietet die Stadt ihm als Mitglied der Steuerungsgruppe des Netzwerkes für Integration und Migration, Mitglied im Präventionsrat, Mitinitiator der „Bürger.Stiftung.Halle“, Mitglied des Beirates des „Fonds für Opfer Rechtsextremer Gewalt“, Mitglied der AG Rechtsextremismus der SPD Sachsen-Anhalt und Mitglied des Bundesforums gegen Rassismus ein reiches Betätigungsfeld - das allerdings, findet Diaby, noch ausbaufähuig ist.

Wenn alle Äußerungen von Menschen, denen nicht alle anderen Menschen zustimmen, strafbar wären, ergäbe sich ein noch viel größere Notwendigkeit, zu Handeln, bevor es zu spät ist. Der Fall des ehemaligen Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin habe gezeigt, dass der Staatsanwalt gefordert sei, wenn "Thesen die Gesellschaft spalten". Leider aber biete das deutsche Strafrecht im Augenblick noch keine Handhabe, mit juristischen Mitteln für Ruhe zu sorgen. Nur durch eine Ausweitung des Begriffes der Volksverhetzung nach Gusto der Migrantenverbände könne sichergestellt werden, daß Bücher, wie Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ die Gesellschaft künftig nicht mehr belasten, sagte Karamba Diaby, der dazu eigens aus dem Konsens der Demokraten ausscherte und der Rechtspostille "Junge Freiheit" Rede und Antwort stand, ehe diese dann im Zug der Gesetzesänderung verboten wird.

Nach den Vorstellungen Diabys könne man dann zukünftig mit Aussagen wie Sarrazins zwar in der SPD bleiben, deren Parteigericht hatte einen Ausschluss ja vermieden. Man müsse aber seine Mitgliedbeiträge als Verurteilter Hetzer aus dem Gefängnis zahlen. Diaby handelt hier nach der alten SPD-Grundregel, dass "Politik die Aufgabe hat, das tägliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft zu regeln".

Als beispielshaft gilt ihm der Senegal. Dort gebe es den Artikel 80 des Strafgesetzbuches zum "Schutz der nationalen oder öffentlichen Sicherheit", mit dem Staatspräsident Abdoulaye Wade in der Vergangenheit Angriffe gegen Minderheiten etwa beim Zoll oder in der Ministerialbürokratie wirksam stoppen konnte. Der Zuwanderungsrat fordere außerdem natürlich die Einrichtung eines Bundesministeriums für Integration und Migration. Es gehe hierbei nicht um die wirkliche Notwendigkeit, sondern wie bei alle den Räten und Beiräten und Foren, in denen er Mitglied sei, um reine Symbolpolitik. "Nur so wird die propagierte Integrationspolitik der Bundesregierung auch glaubhaft", erklärte Karamba Diaby.


Demnächst strafbar: Frecher Meinungsbeitrag bei Nusquam
Die SPD auf dem richtigen Weg:Sehnsucht nach stalinscher Reinheit

Freitag, 20. Mai 2011

Ein letztes Lächeln

Der HFC und Diego - was läuft da wirklich?

Er war Weltpokal-Sieger, sie halten den Landespokal, er war zweimal Meister in Brasilien und einmal in Portugal, sie holten einmal den DDR-Meistertitel. Er wurde zum Fußballer des Jahres gewählt, sie waren schon mal Mannschaft des Jahres in ihrer Region. Jetzt hat Kulttrainer Felix Magath, seit dem Kauf eines Schwemmlandbauernhofes an der Elbe vom Herzen her Mitteldeutscher, seinem egomanischen Brasilianer Diego Ribas da Cunha öffentlich einen Wechsel zum Halleschen FC nahegelegt. Der Klub von der Saale müsse sich nur melden, dann werde Diego in der kommenden Saison im neuen schicken Stadion in Halle spielen, so Magath.

