Es sollte ein cooles Event werden wie damals die große Trauerparty zu Ehren des Fußballtorwarts Robert Enke, dessen Rückennummer genau ein halbes nie wieder vergeben wurde. Zehntausende wurden erwartet, Ströme von begeisterten Tränen zugunsten der Opfer der Loveparade sollten fließen. Alle großen Ereignissender hatten sich angesagt, der Gebührenfunk mit ARD und ZDF und WDR war wie immer gleich mit mehreren Teams aus hochrangigen Experten vertreten, auch n-tv und N24 hatten sich in den kostenlosen Livestream eingeschaltet, der zum traditionellen Public Viewing in 14 Kirchen und - wegen des erwarteten Riesenandrangs der Partypeople und Betroffenen - ins Duisburger MSV-Stadion übertragen wurde.
Doch dann standen sie da, die vermeintlichen Berichterstatter und doch eigentlichen Regisseure des grausamen Spektakels, inmitten ihrer ekelerregenden Inszenierung mit einem großen Kreuz im Mittelkreis, alleingelassen von den sonst bei jedem angesagten Krawall so zuverlässig strömenden Massen. Die Plätze leer, im Stadion keine 3000 Fans, die Heuchler allein zu Haus. Am Riesentrauertresen Sabine Scholt und Jörg Schönenborn auf Analysetour durch die eigene Jämmerlichkeit, pietätlos bis auf den Binder, der selbstverständlich schwarz ist und feucht vor fadenscheinigem Mitgefühl. Von "langsamer, bedrückter Stimmung" faseln die Kommentatoren, von einem "Wochenende, bei man eher allein vor den Fernseher trauert", quasseln Experten.
Die Enttäuschung ist unübersehbar, denn das werden grauenhafte Quoten. Auch bei der politischen Klasse, die sich aus dem Strandkorb in die Trauerstadt gewälzt hatte, um vor den reichlich angereisten Kamerateams ein paar umfragewirksame Tränen zu verdrücken, ist man betroffen. Angela Merkel habe eigentlich vorgehabt, dem nach allen Planungen der Festregie nach erlösenden Worten dürstenden Volk einige Sätze mit auf den Heimweg zu geben, sprechen sollte sie von den Stufen der Kirche herab. Doch nun, wo keine Fans draußen warten, sagt die Kanzlerin ab: Trauer ohne Publikum ist keine Trauer, Tränen ohne Zweck erfüllen auch keinen.
Samstag, 31. Juli 2010
Mordsrenditen aus maroden Buden
Die einen bauen und verkaufen mit großem Aufwand Millionen hochwertiger Kraftwagen, die anderen forschen angestrengt nach neuen Medikamenten und drehen Milliarden Pillen, die nächsten beliefern die ganze Welt mit einmalig grandiosen deutschen Werkzeugmaschinen. Und alle, ja, alle träumen sie immerzu von zweistelligen Umsatzrenditen und leicht verdienten Gebirgen von Geld, um "gierige Manager" (Sigmar Gabriel) und nimmersatte "Kuponschneider" (Karl Marx) endlich einmal ruhig zu stellen.
Allein, es gelingt ihnen nicht. Der große Lkw-Hersteller Man etwa kommt trotz ausgerufenem Krisenende auf eine magere Umsatzrendite von sechs Prozent, der Autozulieferer Conti auf acht, Daimler Benz trotz boomender Verkäufe auf fünf, Edeka auf nicht einmal vier, Aldi Nord gar nur auf drei.
Allerdings gibt es sie dennoch, die Renditewunder, die Geldmaschinen und Goldgruben. Versteckt haben sie sich ganz unten, wo keine Wirtschaftswoche hinschaut, tief in der Provinz, wo die Krise gar nicht über die Stadtmauern gelassen wurde. Halles größter Vermieter, etwa Hallesche Wohnungsgesellschaft genannt, zaubert aus einem zur Hälfte maroden Wohnungsbestand, in dem jede sechste Wohnung leer steht und verfällt und 20 Jahre nach dem Mauerfall nicht einmal zwei Drittel aller Wohnungen saniert sind, seit Jahren nicht nur unablässig steigende Umsätze, sondern auch Umsatzrenditen, bei denen jedem privatkapitalistischen Gierhals die Augen tränen: 2008 gelang es, eine Umsatzrendite von 19,4 % zu erwirtschaften, und auch 2009 quetschte die von klugen Politikerinnen geschickt geleitete gemeinnützige Gesellschaft aus 79,6 Millionen Euro Umsatz immer noch einen sagenhaften Jahresüberschuss von 11,7 Mio. Euro.
Das ist zwar ein Rückgang gegenüber 2008, doch angesichts der "größten Krise seit 1929" ein achtbares Ergebnis mit geradezu unglaublichen 13,6 Prozent Umsatzrendite: 22 Mal höher als in der Metallbranche, doppelt so hoch wie beim Klebstoffhersteller Henkel und einen kleinen Schluck sogar höher als bei der Edelkarossenschmiede Porsche.
Wie machen die das? Wie kriegen die das hin? Magie oder Mogelei?, das sind die drei meistnichtgestellten Fragen angesichts dieser fantastischen Zahlen. Denn in der Stadtverwaltung ist der Jubel groß über das bereits vor drei Jahren geplante Ergebnis. Seinerzeit war beschlossen worden, dass die Wohnungsgesellschaft über die nächsten Jahre insgesamt 142 Millionen Euro aus ihren Mietern pressen und das Geld an die klamme Stadt abführen müsse. Mit einer konsequenten Premiumstrategie gelang es dem Unternehmen, die durchschnittliche Miethöhe in nur einem Jahr von 4,19 pro Quadratmeter auf sozialverträgliche 4,35 Euro zu steigern. Die Kulturmetropole Halle liegt damit nur noch rund einen Euro hinter München (5,40 Euro/m²) und fast gleichauf mit Düsseldorf (4,60 Euro/m²). Bremen (2,80 Euro/m²), das provinzielle Leipzig (2,75 Euro/m²) und Erfurt (2 Euro/m²) konnte die Saalestadt bereits hinter sich lassen.
Allein, es gelingt ihnen nicht. Der große Lkw-Hersteller Man etwa kommt trotz ausgerufenem Krisenende auf eine magere Umsatzrendite von sechs Prozent, der Autozulieferer Conti auf acht, Daimler Benz trotz boomender Verkäufe auf fünf, Edeka auf nicht einmal vier, Aldi Nord gar nur auf drei.
Allerdings gibt es sie dennoch, die Renditewunder, die Geldmaschinen und Goldgruben. Versteckt haben sie sich ganz unten, wo keine Wirtschaftswoche hinschaut, tief in der Provinz, wo die Krise gar nicht über die Stadtmauern gelassen wurde. Halles größter Vermieter, etwa Hallesche Wohnungsgesellschaft genannt, zaubert aus einem zur Hälfte maroden Wohnungsbestand, in dem jede sechste Wohnung leer steht und verfällt und 20 Jahre nach dem Mauerfall nicht einmal zwei Drittel aller Wohnungen saniert sind, seit Jahren nicht nur unablässig steigende Umsätze, sondern auch Umsatzrenditen, bei denen jedem privatkapitalistischen Gierhals die Augen tränen: 2008 gelang es, eine Umsatzrendite von 19,4 % zu erwirtschaften, und auch 2009 quetschte die von klugen Politikerinnen geschickt geleitete gemeinnützige Gesellschaft aus 79,6 Millionen Euro Umsatz immer noch einen sagenhaften Jahresüberschuss von 11,7 Mio. Euro.
Das ist zwar ein Rückgang gegenüber 2008, doch angesichts der "größten Krise seit 1929" ein achtbares Ergebnis mit geradezu unglaublichen 13,6 Prozent Umsatzrendite: 22 Mal höher als in der Metallbranche, doppelt so hoch wie beim Klebstoffhersteller Henkel und einen kleinen Schluck sogar höher als bei der Edelkarossenschmiede Porsche.
Wie machen die das? Wie kriegen die das hin? Magie oder Mogelei?, das sind die drei meistnichtgestellten Fragen angesichts dieser fantastischen Zahlen. Denn in der Stadtverwaltung ist der Jubel groß über das bereits vor drei Jahren geplante Ergebnis. Seinerzeit war beschlossen worden, dass die Wohnungsgesellschaft über die nächsten Jahre insgesamt 142 Millionen Euro aus ihren Mietern pressen und das Geld an die klamme Stadt abführen müsse. Mit einer konsequenten Premiumstrategie gelang es dem Unternehmen, die durchschnittliche Miethöhe in nur einem Jahr von 4,19 pro Quadratmeter auf sozialverträgliche 4,35 Euro zu steigern. Die Kulturmetropole Halle liegt damit nur noch rund einen Euro hinter München (5,40 Euro/m²) und fast gleichauf mit Düsseldorf (4,60 Euro/m²). Bremen (2,80 Euro/m²), das provinzielle Leipzig (2,75 Euro/m²) und Erfurt (2 Euro/m²) konnte die Saalestadt bereits hinter sich lassen.
Freitag, 30. Juli 2010
Kein Fußball den Faschisten
Das wurde aber auch langsam Zeit! Seit Monaten schon forderten engagierte Sportanhänger vom DFB ein klares Bekenntnis zur richtigen Politik im Fußball - jetzt endlich hat der Deutsche Fußball-Bund reagiert und den Verein Roter Stern Leipzig (Foto oben: Roter Stern Leipzig) wegen seines Einsatzes gegen beinahe jede Diskriminierung mit dem zweiten Platz des Julius-Hirsch-Preises geehrt. Eine Jury unter Vorsitz des ehemaligen RAF-Verteidigers und späteren Bundesinnenministers Otto Schily, der zuletzt nicht mehr für den Bundestag kandidiert hatte, um seine Nebeneinkünfte nicht offenlegen zu müssen, entschied über die Preisträger.
Der hatte zuletzt im April diesen Jahres mit beispielhaften Aktionen gegen Rechtsextreme und -Radikale Schlagzeilen gemacht. Beim Bezirksklassespiel der bunten Truppe mit dem roten Sowjetstern im Wappen in Mügeln versuchten die gegen jede Diskriminierung eingeschworenen Leipziger Fans nach Polizeiinformationen versucht haben, das Stadion durch den Eingang zu betreten, der den rechtsextremen Anhängern der Heimmannschaft zugewiesen war. Als ihnen das mit Hinweis auf ihre komplementäre politische Ausrichtung verwehrt wurde, skandierten die zuvor in einer handfesten Auseinandersetzung mit rechten Hooligans in Brandis unterlegenen Roter Stern-Anhänger "Rache für Brandis" auf. Ein zufällig anwesender Anhänger des SV Mügeln wurde durch einen Leipziger Fan schwer verletzt, um jeglicher weiterer Diskriminierung durch ihn ein Ende zu bereiten.
Auch nach Spielbeginn duellierten sich die beiden links- und rechtsextremen "Fanlager" engagiert weiter. Der Anhang von Roter Stern rief engagiert "Nazis, Nazis" in Richtung der Mügelner Zuschauer,die revanchierten sich mit "Linke raus". Durch Polizeikräfte wurde daraufhin ein Block der rechtsradikalen Heimfans geräumt. Später zeigten die Fans des Roten Stern in Folge der Strategie "Hinschauen, nicht zugucken" hochengagiert das Zeigen des Hiltlergrußes eines Hitlergrußes bei den Mügeln-Fans an. Als die Polizei dazu Personalien von Zeugen bei RSL-Anhängern feststellen wollte, wehrten sich die Fans des antirassistischen Vereins jedoch ebenso engagiert: Um die Polizei an weiterer grundloser Verfolgung, Diskriminierung und Unterdrückung zu hindern, wurde sie von den Gästefans angegriffen.
Die Ordnungsmacht hielt ebenso engagiert dagegen, während der Auseinandersetzung im Zeichen des Kampfes gegen rechts (Angela Merkel) stürmten Fans des Roten Stern das Spielfeld und der Schiedsrichter brach das Spiel ab, erst nach 25 Minuten Unterbrechung ging es weiter. Jedoch nicht für lange: Nachdem die "verbalen Auseinandersetzungen zwischen beiden Fanlagern" (Polizei) sich mit "zunehmend diskriminierenden Sprüchen" fortsetzten und "Ermahnungen der Ordnungskräfte" unbeachtet blieben, beendete der Schiri das Spiel in der 80. Minute wegen "rassistischer Gesänge aus dem Bereich der Mügelner Fans". Da seit dem Ereignis erst drei Monate vergangen sind, laufen die Ermittlungen zum Tathergang weiter engagiert.
Roter Stern Leipzig hat indessen klar gemacht, dass er Aussagen wie die des sächsischen Innenministers Markus Ulbig, „dass der Fußball von rechten und linken gewaltbereiten Extremisten benutzt wird“ nicht akzeptieren werde. Der DFB mit seinem seit Jahrzehnten gegen beinahe jede Form von Missbrauch kämpfenden Präsidenten Theo Zwanziger hat sich nun glücklicherweise endlich entschlossen und engagiert hinter die Auffassung der Kicker mit dem Roten Stern gestellt, dass linke Schläge längst nicht so weh tun wie rechte. Sollte die Polizei bei ihren Ermittlungen am Ende wider Erwarten doch noch einen Täter aus dem falschen Lager präsentieren, zeigt das Beispiel der engagierten Rebecca aus Mittweida, dass sich jeder Preis auch unbürokratisch und ohne jede Öffentlichkeitswirksamkeit wieder aberkennen lässt.
