Tief in den Bergen Thüringens, dort, wo Stefan Raab, Lady Gaga und Take That nicht hinkommen, hat eine alte Volkskultur überlebt, die anderenorts längst vergangen und vergessen ist. Der Punk, nach Ansicht der führenden DDR-Musikzeitschrift "Melodie&Rhythmus" begangen von "Punkern", findet hier, wo jeder Ton schaurig von den Bergen wiederhallt, noch Freunde, die ihn ernst nehmen. Samstagnacht, der Kultklub Tiko kracht: Junge Männer haben sich das Haar hochgestellt wie einst ihre Väter, Mädchen tragen zerrissene Strumpfhosen durch den Schnee. Und die Band heißt "Punkroiber" und hat "auch hier schon oft gespielt und geile Konzerte gehabt". Punk ist eben nicht mehr neu, er hat Patina wie der verrußte Keller unter der Kneipe, den für gewöhnlich Gruppen wie "Verstärkertod" und "Cafe-Spione" auf seine Punkrocktauglichkeit prüfen.
Die Rebellion, eröffnet von der Band ABM aus Rathenow, die ihren Hit „Mein Zigarettenpapier ist ein Nazi“ mitgebracht haben, kennt knapp 35 Jahre nach der Geburt des Punk keine Feinde mehr. Vor der Kamera eines PPQ-Feldforschungsteams, das aufgebrochen war, aurale Kleinkunstwerke für die beinahe preisgekrönte Online-Langzeitdokumentation "Gesänge fremder Völkerschaften" zu sichern, spielt sich das pralle Leben einer schon lange totgesagten Jugendkultur ab. Ein bisschen Ska, ein bisschen Oi, ein bisschen Rock´n´Roll und alle haben ihren Spaß, nur der benachbart wohnende Anwalt nicht, wie die Punkroiber inständig hoffen. Vielleicht kann der wenigstens zu einem Beschwerdeanruf beim Ordnungsamt bewegt werden.
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