Montag, 28. Februar 2011

EU macht ernst

Als halbherzig und unzureichend wurden die ersten Boykottbeschlüsse der EU gegen das jüngst neuentdeckte Despotenregime von Muammar Gaddafi kritisiert. Libyen mit einem Exportstopp für Schweinefleisch und Pelzmäntel zu bestrafen, so hieß es im politischen Berlin, sei "wenig zielführend", die frühere Klimakanzlerin Angela Merkel, in ihrer Rolle als Olympiamahnerin stets bemüht, Peking zur Wahrung der Menschenrechte zu mahnen, bezeichnete den weiteren Verkauf von Marder-Panzern an die Milizen Gaddafis als "nicht hilfreich".

Jetzt aber hat sich Deutschland zu entschiedenen Maßnahmen durchgerungen. Medienberichten zufolge boykottiert die Bundesrepublik seit wenigen Stunden den Verbrauch von Öl aus den menschenverachtenden Förderstätten des Regimes. Als Grund werden die dort wegen der Aufstände gedrosselte Produktion sowie das schlechte Wetter genannt. EU-Energiekommissar Günther Oettinger, bekannt geworden durch die Eröffnung einer Englisch-Sprachschule in Brüssel, rechnet damit, dass der Ölpreis einen neuen Höchststand erreicht. es sei gut, dass Deutschland rechtzeitig auf die Beimischung des unter menschenwürdigeren Bedingungen aus Lebensmittteln gewonnenen Biospits gesetzt habe. Zudem habe man sich rechtzeitig bevorratet (Bild oben). Gaddafi könne so nicht hoffen, den "Kessel von Berlin" (Heute journal heute) durch Austrocknen in die Knie zu zwingen.

Afrikanisches im Archiv: Ein Volk, ein Staat, zwei Führer

Flugverbot für Gaddafis Panzer

Die Demokratien der Welt fahren schwerste Geschütze auf, um die Menschen in Libyen vor den ungerechtfertigten Zorn des Diktators Mugabe, Mubarak, nee, Tippfehler, diese Woche heißt er Ghaddafi zu schützen. Nachdem das als Hort demokratischer Kinderarbeit bekannte Gabun als Mitglied des Uno-Sicherheitsrates schon zustimmte, nicht nur daheim weiter Homosexuelle hinzurichten, sondern auch die Menschenrechte in Tripolis durch ein Flugverbot für Gaddafi-Panzer (Bild oben) und eine Beimischungspflicht von demokratisch gezogenem Biosprit zu allen libyschen Benzinverkäufen in Deutschland zu beschließen, sitzt jetzt auch noch der gefürchtete UN-Menschenrechtsrat zu Gericht über das letzte Woche recht plötzlich entdeckte Regime.

Wiederum angeführt vom wackeren Gabun, der weltweiten Metropole der Kinderarbeit, haben sich am Ratssitz im schweizerischen Genf alle zusammengefunden, die sich mit der Verletzung von Menschenrechten auskennen. Die Angolaner, die zuletzt mit willkürlichen Festnahmen auf Menschen reagierten, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wahrgenommen hatten, stecken die Köpfe mit den Delegierten aus Burkina Faso zusammen, das auch einvernehmliche homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen verboten hat. Guten Rat können die Abgesandten von Uganda geben, einer Hochburg der Beschäftigung von Kindersoldaten, wenn nicht, helfen die Kollegen aus Bangladesh, deren sich Verfassung sich auf das "absolute Vertrauen und den Glauben an den Allmächtigen Allah" gründet.

Diesem Gedanken an menschliche Fehlbarkeit folgen auch die Demokratien von Pakistan und Saudi-Arabien, während Menschenrechtsratsmitglied Thailand von konkurrierenden Clans unter der Oberhoheit eines korrupten Königshauses regiert wird.

Mehr Menschenrechte als dort gibt es nur noch bei Ratsmitglied Kuba, das sich vor Jahren selbst vom Joch des Diktators Batista befreit hatte und seitdem schon über Kontosperrungen für alle Clanmitglieder von Gaddafi sowie alle übrigen Ausländer verfügt. Kuba, das einst Truppen zur Befreiung Angolas abstellte, um auch dort Gaddafi-Guthaben einfrieren zu können, hat bereits vor längerer Zeit ein Reiseverbot für alle Kubaner verhängt. Künftig sollen nun auch libysche Fernsehsendungen boykottiert werden. Während die Mitgliedschaft Libyens, das bisher als geachtetes Ratsmitglied immer entschieden für die Einhaltung der Menschenrechte eingetreten war, im Menschenrechtsrat damit neuerdings umstritten zu sein scheint, bestehen an der Eignung Chinas, das noch vor zwei Jahren keinerlei Menschenrechte kannte, und Russland, dem von Beckmessern immer mal angeblich undemokratische Gerichtsverfahren vorgeworfen werden, zumindest zur Stunde keine Zweifel.

Die Süddeutsche Zeitung über den grausamen Diktator: Gaddafi treibt die Emazipation voran

Geburtstag im Sittengemälde

Seine Heimatstadt mag ihn natürlich nicht. Keinen Kranz windet die selbsternannte Kulturstadt Halle ihrem berühmtesten Malersohn Willi Sitte zu seinem 90., keine Straße benennt sie nach ihm, keine Ehrenbürgerwürde wird vergeben, kein städtischer Festakt veranstaltet. Zu sehr erinnert Sitte seine Heimatstadt daran, was sie früher war: Das rote Herz Mitteldeutschlands, eine Arbeiterhochburg und "sozialistische Industriearbeiterstadt", an deren zentralem Platz Fäuste aus Beton in den Himmel zeigten, die aussahen wie von Sitte gemalt.

Hatten wir lange, wollen wir nicht. Stillschweigend übergeht die neue Macht den Maler der alten, weil sie sich in ihm selbst erkennt. Ein Sittengemälde, das ohne Pinsel und Staffelei hergestellt wird. Zur Uraufführung eines Orgelwerkes des Komponisten Wolfgang Fuchs zu Bildern von Sitte (Video oben) kamen Sitte-Bewunderer, alte Fans von Fuchs´ Band Pond. Städtische Prominenz hielt sich fern, als könnte der Kontakt mit dem Altmaler die eigene Karriere kontaminieren.

Doch die selbsternannte Kulturhauptstadt Halle ist da nur ein verkleinertes Spiegelbild des größeren Deutschland. Das feiert Helden nicht nach ihren Taten, sondern nach der Opportunität ihres Verhaltens: Egon Krenz, der die Mauer öffnete, landete im Gefängnis. Michael Gorbatschow, jahrelang Krenz´ Vorgesetzter, an Elfriede Springers Bankett-Tisch.

Gut ist, wer gefällt, nicht wer malen kann. Bei der Bewertung des künstlerischen Werkes gehen die Verdienstkreuzverleiher der neuen Zeit nach dem Schema ihrer Vorgänger vor, die Verdienstorden zu vergeben hatte. Wolf Biermann war natürlich eine "schleichende intellektuelle Seuche", wie das Neue Deutschland 1976 zu berichten wusste. Gitarre spielen konnte er auch nicht! Willi Sitte trifft 35 Jahre später ein vergleichbares Urteil: Der Künstler hat das Pech, im Schatten des Funktionärs gemalt zu haben. Und bis heute kein Einsehen zeigen zu wollen. "Ich denke nicht daran, der Idee des Sozialismus abzuschwören, bloß weil alle auf Linie gehen und weil ein Modell gescheitert ist", beharrt der seit einer Hüftoperation auf einen Rollstuhl angewiesene Maler, der zu DDR-Zeiten im SED-Zentralkomitee saß.

Keine Gesellschaft ist verpflichtet, so viel störrisches Kontra zu belobigen. Den Plan, eine eigene Sitte-Galerie zu etablieren, ließen die Behörden in Halle so lange ins Leere laufen, bis der Maler mit seinem Werk ins nahe Merseburg umzog. Als würde Manchester die Beatles feiern. Ein zum 80. Geburtstag in Nürnberg geplante Schau - Sittes Heimatstadt Halle hatte kein Interesse gehabt - fand nicht statt, weil das Germanische Nationalmuseum unter der öffentlichen Kritik einknickte, einem DDR-Staatskünstler ein Podium zu bieten. 1977, im Jahr nach Biermann, war Sitte noch würdig, die DDR auf der documenta zu vertreten. Jetzt hieß es zur Begründung, Werk und Person des Künstlers müssten noch "wissenschaftlich aufgearbeitet" werden.

Zum 90., den Sitte selbst aus gesundheitlichen Gründen genauso still feiert wie die DDR ihren 60. beging, ist es dasselbe. Der zweimalige Träger des Kunstpreises der Stadt Halle (1953 und 1954) hat es sich verscherzt mit der Macht, die nun auch nicht mehr bereit ist, seine gewaltigen Ölschinken gut zu finden. So sieht seine Heimatstadt Halle keinen Anlass, ihren großen Sohn zu ehren. Es wird keine Ausstellung geben für den Mann, der seit 64 Jahren an der Saale lebt. Nicht aus politischen, nicht aus ästhetischen Gründen. Sondern weil es keine geeigneten Räumlichkeiten für eine große Werkschau gibt, wie es im Kulturamt der Stadt heißt. Auch die in Halle beheimatete Stiftung Moritzburg sieht keine Veranlassung, Sittes Werk zum Jubiläum öffentlich zu machen. Wer Bilder des Malers sehen wolle, könne doch nach Merseburg fahren.

Helden, die sich halten
Lenin war lustig, Halle feiert rein

Sonntag, 27. Februar 2011

Kunst kommt von Kacheln

An einem Stückchen Wand, mitten in der Stadt, beweist Halles umkulteter Kachel Gott erneut, dass die Vernichtungsoffensive der Stadtverwaltung gegen seine gefliesten Freiheitsfanale ins Leere läuft. Während die Behörden mit unglaublicher Brutalität ganze Häuserzeilen abreißen, um das Jahrhundertprojekt der ersten komplett verfliesten Innenstadt zu verhindern, machen die anonymen Kachelmänner einfach eine Ecke weiter weiter.


Direkt an der zentralen Steintorkreuzung, das demnächst im Auftrag des Verkehrsministers umgebaut werden soll, weil eine enge Verwandte die Politikers sie "unübersichtlich" findet, lässt der bis heute unbekannte Kachelmann neuerdings einen pfiffigen Spatezn von den Dächern pfeifen, dass die Großoffensive der Ordnungsbehörden ihn nicht aufhalten kann. Mit einem Augenzwinkern zwischen den Kulturtempel und eine der ortsüblichen Asia-Küchen geklebt, sorgt der schräge Vogel in Blau für Zuwachs beim großen Kachelverzeichnis. Und bei allen Freunden der Kultur, die in Händels Heimatstadt offensichtlich nur noch hier eine Heimat hat.