Der hatte zuletzt im April diesen Jahres mit beispielhaften Aktionen gegen Rechtsextreme und -Radikale Schlagzeilen gemacht. Beim Bezirksklassespiel der bunten Truppe mit dem roten Sowjetstern im Wappen in Mügeln versuchten die gegen jede Diskriminierung eingeschworenen Leipziger Fans nach Polizeiinformationen versucht haben, das Stadion durch den Eingang zu betreten, der den rechtsextremen Anhängern der Heimmannschaft zugewiesen war. Als ihnen das mit Hinweis auf ihre komplementäre politische Ausrichtung verwehrt wurde, skandierten die zuvor in einer handfesten Auseinandersetzung mit rechten Hooligans in Brandis unterlegenen Roter Stern-Anhänger "Rache für Brandis" auf. Ein zufällig anwesender Anhänger des SV Mügeln wurde durch einen Leipziger Fan schwer verletzt, um jeglicher weiterer Diskriminierung durch ihn ein Ende zu bereiten.
Auch nach Spielbeginn duellierten sich die beiden links- und rechtsextremen "Fanlager" engagiert weiter. Der Anhang von Roter Stern rief engagiert "Nazis, Nazis" in Richtung der Mügelner Zuschauer,die revanchierten sich mit "Linke raus". Durch Polizeikräfte wurde daraufhin ein Block der rechtsradikalen Heimfans geräumt. Später zeigten die Fans des Roten Stern in Folge der Strategie "Hinschauen, nicht zugucken" hochengagiert das Zeigen des Hiltlergrußes eines Hitlergrußes bei den Mügeln-Fans an. Als die Polizei dazu Personalien von Zeugen bei RSL-Anhängern feststellen wollte, wehrten sich die Fans des antirassistischen Vereins jedoch ebenso engagiert: Um die Polizei an weiterer grundloser Verfolgung, Diskriminierung und Unterdrückung zu hindern, wurde sie von den Gästefans angegriffen.
Die Ordnungsmacht hielt ebenso engagiert dagegen, während der Auseinandersetzung im Zeichen des Kampfes gegen rechts (Angela Merkel) stürmten Fans des Roten Stern das Spielfeld und der Schiedsrichter brach das Spiel ab, erst nach 25 Minuten Unterbrechung ging es weiter. Jedoch nicht für lange: Nachdem die "verbalen Auseinandersetzungen zwischen beiden Fanlagern" (Polizei) sich mit "zunehmend diskriminierenden Sprüchen" fortsetzten und "Ermahnungen der Ordnungskräfte" unbeachtet blieben, beendete der Schiri das Spiel in der 80. Minute wegen "rassistischer Gesänge aus dem Bereich der Mügelner Fans". Da seit dem Ereignis erst drei Monate vergangen sind, laufen die Ermittlungen zum Tathergang weiter engagiert.
Roter Stern Leipzig hat indessen klar gemacht, dass er Aussagen wie die des sächsischen Innenministers Markus Ulbig, „dass der Fußball von rechten und linken gewaltbereiten Extremisten benutzt wird“ nicht akzeptieren werde. Der DFB mit seinem seit Jahrzehnten gegen beinahe jede Form von Missbrauch kämpfenden Präsidenten Theo Zwanziger hat sich nun glücklicherweise endlich entschlossen und engagiert hinter die Auffassung der Kicker mit dem Roten Stern gestellt, dass linke Schläge längst nicht so weh tun wie rechte. Sollte die Polizei bei ihren Ermittlungen am Ende wider Erwarten doch noch einen Täter aus dem falschen Lager präsentieren, zeigt das Beispiel der engagierten Rebecca aus Mittweida, dass sich jeder Preis auch unbürokratisch und ohne jede Öffentlichkeitswirksamkeit wieder aberkennen lässt.
Wir saufen schneller aus
In Fußballfankreisen und bei den Darstellern der traditionellen Castor-Blockaden in jedem herbst sind sie schon lange Legende, jetzt aber hat Sachsen-Anhalts Bereitschaftspolizei ihre Visitenkarte auch in Hamburg abgegeben - und nicht irgendwo, sondern im piekfeinen Steigenberger-Hotel. Hier musste eine Polizeihundertschaft des beliebten
Innenministers Holger Hövelmann untergebracht werden, nachdem sie den Kollegen aus der Hansestadt beim Niederschlagen von Aufständen im berüchtigten Schanzenviertel zur Hand gegangen war. Nach Dienstschluß ließen die Beamten das Erlebte dann erstmal bei ein paar gepflegten Bieren sacken, so oft kommen Landesbedienstete aus dem Armenhaus Deutschland schließlich nicht in Luxusabsteigen mit Zimmerpreisen von 120 Euro unter.
Nach einem Bericht des "Abendblattes" machten die Einsatzkräfte, die zu Vorzugsraten von 99 Euro die Nacht untergebracht waren, dort weiter, wo der beliebte Rapper Snoop Dogg vor Jahren in Halle nach der vollständigen Vernichtung eines örtlichen Hotelzimmers aufgehört hatte: Nachdem die rund 100 Beamten gegen 23 Uhr aus dem Einsatz entlassen worden waren, fuhren sie zur Unterkunft und ließen dort die Sau raus. "Bis in den frühen Morgen störten stark angetrunkene Polizeibeamte die Gäste durch Lärmbelästigung", empört sich eine Augenzeugin im Abendblatt. Die Beamten seien grölend und Bier trinkend durch die Flure getorkelt, hätten eine Hochzeitsgesellschaft gestört und Hotelangestellte verbal attackiert. Augenzeugen berichteten laut NDR auch, dass es "richtig zur Sache ging". Ein volltrunkener Beamter in Uniform erbrach sich auf dem Hotelflur.
Getreu dem von Landesheraldikern aus dem Landesmotto "Wir stehen früher auf" entwickelten Truppenmotto "Wir saufen schneller aus" sei eine Situation entstanden, in der die Hotelleitung beinahe den Notruf 110 gewählt hätte, um die Polizei zu Hilfe zu rufen, gestand eine Hamburger Polizeisprecherin. "Dass sich Polizisten, die bei uns zu Gast sind, so undiszipliniert verhalten, habe ich noch nie erlebt", entrüstet sich auch Hoteldiektor Rolf Haug.
"Es handelt sich um einen bedauerlichen Vorfall, der mittlerweile mit dem Hotel geklärt worden ist", beruhigt Polizeisprecher Mirko Streiber, während Hövelmanns Sprecher sich freut, dass "der Magdeburger Polizeidirektor sich bereits in einem Brief für das peinliche Verhalten der Beamten entschuldigt" hat. Erst kürzlich war der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt, der ebenfalls dem ehemaligen NVA-Politoffiziert Holger Hövelmann untersteht, verfassungsfeindlicher Bestrebungen überführt worden.
Nach der freihändigen Herstellung von Verbrechenszahlen durch den Minister selbst seien die Beamten deshalb wohl zu verunsichert gewesen, "sich dem Ambiente entsprechend zu verhalten. Bislang wissen wir aber nicht, ob Alkoholkonsum bei den Vorfällen eine Rolle gespielt hat", sagte ein Sprecher. Hamburg hat unterdessen erklärt, künftig keine Polizeieinheiten aus Sachsen-Anhalt mehr zur Verstärkung heranziehen zu wollen, weil sich die Sicherheit durch deren Einsatz nicht erhöhe, sondern sinke.
Innenministers Holger Hövelmann untergebracht werden, nachdem sie den Kollegen aus der Hansestadt beim Niederschlagen von Aufständen im berüchtigten Schanzenviertel zur Hand gegangen war. Nach Dienstschluß ließen die Beamten das Erlebte dann erstmal bei ein paar gepflegten Bieren sacken, so oft kommen Landesbedienstete aus dem Armenhaus Deutschland schließlich nicht in Luxusabsteigen mit Zimmerpreisen von 120 Euro unter.
Nach einem Bericht des "Abendblattes" machten die Einsatzkräfte, die zu Vorzugsraten von 99 Euro die Nacht untergebracht waren, dort weiter, wo der beliebte Rapper Snoop Dogg vor Jahren in Halle nach der vollständigen Vernichtung eines örtlichen Hotelzimmers aufgehört hatte: Nachdem die rund 100 Beamten gegen 23 Uhr aus dem Einsatz entlassen worden waren, fuhren sie zur Unterkunft und ließen dort die Sau raus. "Bis in den frühen Morgen störten stark angetrunkene Polizeibeamte die Gäste durch Lärmbelästigung", empört sich eine Augenzeugin im Abendblatt. Die Beamten seien grölend und Bier trinkend durch die Flure getorkelt, hätten eine Hochzeitsgesellschaft gestört und Hotelangestellte verbal attackiert. Augenzeugen berichteten laut NDR auch, dass es "richtig zur Sache ging". Ein volltrunkener Beamter in Uniform erbrach sich auf dem Hotelflur.
Getreu dem von Landesheraldikern aus dem Landesmotto "Wir stehen früher auf" entwickelten Truppenmotto "Wir saufen schneller aus" sei eine Situation entstanden, in der die Hotelleitung beinahe den Notruf 110 gewählt hätte, um die Polizei zu Hilfe zu rufen, gestand eine Hamburger Polizeisprecherin. "Dass sich Polizisten, die bei uns zu Gast sind, so undiszipliniert verhalten, habe ich noch nie erlebt", entrüstet sich auch Hoteldiektor Rolf Haug.
"Es handelt sich um einen bedauerlichen Vorfall, der mittlerweile mit dem Hotel geklärt worden ist", beruhigt Polizeisprecher Mirko Streiber, während Hövelmanns Sprecher sich freut, dass "der Magdeburger Polizeidirektor sich bereits in einem Brief für das peinliche Verhalten der Beamten entschuldigt" hat. Erst kürzlich war der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt, der ebenfalls dem ehemaligen NVA-Politoffiziert Holger Hövelmann untersteht, verfassungsfeindlicher Bestrebungen überführt worden.
Nach der freihändigen Herstellung von Verbrechenszahlen durch den Minister selbst seien die Beamten deshalb wohl zu verunsichert gewesen, "sich dem Ambiente entsprechend zu verhalten. Bislang wissen wir aber nicht, ob Alkoholkonsum bei den Vorfällen eine Rolle gespielt hat", sagte ein Sprecher. Hamburg hat unterdessen erklärt, künftig keine Polizeieinheiten aus Sachsen-Anhalt mehr zur Verstärkung heranziehen zu wollen, weil sich die Sicherheit durch deren Einsatz nicht erhöhe, sondern sinke.
Donnerstag, 29. Juli 2010
Hochmut kommt vor dem Stall
Hat sies oder hat sies nicht? Verdient, wegen ihres Kommentars zur Loveparade-Tragödie als strohdumme blonde Unterfrau in den qualitätsmedialen Dreck getreten zu werden? Eva Herman, bekannt geworden durch ihren Ausstieg bei der"Tagesschau" und ihre liebenswert-ungelenke Coverversion des alten Kraftwerk-Brüllers "Autobahn", spaltet das gerade erst wiedervereinte Deutschland in mindestens drei oder gar vier Hälften: Die einen stimmen ihr zu, die anderen wenden sich angeekelt ab, die Dritten ignorieren sie immer noch und die Vierten gießen Kübel voll Gülle über ihrem Blondschopf aus.
n-tv, beliebt wegen seiner Live-Berichterstattung von allen Schlachtfeldern von Vergangenheit und Gegenwart, hat die Guillotine inzwischen aus der Online-Auslage geräumt, auf der die Erfinderin des "Eva-Prinzips" eine Nacht lang mutig als schafsblöde Unterfrau im Gesamtwert von weniger als einem Euro enttarnt wurde. Doch vergessen werden darf das heute schon legendäre Meisterwerk gutgemachten Enthüllungsjournalismus keineswegs. "Das Internet vergisst nichts", glaubt die als eher brünette Geschlechtsgenossin der Herman nach n-tv-Angaben gut zum Bierholen geeignete Heimatschutz-Ministerin Ilse Aigner. Und wo sie Recht hat, hat sie Recht.
n-tv, beliebt wegen seiner Live-Berichterstattung von allen Schlachtfeldern von Vergangenheit und Gegenwart, hat die Guillotine inzwischen aus der Online-Auslage geräumt, auf der die Erfinderin des "Eva-Prinzips" eine Nacht lang mutig als schafsblöde Unterfrau im Gesamtwert von weniger als einem Euro enttarnt wurde. Doch vergessen werden darf das heute schon legendäre Meisterwerk gutgemachten Enthüllungsjournalismus keineswegs. "Das Internet vergisst nichts", glaubt die als eher brünette Geschlechtsgenossin der Herman nach n-tv-Angaben gut zum Bierholen geeignete Heimatschutz-Ministerin Ilse Aigner. Und wo sie Recht hat, hat sie Recht.