Der Transferhammer! Doch bei genauerer Betrachtung wird klar, dass sich hier zwei gefunden haben, die wie angegossen zueinander passen. Hier der ostdeutsche Traditionsverein mit seiner langen Geschichte brasilianischer Kicker. Schon 1968 weilte mit dem FC Portuguesa Sao Paulo der erste brasilianische Verein zum Gastspiel im damals noch streng kommunistischen Mitteldeutschland. Später kamen die Brasilianer, um zu bleiben: Ari Segundo erlebte hier seine schönsten Fußballertage, Flavio überzeugte durch Körpergröße, der Abwehrrecke Teobaldo Wellington da Luz wurde gar zu einer Legende.

Und er könnte zum großen Rückhalt des als unstet bekannten Diego werden. Wellington ist nämlich nicht nur Fußball-Profi, sondern auch Laienprediger in einer christlichen Freikirche in Halle. Hier bei 2In God we trust" soll der gläubige Christ Diego schon bald liebevolle Aufnahme erfahren. Sein Ritual: Vor dem Spiel bekreuzigt er sich, nach einem Tor dankt er Gott, später setzt er sich dann in einen Porsche Cayenne oder BMW X5, beides Autos, die ganz in der Nähe seiner künftigen Heimatstadt Halle gebaut werden, und fährt in die im Gewerbegebiet Ost liegende Kirchgemeinde, um zu singen, zu beten und in Zungen zu reden.

Seine Fans hier warten schon seit Jahren sehnlich auf seinen Wechsel zum HFC. Mit liebevoll gestalteten Kacheln, auf denen schon 2006 nach "Diego" verlangt wird (Foto oben), mahnten sie immer wieder Anstrengungen der Klubführung an, den Mann zu verpflichten, der bisher nur armen Kindern in Brasilien helfen konnte, das aber künftig in Halle gleich vor der Haustür tun kann, weil hier fast jedes dritte Kind als arm gilt. Ein bisschen von der Bekanntheit der Händelstadt sollte dafür auch auf ihn abstrahlen: Gibt man bei Google Halle/Saale ein, erhält man 19,5 Millionen Treffer, für Diego da Cunha aber nur 3,7 Millionen.

Auch die Versorgung des Stars mit seinen Lieblingsspeisen ist an der Saale gesichert: Big Mac und Pommes gibt es in der Großen Ulrichstraße; Pizza und Spaghetti bringt Uno. Anschließend geht es in die überschaubare Partyszene der Stadt - Fußballer trifft man im Turm oder der Palette, und Diego mag es ja , in Bars oder Clubs zu feiern, als wird auch er bald dort zu finden sein. Zum Billardspielen dagegen, eine andere Leidenschaft des vielverkannten Mittelfeldgenies, geht es ins Fitnesscenter des 10er-Vorgängers Darius Wosz. Kino kann er im Cinemaxx gucken, gar nicht weit von der hübschen Genossenschaftwohnung, die ihm sein neuer Verein kostenlos stellen wird. Nach PPQ-Informationen wird Diego schon morgen nach Halle kommen, diesmal noch als Ersatzspieler im Aufgebot der Reservemannschaft des Volksvereins aus der Führerstadt. Am Rande der Begegnung sollen dann Gespräche über die Verpflichtung stattfinden.

Mehr Ostfussball

Verbot der Woche: Mitleid mit Mördern

Eindeutig verzockt hat sich der dänische Regisseur Lars von Trier. Nach dem verheerenden Echo, das Angela Merkels öffentlich geäußerte große Freude über die Hinrichtung des ehemaligen Terrorfürsten Osama Bin Laden bei Jung und Alt, Groß und Klein sowie im In- wie Ausland ausgelöst hatte, wollte der Dogma-Filmer sein neues Werk "Melancholia" mit einem mutigen Bekenntnis zu Empathie und Mitgefühl auch im Falle fürchterlichster Verbrecher auf dem Weg zu den Kinokassen begleiten. Erst äußerte der Sohn eines Kopenhagener Juden, der das 3. Reich in Schweden überlebt hatte, Mitleid mit Adolf Hitler, der einsam und in einem noch nicht völlig durchgetrockneten und ausgehärteten Betonbunker hatte sterben müssen. Von hellwachen Journalisten darauf angesprochen, dass es sich bei Hitler um einen bekannten Faschisten handelt, gab Trier frech zu: "Okay, ich bin ein Nazi."