Eigene Funde können wie stets direkt an politplatschquatsch@gmail.com geleitet werden, jeder Fund wird von uns auf Wunsch mit einem mundnachgemalten Kunstdruck der inzwischen von Kachel-Gegnern vernichteten Ur-Fliese prämiert.

Mehr Kacheln: Verraten an der Heimatfront
Kanonen auf Kacheln

Gaddafi stellt sich gegen Guttenberg

Es wird eng und enger für den beliebtesten Freiherren der Deutschen. Nach Grünen-Chef Cem Özdemir, der zwei Semester lang studierten Theaterwissenschaftlerin Claudia Roth und Sachsen-Anhalts bereits verabschiedeten Ministerpräsident Wolfgang Böhmer hat sich nun überraschenderweise auch Libyens Diktatur Muammar Gaddafi gegen einen Verbleib des 39-jährigen früheren Doktors der Rechtswissenschaften gestellt. Der Deutsche habe sich "erdreistet, seine Untertanen zu belügen", formuliert Gaddafi in einer Balkonrede, die vom Fernsehsender Al Dschasira übertragen wurde. Dafür habe er handfeste Beweise. Ein Rücktritt allein sei deshalb aus seiner Sicht nicht ausreichend, viel mehr müsse Guttenberg ins Exil gehen.

Die Überraschung über des Frontwechsel des Despoten zieht sich durch alle politischen Lager. Vor einigen Tagen noch waren Beobachter davon ausgegangen, dass Gaddafi die Unruhen in seinem Land eigens hatte auslösen lassen, um seinem Freund Guttenberg aus der Bedrängnis zu helfen. Gaddafi habe offenbar umgedacht, nachdem er auf Seite 216 der Guttenberg-Arbeit ein Zitat von sich gefunden habe, das der Verfasser nicht nachgewiesen hatte. "Klaut sich einfach alles zusammen", wütet der sichtlich empörte Gaddafi nun, "denkt wohl, er steht über dem Gesetz!" Wolfgang Böhmer, der die Phalanx der Guttenberg-Kritiker in der Union anführt, reagierte umgehend. Es stelle sich jetzt nicht die Frage, ob, sondern nur "wie lange Guttenberg noch im Amt bleibe".

Kinder an die Macht!

Samstag, 26. Februar 2011

Prinzgemahl am Pranger

Das war dann doch einer zu viel! Die SPD hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg der Kumpanei mit dem Springer-Verlag bezichtigt, nachdem die "Bild"-Zeitung an einem Tag gleich zwei Beiträge über den unter Beschuss stehenden Noch-Minister veröffentlicht hatte. In einem der Artikel hatte das Boulevardblatt Guttenberg im Bundestag gezeigt, wie er lächelnd alle Betrugsbeschuldigungen der Opposition an sich abprallen lässt (Bild oben links). Nur zwei Seiten weiter zeigte eine Eigenanzeige des Verlages den Freiherren aus Franken dann in seiner Rolle als schwedischer Prinzessinnen-Gemahl Daniel Westling (Bild oben rechts), flankiert von Schwedens Kronprinzessin Victoria, die Guttenberg im vergangenen Jahr geheiratet hatte.

Vor allem die Anzeigen-Überschrift "Königlich", prangerten SPD-Politiker an, sei nach der Plagiatsaffäre "geschmacklos". Verbunden mit der nebenstehenden Preisangabe "9,99 Euro" bekomme die gesamte Aktion ein "Geschmäckle", wenn man wisse, dass die Bildzeitung "einen lukrativen Werbeauftrag des Verteidigungsministeriums bekommt", prangerte sagte der seinerzeit am amtlichen Einbürgerungstest gescheiterte Sebastian Edathy an.

Guttenberg müsse Parlament und Bürgern offenlegen, nach welchen Kriterien die Bundeswehr-Werbung an welche Medien vergeben worden sei, sagte Edathy in der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Es gehe nicht an, dass sich der Noch-Minister nach dem Verlust seines Doktor-Titels hinter seinem Posten als Ehemann der schwedischen Thronfolgerin verstecke, um Rücktrittsforderungen gegen sich abzuwürgen.

Bluthilde live: Uni Bayreuth jetzt mit Dr. auf Probe

Doku Deutschland: Ralf, der Repetitor

Nennen Sie mich bitte nicht Ghostwriter, Studienhelfer oder so. Da bin ich empfindlich. Sehr empfindlich sogar. Ich verkaufe auch keine Promotionen, wie das Leute oft glauben. Ich verkaufe Beratungsleistungen für Spitzenkräfte aus der Leistungselite, denen es das berufliche Umfeld im fraglichen Moment einfach nicht gestattet, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.

Repetitor, dieser schöne alte Begriff, der gefällt mir. Das ist elegant, das ist flott. Das hat Stil. Kein Mensch kann für andere studieren, aber anderen beim Studieren helfen, das ist möglich. Um das mal zu erklären: Wenn so ein junger Mensch, nehmen Sie ruhig den aktuellen Fall, den jetzt alle Welt so wütend diskutiert, wenn also so ein blutjunger Mensch auf eine höhere Bildungsanstalt kommt, zum ersten Mal, dann steht der da erstmal dumm herum. Das ist doch alles neu für den, da kann der doch keine Leistung bringen, wie sie seinem Leistungsvermögen entspricht.

Viel zu viele Nebengeräusche, die Frauen, die Mädchen, die neuen Professoren, manchmal auch noch berufliche Belastungen, Aufsichtsratssitzungen, private Feste, Familie, Kinder, Hausordnung. Es geht nicht um das Grundverständnis, um die Bildungsfähigkeit. Die ist bei Menschen aus diesen gesellschaftlichen Gruppen doch gegeben. Doch, glauben Sie mir, die ist da, eigentlich immer, wenn auch manchmal deformiert durch jahrhundertelange Prozesse, eine gewissermaßen ständische Arroganz gezüchtet worden ist, die auch gut sein kann. Ich will nichts dagegen sagen, ich meine nur, das ist unverkennbar.

Sie kaufen dann also ihren Studienerfolg, so könnte man das sagen. Aber das ist überhaupt nicht korrekt. Als Repetitor sehe ich meine Aufgabe darin, den Klienten hinzuleiten zu dem Erfolg, den er haben will, den Doktorhut, das Diplom, je nachdem. Promotionsberater, so steht es auf meiner Karte, ist ein seriöser Beruf, das kann einfach nicht jeder, mit jedem Kunden gleich erfolgreich zu sein. Das schaffen Trainer im Sport nicht, ist meine Auffassung, und wie werden die vergöttert!

Wenn Sie genau hinschauen, werden natürlich auch Unterschiede deutlich sichtbar. Habe ich einen Klienten, der nicht allein laufen kann, obwohl, wie angemerkt, das Grundverständnis da ist, dann kann ich ihn Huckepack nehmen, wenn Sie die Formulierung gestatten. Ich trage ihn ins Ziel, ich schreibe auch mal was, wo er oder sie vielleicht nicht die Zeit findet, zeitnah. Nicht die Promotionsberater sind schuld, dass Professoren korrupt sind und für ein paar Tausender jedem Blender zu einem Doktortitel verhelfen! Die Gesellschaft muss sich da fragen. Und fragen lassen.

Dass es solche Fälle gegen soll, habe ich im Internet gelesen. Und das ist genau so auch richtig! Der Einzelne ist ein Kiesel im Flußbett der Zeitenströme, sage ich immer. Unser System ist daran schuld, da es dem Titelhandel Tür und Tor öffnet! Jeder kann, jeder darf, den Stress, etwas dafür zu tun, den nehmen nur die Guten auf sich. Nie war es so leicht wie heute, an einen Doktor-Titel zu kommen, zehn Prozent bleiben ohne Abschluß, zehn machen Doktor. Eine Schere zwischen titellosen und Titelträgern tut sich da auf, in der wir stehen und versuchen, zu retten, was zu retten ist.

Und wen erwischt es? Die Aufrechten, die Geld investieren, von ihrer kostbaren Zeit opfern und ein Risiko eingehen, um allen zu zeigen, was sie drauf haben. Bei uns fälschen ja keine Experten die komplette Doktorarbeit, nein, wir leiten an, wir geben Tipps, wir beraten. Meiner Ansicht nach, aber leider ist die nicht branchenweit Konsens, geht Repetitation, gern auch Ghostwriting, wenn Ihnen das besser gefällt, wirklich nur, wenn der Mandant, ich sage gern Mandant, wenn der Mandant also richtig verhindert ist.

Ich nehme nur Leute mit abgeschlossenem Studium, die ihre akademische Laufbahn krönen wollen. Mir ist auch egal, ob es denen um den Ruf geht, um mehr Gehalt oder bessere Aufstiegschancen, Hauptsache, sie meinen es ernst und nehmen Hilfe in dem Maß an, wie ich sie anbiete. Das kann nach Fall mit der Emfpehlung sein, unter Anleitung zu arbeiten, oder eben ein Komplettpaket zu buchen.

Dritte Möglichkeit ist immer die zeitoptimierte Promotion im europäischen Ausland. Dabei reicht es, einige Mal dort vor Ort präsent zu sein, ganz nach Wunsch in puncto Abschlussnote zwei- bis viermal, den Rest machen Repetitor und Aspirant bequem per Mail, Post und Internet von zu Hause aus. Für Leute, denen der Titel wichtig ist, die aber nicht daran gemessen werden, woher er kommt, ist das optimal. Die Gefahr, sich wie in diesem berühmten Fall am Ende mit ruiniertem Ruf wiederzufinden, ist aus meiner Sicht vernachlässigbar gering. Das Ergebnis ist rein von Buchstabenanzahl und Wirkung auf der Visitenkarte jeder deutschen Promotion ebenbürtig. Und der Zeit- und Arbeitsaufwand bis zum Promotionsabschluss ist wesentlich geringer als in Deutschland, weswegen ich immer zuraten würde. Suchen Sie sich einen Repetitor, gehen Sie ins Ausland, da kann man nebenbei kuren, Urlaub machen oder sich die Zähne richten lassen. Und kommen Sie als Doktor zurück. Man soll nicht an der falschen Stelle sparen. Aber das hat sich ja nun wohl auch rumgesprochen.


Zur Doku-Deutschland-Reihe bei PPQ: Böse an der Börse - Wahrheit ist flexibel

Wer hat es gesagt?

In Politik und Medien gibt es nach meiner Überzeugung heute keineswegs mehr, sondern eher weniger Zivilcourage und wirklich unabhängiges Denken als in der Weimarer Republik oder in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik.