Sommer ohne Loch
Wo bleibt es nur? Das lang und jedes Jahr herbeigesehnte und gleichzeitig gehasste Sommerloch? Die Landbevölkerung sehnt sich nach Ernteergebnissen, die Städter warten vergeblich auf ellenlange Berichte über Sommerfeste in Kleingartenanlagen. 2010 ist anders. Es ist heiß, zumindest die erste Hälfte vom Juli soll angeblich noch heißer gewesen sein als alles andere zuvor. Die Medien überschlagen sich mit Rekordmeldungen, der Boulevard feiert eine Hitzeschlacht nach der anderen.
Zwischendrin immer mal wieder ein bisschen Kachelmann, der passt ja so gut zum Wetter. Nun erst recht. Ist es doch gerade gefühlt so kalt wie im Herbst, bei mageren 24 Grad. Ein bisschen Kachelmann-Entlassung gepaart mit den Wetteraussichten für die nächsten drei Tage und schon sind die Blätter wieder bunt gefüllt. Zuvor hatte man sich ein wenig Erholung in der Sonne gewünscht, doch die wurde eiskalt von den Ereignissen in Duisburg erwischt. 21 Tote bei einem Fest der Liebe. Das reicht für einen ganzen Sommer lang. Und länger.
Die Redaktionsstuben (nicht nur) der Hauptstadt stehen Kopf. Während man sonst im Sommerloch Hände ringend und nach Schlagzeilen sucht, wissen die Zeilenmacher in diesen Tagen nicht, wer es mehr verdient hat, wer sich besser verkauft. Der entlassene aber schweigende Wettervoraussager? Oder der quasselnde aber eigentlich nichts sagende Bürgermeister der Stadt Duisburg? Oder vielleicht Eva, die immer noch was zu sagen hat? In Berlin kommt gar noch ein Innensenator dazu, der ein Gerichtsurteil über das Verbot von Videoaufnahmen friedlicher Demonstrationen per Gesetz kippen will. In jedem anderen Sommer Stoff genug für eine Woche.
Schluss damit. Das Volk will Sommer. Und zum Sommer gehört nunmal das Loch. Ein Loch voller Geschichten von der Ostsee, aus Mallorca, vom Baggersee. Aber selbst von da kommen in diesem Jahr nur Meldungen über Ertrunkene und Gewitteropfer.
Zwischendrin immer mal wieder ein bisschen Kachelmann, der passt ja so gut zum Wetter. Nun erst recht. Ist es doch gerade gefühlt so kalt wie im Herbst, bei mageren 24 Grad. Ein bisschen Kachelmann-Entlassung gepaart mit den Wetteraussichten für die nächsten drei Tage und schon sind die Blätter wieder bunt gefüllt. Zuvor hatte man sich ein wenig Erholung in der Sonne gewünscht, doch die wurde eiskalt von den Ereignissen in Duisburg erwischt. 21 Tote bei einem Fest der Liebe. Das reicht für einen ganzen Sommer lang. Und länger.
Die Redaktionsstuben (nicht nur) der Hauptstadt stehen Kopf. Während man sonst im Sommerloch Hände ringend und nach Schlagzeilen sucht, wissen die Zeilenmacher in diesen Tagen nicht, wer es mehr verdient hat, wer sich besser verkauft. Der entlassene aber schweigende Wettervoraussager? Oder der quasselnde aber eigentlich nichts sagende Bürgermeister der Stadt Duisburg? Oder vielleicht Eva, die immer noch was zu sagen hat? In Berlin kommt gar noch ein Innensenator dazu, der ein Gerichtsurteil über das Verbot von Videoaufnahmen friedlicher Demonstrationen per Gesetz kippen will. In jedem anderen Sommer Stoff genug für eine Woche.
Schluss damit. Das Volk will Sommer. Und zum Sommer gehört nunmal das Loch. Ein Loch voller Geschichten von der Ostsee, aus Mallorca, vom Baggersee. Aber selbst von da kommen in diesem Jahr nur Meldungen über Ertrunkene und Gewitteropfer.
Eine Nacht in der Gosse
Es war Gossenjournalismus höchster Goebbels-Güteklasse, eine heitere Hinrichtung in zehn Bildern, Volksaufklärung der besseren Art, bei der Menschen mit Tieren verglichen werden, damit am Ende ihre "Ausmerzung" (Franz Müntefering) gefordert werden kann. n-tv, Tochtersender von Hitlers größtem Soldatenromanverlag Bertelsmann, war anfangs ganz sicher, mit einer Bilderstrecke über die "durchgeknallte" (Claudia Roth) Ex-Fernsehmoderatorin Eva Herman Enthüllungsjournalismus der allerbesten Art betrieben zu haben. Auf jeweils ein Bild der Blondine folgt ein Blondinenwitz, gekrönt mit Bildern von Hirnen, Schafen und Bierflaschen, denen jeweils bescheinigt wird, klüger, nützlicher und wertvoller zu sein als Frau Herman - was haben sie vor Lachen gebrüllt in der n-tv-Chefredaktion.
Dann aber der Schock, die Enttäuschung, das Gefühl, zurückgesetzt zu werden: Als das Volk, das die n-tv-Nachrichtenseite sonst meidet wie nur noch die Online-Präsenz von "Haus und Hund", endlich aufgerüttelt war und loszog, sich vor den Herman-Bildern auszuschütten vor Lachen, nahm n-tv den Link "http://www.n-tv.de/mediathek/bilderserien/leute/Das-Eva-Prinzip-article1146031.html" vom Internetsender. Wer jetzt zu spät kommt, den bestraft das Leben: An selber Stelle gibt es nun einen angejahrten "Zwischenruf" vom 29. April vergangenen Jahres zu lesen, in dem Manfred Bleskin das seinerzeit gerade hochmodische Managerthema unter dem Titel "Zocker der Nation" abhandelt. Von Eva Hermans Hinrichtung sind nur Datenspuren geblieben - etwa ein Hinweis im Forum von gofeminin, wo der durchgegenderte Cyberman75 andere Fans von Gosse und Gülle mit leichtem Selbstzweifel auf das tolle Angebot hinweist:"Ich weiss nicht, ob das für ein seriösen Nachrichtensender steht", schreibt er, "lustig ist es trotzdem".
Nachgereicht dank c.s., der so schlau war, diesen Höhepunkt des deutschen Qualitätsjournalismus zu speichern - eine Slideshow der Schande:
Der Download der aller Bilder, auch hochauflösend, ist hier als Zip möglich.
Dann aber der Schock, die Enttäuschung, das Gefühl, zurückgesetzt zu werden: Als das Volk, das die n-tv-Nachrichtenseite sonst meidet wie nur noch die Online-Präsenz von "Haus und Hund", endlich aufgerüttelt war und loszog, sich vor den Herman-Bildern auszuschütten vor Lachen, nahm n-tv den Link "http://www.n-tv.de/mediathek/bilderserien/leute/Das-Eva-Prinzip-article1146031.html" vom Internetsender. Wer jetzt zu spät kommt, den bestraft das Leben: An selber Stelle gibt es nun einen angejahrten "Zwischenruf" vom 29. April vergangenen Jahres zu lesen, in dem Manfred Bleskin das seinerzeit gerade hochmodische Managerthema unter dem Titel "Zocker der Nation" abhandelt. Von Eva Hermans Hinrichtung sind nur Datenspuren geblieben - etwa ein Hinweis im Forum von gofeminin, wo der durchgegenderte Cyberman75 andere Fans von Gosse und Gülle mit leichtem Selbstzweifel auf das tolle Angebot hinweist:"Ich weiss nicht, ob das für ein seriösen Nachrichtensender steht", schreibt er, "lustig ist es trotzdem".
Nachgereicht dank c.s., der so schlau war, diesen Höhepunkt des deutschen Qualitätsjournalismus zu speichern - eine Slideshow der Schande:
Der Download der aller Bilder, auch hochauflösend, ist hier als Zip möglich.
Mittwoch, 28. Juli 2010
Heiteres Hinrichten mit n-tv
Führender geht gar nicht als n-tv, denn seit Jahren schon beschäftigt Deutschlands großer Nachrichtensender den früheren Führer und Reichskanzler Adolf Hitler in der Nacht- und Nachmittagsschiene als Dauermoderator. Entsprechend nachdrücklich verwahrt sich der Special-Interrest-Kanal ("Hitlers Hunde") jetzt gegen die brauner Umtriebe seit Jahren verdächtige Ex-Tagesschau-Sprecherin Eva Herman. Die auf Youtube zuletzt mit einer Coverversion des Kraftwerk-Hits "Autobahn" notorisch erfolgreiche Sachbuchautorin hatte den Zorn des auf den Verkauf von Fan-Literatur zu Hitlers kultigem Tiger-Panzer spezialisierten Senders mit abweichenden Meinungsäußerungen zur Loveparade, dem "Techno-Event der Superlative" (n-tv), erregt.
Argumentativ unangreifbar schlug der bei "gewissenlosen Managern" (Sigmar Gabriel) besonders beliebte Führerkanal nun zurück: In der lockeren Bilderklickstrecke "Sodom und Gomorrha - Das Eva-Prinzip" reißt die Nachrichtenredaktion der 52-jährigen Ansagerin der konkurrierenden Internetnachrichtensendung des Kopp-Verlages nein, nicht den Arsch auf wie des Chefmoderators frühere Generale ihren Männern, sondern die Biederfraumaske vom Gesicht.
Unbestechlich wie einst Stalins oberste Reinigungskraft Jeschow richtet die Bertelsmann-Tochter n-tv Herman hochgradig heiter hin, ganz im Geist der "politischen Hygiene", für die mit Karl-Eduard von Schnitzler eines der großen Vorbilder der aktuellen Chefredaktion lebenslang eintrat. Herman sei im Unterschied zu einem Tetrapack nicht clever, sie könne kein BSE bekommen, weil sie kein Hirn habe, und wenn man sie am Montag zum Lachen bringen wolle, müsse man ihr schon am Freitag einen Witz erzählen, hat ein Team von Qualitätsjournalisten ein paar alte Witze zusammengeschoben, die seinerzeit vermutlich schon in den Feldausgaben von Buchhits wie „Mit Bomben und MGs über Polen“ standen, mit denen Bertelsmann zum wichtigsten Buchlieferanten von Hitlers Soldaten an der Front wurde.
Das Medium ist ein anderes, die Haltung dieselbe. Frauen wie Herman habe Gott eigentlich nicht erschaffen, damit sie "aktuell-politische Ereignisse" (Kurt Hager) kommentierten, enthüllt n-tv. Sondern letztlich nur, "weil Schafe kein Bier aus dem Kühlschrank holen können". Deshalb sei auch Frau Herman nur einen Euro wert, wenn sie gerade einen Einkaufswagen schöbe (Bild oben - Montage n-tv). Hitler hingegen bringt einiges mehr: 1717 Führer-Artikel listet der n-tv-Shop. Von Eva Herman sind nur "Das Eva-Prinzip" und das Nachfolgewerk "Die Wahrheit und ihr Preis" im Angebot.
Argumentativ unangreifbar schlug der bei "gewissenlosen Managern" (Sigmar Gabriel) besonders beliebte Führerkanal nun zurück: In der lockeren Bilderklickstrecke "Sodom und Gomorrha - Das Eva-Prinzip" reißt die Nachrichtenredaktion der 52-jährigen Ansagerin der konkurrierenden Internetnachrichtensendung des Kopp-Verlages nein, nicht den Arsch auf wie des Chefmoderators frühere Generale ihren Männern, sondern die Biederfraumaske vom Gesicht.
Unbestechlich wie einst Stalins oberste Reinigungskraft Jeschow richtet die Bertelsmann-Tochter n-tv Herman hochgradig heiter hin, ganz im Geist der "politischen Hygiene", für die mit Karl-Eduard von Schnitzler eines der großen Vorbilder der aktuellen Chefredaktion lebenslang eintrat. Herman sei im Unterschied zu einem Tetrapack nicht clever, sie könne kein BSE bekommen, weil sie kein Hirn habe, und wenn man sie am Montag zum Lachen bringen wolle, müsse man ihr schon am Freitag einen Witz erzählen, hat ein Team von Qualitätsjournalisten ein paar alte Witze zusammengeschoben, die seinerzeit vermutlich schon in den Feldausgaben von Buchhits wie „Mit Bomben und MGs über Polen“ standen, mit denen Bertelsmann zum wichtigsten Buchlieferanten von Hitlers Soldaten an der Front wurde.
Das Medium ist ein anderes, die Haltung dieselbe. Frauen wie Herman habe Gott eigentlich nicht erschaffen, damit sie "aktuell-politische Ereignisse" (Kurt Hager) kommentierten, enthüllt n-tv. Sondern letztlich nur, "weil Schafe kein Bier aus dem Kühlschrank holen können". Deshalb sei auch Frau Herman nur einen Euro wert, wenn sie gerade einen Einkaufswagen schöbe (Bild oben - Montage n-tv). Hitler hingegen bringt einiges mehr: 1717 Führer-Artikel listet der n-tv-Shop. Von Eva Herman sind nur "Das Eva-Prinzip" und das Nachfolgewerk "Die Wahrheit und ihr Preis" im Angebot.
