Dienstag, 21. Dezember 2010

Heuchler im Hysteriechannel

Es ist ja nur gut, dass wenigstens der "Spiegel" da nie mitgemacht hat. Nie hat das Standardblatt zur Polit-Erziehung den Euro "Wackelwährung"genannt wie vor zwei Wochen, als eigens die frühere Klimakanzlerin "in die Euro-Schlacht" ziehen musste, um dem "Spiegel" eine Zeile zu bescheren. Nie eskalierte "der Streit um Euro-Bonds", wie vom Beiboot "Manager-Magazin" gerade noch verkündet, nie zeichnete der "Spiegel" ein Bild einer "Euro-Krise" mitten den "Vergifteten Staaten von Europa" (Spiegel), in denen Merkel gegen Juncker kämpft und aus der Geldkrise eine Europa-Krise zu werden droht.

Der "Spiegel" blieb besonnen. "Gestern Griechenland, heute Irland, morgen vielleicht Portugal", skizzierte er ein beruhigendes Bild. Alles im Lot im Euro-Boot! "Europa brennt", hieß es Anfang Dezember, aber da war ja auch noch kein Schnee und die Leser wollen unterhalten werden. Warum also nicht mal Schwarzmalen und genau erklären, "Warum Europa den Schuldenschnitt braucht"? Wenn man nicht erwähnt, dass 70 Prozent aller griechischen Staatsanleihen von griechischen Rentenversicherern gehalten werden, ein Schuldenschnitt um 50 Prozent also vermutlich bedeuten würde, dass griechische Rentner mehr als ein Drittel ihre Rente verlören, geht das schon.

Scharfmacher, Aufrührer, Schwarzmaler, das sind von Hamburg aus gesehen ja ohnehin immer alle anderen. "Deutschland ergeht sich in Euro-Pessimismus, Untergangspropheten warnen vor dem Zusammenbruch der gesamten EU", beschreibt das Blatt die eigene Tätigkeit der vergangenen zwölf Monate jetzt in einer neuen, unterhaltsamen Volte, die nichts mehr wissen will von früheren "Spiegel"-Schlagzeilen wie "Europa riskiert die Euro-Schmelze" (28.10.2010), "Showdown im größten Pokerspiel aller Zeiten" (10.05.2010) oder "Notenbanker in Not" (09.05.2010).

Ist denn "die Lage wirklich so dramatisch?", fragt das Fachblatt für angewandte Augenblicksweisheit nun lässig. Und antwortet sich gleich selbst: "Keineswegs - unser Geld steht mindestens so gut da wie der Dollar: Der Wechselkurs ist stabil, die Inflation gering".

Der Zusammenbruch der Eurozone, seit mehr als einem Jahr liebevoll gepflegtes Ammenmärchen aller Europa-Euphoriker von Hamburg bis München, ist damit quasi amtlich abgesagt. Die Zahlen sprechen ja auch eine eindeutige Sprache. Seit Angela Merkel dem Rest Europas am 8. Mai, dem früheren "Tag des Sieges über den Hitlerfaschismus", dabei half, den Euro und damit Europa in "Stunden hektischer Krisendiplomatie" (FAZ) zu retten, "bevor die Märkte in Fernost öffneten" (Tagesschau) und das "Wolfsrudel" (dpa) der Spekulanten wieder lospreschte, erlebte die "Gemeinschaftswährung" (dpa) eine imposante Wiederauferstehung.

Das hektisch entfachte Papiergeldfeuer, genährt von obszönen Mengen an neugedruckten Scheinen, bescherte dem Euro bis heute ein beeindruckendes Kursplus von fast vier Prozent. Eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. "Europas Wundergeld", hat der "Spiegel" nachgerechnet, "trotzt den Schwarzmalern", denn "weltweit gibt es keine Alternative zum Euro".

Mehr:
Hochbetrieb in der Worthülsenfabrik

9 Kommentare:

Le Penseur hat gesagt…

Wenn man nicht erwähnt, dass 70 Prozent aller griechischen Staatsanleihen von griechischen Rentenversicheren gehalten werden, ein Schuldenschnitt um 50 Prozent also bedeuten würde, dass griechische Rentner mehr als ein Drittel ihre Rente verlören, geht das schon.

Ich will ja nicht provokant wirken, aber ...

1. haben Griechenlands Rentner (statistisch, nicht jeder einzelne natürlich!) mit frühem Pensionsantritt und stattlicher Pensionshöhe (im Verhältnis zu den eingezahlten Beiträgen) m.E. so einen Schnitt durchaus verdient.

