Man darf sich das etwa so vorstellen wie die Dönerwochen bei McDonalds. Zuerst kommt wohl ein Fax aus der DFB-Zentrale mit der freundlichen Anweisung, nachfolgenden Text bitte während des nächsten Heimspiels öffentlich zu verlesen. "Wir, die Mitglieder, Funktionäre, Fußballer und Fans des .... (setzen Sie bitte hier ihren Vereinsnamen ein!)", heißt es da, "verurteilen alle fremdenfeindlichen oder rassistischen Äußerungen oder Angriffe aufgrund von Hautfarbe, Religion, Rasse usw". Deshalb, geht es im Halbzeitenpausenwortgeklingel der Regionalligapartie des Halleschen FC gegen die Reserve von Eintracht Braunschweig weiter, feiere der Verein die diesjährige Woche gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit durch das Verlesen dieser Grußbotschaft entschlossen mit. Im übrigen sei jeder Zuschauer aufgefordert, "ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen".
Nicht übermittelt hat der DFB, wie dieses auszusehen hat. Doch völlig klar ist: Stimmen, die in der Winterpause im Fanlager forderten, Trainer Sven Köhler doch besser gleich mal abzulösen, weil der Aufstieg abgehakt und die restliche Saison als Abfolge von Pflichtfreundschaftsspielen neu zu planen war, sind verstummt, obwohl der 46-jährige aus Sachsen stammt.
Aber es gibt ja auch keinen Grund mehr, Köhler zu kritisieren. Seit es in der Meisterschaft nichts mehr zu gewinnen gibt, gewinnt seine Mannschaft mit beeindruckender Zuverlässigkeit, seit der frühere Flopstürmer Angelo Hauk für den linkischen Fußballgott Thomas Neubert in der Sturmspitze steht, treffen die jahrelang auf Tordiät gesetzten Hallenser durchschnittlich sogar dreimal pro Spiel ins gegnerische Tor.
Und Köhler setzt nun auch auf die Jugend. Mit Lindenhahn, Hartmann, Kamalla und dem A-Junioren Dennis Mast, der gegen die Eintracht zum ersten Mal auflaufen darf, stehen diesmal vier hallesche Eigengewächse in der Anfangsformation. Die erfahrenen Hebestreit, Klippel, Schubert und Müller bleiben draußen, auch Pavel David muss erkältungsbedingt zuschauen. Zur Halbzeit macht Mouaya dann auch noch wegen einer Verletzung Platz für den 20-jährigen Tom Butzmann - fünf Hallenser auf dem Platz, das hat es zum letzten Mal wahrscheinlich vor zehn Jahren in der Ära Völkner, Kühr & Witt gegeben.
Das Hängen und Würgen, das damals eine Liga tiefer Fußballalltag in Halle war, ist nun aber zumindest in den ersten zehn Minuten ein fröhlicher Sturmlauf. Hauk könnte das 1:0 machen, Boltze hat eine hundertprozentige Chance, Lindenhahn versucht es, Mast trifft fast, und noch einmal verzieht Hauk knapp. Marko Hartmann, nach Ansicht von Köhler das größte Talent der Truppe, aber nur durch die schwere Verletzung von Steve Finke in den Stamm gerutscht, beeindruckt wie schon seit Wochen. Der blonde Riese wächst und wächst auf seiner Position, mittlerweile ist er unumstrittener Chef auf dem Platz, nach hinten sicher, nach vorn klug, torgefährlich und mit viel Übersicht.
Trotzdem ist dann aber der Riemen runter. Bei strahlendem Sonnenschein und eiskaltem Wind sehen 1169 Zuschauer drögen Sommerfußball. Braunschweig kann nicht, Halle mag nicht. Aus dem heiterem Himmel aber klappt es dann doch noch: Nach einer Ecke köpft Marko Hartmann hart auf Braunschweig-Keeper Later, den Abpraller hievt Benes mit hohem Bein aus anderthalb Metern ins Netz.
Nun kann das erwartete Schützenfest beginnen. Zehn Minuten nur dauert es, bis Lindenhahn einen Ball von links ganz nach rechts auf den bis dahin schon sehr auffälligen Dennis Mast durchsteckt. Der läuft allein aufs Tor zu und schießt den Ball am Torwart vorbei ins Tor.
Dann ist Halbzeit, der DFB ruft seine Rassismus-Woche aus und das Spiel ist im Grunde genommen vorbei. Zum auffälligsten Mann auf dem Platz schwingt sich nun Schiedsrichter Sven Waschitzki auf. Erst verhängt er einen unberechtigten Handelfmeter für Halle, den Benjamin Boltze sportlich fair in die Hände des Braunschweiger Schlussmannes schiebt. Dann schickt er Jan Benes nach einem Allerweltsfoul an der Außenlinie mit glattrot unter die Dusche. Und schließlich stellt er das Kräfteverhältnis auf dem Feld wieder her, indem er den Braunschweiger Griechen Papaefthimiou nach einer rüden Attacke von hinten in die Beine des halleschen Türken Selim Aydemir ebenfalls mit Rot ausgrenzt.
Köhler, der nach dem Platzverweis für Benes Verteidiger Texeira für den Torschützen Mast gebracht hat, wechselt immerhin noch Neubert für den heute emsigen, aber glücklosen Hauk ein. Der verliert gleich sein erstes Kopfballduell, hat aber später wenigstens noch eine kleine Chance, ein Tor zu machen. Klein reicht bei Neubert eigentlich, im Gegensatz zu groß. Nur heute nicht. Mit 21 Toren in den neun Spielen seit Jahresbeginn hat Köhlers Elf aber jetzt auch so schon ein Tor mehr geschossen als in den 16 Begegnungen vor Weihnachten. Und nur drei weniger als der abstiegsbedrohte Lokalrivale Magdeburg in der gesamten Saison. Magdeburg kommt nächste Woche zum Pokal-Viertelfinale nach Halle.
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