Ein Beat, ein Bass, ein Mob
Opfer und Geopferte, in friedlichem Gedenken vereint, während die Schuldigen in ihren Rathäusern, Präsidien und Fitnesstempeln sitzen und versuchen, sich gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben, bis keine mehr übrig ist, so hätten der Meinungsmaintream die Katastrophe von Duisburg gern abgehandelt. Hier die profitgierigen Manager, wie immer, dort unfähige Politiker, wie immer, daneben bürokratische Behörden, wie immer ungeeignet, etwas zu organisieren oder Organisiertes durchzuführen. Nur zwischendrin, fast unsichtbar, die große Masse der vielen Einzelnen, die auch knapp sieben Jahrzehnte nach dem letzten Reichsparteitag noch immer einen guten Mob abgeben, wenn man sie ausreichend motiviert.
Ein Beat und ein Bass, und schon geht es los. Auf Bildern von der Loveparade ist zu sehen, wie sich an der inzwischen berühmten Todestreppe Menschen gegenseitig zusammentreten, während ein paar Meter weiter ein lächelnder Verkäufer Würstchen feilbietet. Der Tunnel weiter vorn, das ist schon auf Höhe des Wurststandes zu sehen, ist rettungslos verstopft. Aber dennoch strebt kaum eine Handvoll Menschen vom Tunnel fort, alle anderen aber auf den Mob zu, in die Menge hinein.
Die vermeintlichen Subjekte der Todesparade, bloße Verschiebemasse der Sicherheitskonzepte von veranstalter, Stadt und Polizei, tun etwas - wie Motten fliegen sie ins Licht, wie Schaulustige streben sie in das brennende Haus. Sie so Massenpanik aus? Großflächiges Chaos? Was hätten Ordner hier getan? Was die Poliztei nicht konnte, wie eine Augenzeugin dem "Westen" erzählt hat: „An einer größeren Straße kontrollierte uns die Security auf Glasflaschen. Danach ließ man uns weiter durch. Es wurden immer mehr Leute. Etwa fünf Meter weit im Tunnel stand eine Reihe von Polizisten, wollte die Menge zurückhalten. Hinter ihnen war sogar noch etwas Platz. Da wurden manche Raver furchtbar wütend. Sie hatten keine Lust zu warten, traten auf die Beamten ein. Ganz viele drängelten sich einfach durch. Der Druck durch die Massen immer größer. Schließlich wichen die Polizisten, die förmlich überrannt wurden, zur Seite aus. Alles strömte in den Tunnel. Der war schließlich so voll, dass man nicht mal mehr den Arm heben konnte.“
Ein Beat und ein Bass, und schon geht es los. Auf Bildern von der Loveparade ist zu sehen, wie sich an der inzwischen berühmten Todestreppe Menschen gegenseitig zusammentreten, während ein paar Meter weiter ein lächelnder Verkäufer Würstchen feilbietet. Der Tunnel weiter vorn, das ist schon auf Höhe des Wurststandes zu sehen, ist rettungslos verstopft. Aber dennoch strebt kaum eine Handvoll Menschen vom Tunnel fort, alle anderen aber auf den Mob zu, in die Menge hinein.
Die vermeintlichen Subjekte der Todesparade, bloße Verschiebemasse der Sicherheitskonzepte von veranstalter, Stadt und Polizei, tun etwas - wie Motten fliegen sie ins Licht, wie Schaulustige streben sie in das brennende Haus. Sie so Massenpanik aus? Großflächiges Chaos? Was hätten Ordner hier getan? Was die Poliztei nicht konnte, wie eine Augenzeugin dem "Westen" erzählt hat: „An einer größeren Straße kontrollierte uns die Security auf Glasflaschen. Danach ließ man uns weiter durch. Es wurden immer mehr Leute. Etwa fünf Meter weit im Tunnel stand eine Reihe von Polizisten, wollte die Menge zurückhalten. Hinter ihnen war sogar noch etwas Platz. Da wurden manche Raver furchtbar wütend. Sie hatten keine Lust zu warten, traten auf die Beamten ein. Ganz viele drängelten sich einfach durch. Der Druck durch die Massen immer größer. Schließlich wichen die Polizisten, die förmlich überrannt wurden, zur Seite aus. Alles strömte in den Tunnel. Der war schließlich so voll, dass man nicht mal mehr den Arm heben konnte.“
Teures Gold für Arme
Die Bundesregierung hat prompt reagiert und Abhilfe geschaffen. Nachdem Arbeitslosen- und Armenverbände sich beklagt hatten, dass viele Menschen sich die regelmäßig veröffentlichten 100-Euro-Goldmünzen wegen des hohen Preises einfach nicht leisten können, beschloss das Kabinett die Herausgabe einer 20-Euro-Goldmünze. Für nur 151 Euro plus Verpackungs- und Versandkosten - das sind knapp 40 Euro weniger als vor zehn Jahren die erste 100-Euro-Goldmünze kostete - sollte jeder Interessierte die Möglichkeit bekommen, etwas für seine Altersvorsorge in der Zeit zu tun, wenn alle staatlichen Rentenversprechen ge- und alle Banken zusammengebrochen sind. Natürlich, statt einer halben Unze Gold enthält die neue Münze nur noch ein Achtel, statt 15,1 Gramm also nicht einmal vier.
Wieder aber sind es ruchlose Geschäftemacher und gewissenlose Manager, die den großen Plan unterlaufen. Denn kaum war die Münze auf dem Markt, begannen spezialisierte Händler schon, sie für viel mehr Geld anzubieten als der Hersteller. MDM etwa offerierte in Postwurfsendungen die günstige Gelegenheit, das Schmuckstück für nur 499 Euro zu erwerben - und eine Woche später schon meldet das Münzhandelshaus stolz "ausverkauft". Auch bei Ebay greifen Schnäppchenjäger beherzt zu: Für nicht einmal vier Gramm Gold im Marktwert von etwa hundert Euro legen frischgenesene Lehman-Opfer, erfahrene Butterfahrtenteilnehmer und Fans des Sparkassen-Glückssparends leuchtenden Auges290 bis 450 Euro auf den Tisch.
Jeden Tag stehen unzählige Dumme auf, man muss sie nur finden, sagt ein Sprichwort aus der alten Kulturregion Köthen, die Samuel Hannemann einst nutzte, die sogenannte Homöopathie zu erfinden. Deren Wirkprinzip besteht darin, Medikamente ohne Wirkstoffe zur Heilung zur benutzen - eine Idee, die auch im Goldhandel funktioniert, wie das Beispiel der . Angela-Merkel-Goldmünze zeigt, die 0,7 Gramm Gold enthielt, für 79,90 verkauft wurde und derzeit bei Ebay rund 25 Euro bringt. Für die Preise, die derzeit für eine 20 Euro-Goldmünze gezahlt werden, bekäme der Goldanleger bei Ebay auch eine 100-Euro-Münze - die 15,55 Gramm Gold enthält und nicht nur 3,8875 Gramm.
Eine Spekulation wie aus dem Bilderbuch: Jetzt muss sich der Goldpreis nur noch auf rund 3000 Euro verdreifachen, dann haben alle Käufer der 20-Euro-Goldmünze alles richtig gemacht. Nächstes Jahr erscheint die nächste 20-Euro-Münze aus der Serie "Deutscher Wald", vorbestellbar beim Bundesfinanzministerium.
Wieder aber sind es ruchlose Geschäftemacher und gewissenlose Manager, die den großen Plan unterlaufen. Denn kaum war die Münze auf dem Markt, begannen spezialisierte Händler schon, sie für viel mehr Geld anzubieten als der Hersteller. MDM etwa offerierte in Postwurfsendungen die günstige Gelegenheit, das Schmuckstück für nur 499 Euro zu erwerben - und eine Woche später schon meldet das Münzhandelshaus stolz "ausverkauft". Auch bei Ebay greifen Schnäppchenjäger beherzt zu: Für nicht einmal vier Gramm Gold im Marktwert von etwa hundert Euro legen frischgenesene Lehman-Opfer, erfahrene Butterfahrtenteilnehmer und Fans des Sparkassen-Glückssparends leuchtenden Auges290 bis 450 Euro auf den Tisch.
Jeden Tag stehen unzählige Dumme auf, man muss sie nur finden, sagt ein Sprichwort aus der alten Kulturregion Köthen, die Samuel Hannemann einst nutzte, die sogenannte Homöopathie zu erfinden. Deren Wirkprinzip besteht darin, Medikamente ohne Wirkstoffe zur Heilung zur benutzen - eine Idee, die auch im Goldhandel funktioniert, wie das Beispiel der . Angela-Merkel-Goldmünze zeigt, die 0,7 Gramm Gold enthielt, für 79,90 verkauft wurde und derzeit bei Ebay rund 25 Euro bringt. Für die Preise, die derzeit für eine 20 Euro-Goldmünze gezahlt werden, bekäme der Goldanleger bei Ebay auch eine 100-Euro-Münze - die 15,55 Gramm Gold enthält und nicht nur 3,8875 Gramm.
Eine Spekulation wie aus dem Bilderbuch: Jetzt muss sich der Goldpreis nur noch auf rund 3000 Euro verdreifachen, dann haben alle Käufer der 20-Euro-Goldmünze alles richtig gemacht. Nächstes Jahr erscheint die nächste 20-Euro-Münze aus der Serie "Deutscher Wald", vorbestellbar beim Bundesfinanzministerium.
Dienstag, 27. Juli 2010
Einsatz in vier Sendern
Alles gegeben und doch verloren. Schon an Tag drei der größten Eventkatastrophe seit dem Flugzeugabsturz des polnischen EU-Kritikers Lech Kaczynski verlangt das Publikum schon nach neuem Stoff und schärferen Themen. Die Bilanz ist verheerend: Die Quoten des dritten ARD-Brennpunktes am laufenden Band brachen dramatisch ein, statt 7,5 Millionen Fans schauten nur noch knapp 4,8 Millionen zu. Noch schlimmer traf es das ZDF, das mit einer erneut gutgemachten "Spezial"-Sendung, die wie immer liebevoll und mit großem handwerklichen Geschick aus Youtube-Filmen und Flickr-Fotos (Foto oben: M. Vogt) zusammengeschnitten worden war, nicht einmal mehr drei Millionen Gebührenzahler vor den Bildschirm lockte. Fast eine Million weniger als Baumarkt-Päpstin Tine Wittler mit ihrem "Einsatz in vier Wänden" begeisterte.
Große Hoffnungen setzen alle Sender nun aber auf die zentrale Trauerfeier, die am kommenden Samstag im Beisein der erschütterten Bundeskanzlerin Angela Merkel und des geschockten Neu-Bundespräsidenten Christian Wulff stattfinden wird. Beide hatten unaufgefordert ihr Kommen zugesagt. Im Streit um die Übertragungsrechte der Feier, die nach Ansicht von Marktbeobachtern das Zeug hat, die erfolgreiche Enke-Trauerfeier mit seinerzeit sieben Millionen Zuschauern noch zu übertreffen, hat sich die ARD gegen das ZDF durchgesetzt. Die Kollegen aus Mainz hätten schließlich das Endspiel der Fußball-WM bringen dürfen, hieß es beim "Ersten", automatisch sei damit die ARD am Zuge. Parallel übertragen werden aber auch Phoenix und die privaten Nachrichtensender n-tv und N24.
Den Gottesdienst werden der Präses der evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, sowie der katholische Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck zelebrieren. Schneider ist selbst gebürtiger Duisburger und hat viele Jahre im Stadtteil Rheinhausen als Pfarrer gearbeitet, gegen beide Pfarrer gibt es bislang keine aktuellen Missbrauchsvorwürfe. Die konkrete Gestaltung des Gottesdienstes ist derzeit noch offen, ließ die organisierende Landesregierung von NRW wissen. Es werde nach einer Form gesucht, um während der Live-Übertragung zu Ehren der Gruppe der Toten aus dem "Pulk ohne Raum", wie es Netzwerkrecherche treffend nennt, jedem der 21 Opfer individuell gedenken zu können. Die Stadt lädt während der bewegenden Zeremonie zum traditionellen Public Viewing auf den Burgplatz und zum Innenhafen. Dort wird es eine Außenübertragung auf Großleinwänden geben.
Die DVD von der Trauerzeremonie mit den Tränen aller Stars, kommentiert von Oliver Pocher, Westbam und Eva Herman, soll pünktlich zum Weihnachtsgeschäft in den Handel kommen. Auch ein 3D-Hörbuch ist geplant. Eva Herman wird rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse im Oktober 2010 im renomierten Kopp-Verlag und auf amazon ihre Antholgie "Tunnel of Love" veröffentlichen. 17 Cent von jedem verkauften Exemplar gehen in den Spendenfonds, der Duisburgs OB Sauerland mit Hilfe einer millionenschweren Abfindung zum Rücktritt zwingen will.
Große Hoffnungen setzen alle Sender nun aber auf die zentrale Trauerfeier, die am kommenden Samstag im Beisein der erschütterten Bundeskanzlerin Angela Merkel und des geschockten Neu-Bundespräsidenten Christian Wulff stattfinden wird. Beide hatten unaufgefordert ihr Kommen zugesagt. Im Streit um die Übertragungsrechte der Feier, die nach Ansicht von Marktbeobachtern das Zeug hat, die erfolgreiche Enke-Trauerfeier mit seinerzeit sieben Millionen Zuschauern noch zu übertreffen, hat sich die ARD gegen das ZDF durchgesetzt. Die Kollegen aus Mainz hätten schließlich das Endspiel der Fußball-WM bringen dürfen, hieß es beim "Ersten", automatisch sei damit die ARD am Zuge. Parallel übertragen werden aber auch Phoenix und die privaten Nachrichtensender n-tv und N24.