Freitag, 25. Februar 2011

Internet wird endlich sicher

Eine Erfolgsgeschichte, wie sie selten ist im innovationsfeindlichen Deutschland. Ausgerechnet die Deutsche Post, eine Staatsdinosaurier in Gelb, liegt ganz weit vorn bei der Durchsetzung vertrauenswürdiger Kommunikation über das Internet: Mit dem E-Postbrief hat das Unternehmen vor mehr als einem Jahr ein überzeugendes Konzept für das Versenden von E-Mails über einen kostenpflichtigen Dienst vorgestellt. Die Idee dahinter ist simpel: Statt Bücher, Eintrittskarten oder Gebrauchtwagen wie bisher einfach zu erwerben, indem der Käufer etwa beim Internetkaufhaus Amazon, bei Tickethändlern wie Eventim oder bei Ebay auf den "Kaufen".-Knopf drückt, soll es künftig damit getan sein, einen verschlüsselten E-Postbrief an die E-Postbrief-Mailadresse des Geschäftspartners zu versenden, der in den meisten Fällen sogar kostenlos sein wird.

Vor einem Jahr war die Deutsche Post stolz, total "starke Partner" für die tolle Innovation vorstellen zu können. Die Allianz und Mercedes-Benz, eine kleine Versicherung und der ADAC waren bereit, ihre Kunden und Mitglieder künftig per E-Postbrief zu kontaktieren. Irgendwie würde man schon eine Möglichkeit finden, den Empfängern nahezulegen, sich auch einen E-Postbrief zuzulegen.

Denn immerhin hatte die Deutsche Post damit "eine Kommunikationsplattform geschaffen, die für Unternehmen und Privatkunden flächendeckend nutzbar und einfach zugänglich ist" (Eigenwerbung). Zwar ist laut Post-Pressestelle seitdem außer dem großartigen französischen Unternehmen Compart, das sein "fundiertes Know-how für die intelligente und leistungsfähige Verarbeitung und Verteilung von Dokumenten zur Verfügung" stellen wird, kein "starker Partner", ja eigentlich sogar gar kein Partner mehr hinzugestoßen zur Kommunikationsplattform die "den Weg zu einer sicheren Kommunikation im Internet ebnet".

Dennoch hat der Bundestag jetzt grünes Licht gegeben, das totgeborene Kind zur Welt zu bringen. Mit dem "Gesetz zur Regelung von De-Mail-Diensten" verabschiedete Schwarz-Gelb eine Regelung, die für viele nachfolgende Regelungen gut ist. Sofort forderte die Opposition, dass "die Beweislast für den Empfang von Nachrichten" nicht auf die Bürger abgewälzt werden dürfe, eine Regulierungskommission das maximale Porto einer De-Mail verbraucherfreundlich festgelegen solle. Das Blogampelamt müsse hier zwingend nach zwei Jahren prüfen, ob Bürger, "die den Dienst nicht nutzen wollen oder können, benachteiligt würden".

Große Freude dagegen bei der Koalition, die glücklich ist, dass De-Mail- und E-Postbrief-Nutzer künftig "rechtsverbindlich mit Behörden und Unternehmen sowie untereinander kommunizieren" könnten. Dazu könne jeder in das öffentliche Adressverzeichnis aller E-Postbrief-Nutzer schauen, sich nach Belieben Adressaten heraussuchen und sie mit rechtsverbindlichen Mitteilungen unterhalten.

Anders als ursprünglich geplant, werden sogenannte "Schäuble-Mails" nicht an der Domainendung nach dem @ zu erkennen sein. Nach dem gigantischen Erfolg des neuen Personalausweises, der mit seiner aufwendigen "qualifizierten digitalen Signatur" vielen Buch, Platten und Immobilienkäufern eine große Hilfe wäre, gäbe es irgendwen, der Bücher, Musik oder Häuser gegen Vorlage der E-Signatur verkaufen würde, deutet sich ein neuer Erdrutschsieg des vollelektronischen Merkel-Kabinetts an: In Verbindung mit der elektronischen Gesundheitskarte und der lebenslang gültigen Steueridentifikationsnummer gibt es hier Arbeit und Brot für mehrere Generationen von Datenschutzbeauftragten.

So funktioniert die Schäuble-Mail:

Schuhe für den Change

Damit hatte der Despot von Tripolis nicht gerechnet: US-Präsident Obama hat sein Schweigen gebrochen und das Vorgehen des Gaddafi-Regimes gegen Demonstranten scharf verurteilt. Wie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zuvor kritisierte Obama die Gewalt gegen Demonstranten. Sie verletze im Gegensatz zum Gefangenenlager in Guantanamo, dessen unmittelbar nach der Jahrtausendwende bevorstehende Schließung er vielleicht schon bald erneut ankündigen werde, "internationale Normen und jedes normale Maß an Anstand". Obama, der als kompromissloser Anhänger von Menschenrechten gilt, sagte: "Das muss aufhören."

Um den Kampf der Menschen in Libyen und anderswo in der arabischen Welt zu unterstützen, stellte der US-Präsident eine neue Schuhlinie vor, die ab sofort überall in den aufständischen Regionen angeboten wird. Dabei dienen die schlicht gehaltenen Herrenschuhe der Marke "Obama" (Bild oben) nicht hauptsächlich als Fußbekleidung, sondern als Wurfgeschoss beim alten arabischen Brauch des Schuhwerfens auf verhasste Herrscher. Der aus Nubukleder gemachte "Obama" mit leichter Kreppsohle habe besonders gute Flugeigenschaften, erklärte Barack Obama, mit ihm werde die Demokratie in Nordafrika schnell einen weiteren Aufschwung nehmen.

Die Konsequenzen für Deutschland und Europa allerdings wollte die Schuhwirtschaft gestern nicht verschweigen. In Zukunft könnten viele Schuhregale schon bald deutlich weniger gut gefüllt sein als üblich, hieß es. "Es gibt Lieferschwierigkeiten, vor allem in Asien", sagte Manfred Junkert, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Schuhindustrie. Während der Wirtschaftskrise seien in wichtigen Produktionsländern wie China und Vietnam die Kapazitäten stark heruntergefahren worden. Hinzu komme die nun aufgrund der verstärkten Schuhwerferei in der Tradition des Journalisten Muntaser el Saidi steigende Nachfrage auf den lokalen Märkten in Nordafrika.

Die unerwarteten Nachschubprobleme in Asien treffen die deutschen Schuhhändler zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Denn Schuhe sind hierzulande gefragt wie nie zuvor. Zuletzt sei mit dem immer stärkeren Aufklaffen der "Schere zwischen arm und reich" (Angela Merkel) die Zahl der Stiefel, Sneaker und Sandalen in Deutschlands Schuhschränken stark gestiegen. Frauen zum Beispiel kauften im vergangenen Jahr durchschnittlich sechs Paar Schuhe, bei Männern waren es zwei Paar. Wieviele davon zum Werfen auf ungeliebte Politiker gedacht sind, ist derzeit noch nicht bekannt.

Schuh-Demo in Berlin: Machthaber Guttenberg aus dem Amt schmeißen!
US-Presse fragt Obama nach seinen Schuhen

Donnerstag, 24. Februar 2011

Lob des Lebens ohne Dienstwagen

"Ohne Dienstwagen fährt Käßmann in die Herzen", überschreibt die "Welt" einen Beitrag, der den PPQ-Text "Geblieben, um zu gehen" am Beispiel der ehemaligen EKD-Chefin nacherzählt. Käßmann gelte seit ihrem Rücktritt als "ein Popstar der Anständigkeit", schwelgt das Blatt in Phantasien darüber, was aus Guttenberg hätte werden können, wäre er manns genug gewesen, die Brocken im richtigen Moment hinzuwerfen. Auch Bild-Kolumnist Hugo Müller-Vogg plädiert für Tod und Wiederauferstehung nach dem Volbild Käßmann: "Er wäre gut beraten gewesen", glaubt der, "wenn er gesagt hätte, ich bin meinen eigenen Maßstäben nicht gerecht geworden, ich bitte die Kanzlerin, mich aus dem Amt zu entlassen."

Schicksale wie das von Cem Özdemir, der vom billig eingekauften Krawattenmodell zum geachteten Grünenchef und Elvis-Imitator wurde, oder das des ehemaligen Zentralratschef-Aspiranten Michel Friedman, der mit dem Geld, das er nach seiner "Drogenbeichte" (Bild) für die Verpflichtung ukrainischer Nymphen sparte, die Moral für alle Zeiten pachten konnte, könnten ebensogut für Guttenbergs strategischen Fehler sprechen.

Doch mit der "Fall Käßmann", zitiert die "Welt" einen älteren Beitrag des "Spiegel", begann "ein neues Kapitel in der langen Geschichte im Umgang mit Schuld“. Nicht Möllemann, der wegen eines Einkaufwagenchips ging, Köhler, der die Kanzlerinnenpolitik zu einer immer stärkeren Abgabe von Souveränitätsrechten aus Berlin nach Brüssel ablehnte, oder Seiters, der über die vom Star-Journalisten Hans Leyendecker ausgedachte Geschichte eines Mordes in Bad Kleinen stolperte, sind Vorbild. Sondern die krassen Comebacks gefallener Engel, denen die Offenbarung von Fehlbarkeit nicht Rufschaden, sondern den Ruf der Unverbiegbarkeit bescherten. Käßmann hätte kürzlich wahrscheinlich sogar den Preis angenommen, mit dem eine Stiftung ihren unumgänglichen Rücktritt im Nachhinein zur mutigen zivilcouragierten Tat aufblasen wollte. Das Unverständnis der Menschen aber war noch zu groß, Käßmann lehnte die Annahme pikiert ab. Guttenberg wird das nicht tun müssen. "Auf die Dialektik von Selbsterniedrigung von Selbsterhöhung verstehen sich nur wenige so meisterhaft wie Käßmann", urteilt die "Welt". Guttenberg eingeschlossen.

Demokratie in Aktion bei KarlEduard: Gewählte Diktatoren

Mit Sippenhaft für Menschenrechte

Um 19:58 Uhr kam die erlösende Botschaft aus New York: Die Uno entzieht Muammar Gaddafis Tochter den Titel als UN-Ehrenbotschafterin. Aufatmen weltweit, Ende der Kämpfe in Tripolis, der Ölpreis reagierte mit einem Freudensprung. "Eine mutige Entscheidung", lobten Politiker aller Parteien. Die Sozialistische Internationale verwies auf ihren kaum weniger tapferen Entschluß, die Parteien aller Diktatoren sofort nach Machtverlust auszuschließen.