Wenn der Filmemacher gedacht hatte, irgendjemand weltweit werde bereit sein, seine humoristische Einlage als solche auch öffentlich zu erkennen, hat er sich geirrt. Bin Ladens Tod total erfreulich zu finden, geht gar nicht. Noch weniger aber ist es 66 Jahre nach dem Tod des deutschen Despoten möglich, dessen Tod nicht total erfreulich zu finden.

Lars von Trier ist deshalb beim Filmfestival von Cannes umgehend ausgeschlossen worden und die Bundesregierung erwägt informierten Kreisen in Berlin zufolge im Moment ein in die bürgerschaftlich engagierte PPQ-Initiative "Verbot der Woche" eingebettetes bundesweites Aufführungsverbot seines Machwerkes "Melancholia". Der Film, der teilweise im Weltall handelt, stehe im Verdacht, jugendgefährdende und demokratiezersetzende Informationen zu transportieren, die vom Blogampelamt und den Bundeszensurbehörden als grundgesetzwidrig eingestuft werden.

Es ist ein knietiefer Fall, ein Sturz in den braunen Sumpf, eine "Ächtung" (FAZ), die die Papiermühlen zum Klappern bringt. "Höllensturz" und "Eklat", titeln die Gazetten, nur Gau kommt nicht vor. Während die Dänen gelassen reagieren, sind die Deutschen sofort begeistert aus dem Hitlerhäuschen.

Autobahnalarm! Rasch soll reagiert werden, um gegen den fruchtbaren Schoß vorzugehen, der noch fruchtbar ist. Verboten werden sollen auch Äußerungen, die Trier als einen "der talentiertesten, einflussreichsten aber auch umstrittensten Regisseure seiner Generation" beschreiben und seine Filme verharmlosend "suggestive Bilderwelten" oder "eigenwillige Fernsehspiele" beschreiben. Hier gelte nunmehr die gesetzliche Regel, dass wer Mitleid mit Hitler äußere, über kein Talent verfügen könne.

Vor dem Verbot oder zumindest einer Umbenennung stehe auch die erfolgreiche Popgruppe "Element of Crime" (Video oben), die sich in Verkennung der wahren Natur des dänischen Quieslings irrtümlich nach einem von dessen frühen suggestiven Machwerken benannte. "Der Liebling des Festivals ist denselben roten Teppich hinuntergestürzt, den er einst so rasant erklommen hat", schreibt die FAZ, wie immer messerscharf in der Analyse. Vorgestern sei der Däne ein Künstler gewesen. "Heute ist er ein Fall."

Und, man möge später daran denken, wo man das zuerst gelesen hat, nicht der letzte!

Mehr aus der bürgerschaftlich engagierten Reihe Verbot der Woche

Donnerstag, 19. Mai 2011

Nazigrusel beim Keltenfürsten

Die sehen ja schon aus. Die Haltung! Der Scheitel! Glücklicherweise gelang es "Bild"-Reportern, eine von Rechtsextremisten und Rechtsradikalen offenbar geplante Unterwanderung der großen Ausstellung des "staatlichen Keltenschatzes auf dem Glauberg in Hessen" durch kreativen Umgang mit Licht und Schatten im Ansatz zu unterbinden. "Neonazis", so hatte die Redaktion zuvor herausgefunden, "bewachen die 1,86 Meter hohe Statue des Keltenfürsten".