Den Gottesdienst werden der Präses der evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, sowie der katholische Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck zelebrieren. Schneider ist selbst gebürtiger Duisburger und hat viele Jahre im Stadtteil Rheinhausen als Pfarrer gearbeitet, gegen beide Pfarrer gibt es bislang keine aktuellen Missbrauchsvorwürfe. Die konkrete Gestaltung des Gottesdienstes ist derzeit noch offen, ließ die organisierende Landesregierung von NRW wissen. Es werde nach einer Form gesucht, um während der Live-Übertragung zu Ehren der Gruppe der Toten aus dem "Pulk ohne Raum", wie es Netzwerkrecherche treffend nennt, jedem der 21 Opfer individuell gedenken zu können. Die Stadt lädt während der bewegenden Zeremonie zum traditionellen Public Viewing auf den Burgplatz und zum Innenhafen. Dort wird es eine Außenübertragung auf Großleinwänden geben.
Die DVD von der Trauerzeremonie mit den Tränen aller Stars, kommentiert von Oliver Pocher, Westbam und Eva Herman, soll pünktlich zum Weihnachtsgeschäft in den Handel kommen. Auch ein 3D-Hörbuch ist geplant. Eva Herman wird rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse im Oktober 2010 im renomierten Kopp-Verlag und auf amazon ihre Antholgie "Tunnel of Love" veröffentlichen. 17 Cent von jedem verkauften Exemplar gehen in den Spendenfonds, der Duisburgs OB Sauerland mit Hilfe einer millionenschweren Abfindung zum Rücktritt zwingen will.
Im Teufelskreis des Todes
Es bleibt bitter und es bleibt wahr: Wer früher stirbt, ist länger tot, und je ärmer er zuvor war, desto größer sind seine Chancen. Nach einer Studie von Wissenschaftlern der Universitäten von Sheffield und Bristol wirkt sich die seit den großen Hungersnöten im Mittelalter beinahe unablässig auseinanderklaffende "Schere zwischen arm und reich" (Angela Merkel) inzwischen nicht mehr nur auf den Ausstattungsgrad von Wohnzimmern mit Flachbildfernsehern, iPods und Festplattenrecordern aus, sondern auch auf den Sterbezeitpunkt von Betroffenen. Nach den Untersuchungen der Experten hat die Ungleichheit zwischen Armen und Reichen auch beim Zeitpunkt des Ablebens zumindest in England und Wales wieder so weit zu, dass sie wieder der gleiche, die vor dem weltwirtschaftlichen Einbruch von 1929 geherrscht habe. Damit sei die Ungleichzeitigkeit des Sterbens seit 1990 stetig gestiegen.
Die Situation stellt sich derzeit aus Sicht der Forscher so dar: 1990 starben die ärmsten Briten im Vergleich zu den reichsten 1,6 mal frühzeitiger, zumindest wenn sie in einer eher ärmeren Gegend lebten. 2007 war die Wahrscheinlichkeit schon auf das Doppelte angestiegen, wobei gemeint ist, dass die Wahrscheinlichkeit, vor dem 65. Lebensjahr zu sterben, für einen Briten mit niedrigem Einkommen nunmehr ein Viertel höher lag als vor 20 Jahren und zugleich auf dem höchsten Stand seit 1921, als erstmals entsprechende Daten gesammelt wurden.
Unklar bleibt dabei, ein Viertel wovon gemeint ist. Fakt ist jedoch aber die doppelte schreiende Ungerechtigkeit: Ein armer Mensch erzielt nicht nur lebenslang weniger Einkommen, nein, nach den Erkenntnissen der Experten ist er durchschnittlich auch früher tot und kann dann gar kein Einkommen mehr erzielen, wodurch ihm die Mittel fehlen, sein leben zu verlängern.
Ein Teufelskreis, der umso mehr abzulehnen ist, als Briten ohnehin beharrlich immer noch viel früher sterben als Kontinentaleuropäer. Zwar hat sich auch auf der Insel die Anzahl der Todesfälle vor dem 60. Lebensjahr in den letzten 40 Jahren nahezu halbiert. Doch während in einigen westlichen Ländern heute nur noch 20 von 1.000 Einwohnern vor dem 60. Lebensjahr sterben, bringen es britische Frauen auf 58, Männer sogar auf 93 von 1.000.
Grund zur Warnung, Anlass für einen Appell, der Warnung und Mahnung zugleich sein muss. "Auch wenn die Lebenserwartung für alle Menschen weiter steigt", klären die englischen Wissenschaftler ein für alle mal auf, "wächst auch die Kluft zwischen den ärmsten und den reichsten Gebieten." Eines Tages wäre es so denkbar, dass alle Menschen 200 oder 300 Jahre alt werden, die ärmeren unter ihnen aber mit einer Wahrscheinlichkeit von 2,3 oder sogar 2,5 bereits mit 260 oder gar 180 Jahren sterben, dahingerafft von bitterem Bier, 170 mannhaft ertragenen Ibiza-Sonnenbränden und dem täglichen Tee mit Milch und einem Zentner Zucker. Das wäre eine Ungerechtigkeit, nur noch knapp übertroffen von der, mit der eben eine andere britische Studie pietätlos herausplatzen musste. Danach verringert eine höhere Ausbildung das Risiko, an Demenz zu erkranken. Nach ihren Untersuchungen lag das Demenzrisiko pro zusätzlichem Ausbildungsjahr 11 Prozent niedriger - schon wer zehn Jahre Schule vollgemacht hat, ist also rein rechnerisch so gut wie völlig vor der Gefahr völlig. Wer danach noch ein bisschen rumstudiert, kann sogar noch Blutplasma als Serum gegen die Krankheit spenden.
Die Situation stellt sich derzeit aus Sicht der Forscher so dar: 1990 starben die ärmsten Briten im Vergleich zu den reichsten 1,6 mal frühzeitiger, zumindest wenn sie in einer eher ärmeren Gegend lebten. 2007 war die Wahrscheinlichkeit schon auf das Doppelte angestiegen, wobei gemeint ist, dass die Wahrscheinlichkeit, vor dem 65. Lebensjahr zu sterben, für einen Briten mit niedrigem Einkommen nunmehr ein Viertel höher lag als vor 20 Jahren und zugleich auf dem höchsten Stand seit 1921, als erstmals entsprechende Daten gesammelt wurden.
Unklar bleibt dabei, ein Viertel wovon gemeint ist. Fakt ist jedoch aber die doppelte schreiende Ungerechtigkeit: Ein armer Mensch erzielt nicht nur lebenslang weniger Einkommen, nein, nach den Erkenntnissen der Experten ist er durchschnittlich auch früher tot und kann dann gar kein Einkommen mehr erzielen, wodurch ihm die Mittel fehlen, sein leben zu verlängern.
Ein Teufelskreis, der umso mehr abzulehnen ist, als Briten ohnehin beharrlich immer noch viel früher sterben als Kontinentaleuropäer. Zwar hat sich auch auf der Insel die Anzahl der Todesfälle vor dem 60. Lebensjahr in den letzten 40 Jahren nahezu halbiert. Doch während in einigen westlichen Ländern heute nur noch 20 von 1.000 Einwohnern vor dem 60. Lebensjahr sterben, bringen es britische Frauen auf 58, Männer sogar auf 93 von 1.000.
Grund zur Warnung, Anlass für einen Appell, der Warnung und Mahnung zugleich sein muss. "Auch wenn die Lebenserwartung für alle Menschen weiter steigt", klären die englischen Wissenschaftler ein für alle mal auf, "wächst auch die Kluft zwischen den ärmsten und den reichsten Gebieten." Eines Tages wäre es so denkbar, dass alle Menschen 200 oder 300 Jahre alt werden, die ärmeren unter ihnen aber mit einer Wahrscheinlichkeit von 2,3 oder sogar 2,5 bereits mit 260 oder gar 180 Jahren sterben, dahingerafft von bitterem Bier, 170 mannhaft ertragenen Ibiza-Sonnenbränden und dem täglichen Tee mit Milch und einem Zentner Zucker. Das wäre eine Ungerechtigkeit, nur noch knapp übertroffen von der, mit der eben eine andere britische Studie pietätlos herausplatzen musste. Danach verringert eine höhere Ausbildung das Risiko, an Demenz zu erkranken. Nach ihren Untersuchungen lag das Demenzrisiko pro zusätzlichem Ausbildungsjahr 11 Prozent niedriger - schon wer zehn Jahre Schule vollgemacht hat, ist also rein rechnerisch so gut wie völlig vor der Gefahr völlig. Wer danach noch ein bisschen rumstudiert, kann sogar noch Blutplasma als Serum gegen die Krankheit spenden.
Hitzekollaps weicht der Massenpanik
Nur die Allerältesten erinnern sich inzwischen noch daran, wie das war, damals, letzte Woche, als ein völlig neues Phänomen das mediale Deutschland in seinen Bann schlug. Die Krankheit kam plötzlich, sie warf den Menschen nieder, er brach zusammen und musste von Notsanitätern mit geeigneter Medizin wie Wasser versorgt werden. Betroffen von dem Phänomen "Hitzekollaps", das laut Google Timeline (Grafik unten rechts) bis 1960 hierzulande völlig unbekannt war und in den Jahren seitdem nur bei Bundeswehrrekruten, Auto-Motorteilen und Haustieren auftrat, waren insbesondere junge Menschen, die in der Blüte ihrer Jahre drei
Tage Tanzen im prallen Sommersonnenschein auf der Berliner Fanmeile locker durchgestanden hatten. Bei der anschließenden Bahnfahrt aber passen mussten: 40 Grad über Null in einem letzte Woche noch vermuteten "Rekordsommer" (Maybrit Illner), der nun endlich den vielbesprochenen Klimawandel ankündigte, reichten, die tapferen Tänzer und hernach auch das Bundesunternehmen Bahn niederzuwerfen.
Zwei Wochen lang brachte das Arbeit und Brot für viele Familien. Denn der Hitzekollaps war bis dato noch wenig untersucht. Nun wurde er viel und gern beschrieben: Er entsteht, wo Staatsunternehmen auf ihre eigene Privatisierung hoffen. Wo Manager tätig sind. Wo Züge hergestellt werden. Wo Menschen unverantwortlich mit dem Erdklima umgehen.
1963 war das noch anders: Junge Rekruten der Luftlandetruppen in Nagold mussten am 25. Juli 1963 einen Marsch über rund 17 Kilometer absolvieren, ein Soldat starb an einem Hitzekollaps - was zur ersten urkundlichen Erwähnung des heute alltäglichen Phänomens führte. Nach gelegentlichen Berichten über Hitzekollapse bei Tieren und technischen Geräten verriet dann erst im Mai 2010 ein Enthüllungsbericht im Bayrischen Rundfunk, wie schlimm die Gefahr eines Hitzekollaps auch für Menschen werden würde: Hitze könne zur gesundheitlichen Belastung werden, Mitbürger fühlten sich dann schlapp, müde und abgeschlagen, meist sei der Grund zu wenig Flüssigkeit.
Es war wie ein Weckruf. Schon vier Wochen später stellte anwalt.de prophetisch klar: "Niemand ist vor einem Hitzekollaps sicher", Ende Juni konnte der Gebührensender NDR berichten, dass es bald soweit sein würde: "Krankenhäuser stellen sich bereits darauf ein, dass die Zahl der Patienten mit Hitzekrämpfen, Sonnenstich und Hitzekollaps zunehmen wird".
So kam es, für einen kurzen Moment. "Vermutlich wird der gesamte Juli deutlich zu warm ausfallen", versprach DWD-Sprecher Uwe Kirsche der Wettermagazin "Stern". Dann stürzten die Temperaturen ins Bodenlose, die Bahn hatte 1,75 Millionen Euro an Entschädigungen gezahlt und die Loveparade lockte zur Tragödie nach Duisburg. Pünktlich ein neues Thema, wo das alte nichts mehr hergibt: Massenpanik. Ein Phänomen, das laut Google Timeline (Grafik oben links) selbst im Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg weniger häufig zu beobachten war als heute.
Demnächst in diesem Theater: Kältenotstand in Peru.
Tage Tanzen im prallen Sommersonnenschein auf der Berliner Fanmeile locker durchgestanden hatten. Bei der anschließenden Bahnfahrt aber passen mussten: 40 Grad über Null in einem letzte Woche noch vermuteten "Rekordsommer" (Maybrit Illner), der nun endlich den vielbesprochenen Klimawandel ankündigte, reichten, die tapferen Tänzer und hernach auch das Bundesunternehmen Bahn niederzuwerfen.
Zwei Wochen lang brachte das Arbeit und Brot für viele Familien. Denn der Hitzekollaps war bis dato noch wenig untersucht. Nun wurde er viel und gern beschrieben: Er entsteht, wo Staatsunternehmen auf ihre eigene Privatisierung hoffen. Wo Manager tätig sind. Wo Züge hergestellt werden. Wo Menschen unverantwortlich mit dem Erdklima umgehen.