2. Wer, glauben Sie, hält den Großteil der deutschen Staatsanleihen? Richtig! Deutsche Lebensversicherungen, Rentenfonds etc. etc. Wenn Deutschland an griechischen Hilfszahlungen pleite geht, glauben Sie, daß der beliebte griechische Politsatireblog "polisplacisquacis.gr" sich diese Frage stellt?

3. Was, glauben Sie, werden alle (nicht nur griechische) Nicht-Rentner an Rentenzahlungen im dereinstigen Antrittszeitpunkt einbüßen — so sie überhaupt in Pension gehen dürfen, und nicht im Fall der Arbeitsunfähigkeit einfach bei Rot über den Zebrastreifen geschickt werden ...?

ppq hat gesagt…

zu eins: auch griechische rentner vergleichen sich nicht mit deutschen, sondern mit sich selbst, also "geht es mir heute besser als gestern" und nicht "geht es mir besser als dem jemeniten, kubaner oder ägypter."

verdient oder nicht verdient, das haben wir nicht zu entscheiden. die haben sich ihre politiker so gewählt, dass die ihnen das versprochen haben. punkt.

wenn nun unsere politiker der meinung sind, dass geht nicht, das versprechen muss rückgängig gemacht werden. ja, dann soltlen sie das so sagen und ncith irgendwas von banken und spekulanten und anonymen "fonds" schwatzen, die sich 2acuh an der rettung beteiligen 2 müssen. die merkel weiß doch, wem es ans eingemachte gehen würde, wenn der haircut kommt.

2)was die griechen fragen, ist mir offen gestanden egal, ich kann nicht mal deren buchstaben lesen.(nur russisch) dass deutschland vor allem bei deutschland berschuldet ist, ist tatsache, aber auch gut so. da kann einem wenigstens kein anderer die kehle zudrücken

3) ist mir egal, ich rechne da mit gar nichts. von mir weggedacht, denke ich, dass wenn alle was verlieren, jeder einzelne weniger verliert als wenn nur ein paar ein drittel verlieren. das alles in ein säftchen verpackt, zuckerchen drüber, ich bin sicher, die meisten merken nicht mal was.

das ist dann schon ein unterschied zu ein drittel weg

aber so ist ja wohl auch der plan

Anonym hat gesagt…

Bei dem neuen Text handelt es sich um einen Debattenbeitrag eines einzelnen Kommentators. Dass unterschiedliche Personen unterschiedliche Meinungen vertreten können, auch im Spiegel, kann man nur für einen Skandal halten, wenn mann fest entschlossen ist, einen zu finden.

ppq hat gesagt…

ja, genau. und deshalb richtet sich der zorn des kommentäters über die schwarzmaler auch ausschließlich an alle außerhalb des eigenen hauses, nicht aber an die bösen schwarzmaler im inneren.

früher hieß das rezept "haltet den dieb" und es galt als relativ plump. aber es ist doch schön, wenns immer noch funktioniert.

VolkerStramm hat gesagt…

Lieber Anonymus,

ich habe die Kolumne noch mal gelesen. Das Wort Skandal steht dort nicht. Auch kein Synomym, nicht mal eine Paraphrase.

Es gibt verschieden Arten dumm zu diskutieren. Einen Pappkameraden aufbauen und dann kräftig draufschlagen ist eine davon – so wie Du es hier vorführst.

Anonym hat gesagt…

„… dass 70 Prozent aller griechischen Staatsanleihen von griechischen Rentenversicheren gehalten werden, ein Schuldenschnitt um 50 Prozent also bedeuten würde, dass griechische Rentner mehr als ein Drittel ihre Rente verlören …“

Wo kommt das Drittel her? 50% von 70% = 35%? Dann ist die Rechnung leider falsch. Solange man nicht weiß, ob die 70% griechische Staatsanleihen 10%, 50% oder 100% des Deckungsstocks bei den Versicherern ausmachen, kann die Rentenkürzung alles zwischen Null und 50% sein.

ppq hat gesagt…

da hast du natürlich recht. da aber den anteil an rohstoff- oder aktieninvestments bei den griechischen rentenversicherern nicht sooooo groß sein dürfte, habe ich das über den daumen gepeilt - deiner rechnung von 0 bis 50 % entsprechend, dann nicht ganz oben, aber schon gar nicht ganz unten.

VolkerStramm hat gesagt…

Lieber Anonymus

Dummtun ist auch eine Art dumm zu diskutieren.
Aber das muss ich Dir ja nicht erklären.

Anonym hat gesagt…

Es sind sogar 80 % wie hier steht