Während jener Fürst ohne Namen bleibt, bekommt die zuständige Sicherheits-Firma ihr Fett weg: "Zwei Sicherheits-Männer in SA-ähnlichen Uniformen stehen neben dem angeleuchteten 230 Kilo schweren Keltenherrscher im 1. Obergeschoss des neuen Museums. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Braune Hemden, schwarze Krawatten, schwarze Kampfhosen, dicke Koppelschlösser", so hat der Reporter die "schaurige" (Bild) Szene erlebt.

Unglaublich das: "Während Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier vor 450 geladenen Gästen den 9 Mio. Euro teuren Prachtbau am Fundort des Keltenfürstens einweiht, stehen die zwei NPD-Männer mit grimmigen Blicken neben der Kult-Statue". Ein "Riesen-Skandal" (Bild), denn, hier wird es historisch-wissenschaftlich, "Neonazis verehren die heidnischen Vorfahren, wie schon SS-Chef Heinrich Himmler, der das Christentum als „jüdisch" hasste, deshalb den „Glauben der Ahnen" wiederaufleben lassen wollte".

Das wird nun durch die Wachsamkeit der vierten Gewalt nicht gelingen, denn nach Hinweisen der Boulevardpresse reagierte die Landesregierung sofort: Die vom Bild-Fotografen unter kreativer Ausnutzung der Lichtverhältnisse mit einem Hitlerscheitel versehenen Wachleute müssen gehen, eine andere Firma bekommt den Auftrag, um den Keltenfürsten anzuhimmeln, müssen die Rechten nun eine Eintrittskarte kaufen.

Ihre Wachschutzfirma bewacht allerdings weiter die Taxistände am Frankfurter Bahnhof, weil das Bundesarbeitsgericht erst kürzlich geurteilt hatte, dass sogar ein Behördenmitarbeiter nicht wegen seiner Mitgliedschaft in der NPD gekündigt werden darf, ein Wachmann also wohl auch nicht, selbst wenn er seine Wachmannuniform trägt.

Wie es war, war es nicht

Das sind die Rätsel, die in der US-Krimiserie "Law&Order New York" jedesmal für exakt 43 Minuten Spannung sorgen. Ein mächtiger Mann landet im Gefängnis, nachdem er ein Zimmermädchen sexuell belästigt hat. Der Mann sucht Ausreden, er verfängt sich in Widersprüchen, er gesteht ein bisschen, dann einen Teil. Der Prozess hat noch nicht begonnen, aber das Urteil ist gefallen. "Politisch gilt der Franzose als erledigt", schreibt n-tv, eine Art elektrisches Ferngericht.

Dabei sind einige offene Fragen noch nicht einmal aufgeworfen, geschweige denn beantwortet. Strauss-Kahn beging seine Tat nach Angaben des missbrauchten Zimmermädchens in seiner 590-Euro-Suite im New Yorker Sofitel, nach eigenen Angaben ein "Luxushotel". Nach der Anklageschrift hinderte er die 32-Jährige das Zimmer zu verlassen - die Frage ist allerdings, wie die Hotelbedienstete überhaupt in das Zimmer kam, ehe der Gast abgereist war.

Das hätte bei Strauss-Kahn nicht mehr lange gedauert, er hatte nach übereinstimmenden Medienangaben bereits seine Koffer gepackt. Normalerweise kommt der Zimmerservice, wenn der Gast abgereist ist. Dass ein Fünf-Sterne-Haus seinen Angestellten erlaubt, die Räume für den nächsten Gast vorzubereiten, während der vorige noch im Zimmer ist, dürfte ausgeschlossen sein.

Dass Zimmermädchen klopfen, um zu sehen, ob der Gast schon abgereist ist, kommt hingegen häufig vor. Normalerweise heißt es dann: Nein, kommen Sie in einer Stunde wieder.

War hier nicht so. War anders. Wie, weiß man nur nicht. Fakt ist, Strauss-Kahn und das Zimmermädchen waren zusammen im Zimmer 2806 des Sofitel. Logisch erscheint das, wenn Strauss-Kahn sein späteres Opfer in die Suite gebeten hat, weil er böse Absichten hegte. Aber welche Absichten hatte die Zugehfrau? Die genau wusste, dass sie eigentlich gehen und später wiederkommen müsste?

