Willkommen im Land, wo die Depressionen blühen, wo die Radiosprecher ihre Hörer ankumpeln, die Wetteransager erzählen, wie das Wetter so war, und Zeitungen sich nicht zu schade sind, aufwendig ausgedachten Unsinn zu verbreiten, ohne jemals nachzuschauen, ob sie nicht eine Woche oder eine Stunde zuvor noch das ganze Gegenteil als Wahrheit verkauft haben. Es ist das Land, in dem die Fußball-Nationalmannschaft nicht mehr Nationalmannschaft heißt, sondern "unsere Jungs", in dem Verbraucher unentwegt verunsichert sind, wo Milch und Honig fließen, während die "Schere zwischen arm und reich" mit jedem Tag weiter auseinanderklafft, bis sich niemand mehr das iPad2, das neue iPhone, den 200-Zoll-Flachfernseher und der 3d-Recorder wird leisten können, weil alle in Afghanistan gestorben, an Dioxin-Eiern verreckt oder von der Rücknahme des Rauchverbotes in den Umweltzonen der Innenstädte ins Ausland getrieben wurden.
Ein Land, das Tröstung braucht, weil es nahezu im Wochenrhythmus von üblen Nachrichten belästigt wird. Mal stirbt es aus, mal wird es überfremdet, mal sinken die renten, mal steigen die Preise, mal ist der Datenschutz in Gefahr, mal die Wiederwahl, mal kommt die Bahn nicht, mal fällt der Flieger aus. Nie war Leben schlimmer, nie war Gegenwart grausamer als heute, wo auf 43 Kanälen, 26 davon öffentlich-rechtlich, tagtäglich in Elend gebadet werden kann, wo Appetit immer gleich Hunger ist und jede Abweichung vom Lehrbuchzustand des Wünschdirwas einer perfekten Welt ein himmelschreiender Skandal.
Wie ein Kind in seine Plüschtiere weint, so kuschelt sich die Nation in den schrecklichen Momenten, in denen "wir" (Angela Merkel) mit der Wirklichkeit konfrontiert werden, in den pädosexuell unverdächtigen Trost aus der Tierwelt. Erst war da der sinnfreie Eisbär Knut, den das Volk knuddeln wollte, als sei er aus Wolle, dann folgte Paul der Krake, der "unsere Jungs" von Ebndsieg zu Endsieg eilen ließ. Und nun geht Deutschland den letzten Schritt zur Infantilisierung: Ein schielendes Opossum aus Leipzig ist soooooooooooooo süß, dass kein Internet-Geek wiederstehen kann. Dem Tier, das von nichts weiß, werden Lieder gesungen und Namen gegeben, wie ja jedes Ding im Kinderzimmer vom Sturm bis zum Hochdruckgebiet einen Namen haben muss, damit es im Geiste gekuddelt und geliebt werden kann.
Nach Knut und Paul kommt nun Heidi, auf dem Fuße folgen die Leitmedien, die das Resultat von über Jahre konsequent betriebener Rückverdummung als "Phänomen" zu beleuchten vorgeben, um es als nette Auflockerung zwischen Koalitionsstreit und Kommunismusdebatte präsentieren zu können. Das Land der Denker und Dichter als Land derer, die da geistig arm sind und hoffen dürfen, das Himmelreich zu gewinnen. Ein Sieg des Schwachsinns, das aber auf ganzer Breite. "Fans des schielednen Oppossums",s chreibt die staatliche Nachrichtenagentur dpa, müssten sich noch ein wenig gedulden, denn das possierliche Tier stehe samt seiner Oppossums-Kollegen "Männchen Teddy" und "Schwester Naira" erst ab Juli für öffentliche Auftritte zu Verfügung. "Dann werden Heidi und ihre Kollegen in der Tropenerlebniswelt Gondwanaland in einem Nachttierbereich leben", heißt es in einer Coverversion des Knut-Klassikers "dann vergräbt der Bär seine Schnauze in den ersten Schnee des Winters. So genießen Eisbären einen Drink".
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