1963 war das noch anders: Junge Rekruten der Luftlandetruppen in Nagold mussten am 25. Juli 1963 einen Marsch über rund 17 Kilometer absolvieren, ein Soldat starb an einem Hitzekollaps - was zur ersten urkundlichen Erwähnung des heute alltäglichen Phänomens führte. Nach gelegentlichen Berichten über Hitzekollapse bei Tieren und technischen Geräten verriet dann erst im Mai 2010 ein Enthüllungsbericht im Bayrischen Rundfunk, wie schlimm die Gefahr eines Hitzekollaps auch für Menschen werden würde: Hitze könne zur gesundheitlichen Belastung werden, Mitbürger fühlten sich dann schlapp, müde und abgeschlagen, meist sei der Grund zu wenig Flüssigkeit.
Es war wie ein Weckruf. Schon vier Wochen später stellte anwalt.de prophetisch klar: "Niemand ist vor einem Hitzekollaps sicher", Ende Juni konnte der Gebührensender NDR berichten, dass es bald soweit sein würde: "Krankenhäuser stellen sich bereits darauf ein, dass die Zahl der Patienten mit Hitzekrämpfen, Sonnenstich und Hitzekollaps zunehmen wird".
So kam es, für einen kurzen Moment. "Vermutlich wird der gesamte Juli deutlich zu warm ausfallen", versprach DWD-Sprecher Uwe Kirsche der Wettermagazin "Stern". Dann stürzten die Temperaturen ins Bodenlose, die Bahn hatte 1,75 Millionen Euro an Entschädigungen gezahlt und die Loveparade lockte zur Tragödie nach Duisburg. Pünktlich ein neues Thema, wo das alte nichts mehr hergibt: Massenpanik. Ein Phänomen, das laut Google Timeline (Grafik oben links) selbst im Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg weniger häufig zu beobachten war als heute.
Demnächst in diesem Theater: Kältenotstand in Peru.
Montag, 26. Juli 2010
Mach mich Masse
Lange vorher ist gewarnt worden, sogar sehr lange vorher. Holly Knight etwa dichtete schon 1983 "We are young heartache to heartache we stand" und "no promises no demands love is a battlefield", ohne Hoffnung, gehört zu werden jedoch denn: "noone can tell us we're wrong", weil "You're begging me to go then make me stay why do you hurt me so bad?" Berichte von der Rampe vor dem Tunnel in Duisburg, 27 Jahre vor der letzten Loveparade: "It would help me to know do I stand in your way, believe me believe me I can't tell you why but I'm trapped by your love and I'm chained to your side!"
Das Ende läuft auf allen Senden als Endlosschleife aus Youtube-Videos und Twitter-Statusmeldungen: "We're losing control will you turn me away or touch me deep inside and before this gets old will it still feel the same there's no way this world dies".
Die Welt überlebt, die Raver sind tot, wie es das Lied, das Pat Benatar zum Hit machte, vorhersagte: "But if we get much closer I could lose control and if your heart surrenders you'll need me to hold." Massenpanik an der Raverrampe, die dann gar keine war, der "Tunnel of Love", den Springsteen in einem schwachen Jahr beschwor - beide wussten sie: "love is a battlefield"
Doch was zieht sie dort hin, Menschen zwischen 14 und 45, was treibt sie, sich am liebsten in solchen Massen zu versammeln, ohne dass irgendetwas geboten wird. Von dem, was vorne auf der Bühne abgeht, sieht kaum einer etwas, der Reiz liegt allein darin, Teil des Massenauflaufes zu sein, Teil von etwas ganz Großem. Egal ob Papstbesuch, Fußball-WM oder öffentliches Techno-Zucken: der individualisierte Mensch der 2000er Jahre sucht die Begegnung mit sich selbst im Zusammentreffen mit anderen Gleichgesinnten. Je mehr, desto besser, denn: "noone can tell us we're wrong". Je Event, desto enger, denn "I'm chained to your side".
Die Generation Gegenwart, freigesprochen von Zukunftsvisionen, Ideologien und Freiheitswünschen, ist unterwegs zu sich selbst, unterwegs durch den Tunnel, festgepresst an Gleichgesinnte, während von hinten unablässig noch mehr Massen nachstoßen. Auf Youtube, der Schaltzentrale des Entsetzens über unfähige Veranstalter und verantwortungslose Politiker, ist zu sehen, wie die Menge aus lauter Einzelnen in den Minuten vor den ersten Toten wogt und atmet, als genieße sie die Ausnahmesituation als entgrenzte Erfahrung von Entbehrung und Mühsal. Es wird gesungen, es wird gewunken, es wird gefilmt und gescherzt. Der Weg ist das Ziel, das Wartekollektiv das Mittel zum Erleben, das hilft, den eigenen Körper zu spüren, den ausweglosen Alltag zu fliehen.
Die Loveparade ist nach der Katastrophe von Duisburg für immer beerdigt worden, doch die Sehnsucht des Menschen nach Entgrenzung in abgegrenzten Arealen bleibt. Die nächste Loveparade wird anders heißen und unter dem Motto "In Loving Memory Of Those Who Died" stehen. Tanzen für die Toten.
Augenzeugenberichte gibt eshier.
Das Ende läuft auf allen Senden als Endlosschleife aus Youtube-Videos und Twitter-Statusmeldungen: "We're losing control will you turn me away or touch me deep inside and before this gets old will it still feel the same there's no way this world dies".
Die Welt überlebt, die Raver sind tot, wie es das Lied, das Pat Benatar zum Hit machte, vorhersagte: "But if we get much closer I could lose control and if your heart surrenders you'll need me to hold." Massenpanik an der Raverrampe, die dann gar keine war, der "Tunnel of Love", den Springsteen in einem schwachen Jahr beschwor - beide wussten sie: "love is a battlefield"
Doch was zieht sie dort hin, Menschen zwischen 14 und 45, was treibt sie, sich am liebsten in solchen Massen zu versammeln, ohne dass irgendetwas geboten wird. Von dem, was vorne auf der Bühne abgeht, sieht kaum einer etwas, der Reiz liegt allein darin, Teil des Massenauflaufes zu sein, Teil von etwas ganz Großem. Egal ob Papstbesuch, Fußball-WM oder öffentliches Techno-Zucken: der individualisierte Mensch der 2000er Jahre sucht die Begegnung mit sich selbst im Zusammentreffen mit anderen Gleichgesinnten. Je mehr, desto besser, denn: "noone can tell us we're wrong". Je Event, desto enger, denn "I'm chained to your side".
Die Generation Gegenwart, freigesprochen von Zukunftsvisionen, Ideologien und Freiheitswünschen, ist unterwegs zu sich selbst, unterwegs durch den Tunnel, festgepresst an Gleichgesinnte, während von hinten unablässig noch mehr Massen nachstoßen. Auf Youtube, der Schaltzentrale des Entsetzens über unfähige Veranstalter und verantwortungslose Politiker, ist zu sehen, wie die Menge aus lauter Einzelnen in den Minuten vor den ersten Toten wogt und atmet, als genieße sie die Ausnahmesituation als entgrenzte Erfahrung von Entbehrung und Mühsal. Es wird gesungen, es wird gewunken, es wird gefilmt und gescherzt. Der Weg ist das Ziel, das Wartekollektiv das Mittel zum Erleben, das hilft, den eigenen Körper zu spüren, den ausweglosen Alltag zu fliehen.
Die Loveparade ist nach der Katastrophe von Duisburg für immer beerdigt worden, doch die Sehnsucht des Menschen nach Entgrenzung in abgegrenzten Arealen bleibt. Die nächste Loveparade wird anders heißen und unter dem Motto "In Loving Memory Of Those Who Died" stehen. Tanzen für die Toten.
Augenzeugenberichte gibt eshier.
Fremde Federn
Wenn Westeuropäer, Nordamerikaner oder Japaner ihre keineswegs unlösbaren Verteilungsprobleme mit der emotionalen Wucht des Armutsbegriffs aufladen, dann ist dies eine Form zynischer Missachtung des wirklichen Elends Hunderter von Millionen Mitmenschen, denen das Nötigste zum Leben und nicht nur sozialer Status fehlt.
Wer hat es gesagt?
In der Bundesrepublik findet ein Großteil der politischen Meinungsbildung abseits harter Fakten statt.
Sonntag, 25. Juli 2010
Love as a Battlefield: Ein Nachruf
So endet der Technotraum von Love, Peace und Happiness - auf dem Weg zu einem vertrümmerten Güterbahnhof, auf dem ein McFitnessunternehmer den letzten amtlich beurkundeten Aufstand einer Jugendkultur als Atzenparty wiederaufführt. Techno war immer Gegenkultur für Kulturlose, ein kollektives Stampfen, wo Generationen davor noch individuelle Ideale hatten. Keine andere Jugendmusik ließ sich so bereitwillig aus- und aufsaugen, keine andere beruhte so sehr auf Regression und Industrialisierung. Keine andere wählte sich mit mehr Stolz dürftigere Idole als das ostdeutsche Augenbrauen-Model Marusha und den Heimelektroniker Westbam.
Mit wenig mehr Substanz als ein elektrifiziertes Erntedankfest hat es die sogenannte Loveparade bis zur Volljährigkeit geschafft. Aus dem Aufstand der Aussteiger war schon längst der Ausverkauf der Traumtänzer geworden. 2010 ist die aus Berlin in die Provinz von Duisburg vertriebene Parade ein Revival zwischen Mallorca-Party und Apres-Ski-Saufen. Ein Karneval für Adoleszente, der der gastgebenden Kommune als "Standortfaktor" gilt, der aber eigentlich schon lange nur noch Luft tritt, weil der Abgrund schon weit hinter ihm liegt.
Das offizielle Ende hätte ein leises fade away sein können, wie es Neil Young besang und Kurt Cobain fürchtete. Doch zum wilden Leben der "Loveparade", erfunden von einem Rhythmiker, der sich "Dr. Motte" nannte, passt, dass sie lange nach ihren großen Tagen, in denen sie noch tanzend Systemkritik und Party vereinte, noch immer Millionen anzieht. Die Party allerdings ist sich seit Jahren selbst genug. Das Dröhnen verbreitet keine Botschaft mehr, sondern temporären Spaß wie Ballermann und Parkplatz-Sex.
Das hätte ewig so weitergehen können. Nun aber ist die Loveparade, einer der letzten wenigstens als Zombie überlebenden Dinosaurier der Musikkultur der 90er, mit einem lauten Knall von der Bühne abgetreten. Mit mehr Toten als damals in Altamont, mit mehr Verletzten als bei einem Busunglück in Bangladesh. Eine innenpolitische Krise dämmert von fern herauf, weil das Volk es längst gewöhnt ist, Schuldige präsentiert und Verantwortliche vorgeführt zu bekommen, ganz egal, worum es geht.
Heute noch macht Angela Merkel, die einer Pressemitteilung zufolge "bestürzt" über die Nachrichten aus Duisburg war, noch ungerührt den Wagner-Festspielen ihre Aufwartung. Spätestens morgen aber muss der Ruf nach "klaren Regeln für Großveranstaltungen", Weiterbildungslehrgängen für Veranstalter und neuen Gesetzen zur Regulierung von Massen-Events erschallen. Jetzt schon fantasieren Staatsanwälte wie in allen Fällen von öffentlichem Interesse den schwerstmöglichen Verfolgungstatbestand herbei: "Fahrlässige Tötung" – obwohl bereits jetzt absehbar ist, dass es ohne die Sorgfaltsverletzung von Bekifften und Zugedröhnten, die in Duisburg über die Absperrungen kletterten und die Panik auslösten, selbst angesichts aller Organisationsmängel von Veranstaltern und StadtO kaum zum Massensterben am Technotunnel hätte kommen können.
Doch Verantwortung muss vom Einzelnen weg und medial neu verteilt werden, auch der Technoparty-Gast, der sich von hinten klatschend und johlend in einen sichtlich völlig überfüllten Zugangstunnel drängt wie ein Schaulustiger in ein brennendes Haus, statt auf dem Fuße kehrtzumachen, hat ein Recht, nicht zuständig gewesen zu sein, keine eigene Verantwortung gehabt zu haben, eine höhere Macht in Haftung nehmen zu dürfen, die ihm die Last abnimmt, "Seven Nations Army" jodelnd seinen eigenen kleinen Beitrag zur Tragödie geleistet zu haben.
Das wird erwartet, das füllt Sendezeit und Druckspalten, das gibt allen das beruhigende Gefühl, alles sei verhinderbar, wenn nur alle wollen. Der Loveparade kann das nicht mehr helfen, denn sie ist tot wie die Musik, deren tanzender Arm sie einst war. Die Generation Techno marschierte vor 21 Jahren mit einem Traum im Kopf durch Berlin. Sie endet im Trauma von Duisburg.
Mit wenig mehr Substanz als ein elektrifiziertes Erntedankfest hat es die sogenannte Loveparade bis zur Volljährigkeit geschafft. Aus dem Aufstand der Aussteiger war schon längst der Ausverkauf der Traumtänzer geworden. 2010 ist die aus Berlin in die Provinz von Duisburg vertriebene Parade ein Revival zwischen Mallorca-Party und Apres-Ski-Saufen. Ein Karneval für Adoleszente, der der gastgebenden Kommune als "Standortfaktor" gilt, der aber eigentlich schon lange nur noch Luft tritt, weil der Abgrund schon weit hinter ihm liegt.