Es gehe nicht um Sippenhaft, hieß es bei der Uno. Aber angesichts der "jüngsten Entwicklungen" in Libyen sei die Zusammenarbeit mit einer Frau, die den Namen Gaddafi trage, nicht mehr zumutbar, zumal Aischa el Gaddafi vor Jahren bereits zum Anwälteteam des irakischen Ex-Präsidenten Saddam Hussein gezählt hatte. Die Juristin, die sich nie ordentlich von ihrem Vater distanziert hatte, sondern einen seiner Cousins heiratete, war im Juli 2009 zur Ehrenbotschafterin des UN-Entwicklungsprogramms ernannt worden, um in ihrem Heimatland (Foto oben) "gegen die Verbreitung von Aids und gegen die Unterdrückung von Frauen" einzutreten, wie ein Uno-Sprecher dem "Stern" mitteilte.

Der Sprecher betonte, dass die 36-jährige Aischa Gaddafi von der Uno weder eine Bezahlung erhalten habe noch als UN-Diplomatin galt. Als Ersatzfrau für sich soll nach PPQ-Informationen derzeit mit der früheren Sportsprecherin und Glücksradbotin Monica Lierhaus gewonnen werden.

Im PPQ-Archiv: Ferrero-Küsschen für Gaddafi
Die Anmerkung: Bundeswehr nach Tripolis

Mittwoch, 23. Februar 2011

Winterdepression in Rot und Weiß

Unausgesprochen war es nach Ende der Winterpause doch schon wieder so. Zweimal trat der Hallesche FC an, zweimal siegte er klar, zweimal schien sich dabei sogar der Erfolg der verstärkten Ausrichtung auf die Offensive auszuzahlen: Drei Tore schossen die Hallenser jeweils, die in der Hinrunde in 17 Spielen ganze 19 mal getroffen hat. Selbst die erste Niederlage im neuen Jahr kündete von Hoffnungen: Jeder kann in Lübeck verlieren, nicht jeder schießt dabei zwei Tore und ist nahe dran am Remis.

Warum also nicht auf das Unmögliche spekulieren? Auf einen fußballerischen Höhenflug bis zum Sommer? In dem die so oft gescholtenen Spieler, die den anvisierten Aufstieg schon im Herbst absagten, zeigen, dass sie viel besser sind als ihr Ruf?

Weil der Torrausch von Anfang Februar schon Ende des Monats beendet ist, schneller als die Temperaturen sanken, haben die Spieler von Trainer Sven Köhler wieder vergessen, wo der Kasten steht. Gegen Meuselwitz noch drei Tore, gegen Lübeck noch zwei, gegen Hertha BSC nun schon wieder nur noch die Standarddiät mit einem - so spielt eb doch kein Aufsteiger.

Dabei startet die erneut umgestellte Truppe gegen den langjährigen Angstgegner aus Berlin recht erfrischend. Bei minus drei Grad und Sonnenschein hat der HFC die ersten Chancen, Boltze trifft sogar als erster das Tor, allerdings aus Abseitsposition. Auch danach betreibt Hertha nach vorn wenig Aufwand, Halle hat mit dem Zwergensturm Hauk, Aydemir, Lindenhahn und David mehr vom Spiel, ohne wirklich auf ein Tor zu drücken.

Rätselhaft bleibt, warum vier ballgewandte Offensive sich gegenseitig mit hohen Bällen zu bedienen versuchen, rätselhaft bleibt, warum ein Mann wie der schnelle, aber wenig robuste Angelo Hauk als Stoßstürmer in der Mitte herumhampeln muss, während mit Alan Lekavski und Thomas Neubert zwei große Stürmer auf der Bank frieren.

Es sieht nach Experimenten an einer schon halbtoten Mannschaft aus. Halle rennt an, David möchte einen Elfmeter haben. Hertha schlägt zurück: Freistoß auf links, langer Ball durch den ganzen Strafraum, Boyd steht am langen Eck und lenkt den Ball ins Tor.

Da hängen sie wieder, die Köpfe auf hallescher Seite. Die Tribüne, für einen Mittwochnachmittag mit 800 Zuschauern gut besetzt, friert still und schweigend vor sich hin, auf dem Rasen passiert nichts weiter, auch die Bank scheint erfroren. Höhepunkt zum Herzerwärmen: Nachdem Lindenhahn endlich einmal flach angespielt wird, schießt er schnell noch das zweite Abseitstor. Pause.

Aus der sind die Männer in Weiß-Rot so schnell zurück, dass es wirkt, als hätten sie es gern hinter sich. Oder geht hier doch noch was? Boltze schießt vorbei, Lindenhahn ebenso, den Rest sammelt der Berliner Torwart Burchardt auf.

Zumindest bis Lindenhahn in der Mitte durch läuft und den außen startenden Texeira sieht. Der flankt über die gesamte Hertha-Abwehr und findet David am langen Pfosten, der halb kniend einlocht. 1:1, aber weiter kein Wintermärchen. Boltze schafft nicht eine vernünftige Ecke, Freistöße gehen grundsätzlich in den Himmel, bei jedem kleinen Herthakonter wackelt die Abwehr.

Sven Köhler holt nun Aydemir, den Matchwinner beim letzten Heimspiel gegen Meuselwitz, vom Platz und bringt Thomas Neubert, den "Fußballgott" der Fans, der wegen seiner fußballerischen Defizite selbst nach guten Spielen nicht aus der Kritik kommt. Es wird natürlich nicht besser. Selbst als daraufhin mit David der zweite kleine Mann einem größeren (Alan "Neubert II" Lekavski) weichen muss, bleibt das HFC-Spiel Geboltze und der Torerfolg aus. Die beiden größten Chancen hat bezeichnenderweise Marko Hartmann, der eigentliche Mittelfeldzerstörer. Er schießt zweimal sicher vorbei. Dann ist Schluss und ein erlöstes Aufatmen ist zu hören. "Warum tut man sich das eigentlich immer wieder an", fragt einer seinen Sitznachbarn. "Wollte ich dich auch gerade fragen", antwortet der.

Video lügt Milliarden weg

Aufatmen zwischen Elbe und Unstrut. Jetzt ist es raus, die Zukunft ist sicher. "Jens Bullerjahn ist bereit, Sachsen-Anhalt weiterzuführen", heißt es in einem Wahlwerbespot der SPD zur Landtagswahl entlang der "Straße der Gewalt". Obwohl zuletzt nach der Einwohnerzahl, der Zahl der Arbeitslosen und der Zahl der glücklichen Ehen sogar die Zahl der rechtsextremen Straftaten zurückging, will der bisherige Finanzminister auf jeden Fall weitermachen mit Sachsen-Anhalt, eine Auflösung kommt nicht infrage.

Warum auch, denn, auch das verrät der verblüffende neue Werbespot des Mansfelder Motörhead-Fans, das Land Sachsen-Anhalt hat "keine Schulden"! Eine Bilanz, für die "der Jens" steht, wie sich Bullerjahn gern nennen lässt. Eine Bilanz, mit der gut werben ist, eine Bilanz aber auch, die eine deutliche Sprache spricht über das Verhältnis des Spitzenkandidaten zur Wahrheit: Ende 2010 hatten die Schulden des Bundeslandes, dessen Finanzministerium Jens Bullerjahn leitet, einen Rekordstand von 20,5 Milliarden Euro erreicht. Allein im letzten Jahr stieg das Defizit damit nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 3,7 Prozent.

Keine Schulden? Bundesweit hat Sachsen-Anhalt, das Land ohne Schulden, damit den sechsthöchsten Schuldenstand. Während Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern es schafften, die Verschuldung zu senken, fuhr Jens Bullerjahn, der seit seinem Amtsantritt einen "Haushalt ohne Schulden im nächsten oder übernächsten Jahr" verspricht, sie weiter hoch. Offensichtlich, ohne es selbst zu bemerken.

Schulden-Schwindel im Archiv:
Das harte Los aller Lügner
Spekulieren mit Steuergeld
Melodien für Millionen
Erfolgreich ans Ende
Sachsen-Anhalt führt Scharia ein

Guttenberg: Geblieben, um zu gehen

Es wäre seine große Chance gewesen, der deutsche Politiker des gerade beginnenden Jahrzehnts zu werden. Karl-Theodor zu Guttenberg, der Mann, der Michel Friedmans Frisur aufträgt, hatte sich den Ball zum Elfmeter selbst hingelegt, den er zur uneinholbaren Führung hätte verwandeln können. Während Kanzlerkandidatenkonkurrentin mühsam an einem sogenannten Hartz4-Kompromiss herumstöpselte, wusste der Franke seine von einem Ghostwriter blind aus Fremdquellen zusammengetippte Dissertation kurz vor der medialen Entdeckung.

Dann, so war der Plan gewesen, als Guttenberg seine Karriere entwarf, würde er ein ganz klein bisschen zögern. Und dann unter Pomp und Tränen zurücktreten.

Die Rede zum Abschied hatte sich Guttenberg schon geschrieben, selbst, ausnahmsweise. Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger, hatte er sagen wollen, ich habe einen großen Fehler gemacht, einen Fehler, den bloßes Politikergeschwätz, wie Sie alle es von mir und meinesgleichen kennen, nicht mehr wiedergutmachen kann. Ich habe versucht, Sie alle, meine Wählerinnen und Wähler, zu betrügen. Zu betrügen in einem Moment, in dem ich dachte, niemand von Ihnen wird mich dabei ertappen. Ich habe es mir leicht gemacht und der Verführung nachgegeben, weil ich sicher war, dass ich sie alle hintergehen kann, ohne dass Sie es je bemerken werden.

Ich weiß, auch das sagt Ihnen jeder, und ich kann deshalb nur hoffen, dass Sie es mir abnehmen: es tut mir leid. Es tut mir leid um meine Karriere, es tut mir leid für meine Familie, es tut mir leid um meinen alten Namen, den ich besudelt habe. Es tut mir aber auch leid um das Vertrauen, dass Sie alle in mich gesetzt haben. ich habe Sie enttäuscht, ich bin es nicht wert, für Sie zu arbeiten. Ich stelle mein Amt hiermit zur Verfügung.

So, genau so, hatte Karl-Theo zu Guttenberg sprechen wollen. Die Herzen wären im zugeflogen, der smarte Christsoziale wäre über Nacht vom verspotteten Politstar zur moralischen Instanz gewachsen - und das nur um den Preis eines Ministerpostens, der ihm in den kommenden Jahren ohnehin nicht mehr einbringen wird als Gespött und Kritik.