Wollte sie die Betten neu beziehen, während der IWF-Chef noch seine Schlipse verpackt? Wollte sie ihm beim Anlegen des Reiseanzuges helfen? War nicht so. War irgendwie anders. Wie, weiß man nur nicht. Fakt ist, sie war im Zimmer, Fakt ist auch, dass Strauss-Kahn sich Zeit für sie nahm. Sechs Anklagepunkte vom "Strumpfhose herunterziehen versuchen" über "nach Brüsten greifen" bis "Penis zweimal gewaltsam an ihren Mund halten" listet der Staatsanwalt auf. Dauert keine Stunde, aber auch nicht nur zehn Sekunden.

Dann plötzlich aber hat es der IWF-Chef eilig. Er flieht aus der Suite, lässt sein Gepäck liegen, vergisst sogar, sein Handy mitzunehmen.

Was mag, was kann zwischen dem Vergewaltigungsversuch, von dem nicht berichtet wird, dass er von lautem Geschrei des Opfers begleitet wurde, und der überstürzten Flucht passiert sein? Aus irgendeinem Grund geriet Strauss-Kahn ja in Panik, Panik, die er offenbar während seines Versuch, sich die Servicekraft zu Willen zu machen, noch kein bisschen gespürt hatte.

Die Frau bestreitet seine derzeit noch gültige Version, es habe einvernehmlichen Sex gegeben. "Nichts war einvernehmlich bei dem, was in diesem Hotelzimmer passiert ist", habe der Anwalt der Einwanderin aus dem westafrikanischen Guinea erklärt, zitiert n-tv den TV-Sender NBC. Dabei wäre die Variante, dass Strauss-Kahn den Sex bis zu einem gewissen Punkt für einvernehmlich gehalten hat, dann aber plötzlich eines Besseren belehrt wurde, die perfekte Erklärung für seinen schlagartigen Wandel vom lässigen Lebemann auf Reisen, der vor dem Heimflug schnell noch einen Quicki mitnimmt, zum von Panik getriebenen Weltbanker auf der Flucht.

War nicht so. War anders. Wie, weiß man nur nicht. "Meine Schwester ist unfähig, sich eine solche Geschichte auszudenken. Sie ist praktizierende Muslimin und trägt Kopftuch", sagt ein Mann, den die SZ aus der französischen Tageszeitung Le Parisien zitiert und der sich "Bruder" des Opfers nennt. Sie habe nicht gewusst, wer Strauss-Kahn sei, erklärt auch ihr Anwalt Jeffrey Shapiro

Verschwörungstheoretiker, die meinen, Strauss-Kahn habe wegen seiner kapitalismuskritischen Haltung durch eine "gezielte Aktion" abgeschossen werden sollen, liegen sicher falsch. Spätestens an dem Punkt, an dem der Weltbanker sein Sperma auf eine ihm wegen seiner bekannten Vorlieben für flotten Sex zugeschobene Provokateurin abgeschossen hatte, wäre er für jede Interessengruppe, die ihn hätte weghaben wollen, als IWF-Chef nützlicher gewesen als als Angeklagter eines Kachelmann-Prozesses im Weltmaßstab.

Also die Franzosen. Sarkozy, der einen möglichen Konkurrenten aus dem Feld schlagen wollte? Das Zimmermädchen, immerhin aus der früheren französischen Kolonie Guinea stammend, eine schon vor Jahren gezielt platzierte Bei-Schläferin, die nun aktiviert wurde? Und kein besseres Drehbuch mitbekam als das eines Zimmermädchens, das gegen jede Hotelregel das Zimmer für den nächsten Gast vorbereitet, während der vorige noch packt? Ach nein. War nicht so. War anders. Nur wie wird man nie wissen.

Verschwörung? Nicht ohne meine Hitlerbilder!
Jetzt auch die Taz zu Könnte sein, das was war, könnte aber auch nicht