Das offizielle Ende hätte ein leises fade away sein können, wie es Neil Young besang und Kurt Cobain fürchtete. Doch zum wilden Leben der "Loveparade", erfunden von einem Rhythmiker, der sich "Dr. Motte" nannte, passt, dass sie lange nach ihren großen Tagen, in denen sie noch tanzend Systemkritik und Party vereinte, noch immer Millionen anzieht. Die Party allerdings ist sich seit Jahren selbst genug. Das Dröhnen verbreitet keine Botschaft mehr, sondern temporären Spaß wie Ballermann und Parkplatz-Sex.
Das hätte ewig so weitergehen können. Nun aber ist die Loveparade, einer der letzten wenigstens als Zombie überlebenden Dinosaurier der Musikkultur der 90er, mit einem lauten Knall von der Bühne abgetreten. Mit mehr Toten als damals in Altamont, mit mehr Verletzten als bei einem Busunglück in Bangladesh. Eine innenpolitische Krise dämmert von fern herauf, weil das Volk es längst gewöhnt ist, Schuldige präsentiert und Verantwortliche vorgeführt zu bekommen, ganz egal, worum es geht.
Heute noch macht Angela Merkel, die einer Pressemitteilung zufolge "bestürzt" über die Nachrichten aus Duisburg war, noch ungerührt den Wagner-Festspielen ihre Aufwartung. Spätestens morgen aber muss der Ruf nach "klaren Regeln für Großveranstaltungen", Weiterbildungslehrgängen für Veranstalter und neuen Gesetzen zur Regulierung von Massen-Events erschallen. Jetzt schon fantasieren Staatsanwälte wie in allen Fällen von öffentlichem Interesse den schwerstmöglichen Verfolgungstatbestand herbei: "Fahrlässige Tötung" – obwohl bereits jetzt absehbar ist, dass es ohne die Sorgfaltsverletzung von Bekifften und Zugedröhnten, die in Duisburg über die Absperrungen kletterten und die Panik auslösten, selbst angesichts aller Organisationsmängel von Veranstaltern und StadtO kaum zum Massensterben am Technotunnel hätte kommen können.
Doch Verantwortung muss vom Einzelnen weg und medial neu verteilt werden, auch der Technoparty-Gast, der sich von hinten klatschend und johlend in einen sichtlich völlig überfüllten Zugangstunnel drängt wie ein Schaulustiger in ein brennendes Haus, statt auf dem Fuße kehrtzumachen, hat ein Recht, nicht zuständig gewesen zu sein, keine eigene Verantwortung gehabt zu haben, eine höhere Macht in Haftung nehmen zu dürfen, die ihm die Last abnimmt, "Seven Nations Army" jodelnd seinen eigenen kleinen Beitrag zur Tragödie geleistet zu haben.
Das wird erwartet, das füllt Sendezeit und Druckspalten, das gibt allen das beruhigende Gefühl, alles sei verhinderbar, wenn nur alle wollen. Der Loveparade kann das nicht mehr helfen, denn sie ist tot wie die Musik, deren tanzender Arm sie einst war. Die Generation Techno marschierte vor 21 Jahren mit einem Traum im Kopf durch Berlin. Sie endet im Trauma von Duisburg.
Samstag, 24. Juli 2010
Wichtigtuerin aus Weltfremdenhausen
Da sitzt sie nun, ein Alptraum an bräsiger Selbstgerechtigkeit, das Haar offen, der Blick verkniffen. Hanna Poddig hat es mal wieder ins Fernsehen geschafft, diesmal zu Maybritt Illner, die das absurde Thema "Ist die Hitze schon der Weltuntergang" mit der hauptberuflichen Aussteigerin diskutieren will. Poddig, nach eigener Auskunft "Vollzeitaktivistin" im Kampf für eine bessere Welt, ist die erste Adresse für schlechtes Gewissen in Deutschland. In unbekümmerter Verlogenheit fletzt die junge Frau aus Schweinfurt im Gebührensessel, das Haar offen, die blitzende Zahnleiste dokumentiert jahrelange intensive Zuwendung eines Arztes, dem alles an Technik zur Verfügung stand, was die moderne Zahnmedizin hergibt. Hanna Poddig lächelt weißglänzend, als sie fordert, die Menschen müssten verzichten lernen, weil sonst die Erde untergehe. Wer ein Handy in Deutschland kaufe, so hat sie herausgefunden, sei für die Vernichtung der Natur durch den Abbau seltener Erden verantwortlich.
Hanna Poddig nicht. An den Füßen trägt die 25-jährige Apokalyptikerin, die von den weggeworfenen Resten der zusehends verarmenden Mehrheitsgesellschaft zu leben vorgibt, heute ein paar grasgrüne Chucks. US-Schuhe, hergestellt aus Gummi aus südamerikanischem Tiefseeöl und türkischer Baumwolle, die in Bangladesh vernäht wurde, ehe eine Fabrik in Indonesien alles zusammenklebte. Daran ist Hanna Poddig nicht schuld. Sie hat die Schuhe sicher irgendwo aus dem Müll geklaubt wie der große Original-Schenker ÖffÖff. Denn sie hält "einen Ausstieg aus dem momentanen business as usual für notwendig", wie sie später im ZDF-Chat verkünden wird. Wenn doch nur alle Menschen ihre Schuhe aus dem Müllkübel ihres Nachbarn sammeln würde! Wie schön könnte doch die Welt sein!
Jetzt ist aber erstmal Märchenstunde mit der antiautoritären Grinsebacke, die schon mal ein Buch mit dem Titel "Radikal mutig: Meine Anleitung zum Anderssein" geschrieben hat und seitdem als Koryphäe für wirre Weltverweigerung gilt. Die Medienarbeiterin mit der guten Botschaft, für die Polizisten generell Angehörige einer "kriminellen Vereinigung" (Poddig) sind, verbreitet durch ihre schiere Anwesenheit schlechtes Gewissen um sich: Sie muss doch ran, wenn Castoren zu blockieren sind, sie muss sich radikal gentechnikfrei ernähren, sie quittiert Hinweise darauf, dass guter Wille allein keine Welt ändere, mit kopfschüttelndem Zweifel.
Eine Glaubenskriegerin im deutschen Fernsehen, ausgewiesen mit Abitur und abgebrochenem Studium, unterwegs als Marketingagentur für ein Leben im Märchenwald aus Öko und Bio, genfrei und glutenarm. Mit ihrer Maite-Kelly-Gedächtnisfrisur, einer recht mutwilligen Wiederaufführung der Wildwest-Perücke der Laura Ingall aus "Unsere kleine Farm", demonstriert Hanna Poddig zeitlose Engstirnigkeit. Da sie keinen Bock hat, die Welt zu nehmen, wie sie ist, wird diese Welt sich ändern müssen, soll sie Gnade finden vor den Augen der Medienarbeiterin, die in einer "12er-Veganer-WG" (taz) lebt und "viele Bedürfnisse einfach nicht hat", die andere meinen haben zu müssen.
Da müssen die sich eben mal ändern, sagt Hanna Poddig, der die Grundrechte anderer sowenig bedeuten wie Grundgesetz und Meinungsfreiheit. Umerziehung ist ihre Aufgabe, die Drohung mit der Klimapeitsche ihre Methode. Als der Kommunismus unter der Last der eigenen Verbrechen zusammenbrach, war die Wichtigtuerin aus Weltfremdenhausen vier Jahre alt, seitdem, so fühlt sie es, ist die Situation auf der Welt immer nur schlimmer geworden. Poddig erinnert keinen Eisernen Vorhang und keinen Quecksilbersee von Bitterfeld, sie weiß nichts von Buna und Leuna, von Giftgasfrabiken in der Sowjetunion, von Schüssen an der Mauer, von Gefängnisstrafen für Straßenmusikanten und Studienverbot wegen Schallplattenschmuggel. Aus ihrer Sicht, der Sicht eines verzogenen Wohlstandbauchkindes aus dem tiefen Westen, dessen einziges Leid stets darin bestand, die Geige selbst zur Klavierstunde tragen zu müssen, wird alles immer nur schlimmer. Alle fortlaufend
immer ärmer, die Umwelt immer kaputter. Der Planet, von Medienarbeitern schon Mitte der 50er Jahre für immer totgesagt, immer töter. Das Klima außer Rand und Band. Und selbst Gerechtigkeit noch ungerecht bis dort hinaus.
Sie hat keine Argumente, keine Fakten, sie weiß von nichts und das nicht mal genau. Aber sie ist, wie die wundervollen Aeronauten seinerzeit so zutreffend sangen, zuverlässig "Gegen alles", emanzipiert von Inhalt und Sinn, losgelöst von Fakt und Wirklichkeit. Ein Indentifizierungsangebot auf amöbischer Ebene, wer Bauchgrummeln hat wegen irgednetwas irgendwo, ist hier herzlich eingeladen, die Patschhände aneinanderzuhauen: Wir müssen das Klima retten, wir müssen das Wachstum anders definieren, Wohlstand muss wieder heißen, dass man sich manchmal eine warme Suppe leisten kann und als Fortschritt reicht es völlig, wenn alles so bleibt.
Solche finsteren Figuren mit solchen fürchterlichen Frisuren füllen im Gebührenfernsehen die Hauptsendezeit, wenn Adolf Hitler Sommerpause macht. Nach Sendeschluß bekommt das Kampagnen-Girlie der außerparlamentarischen Anmaßung sogar noch Sendezeit im GEZ-Internet. Dort stellt die "engagierte Antimilitaristin" (Selbstbeschreibung) die Grundzüge ihrer Gesellschaftsutopie vor - ein Land, indem "Menschen gleichberechtigt auf Augenhöhe miteinander koopetrieren können" (O-Ton), schreibt sie an einem Computer, der ganz ohne seltene Erden erbaut wurde; in einem Chat, der völlig ohne Atomstrom um die Erde geht. Gemeint ist "also eine Welt ohne Zwangskollektive, Staaten, Nationen oder Grenzen". Wer dort das Sagen hat? Naheliegend: "Ich bin kein Fan von Demokratie", gesteht die künftige Königin von Deutschland, "weil ich das Prinzip Herrschaft ablehne".
Hanna Poddig nicht. An den Füßen trägt die 25-jährige Apokalyptikerin, die von den weggeworfenen Resten der zusehends verarmenden Mehrheitsgesellschaft zu leben vorgibt, heute ein paar grasgrüne Chucks. US-Schuhe, hergestellt aus Gummi aus südamerikanischem Tiefseeöl und türkischer Baumwolle, die in Bangladesh vernäht wurde, ehe eine Fabrik in Indonesien alles zusammenklebte. Daran ist Hanna Poddig nicht schuld. Sie hat die Schuhe sicher irgendwo aus dem Müll geklaubt wie der große Original-Schenker ÖffÖff. Denn sie hält "einen Ausstieg aus dem momentanen business as usual für notwendig", wie sie später im ZDF-Chat verkünden wird. Wenn doch nur alle Menschen ihre Schuhe aus dem Müllkübel ihres Nachbarn sammeln würde! Wie schön könnte doch die Welt sein!
Jetzt ist aber erstmal Märchenstunde mit der antiautoritären Grinsebacke, die schon mal ein Buch mit dem Titel "Radikal mutig: Meine Anleitung zum Anderssein" geschrieben hat und seitdem als Koryphäe für wirre Weltverweigerung gilt. Die Medienarbeiterin mit der guten Botschaft, für die Polizisten generell Angehörige einer "kriminellen Vereinigung" (Poddig) sind, verbreitet durch ihre schiere Anwesenheit schlechtes Gewissen um sich: Sie muss doch ran, wenn Castoren zu blockieren sind, sie muss sich radikal gentechnikfrei ernähren, sie quittiert Hinweise darauf, dass guter Wille allein keine Welt ändere, mit kopfschüttelndem Zweifel.
Eine Glaubenskriegerin im deutschen Fernsehen, ausgewiesen mit Abitur und abgebrochenem Studium, unterwegs als Marketingagentur für ein Leben im Märchenwald aus Öko und Bio, genfrei und glutenarm. Mit ihrer Maite-Kelly-Gedächtnisfrisur, einer recht mutwilligen Wiederaufführung der Wildwest-Perücke der Laura Ingall aus "Unsere kleine Farm", demonstriert Hanna Poddig zeitlose Engstirnigkeit. Da sie keinen Bock hat, die Welt zu nehmen, wie sie ist, wird diese Welt sich ändern müssen, soll sie Gnade finden vor den Augen der Medienarbeiterin, die in einer "12er-Veganer-WG" (taz) lebt und "viele Bedürfnisse einfach nicht hat", die andere meinen haben zu müssen.