Er wäre gewesen, was "Spiegel" und "Bild" in traditioneller Einigkeit ohnehin schon in ihm sahen: Die Erlöserfigur, der deutsche Obama, erschienen auf höheren Willen, gestählt in einer tiefen Krise, aber nur, um zurückzukehren mit einer Glorie aus Superheldentum und ganz normalem Menschlichsein. Keine van der Leyen, kein Scholz, kein Özdemir, der diese Kur schon hinter sich hat, hätte Guttenbergs Durchmarsch ins Kanzleramt noch aufhalten: KTG wäre die deutsche Chiffre für Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Stil gewesen, eine Figur wie aus dem Märchen, die bereit ist, die Konsequenzen eigenen Handelns selbst zu tragen, statt sie, wie Politiker das meist fordern, von Sozialarbeitern und Behörden vom Hof schaffen zu lassen.

Guttenberg wäre vom Platz kurz an die Seitenlinie gewechselt, aus der Kurve hätte hätte er nach einer kurzen Karenzzzeit voll offensiv ausgelebter innerer Zerknirschung jede Menge kluge Kommentare in die Runde geworfen. Das Volk, an Verlogenheit, Nepotismus und Demagogie in der Politik gewöhnt wie an Chlor im Trinkwasser, hätte auf ihn gewartet. Und ihn bei nächster Gelegenheit fürstlich belohnt.

So war der Plan, der nie nun nie mehr mehr sein wird. Denn dann beging Theo Guttenberg Selbstmord an der eigenen Karriere. Er hielt die in langen Nächten vorbereitete Rede nicht. Er hängte sich ans Amt. Er scheute die Trennung, die für eine Wiederkehr im Triumph doch so enorm wichtig ist. Er ging nicht den schweren weg nach unten, um wie Phönix aus der Asche strahlen wiederzukommen. Er machte den Gaddafi, bunkerte sich in Ausreden ein, gab nach, wo er musste, und schwieg, wo er konnte.

Ein Mann ohne Forma, ein Mann ohne Machtvision, ein Titelkäufer, der ins Kanzleramt will, doch auf dem Weg dorthin nicht bereit ist, auch mal eine Nacht draußen zu schlafen. Ein ehrloser Egomane, zumal wenn man bedenkt, dass "sich ein Adliger noch vor gut hundert Jahren nach solch einer Blamage selbst erschossen hat", wie Gustaf Fröhlich zurecht bemerkt. "Die Wahrheit ist, dass mir auf Erden nicht zu helfen war", schrieb Heinrich von Kleist, der sich vor hundert Jahren am Wannsee erschoss. Guttenberg geht von der Bühne ohne so große Worte, indem er bleibt.

Dienstag, 22. Februar 2011

Wer hat es gesagt?

Welcher Partei gehört er an? Und welche Funktion übt er aus?

"Und wenn man sich bei einer solchen Blockade auf die Straße setzt, ohne dass man irgendetwas tut, also das ist ja ein friedliches Blockieren im ghandischen Sinne sozusagen, dann halte ich das auch für legitim, selbst wenn man dadurch ein Gesetz verletzt."

Gaddafi haut Guttenberg raus

Zack, so schnell geht das. Vor ein paar Sekunden noch war der Tahrir-Platz in Kairo der Mittelpunkt der deutschen Medienwelt, dann platzte plötzlich der Verteidigungsminister mit einer vom Ghostwriter abgeschriebenen Doktorarbeit herein - und einen Wimpernschlag später findet sich mit dem libyschen Revolutionsführer Muammar Gaddafi ein mutiger nordafrikanischer Despot, der den aufstrebenden von und zu und auch Guttenberg aus dem Visier der "Brennpunkte" nimmt. Mit einer "verwirrten" (n-tv) Rede im "TV" (Bild) hat sich der wie immer in Fremen-Tracht auftretende Mann mit der Panorama-Brille für den Titel "Machthaber des Monats" beworben und den bayrischen Plagiator auf die Plätze verwiesen.

"Ich werde als Märtyrer sterben", sagte der gestern noch auf der Flucht nach Venezuela gewähnte Irre von Tripolis, dem es über Jahre gelungen war, sich die deutsche Musterdemokratie mit zuverlässigen Öllieferungen gewogen zu machen. Obgleich der ehemalige Oberst und oberste Putschist gemäß der geografischen Abläufe der Afrika-Aufstände mit einem Rücktritt dran wäre, gibt es sich trotzig. Er denke gar nicht daran, seinen Posten zu verlassen, sagte Gaddafi, der ganz im Sinne von Gunnar Heinsohn "jugendliche Verbrecher" für die Unruhen in seinem Land verantwortlich macht. Die werden noch da sein, wenn Gaddafi längst fort ist. Ebenso übrigens wie Theo Guttenberg.

Bild oben: Parallelwelt-Presseschau ohne Libyen-Revolution

Nazialarm: Rekorde außer Reichweite

Das waren noch Zeiten, als die wackere "Zeit" mindestens dreimal im Jahr aufrüttelnde Meldungen über "neue Rekordzahlen" (Die Zeit) bei rechtsextremen Straftaten melden konnte. Das vierte, fünfte und sechste Reich rückte mit jedem Alarm über mehr gekritzelte Hakenkreuze näher, die Förderfonds für immer mehr rechte Straftäterberater stiegen und mit ihnen nahm jeweils auch die Zahl der rechtsradikalen Straftaten im darauffolgenden Quartal zu.

Jähe Wendungen aber, das betonte schon der des Rechtsradikalismus unverdächtige Erich Honecker, sind nicht ausgeschlossen. Hatte die traditionell auf hauchdünnem Papier gedruckte "Zeit" als Frontmedium des seit 66 Jahren aufkommenden Faschismus zuletzt schon mit allerlei Kunstgriffen phantasiebegabter Forscher ein weiteres Anwachsen der rechten Greueltaten simulieren müssen, droht dem Konzept des grassierenden Neonationalismus inzwischen der frühe Tod, noch weit vor der Machtübernahme von schornsteinfegernden Mittelstandsnazis und ehemaligen SPD-Aktivisten im Sold des Ewiggestrigen: In Sachsen-Anhalt, dem im Zuge der Restaurierung gesamtdeutscher Zustände entlang der berüchtigten "Straße der Gewalt" errichteten Bundesland, ist die Anzahl der politisch motivierten Straftaten im letzten Jahr zurückgegangen.

Vor allem rechte Straftäter zeigten dabei deutliche Ermüdungserscheinungen. Ihnen gelang es nur noch 1.176 Taten zu begehen - ein Einbruch um 408 Straftaten. Bei mehr als 800 der verbliebenen Taten handelt es sich um sogenannte Propagandadelikte, die zu begehen in Deutschland ein exklusives Vorrecht rechter Straftäter ist. Innenminister Holger Hövelmann der vor Jahren mit einer Initiative gescheitert war, rechte Straftaten zum Verschwinden zu bringen, bezeichnete die Entwicklung als einen Schritt in die richtige Richtung, warnte aber auch, diese rückläufigen Fallzahlen als Entwarnung zu verstehen. Hövelmann: „Auch wenn wir objektiv weniger Delikte zu verzeichnen haben, heißt das noch lange nicht, dass wir deswegen auch in den Köpfen eine Abkehr von verfassungsfeindlichen Ideologien erleben." Er warne ausdrücklich davor, "die menschenverachtende Gesinnung in Köpfen der Rechtsextremisten zu unterschätzen", sagte der studierte NVA-Mann. Ernst und akute Fälle wie der eines 13-Jährigen, der vor Jahren im Schulunterricht eine Hitlerkarikatur gemalt hatte, zeigen die ungebrochene Wichtigkeit des "Kampfes gegen rechts" (Angela Merkel). Hövelmann ist sicher: "Wir müssen unverändert wachsam sein.“


Mehr Grauen im Archiv: Rechte Straftaten von links

Malen nach Zahlen mit Niggemeier

Montag, 21. Februar 2011

Die Ehre der Kopisten

Schon der erste Satz ist schlecht kopiert, immerhin aber fährt das für seine lebensechte Fremdübernahmen bekannte Magazin"Der Spiegel" diesen Stil in seinem Enthüllungsbericht über die Plagiatsaffäre Guttenberg mit dem Titel "Eher ein Scheinheiliger als ein Heiliger" bis zum Ende konsequent durch. "Das Ende wirkt überstürzt", heißt es auf der Internetseite. Der "Spiegel" macht das nur leicht elegantere "die Erklärung wirkte etwas überstürzt" daraus. Und so geht es weiter: "Am Vormittag trat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vor handverlesene Journalisten", beobachtet das Hamburger Magazin, was auch auf der Seite Suite101 fast wörtlich so steht. Wie Guttenberg Texte anderer flüchtig umschrieb, dabei aber die Kommafehler übernahm, so wird hier Journalismus betrieben.

Nicht einmal der Name der Affäre, die auf "Schummel-Vorwürfe" getauft wurde, ist eine Eigenleistung der Enthüller. Mit dem Satz "Nach seiner Abwahl durch die Zuschauer hatte Lopes Schummel-Vorwürfe gegen RTL erhoben", erfand der "Stern" schon 2003 die prägende Vokabel, ohne die die Guttenberg-Geschichte kaum erzählbar wäre. Doch wie wird sie genutzt? Wie gehen die Aufdecker mit dem Zitatrecht um? Wo sind die Fußnoten?

Nirgendwo auch nur eine einzige, die auf die fast sieben Jahre alten Rechte des unbekannten "Stern"-Autors am zusammengesetzten Substantiv hinweisen. Natürlich, denn hier sind die Schamlosen bei der Arbeit: Der "Spiegel" gefällt sich immer wieder darin, fremde Federn als Schmuck zu tragen, die einzige deutsche Nachrichtenagentur dpa verbreitet Pressemeldungen von Firmen und Institutionen als "Nachrichten", nur die Süddeutsche Zeitung beschäftigt mit Hans Leyendecker einen Reporter, der sich seit einem Besuch in Bad Kleinen alles selbst ausdenkt.

Meist aber wird dergleichen Manufakturarbeit abgelehnt. Auch der aktuelle "Spiegel"-Satz "Eine bewusste Täuschung wies er aber zurück", scheint nur neu, stammt aber eigentlich aus einer Ausgabe des Hamburger Abendblattes, in der es hieß Ex-US-Präsident George Bush den deutschen Ex-Kanzler Gerd Schröder beschuldigte, ihn vor Beginn des Irak-Krieges bewusst getäuscht zu haben.

Kein Einzelfall, wie eine Initiative engagierter Internetnutzer herausfand: Sowohl der "Spiegel"-Satz "Die CSU stellt sich anschließend demonstrativ hinter den Verteidigungsminister", der eigentlich vom ZDF stammt, als auch die Formulierung "es muss jetzt Schluss sein" wurden zitiert, letzterer direkt von Franz Beckenbauer, der vor etwa einem Jahr mit denselben Worten in der Halterner Zeitung Ruhe an der Fußballfront gefordert hatte. Zitate, wohin man schaut: Der Schriftsteller Ralph Giordano lieferte in seiner Empörung über eine inzwischen vergessene Rede des inzwischen ebenso vergessenen Ministerpräsidenten Oettinger eine Vorlage für Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, der Giordanos Formulierung von der "Brüskierung der Öffentlichkeit" voller Inbrunst zitiert, nur den Hersteller des Originals unerwähnt lässt. Genauso verhält es sich bei dem Halbsatz "die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf", den der "Spiegel" indirekt zitiert, ohne den urhebenden Fußballschiedsrichter Markus Merk zu nennen.

