Alles neu macht der Februar beim Fußball-Regionalligisten Hallescher FC. Nach einer Vorrunde, in der die Mannschaft von Trainer Sven Köhler das allmähliche Verlöschen einer Kerze auf dem Fußballplatz nachstellte, hat der kurz vor dem Nicht-mehr-ganz-unumstritten-Sein stehende Coach in der Winterpause mehr durcheinandergewirbelt als in den drei Jahren seiner Tätigkeit zuvor. Vom System mit einer Spitze und zwei stürmenden Mittelfeldspielern auf den Außen wechselte der Chemnitzer zu einer Variante mit zwei nominellen Spitzen in der Mitte. Statt des erfolgreichsten Hinrunden-Akteurs Pavel David darf der 20-jährige Selim Aydemir von Anfang an ran und anstelle des Fußballgottes Thomas Neubert startet Notkauf Alan Lekavski. Der Änderungen nicht genug: Außenverteidiger Telmo Texeira sitzt auf der Bank, für ihn spielt sein Vorgänger Philipp Schubert, der eigentlich auf einen Einsatz im Mittelfeld gehofft hatte. Dort aber darf neben Benjamin Boltze zum ersten Mal Martin Fiebiger ran, der aus dem Nachwuchs stammt.
Alles anders bedeutet freilich nicht alles besser. Der HFC hat das Spiel von der ersten Minute an im Griff, Lekavski und Aydemir aber sind so eifrig, dass der Linienrichter bis zur Halbzeit mehr als ein Dutzend Mal abseits winkt. Nicht immer liegt er richtig, so dass im weiten, bei 1200 Zuschauern halbtot wirkenden Oval wenigstens ein bisschen Stimmung aufkommt. Die wenigen Angriffe, die an Abwehr und Linienrichter vorbeikommen, landen im Toraus oder bei ZFC-Torwart Dix, dessen voluminöser Körperbau ihn nicht hindert, einige schöne Flugeinlagen zu zeigen.
Die Tordiät, die während der Hinrunde gereicht wurde, wird so auch diesmal aufgetischt. Selim Aydemir, nach einem Galaauftritt zum Rückrundenstart in Cottbus eigenem Bekunden nach schon beinahe türkischer Nationalspieler, müht sich zwar. Doch von Nebenmann Alan Lekavski kommt wenig, von Kanitz und Boltze dahinter so gut wie nichts. Immer ist noch Meuselwitzer Bein zwischen Abspieler und Anspielstation, Lindenhahn läuft sich fest, Aydemir schießt, wo er gut noch einmal abspielen hätte können. Wenigstens scheint Meuselwitz nicht mit Ambitionen angereist zu sein: Die Zipsendorfer verteidigen die Mittellinie, überschreiten sie aber nur selten. Und dann in aller Vorsicht.
Alles sieht nach einem der Spiele aus, in denen die Hallenser vor Köhlers Amtsantritt bis zur 87. Minute dominiert und geführt haben, um dann durch einen Glückstreffer des Gegners jeweils noch den Ausgleich zu kassieren. Was nach optischer Überlegenheit aussieht, verdankt sich der Unterlegenheit des Gegners, nicht eigenem spielerischen Zauber.
Zumindest bis Sven Köhler zwei seiner vier Änderungen zurücknimmt. In der 64. Minute, sechs Minuten vor der Zeit, in der er traditionell wechselt, nimmt er Lekavski und Schubert vom Platz und bringt den offensiveren Außerverteidiger Texeira und den vom Fanblock mit höhnischem Applaus begrüßten Thomas Neubert. "Jetzt wechselt er den Sieg ein", zürnt die Holztribüne, die Neubert eine gewisse Unbeholfenheit am Ball und einen Hang zu vergebenen Großchancen vorwerfen.
Die Kritiker behalten Recht. Noch keine zehn Minuten ist der linkische Lulatsch nicht zum Kopfball hochgestiegen, weil er groß genug ist, den Ball auch so nicht zu bekommen. Und auf einmal steht Aydemir nach einem Freistoß von Boltze frei und köpft den Ball aus Nahdistanz ins Netz. Es folgen zehn Minuten, in denen der HFC daran arbeitet, einen jener schäbigen Siege zu erarbeiten, an die sich später nicht einmal mehr die erinnern werden, die auf dem weg nach Hause in eine Polizeikontrolle geraten. Doch dann schlägt die Sekunde des Thomas Neubert, der im Strafraum sich und der gesamten ZFC-Abwehr so im Wege steht, dass der Ball bei Toni Lindenhahn landet. Der schießt ihn rein.
Nun geht es im Drei-Minuten-Rhythmus weiter: Gasch trifft auf der Gegenseite auf 20 Metern, nachdem die HFC-Abwehr vier Meuselwitzern die Wahl gelassen hatte, wer denn nun jetzt das Tor machen will. Noch mal drei Minuten später ist wieder Aydemir dran, der mit einem von Lindenhahn an der Mittellinie eroberten und schnell weitergeleiteten Ball 30 Meter dribbelt, Torwart Dix mit einer Körpertäuschung zu einem Hechtsprung in den leeren Raum veranlasst und dann aus spitzem Winkel ins leere Tor einschiebt. Spiel, Satz und Sieg, Aydemir geht unter Applaus ab, Pavel David darf sich den Schlusspfiff auf dem Feld anhören. "Danke, Neubi!", ruft einer auf der Holztribüne, der verstanden hat, was hier gespielt wird.
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6 Kommentare:
Also Neubert ist die Geheimwaffe des HFC?
ja, das kommt so etwa hin
"Also Neubert ist die Geheimwaffe des HFC?"
Wäre der Begriff "Wunderwaffe" nicht angemessener??
korrekt, wunderwaffe trifft es noch besser
Wunderwaffe ist Autobahn.
auch wieder wahr. wobei das auch auf geheimwaffe zutrifft. und auf blondie sowieso. er muss sich jetzt also erstmal die haare färben, das ist ganz wichtig. und dann kann man ihn vielleicht das nächste mal als waffenwunder bezeichnen oder als zaubermaus. ja, zaubermaus ist gut, gefällt mir, da steht er in einer großen linie und historisch ist das freies gelände. prima. danke für eure mitarbeit, das hat sehr geholfen, nicht dass hier noch ein falscher eindruck entsteht, der dann zu applaus aus der falschen ecke führt
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