Warum auch. Hier zitiert jeder jeden: Dass die "SPD weitergehende Konsequenzen" fordert, wie der "Spiegel" schreibt, stand zuletzt als Forderung nach Konsequenzen bei Stuttgart 21 in der Süddeutschen. Doch das passt, denn auch die Spiegel-Schlagzeile selbst ist fremdinspiriert. Der Originaltext heißt "Die Ehre des Kopisten" und stammt aus dem Jahre 2007.

Unterwegs in erfundenen Welten
Blutbad im Reichstag

Doku Deutschland: Wahrheit ist flexibel

Lachen Sie ruhig, machen Sie schon. Ich habe überhaupt kein Problem damit. Wissen Sie, wenn Sie zwei Minuten lachen, habe ich 200 Euro verdient. Natürlich nur, wenn es gut läuft, das ist ja wohl logisch. Sonst säße ich bestimmt nicht hier. Rechnen Sie mal. 200 Euro in zwo Minuten, das sind 72.000 Euro in zwölf Stunden. Fünfzehn Millionen im Jahr. Glauben Sie, ich würde mir das dann noch antun?

Vielleicht ein kleines bisschen, das ist wahr. Es macht einfach auch zu viel Spaß, da können Sie lachen, soviel Sie mögen. Als ich damals angefangen habe, da war das wie ein Rausch. Teldafax, Mobilcom, EM.TV, schon mal gehört? Namen wie Schall und Rauch für Euch junge Leute. Das waren meine ersten Aktien und wissen Sie, wie das seinerzeit lief? Die Kurse haben wir uns aus dem Videotext abgeschrieben, schön in ein Büchlein. Kanadische Minenstocks, herrjeh, da gab es einmal im Monat Neuigkeiten, wenn irgendsoein Börsenblättchen rauskam.

Wir waren die Härtesten, die mit kleinem Einsatz gespielt haben. Gespielt, würden Sie das doch bestimmt nennen. Ich habe damals schon immer gesagt, ich bin Langfristinvestor, einer wie Warren Buffett. Mir geht es nicht um den kurzfristigen kleinen Gewinn, sondern um den langfristigen großen, das war meine Rede. Wenn Sie in meinem Alter sind und ein halbes Leben damit verbracht haben, sich zu fragen, wieso der Kapitalismus als schlechtere Gesellschaftsordnung das bessere Leben bietet, dann werden Sie bei diesen Dingen komisch. Die Intelligenzrente, die ist weg, klar? Da beißt die Maus keinen Faden mehr ab. Jetzt muss man selber zuschauen, wie man noch auf einen grünen Zweig kommt.

Denken Sie nach. Wenn Sie nichts haben, was verkaufen Sie dann? Nichts, denn erst müssen Sie mal was kaufen. Aber was? Wollen Sie da aus einer Mietwohnung darauf wetten, dass Rasenmäher nächstes Jahr besser gehen? Ich habe gesagt, man braucht was ohne Lagerhaltung, was Liquides, was Körperloses am besten.

Also Aktien, Wertpapiere. Lachen Sie ruhig. Wenn ich Ihnen erzähle, was unsereiner alles mitgemacht hat, werden Sie noch lauter lachen. Meine Generation, die ihre ersten Aktien noch für D-Mark gekauft hat, ist doch die gewesen, die alle Krisen weggetragen hat! Asienkrise, Russlandkrise, Long Term Capital-Kollaps, 11. September, Irakkrieg. Alles, was wir hatten, war zwischendurch immer wieder fort. Wie bei Großmutter nach dem ersten Weltkrieg, zwischendurch und nach dem zweiten wieder.

Unsere Weltkriege haben jedenfalls keine Kanonen gebraucht, da wurde immer nur mit Geld geschossen. Und meistens auf uns, da lachen Sie ruhig noch mal, machen Sie nur.

Aufzuhören war nie eine Option, nicht für mich. Man hat selbstverständlich die Typen gesehen, die sich die Finger verbrannt haben, nachdem sie die ersten paar hunderttausend gemacht hatten. Immer mehr, immer schneller immer mehr. So einer war ich nicht. Wenn die Krisen kamen, dann kamen sie immer unerwartet, aber umgeworfen hat uns keine, also nicht uns alle. Wer die Nerven verloren hat, bloß weil er 50 Prozent minus im Depot nicht ertragen konnte, der ist eben wieder zurück zum Sparbuch, hat Immobilien gekauft oder das Geld aus Kummer versoffen.

Ich wusste immer, dass 50 Prozent minus eine gesunde Grundlage für hundert Prozent plus sind, mindestens. Du musst in diesem Geschäft lernen, gegen deine eigenen Fluchtreflexe zu handeln. Lauf nicht weg vor dem Bären, man sagt ja Bär, wenn die Kurse fallen. Nein, spring ihn an, tanz mit ihm! Der alte Kostolany hat angeblich immer gesagt, wer die Aktien nicht hat, wenn sie fallen, der hat sie auch nicht, wenn sie steigen. Und wissen sie was? Recht hatte der.

Fehler gehören dazu, man lernt doch nur, wenn man Schmerzen hat. Wissen Sie, was das für ein Gefühl ist, auf 1000 Prozent Gewinn zu sitzen? Und du weisst ganz genau, verkaufst Du, steigt das Ding auf 10000 Prozent. Behälst Dus aber, sind die 1000 Prozent nächste Woche nur noch 500 und nächsten Monat bist Du im minus. Lachen Sie nur, das die Wahrheit!

Die Rechnung geht immer so, wenn Sie das ein paar Jahre mitgemacht haben, wissen sie, dass sie es selbst in der Hand haben, die Kurse zu beeinflussen. Allerdings leider immer nur in die Richtung, in der Sie vom Ergebnis nichts abbekommen.

Eine traurige Tatsache ist das, das ist wahr. Aber da muss man weitermachen, dranbleiben, gucken, wie es anders geht. Stellen Sie sich mal vor, Sie wären ein Torwart beim Fußball. Der kann doch auch nicht nach jedem Gegentreffer heulen, der muss stehen und weitermachen. Genau so ist das an der Börse, war es nach der Rußlandkrise, nach der ersten und der zweiten Asiengeschichte, ich weiß gar nicht mehr, was da damals zuerst und zuletzt war. Man ist teilweise blauäugig langfristig eingestiegen, teilweise hat man versucht, eine ganz wilde Welle nach oben kurzfristig abzureiten, dann war man mal der Meinung, jetzt gehts runter, da rutschen wir schön mit mit ein paar Putscheinchen.

Das war aber noch bevor die Regierung die Schleusen für Spekulanten geöffnet hat. Ja, hat sie! Wir haben noch unter der Spekulationsfrist gestöhnt. Hat man die nicht eingehalten und vor Ablauf eines Jahres verkauft, musste man damals 50 Prozent vom Gewinn an den Finanzminister abtreten. Später, als die SPD dann den Finanzminister stellte, hatten die ein Einsehen mit Leuten, die vom Spekulieren leben müssen. Die Spekulationsfrist fiel weg, es war dann egal, ob man eine Aktie für eine Stunde oder ein ganzes Leben gekauft hatte, die Steuer kostet nun immer ein Viertel vom Gewinn. Eine faire Geschichte, wie gesagt, vor allem für junge Anleger, die noch nicht so viel Geduld haben und die schnelle Mark machen wollen. Sozialdemokraten für die schnelle Mark, haben wir damals gehöhnt. Tolle Geschichte. Die kleine Sparer, die ihre paar Mäuse in Fonds anlegen, um für das Alter vorzusorgen, sind natürlich gekniffen. Aber Mitleid muss man nicht haben, sage ich immer. Wer hat die denn gewählt? Und wer wird denn gezwungen, Gelegenheiten nicht zu ergreifen?

Wir Alten wissen es ein bisschen besser. Schnell rein und schnell raus, das kann gut gehen, muss aber nicht. Und wenn es gut geht, ist immer die Frage: Wohin denn nun mit dem ganzen Gewinn?

Ich sage Ihnen, wenn man sowieso wieder kauft, kann man das Verkaufen auch gleich lassen. Man hat nicht immer Geld dabei gesammelt, aber Erfahrung. Und Erfahrung ist so was wie das Geld von Morgen. Darauf gibt ihnen keiner raus, aber damit zahlen Sie bargeldlos: Als der Eichel und der Schröder damals kamen und meinen armen Nachbarn und Verwandten diese Telekom-Aktien andrehten, denken Sie vielleicht, ich hätte nur eine Sekunde darüber nachgedacht, diesen Quatsch zu kaufen? Nicht eine Sekunde habe ich das gemacht. Mondpreise waren das, keine Frage. Da müssen Sie dann aber auch kalt wie Hundeschnauze sein, eisig gegen die Masse stehen, sich nicht anstecken lassen.

Aber Sie dürfen auch nicht Recht haben wollen, egal, was es kostet. Wahrheit ist an der Börse flexibel, keiner kennt sie, bis es zu spät ist, sage ich manchmal. Es kommt darauf an, ein gewisses Maß an Zufriedenheit zu entwickeln mit dem, was man hat. Schauen Sie nie auf die Aktien, die besser gelaufen sind als ihre eigenen, schauen Sie lieber auf die, die schlechter waren! Das gibt Selbstvertrauen, das baut einen auf, das macht einen besseren Investor aus jedem.

Wobei das so viele nicht mehr betrifft. Von Aktien haben doch glücklicherweise alle die Nase voll. Jetzt, wo wir im Paradies der Börsenanleger leben, wo die Kurse einen täglich reicher machen, ist keiner mehr da, der reich gemacht werden will. Glücklicherweise sage ich, weil mir das nicht schlecht gefällt. Irgendwann müssen die alle mal nachrechnen, wie sie das machen wollen mit dem Altwerden und immer was zu essen auf dem Tisch haben und das neue iPhone und der Winter im Süden und Autofahren und Heizen. Dann steht die Frage, Rasenmäherverleih oder Aktienanlage. Lachen Sie ruhig, aber ich habe keine Sorgen: Wenn ich mein Depot ausräume, werde ich jemanden finden, der mir das Zeug abkauft. Zu Mondpreisen.

Weitere Folgen der PPQ-O-Ton-Reihe Doku Deutschland:
Ein Land aus Pfand
Sorgen auf der Sonnenbank
Rock an der Rütlischule
Schwimmen mit Sirenen
Hausbuchführer im Widerstand
Ich dagegen bin dafür
Der Marcellator der Herzen
Die Stimme des Bauchtrainers
Am Tresen verhaftet

Wer hat es gesagt?

Wir stehen kurz davor, die Namen all jener Personen zu veröffentlichen, die alles dafür tun würden, damit wir diese Namen nicht veröffentlichen.

Sonntag, 20. Februar 2011

Nur eine kurze Frage

Kennt jemand zur Causa Guttenberg einen noch dümmeren Text als diesen hier? Wir beim Harmonie-Board-PPQ scheren uns eigentlich sonst einen Dreck darum, was andere schreiben. Aber die Promotionsprobleme des adligen Ministers gegen einen vagen "Konservatismus" zu verwenden und gleich noch Hitler sowie alle anderen Bösewichte der Welt in Anschlag zu bringen, erscheint sogar uns von der Trash-Front, nun ja, unziemlich. Der Wettbewerb ist also eröffnet: Kennt jemand zur Causa Guttenberg einen noch dümmeren Text als diesen hier?

Hardcore-Helden im Akustik-Exil

Ein Hardcore-Musiker im Akustik-Exil, ein New Yorker am anderen Ende Amerikas, ein studierter Journalist, der mit der Holzklampfe Zeilen schreibt, die "Spit and scream what's done is done, Go make your peace with everyone" lauten, aber keineswegs nach dem Ausbruch des endgültigen Friedens klingen.

Kevin Devine ist keiner von den musikalischen Schnellbrütern, die drei Jahre nach dem ersten Hit im Dschungelcamp um Mitleid buhlen. Auf der Bühne schreit der frühere Frontmann der Band Miracle of ‘86 gelegentlich ganz ohne Mikrophon los, er spielt seine Gitarre, als sei es eine Motorsäge, er laubsägt Akkorde und sprudelt Textkaskaden, die keine Scheu vor der großen Vokabel kennen.

My brother's blood boils in my arms
It balls my fingers into fists
It bubbles blisters burns my palms
It floods with fury, fights, and fits
It's got the good guy in me hiding
It kicks my humble heart around
It's got me fiendin' for the fire that could finish off this town
O it's got me good

Das reicht nicht für den großen Ruhm, aber es füllt jeden kleinen Saal mit einer Ahnung davon, was Rockmusik gewesen ist, ehe sie im alltäglichen Kaufhauseinsatz ausblutete wie ein Pferd, das zu Wurst gemacht wurde, den Wagen aber weiterziehen soll. Devine, der seine Tourneen allein bestreitet und vor keinem Konzert im Hinterzimmer keiner Kneipe zurückschreckt, hat nur mal ganz kurz einen Vertrag mit einer richtigen Plattenfirma gehabt. Die fusionierte wenig später mit einer Konkurrentin, der weltweite große Durchbruch des hoffnungsfrohen jungen Mann mit dem Kurzhaarschnitt fiel den nachfolgend angeordneten Repertoirebereinigungsarbeiten zum Opfer.

Vier Jahre später war Devine noch immer nicht bei Stefan Raab, bei "Wetten, dass..." oder im Frühstücksfernsehen. "Brothers Blood", das sechste Album des 31-Jährigen, das nach einem siebenminütigen Hymnus benannt ist, neben dem "Stairway to heaven" wie ein Kinderlied klingt, bleibt so ein Geheimtipp. Zum Glück.

Samstag, 19. Februar 2011

Wiedergeboren als komischer Kandidat

Er wuchs im Berliner Bezirk Wedding auf und ging nach der 10. Klasse vom Gymnasium ab. Seinen späteren Künstlernamen entlieh er einem Deutschlehrer, den er sehr mochte, dann begann Kurt Krömer eine Ausbildung zum Herrenausstatter, die er wieder abbrach, um Hilfsarbeiter auf dem Bau zu werden. Hier wurde der Mann mit dem prägnanten Brillengesicht entdeckt, schnell avancierte er mit seiner Fernsehsendung "Die Kurt-Krömer-Show" zum Geheimtipp für Stilsichere, den alle dabeihaben wollten. Das schmierige Pop-Duo Ich + Ich lud ihn in ein Video ein, die Volksbühne in ein Theaterstück, die ARD räumte die Nachtschiene frei und sogar der Deutsche Fernsehpreis mochte nicht auf den linkischen Moderator verzichten.

Krömer jedoch wollte immer mehr, immer mehr gestalten vor allem. Nicht nur ansagen, Witze reißen, sondern mithelfen beim Wiederaufbau Deutschland nach der größten Krise, die die Menschheit jemals erlebt hat. Der 36-Jährige zögerte lange mit der Entscheidung, wo er sich einbringen wollte, entschied sich aber dann doch für das Richtige: Zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, dem westlichsten der östlichen Bundesländer, stellt sich der Berliner, der den Satz "Na, du alte Kackbratze" im Alleingang popularisiert hat, in den Dienst der deutschen Sozialdemokratie: Als "Mario Kremling" tritt Krömer im Wahlkreis III in der ehemaligen Kulturstadt Halle an, um, so sagt er "Mindestlöhne durchzusetzen und mehr zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen".

Wie das geschehen wird, dazu hat der Kabarettist sich ganz konkrete Vorstellungen gemacht. "Liebe Hallenserinnen, liebe Hallenser", schreibt Krömer auf seiner Homepage, "Halle an der Saale ist eine großartige und lebenswerte Stadt. Eine Stadt, auf die wir stolz sein können". Als Sozialdemokrat sei er "dafür, gleiche Bildungschancen für alle Kinder zu ermöglichen", überdies enthalten sein Wahlprogramm "viele exzellente Ziele, für die ich mich einsetze". Als Hallenser habe er "darüber hinaus konkrete Ziele für unsere Stadt, die mein ganz persönliches Angebot an Sie sind", jetzt aber noch nicht verraten werden sollen. Sicher sei, so Kurt Krömer, dass er gemeinsam mit den Einwohnern nach praktischen Lösungen suchen wolle. "Dazu gehört auch, alle Verantwortlichen aus Stadt und Land sowie die Bewohner und Unternehmen an einen Tisch zu bringen." Ein Tisch für 237.000 Leute ist bereits reserviert, alle offenen Getränke gehen aufs Haus, Wurst und Kuchen muss jeder selbst zahlen.

Mehr frappierende Wiedergeburten

Freitag, 18. Februar 2011

Nachhilfe von Hitler

Immer wieder wurden wir nicht müde, vor dem notorischen Dauerfaschisten zu warnen, der sich im Gewand eines n-tv-Moderators allabendlich in die deutschen Wohnstuben schleicht. Das Signal scheint angekommen, wie ein vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk mitgeschnittenes Referat des früheren Führers und Reichskanzlers zeigt, in dem der Großvater des Menschenverachtens seinen Ur-Enkeln von der NPD kräftig die Leviten liest: Auch Wahlkampf für "Mandy" und "Ronny", die virtuellen Wahlzielobjekte der NPD auf dem Weg zur Schreckensherrschafts von Apfel, Pastörs und Heyder, so Hitler, lasse sich nicht auf einer Basis aus offensiv ausgeführter Unbildung und verballhornten Zitaten führen.

Spuren von Verfall

Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken
Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

Indes wie blasser Kinder Todesreigen
Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.

Donnerstag, 17. Februar 2011

Der Staat als Beute


Der Blick in den Blumentopf, er kann zum Alptraum werden. Eben noch war die Welt in Ordnung, ein paar Blätter am Benjaminus Ficus nur leuchteten in einem traurigen Gelb. Die Jahreszeit, natürlich. Das geht schon wieder weg. Nichts Beunruhigendes. Blattgold!

Dann aber eben dieser Blick in den Topf, dessen oberste Erdschicht kalkig wirkt. Alte Erde, deutscher Mutterboden. Mittendrin eine Bewegung, kaum zu erahnen. Der Kopf sinkt tiefer, das Auge fokussiert. Wo eine Bewegung ist, ist bald noch eine. Die Laus, im ersten Moment für ein Täuschung und im zweiten für das Einzelkind eines längst verstorbenen Lauspaares gehalten, wird zu zwei, drei, vielen Läusen. Ein Gewimmel, je näher, desto mehr. Der Blumentopf ist in fremder Hand, das Land erobert von Feinden, die Blattpflanze bedroht.

Man hat es nur immer nicht wahrhaben wollen, dass es im richtigen Leben läuft wie in der Zimmerbotanik. Ein paar Blätter leuchten nicht mehr so richtig grün. Ein paar Zweiglein wirken verkümmert. Die Kanzlerin besetzt den Posten des Bundesbank-Chefs im Alleingang, ein 13-Jähriger entwirft die Kompromisslinien für die Hartz-4-Regelung, Ministerpräsidenten setzen ihre Nachfolger auf dem Weg der Thronfolge ein. Nichts, was ein paar zünftige Wahlen mit hoher Beteiligung nicht wieder hinbiegen könnten!

Holger Hövelmann, ein früherer NVA-Offiziersschüler, der in Sachsen-Anhalt seit Jahren als Innenminister sein Geld verdient, indem er vor der verheerenden Wirkung von Rockmusik auf junge Seelen warnt, würde als Erster zustimmen. Dabei hat der SPD-Mann gerade ein schönes Beispiel dafür geliefert, wie sehr die Generation der visionslos angetretenen Erbverwalter der deutschen Demokratie den Staat, der ihnen in den Schoß gefallen ist, als ihren eigenen betrachten. Und ihre eigenen Interessen also als die Interessen des Staates verstehen.

Hövelmann hat nur einem Parteifreund einen Gefallen getan. Nachdem eine Magdeburger Theaterintendantin gegen Polizisten mit fremdenfeindlichen Bemerkungen ausfällig geworden war, forderte deren Vorgesetzter, der Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper, von seinem SPD-Genossen Hövelmann die Ermittlungsakten an. Die der als Innenminister weder haben sollte noch haben darf. Doch Hövelmann hat. Und er gibt: Nicht nur Auskünfte, sondern gleich die ganze Akte. An den Arbeitgeber der mutmaßlichen Täterin.

Für Hövelmann, an der Offiziershochschule der Landstreitkräfte der NVA in Zittau zum Diplompolitikwissenschaftler ausgebildet, ein ganz normaler Fall von Amtshilfe, der nichts mit der gemeinsamen Parteizugehörigkeit zu tun hat. Jeder, der bei ihm nach staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten frage, bekomme die entsprechenden Ordner nach Hause geschickt, versichert der 43-Jährige. "Sie müssen nur formlos einen Antrag schreiben, dann kopieren wir alles, was wir haben."

Ein Übermittlungsfehler. Hövelmanns Routineüberprüfung einer Tatverdächtigen, weil die bei einem Kumpel beschäftigt ist, ist eine Ausnahme. Aber eben eine, die viel über das Staatsverständnis der Beteiligten erzählt: Recht und Gesetz sind, nur 21 Jahre nach dem Mauerfall, schon wieder dazu da, zur Durchsetzung der Interessen einer kleinen Gruppe von Politikern benutzt zu werden, die sich der gesellschaftlichen Kontrolle längst entzogen haben.

Im Blumentopf wimmelt es nur so vor lauter lustigem Leben: Der Kultusminister besetzt den Führungsposten der Landeskulturstiftung mit einer Vertrauten, als wäre er ein Landgraf und habe das Stiftungsvermögen aus dem eigenen Erbe abgezweigt. Der Staatssekretär übt sich im Versuch, sich selbst einen Bürgermeisterposten zuzuschanzen, scheitert und kehrt unwidersprochen ins Ministerium zurück. Der Finanzminister verspricht der größten Stadt im Land ein Stadion, koste es, was es wolle. Und als sich herausstellt, dass es zu viel kosten wird, weist er an, dass dennoch gebaut werden soll - im Einverständnis mit dem Innenstaatssekretär, der festlegt, dass Recht zu sein hat, was die Politik für Recht erkennen will. Schließlich hat Parteigenosse Lutz Trümper, der Bürgermeister, der von Hövelmann Strafakten anfordern kann, in seiner Stadt auch ein Stadion gebaut, das viel zu teuer wurde. Regiert wird nur noch in Symbolen, wenn es herausgeht zum Kampf gegen Battke, den Staatsfeind Nummer ein, für den zu werben sich alle Spitzenkräfte der Parteien bei jeder Gelegenheit eifrig bereitfinden.

Leider spielt die Justiz nicht immer mit, wenn Posten verschachert und Pfründe verteilt werden. Schön miteinander ausgemacht hatten SPD und CDU, dass der bei den letzten Europawahlen gescheiterte SPD-Verkehrsexperte Ulrich Stockmann mit der Stelle als Stasi-Unterlagenbeauftragter abgefunden wird. Dann aber klagte ein Konkurrent, seitdem kommt das Land ohne Stasi-Chef aus. Bis man sich auf eine neue Abmachung geeinigt hat, tief unten im Blumentopf, wo der Staat Beute ist.

In den Eingeweiden der Arbeiterpartei: Wann wir streiten Seit an Seit

Zur Wahl zwischen Radio Brocken

Das Ende der Erfinder

Die Lage ist klar, das Entsetzen groß. Ja, Thilo Sarrazin und Hendrik Broder dürfen stolz sein: "Araber", so wenigstens glauben die PPQ-Leser, ist vor allem im Iran ein Schimpfwort, einem Land also, das in deutschen Nachrichtensendungen zuweilen als "arabisch" bezeichnet wird.

Aufklärung tut not, denn so wenig die Perser, die im Iran leben, Araber sind, sowenig sind Ägypter, die das Land am Nil bevölkern, welche. Keine Araber sind auch Kurden, Afghanen und Türken.

Dass "Araber" in Ägypten ein Schimpfwort ist, verwundert wenig: Im Jahr 640 eroberten arabische Stämme das, was vom einstigen Weltreich der Pharaonen übrig war. Das Land, das unter Persern und Griechen schon ein halbes Jahrtausend lang langsam auseinandergebrochen war, verlernte nun endgültig den Pyramidenbau, die eigene Sprache und die eigene Schrift.

Es ist ein Rätsel der Weltgeschichte, vergleichbar nur mit dem Verschwinden von Mayas und Inkas und dem Selbstmord der Bewohner der Osterinsel. Wo andere Urbevölkerungen fremden Eroberern hinhaltend Widerstand leisteten, gaben die Ägypter sich selbst, ihre Kultur und ihre Geschichte auf. Eben noch die Könige der Welt, verschwand die Hochkultur binnen einiger Jahrhunderte im Staub der Zeit. Das Weltreich existierte als Provinz des Osmanischen Reiches, es sprach die Sprache derer, die es in den Staub geworfen hatten.

Der arabische Islam hatte das Land der Pharaonen nicht nur erobert, sondern aufgefressen, verdaut und in einem ganz anderen Aggregatzustand wieder ausgeschieden. Seitdem haben die Erfinder der Steinmetzgerei, die Genies der Großbaustelle, die Bewässerungskünstler und Astronomen sich zurückgehalten, was Erfindungen, technische Entwicklungen oder naturwissenschaftliche Entdeckungen betrifft.

Die Ägypter haben sich das nie verziehen, deshalb unterscheiden sie bis heute strikt zwischen sich und Arabien. Russland, Deutschland und die USA können auf ähnliche Erfahrungen nicht verweisen, vielleicht aber reicht das ägyptische Beispiel aus, "Araber" aus einer Mischung aus Respekt und Angst als Schimpfwort zu gebrauchen. Dafür spricht die Regionalverteilung, die aus den Ergebnissen unserer kleinen Umfrage spricht: Kuba kennt das wahrscheinlich dem semitischen Wort „Äräb“ für "Völkergemisch, das in der Wüste wohnt" entlehnte Wort nicht in der Bedeutung als Schimpfvokabel. Kuba ist ja auch weit weg und so arm, dass nicht einmal ein Jemenit freiwillig dort etwas erobern wollen würde.

Mittwoch, 16. Februar 2011

Wiedervereinigung 2.0: Rettungsring aus Nordafrika

Die Börsen von Frankfurt und New York haben es vorgemacht, unsentimental, zweckdienlich, sauber. Eine Fusion zweier sehr unterschiedlicher Partner kann beide stärken, CDU-Politiker sprechen in diesem Zusammenhang stets von einer "Win-Win"-Situation. Die hat Deutschland dringend nötig, seit im Sommer vergangenen Jahres herausgefunden wurde, dass das Land im Begriff ist, sich "abzuschaffen" (Thilo Sarrazin). Nur noch wenig Zeit verbleibt, das Ruder herumzureißen, Geburtenraten steil steigen zu lassen, die Abwanderung zu stoppen, der Überalterung Einhalt zu gebieten.
Eine einmalige Gelegenheit sieht ein überparteilich agierender Arbeitskreis aus Politikern und unabhängigen Landtagskandidaten der früheren DDR-Bürgerrechtsbewegungen jetzt im tunesischen Aufstand. Der hatte binnen Wochen ein korruptes Regime hinweggefegt, wie der Mauerfall in der DDR des Jahres 1989 aber unmittelbar danach dazu geführt, dass junge Menschen massenhaft auf die Flucht vor der bevorstehenden Demokratie gingen. Damit sei niemandem geholfen, weder den ehemaligen Puniern noch den Deutschen, beklagt Ralph Haberstroh (Foto rechts), der als Hinterbänkler oft im Deutschen Bundestag sitzt.

Statt zu jammern, sei es Zeit, die Bedrohung als Chance zu begreifen, formuliert der 42-Jährige in einem 33-seitigen Thesenpapier, das er gemeinsam mit dem tunesischen Studentenführer Ali Kamal verfasst hat. "Nordafrika reicht uns hier einen Rettungsring", ist er überzeugt. Die Probleme Tunesiens seien komplementär zu denen Deutschlands, heißt es dort, hier habe man es mit einer schleichenden Überalterung zu tun, dort hingegen mit einer sogenannten "Youth Bulge" (Gunnar Heihnson), also einem Überschießen der jugendlichen Bevölkerung, das zu Perpektivlosigkeit und gesellschaftlicher Unruhe führe.

Das Rezept der beiden multilateralen Initiatoren, die von einem Kreis internationaler Denker unterstützt werden, sieht nun vor, die Schwäche des einen Staates durch die Schwäche des anderen auszugleichen: So, wie es Helmut Kohl 1990 mit der DDR getan habe, als er 16 Millionen Ostdeutschen im Tausch gegen ihre Kaufkraft und Konsumwilligkeit gestattete, am Aufbau der entwickelten kapitalistischen Gesellschaft teilzunehmen. "Tunesien hat zehn Millionen Einwohner, das ist ein kleiner Brocken", sagt Haberstroh, dem ein Beitritt des Landes, das 1943 bereits einmal kurzzeitig in deutscher Hand war, nach Paragraph 23 Grundgesetz vorschwebt. Der sei zwar zur Zeit im Grundgesetz nicht mehr enthalten, könne aber jederzeit wieder hineingeschrieben werden.

Da beinahe jeder Tunesier irgendwo in seinem Stammbaum einen der im 5. Jahrhundert aus Germanien gekommenen Vandalen aufweisen könne, sei die dortige Wohnbevölkerung ohnehin deutscher Abstammung im Sinne des Grundgesetzes, wie es für Eisläufer, Fußballspieler und Boxer gelte. Zwar seien die Tunesier dennoch überwiegend muslimen Glaubens, doch auch die Ostdeutschen hätten sich am Ende mit ihrem atheistischen und evangelischen Brauchtum recht gut ins größere Deutschland integriert. "Ich sehe nicht, warum ein Bundesland Punien das nicht auch schaffen soll." Da die meisten Tunesier aber auch nach der erneuten Wiedervereinigung in Nordafrika wohnhaft bleiben würden, so wie die Sachsen nach dem Ende der DDR zumeist in Sachsen geblieben seien, profitiere Deutschland auf jeden Fall. Deutschland bekomme endlich freien Zugang zum Mittelmeer, die tunesischen Wüstengebiete könnten zur Aufstellung gigantischer Solarparks genutzt werden und mit den Ruinen von Karthago (Bild oben)sei ein guter Ersatz für den weggefallenen Welterbetitel Dresdens gefunden.

Demografisch ist die Idee ohnehin bestechend. Das neue Überseegebiet hat erst 2005 die Schwelle von 10 Millionen Einwohnern überschritten und seine Bevölkerung damit seit Beginn der 1970er Jahre verdoppelt. "Das passt", freut sich Ali Kamal, "denn gerade in dem Bereich hat Deutschland ja arge Probleme."

Verwaltungstechnisch könne das neue Bundesland wie alle anderen mit voller Autonomie vor allem in der Bildungspolitik rechnen. Der Bund übernehme die Verteidigung und in Teilen die Kosten für Hortbetreuung. Als Landesvater komme bis zu einer Wahl, die parallel zu den nächsten Landtagswahlen in Hessen stattfinden könnten, Interimspräsident Fouad Mebazaâ infrage. Mebazaâ habe in Paris studiert, das Zahlen mit dem Euro sei für ihn nicht neu. "Ich bin fest überzeugt", sagt Ralph Haberstroh, dass wir gemeinsam Geschichte schreiben können."

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