Da müssen die sich eben mal ändern, sagt Hanna Poddig, der die Grundrechte anderer sowenig bedeuten wie Grundgesetz und Meinungsfreiheit. Umerziehung ist ihre Aufgabe, die Drohung mit der Klimapeitsche ihre Methode. Als der Kommunismus unter der Last der eigenen Verbrechen zusammenbrach, war die Wichtigtuerin aus Weltfremdenhausen vier Jahre alt, seitdem, so fühlt sie es, ist die Situation auf der Welt immer nur schlimmer geworden. Poddig erinnert keinen Eisernen Vorhang und keinen Quecksilbersee von Bitterfeld, sie weiß nichts von Buna und Leuna, von Giftgasfrabiken in der Sowjetunion, von Schüssen an der Mauer, von Gefängnisstrafen für Straßenmusikanten und Studienverbot wegen Schallplattenschmuggel. Aus ihrer Sicht, der Sicht eines verzogenen Wohlstandbauchkindes aus dem tiefen Westen, dessen einziges Leid stets darin bestand, die Geige selbst zur Klavierstunde tragen zu müssen, wird alles immer nur schlimmer. Alle fortlaufend
immer ärmer, die Umwelt immer kaputter. Der Planet, von Medienarbeitern schon Mitte der 50er Jahre für immer totgesagt, immer töter. Das Klima außer Rand und Band. Und selbst Gerechtigkeit noch ungerecht bis dort hinaus.
Sie hat keine Argumente, keine Fakten, sie weiß von nichts und das nicht mal genau. Aber sie ist, wie die wundervollen Aeronauten seinerzeit so zutreffend sangen, zuverlässig "Gegen alles", emanzipiert von Inhalt und Sinn, losgelöst von Fakt und Wirklichkeit. Ein Indentifizierungsangebot auf amöbischer Ebene, wer Bauchgrummeln hat wegen irgednetwas irgendwo, ist hier herzlich eingeladen, die Patschhände aneinanderzuhauen: Wir müssen das Klima retten, wir müssen das Wachstum anders definieren, Wohlstand muss wieder heißen, dass man sich manchmal eine warme Suppe leisten kann und als Fortschritt reicht es völlig, wenn alles so bleibt.
Solche finsteren Figuren mit solchen fürchterlichen Frisuren füllen im Gebührenfernsehen die Hauptsendezeit, wenn Adolf Hitler Sommerpause macht. Nach Sendeschluß bekommt das Kampagnen-Girlie der außerparlamentarischen Anmaßung sogar noch Sendezeit im GEZ-Internet. Dort stellt die "engagierte Antimilitaristin" (Selbstbeschreibung) die Grundzüge ihrer Gesellschaftsutopie vor - ein Land, indem "Menschen gleichberechtigt auf Augenhöhe miteinander koopetrieren können" (O-Ton), schreibt sie an einem Computer, der ganz ohne seltene Erden erbaut wurde; in einem Chat, der völlig ohne Atomstrom um die Erde geht. Gemeint ist "also eine Welt ohne Zwangskollektive, Staaten, Nationen oder Grenzen". Wer dort das Sagen hat? Naheliegend: "Ich bin kein Fan von Demokratie", gesteht die künftige Königin von Deutschland, "weil ich das Prinzip Herrschaft ablehne".
Freitag, 23. Juli 2010
Treueeid für Propagandisten
Großer Wurf der neuen niedersächsischen Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration, Aygül Özkan, gleich zum Auftakt: Mit einer „Mediencharta für Niedersachsen“ will die aus eigener Betroffenheit agierende CDU-Politikerin ein für alle Mal klarstellen, was in Niedersachsen in Sachen Integration gesagt, gedacht und geschrieben werden darf. Dazu hat ihr Ministerium Vertreter aller Medien im Land für den August zu einer Veranstaltung nach Hannover eingeladen, bei der die schreibende Zunft Gelegenheit erhält, eine Treueeid auf die vom Ministerium vorgelegte „Mediencharta Integration“ abzulegen.
Damit verpflichten sich alle Unterzeichner feierlich, künftig eine Berichterstattung zu pflegen, die den „den Integrationsprozess in Niedersachsen nachhaltig unterstützt“. Auch bekommt jeder Gelegenheit zu versichern, dass er sich bei der Erfüllung der großen Aufgabe einer "kultursensiblen Sprache" befleißigen wolle und stets nur im Sinn haben werden, "die interkulturelle Öffnung zu fördern, die interkulturelle Kompetenz verstärken und Projekte hierfür zu initiieren". Damit werden deutsche Medien endlich wieder kollektiver Agitator, Propagandist und Organisator zugleich sein und wie mit einer Stimme sprechen, die eine demokratisch gewählte Landesregierung ausgesucht hat.
Da sind alle einig, von extrem rechts bis zur mittelsten Mitte: Nazis bei "Rocknord" schreien getroffen auf "Neulich im Wahrheitsministerium: Moslem-Ministerin will Medien Inhalte vorgeben", der "Spiegel" twittert im Minutenrhythmus "Sozialministerin Özkan will Medien auf Kurs bringen" und die Journalistengewerkschaft DJV nennt die von der niedersächsischen Sozialministerin Özkan vorgelegte Mediencharta beruhigend "absolut überflüssig" und es klingt, als wollten die Funktionäre damit sagen: Brauchen wir nicht, haben wir schon.
Noch ist allerdings nicht klar, wie Verstöße gegen die künftig vorgeschriebene Sprachwahl oder eigenmächtig veränderte Formulierungen geahndet werden sollen. Dem Vernehmen nach plant das Integrationsministerium in Hannover jedoch die Entsendung von nachhaltigen Mediencharta-Moderatoren in alle Druckhäuser und Online-Schreibstuben. Dort würden die erfahrenen Beamten, die von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und aus dem Kader des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin zum Bundes-Blogampelamt abgeordnet werden könnten, nach Schludrigkeiten im Umgang mit der kultursensiblen Sprache, nach gehässigen Sätzen gegen die amtliche interkulturelle Öffnung und andere Abweichungen von allgemeingültigen Vorschriften suchen. Laut Mediencharta geschehen angeordnete Änderungen jedoch durchweg freiwillig, als Grundregel gelten dabei die Goldenen Worte von Herrfried Hegenzecht, dem amtierenden Chef des Blogampelamtes: Jedes neue Verbot ist auch eine Einladung an unsere Menschen, sich anders zu verhalten.
Damit verpflichten sich alle Unterzeichner feierlich, künftig eine Berichterstattung zu pflegen, die den „den Integrationsprozess in Niedersachsen nachhaltig unterstützt“. Auch bekommt jeder Gelegenheit zu versichern, dass er sich bei der Erfüllung der großen Aufgabe einer "kultursensiblen Sprache" befleißigen wolle und stets nur im Sinn haben werden, "die interkulturelle Öffnung zu fördern, die interkulturelle Kompetenz verstärken und Projekte hierfür zu initiieren". Damit werden deutsche Medien endlich wieder kollektiver Agitator, Propagandist und Organisator zugleich sein und wie mit einer Stimme sprechen, die eine demokratisch gewählte Landesregierung ausgesucht hat.
Da sind alle einig, von extrem rechts bis zur mittelsten Mitte: Nazis bei "Rocknord" schreien getroffen auf "Neulich im Wahrheitsministerium: Moslem-Ministerin will Medien Inhalte vorgeben", der "Spiegel" twittert im Minutenrhythmus "Sozialministerin Özkan will Medien auf Kurs bringen" und die Journalistengewerkschaft DJV nennt die von der niedersächsischen Sozialministerin Özkan vorgelegte Mediencharta beruhigend "absolut überflüssig" und es klingt, als wollten die Funktionäre damit sagen: Brauchen wir nicht, haben wir schon.
Noch ist allerdings nicht klar, wie Verstöße gegen die künftig vorgeschriebene Sprachwahl oder eigenmächtig veränderte Formulierungen geahndet werden sollen. Dem Vernehmen nach plant das Integrationsministerium in Hannover jedoch die Entsendung von nachhaltigen Mediencharta-Moderatoren in alle Druckhäuser und Online-Schreibstuben. Dort würden die erfahrenen Beamten, die von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und aus dem Kader des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin zum Bundes-Blogampelamt abgeordnet werden könnten, nach Schludrigkeiten im Umgang mit der kultursensiblen Sprache, nach gehässigen Sätzen gegen die amtliche interkulturelle Öffnung und andere Abweichungen von allgemeingültigen Vorschriften suchen. Laut Mediencharta geschehen angeordnete Änderungen jedoch durchweg freiwillig, als Grundregel gelten dabei die Goldenen Worte von Herrfried Hegenzecht, dem amtierenden Chef des Blogampelamtes: Jedes neue Verbot ist auch eine Einladung an unsere Menschen, sich anders zu verhalten.
Gesänge fremder Völkerschaften: Hiphop in Halle
Wozu denn in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah! Jahrelang wanderten und segelten PPQ-Scoutteams rund um den Globus, immer auf der Suche nach Vertretern regionaler Sangeskultur für die große kulturpolitische Serie "Gesänge fremder Völkerschaften". Die Jangtsetreidler und masurische Rocker wurden vorgestellt, wiedergeborene Freddie Mercurys in Las Vegas entdeckt und schwedische Bands erstmals auf die Weltbühne gehievt, denen die Massen zu Füßen liegen würden, wäre die Erde denn ein gerechter Ort.
Ist sie aber nicht und so übersahen die Feldforscher und Kamerateams vor lauter Fremdem das Vertraute. Mitten in der mitteldeutschen Haustür entdeckten die Doku-Späher jetzt Volkskunstschaffen, dessen urwüchsige Ursprünglichkeit und quantitative Qualität genau dem Anspruch des ehrenamtlichen Völkerkunde-Board PPQ entspricht. Zu Füßen der Burg, die als Giebichenstein über die Grenzen der ehemaligen Ex-DDR hinaus bekannt geworden ist, musizierten eine fremdländische Reggae-Kapelle und zwei einheimische Rapper so selbstverständlich zusammen, als seien sie nur zu diesem Zweck überhaupt geschaffen worden. Die Nacht, sie hatte sich gesenkt über dem Saaleufer, als der eine Hiphopper davon flowte, dass er an keinem Mikrophon vorübergehen kann, während der Trommler hinten auf einer Seifenkiste Jamaika spielte. Das Publikum, es hob den Daumen: Erst fremd, dann vertraut. Nur die Namen der Künstler, sie sind leider Schall und Rauch.
Ist sie aber nicht und so übersahen die Feldforscher und Kamerateams vor lauter Fremdem das Vertraute. Mitten in der mitteldeutschen Haustür entdeckten die Doku-Späher jetzt Volkskunstschaffen, dessen urwüchsige Ursprünglichkeit und quantitative Qualität genau dem Anspruch des ehrenamtlichen Völkerkunde-Board PPQ entspricht. Zu Füßen der Burg, die als Giebichenstein über die Grenzen der ehemaligen Ex-DDR hinaus bekannt geworden ist, musizierten eine fremdländische Reggae-Kapelle und zwei einheimische Rapper so selbstverständlich zusammen, als seien sie nur zu diesem Zweck überhaupt geschaffen worden. Die Nacht, sie hatte sich gesenkt über dem Saaleufer, als der eine Hiphopper davon flowte, dass er an keinem Mikrophon vorübergehen kann, während der Trommler hinten auf einer Seifenkiste Jamaika spielte. Das Publikum, es hob den Daumen: Erst fremd, dann vertraut. Nur die Namen der Künstler, sie sind leider Schall und Rauch.
Mehr Ghetto vom Netto
Nach dem Scheitern Sachsen-Anhalts bei der Einführung eines Alkoholkonsumverbotes auf öffentlichen Straßen und Plätzen geht das rot-rote Berlin neue Wege im Kampf gegen Ausgrenzung und Stigmatisierung von Alkoholkonsumenten. Es müsse einfach mehr für die Betroffenen getan werden, hieß es in der Bundeshauptstadt, denn nicht jeder könne sich den Gang ins Restaurant oder die Eckkneipe leisten. Angesichts der zunehmenden Verarmung großer Teile der Gesellschaft, müssten viele ihr Bier und ihr Schnäpschen auf offener Straße trinken, den aufgrund der anhaltenden Klimakatastrophe zunehmenden Unbilden der immer häufigereren und immer extremeren Wetterextreme schutzlos ausgesetzt.
Deshalb soll jetzt nach den Plänen des Bürgermeisters von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), die Mittelinsel am Kottbusser Tor zu einem Trink-Platz für Freunde des Hochprozentigen umgebaut werden. Damit die Trinker auf der Insel bleiben und nicht über die Straße torkeln, sollen sie einen eigenen Kiosk bekommen.
Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein Riesensatz für alle Säufer.
Für nur 150.000 Euro - so wenig kostet die Errichtung des Trinkerreservats - könnte es Alkoholsüchtigen und Hobbysäufern gelingen, endlich mit Freizeitfußballern, Kindern und Skateboarder gleichzuziehen, denen Städte und Gemeinden bereits seit Jahren Sportstätten zur Ausübung ihres Hobbys kostenfrei zur Verfügung stellen. Der unheilvolle Trend der jüngsten Vergangenheit, nach dem die Gesellschaft weniger Alkohol konsumiert als noch zu Zeiten von JR und Dallas, dem Wolf, der die Meute hetzt, und Schimanski, der auf einem weißen Pferd völlig undurchgegendert durch die Ruhrpottkneipe galoppiert, der Suff aber dennoch häufigerere und größere Negativschlagzeilen macht, könnte endlich gestoppt werden. Vorerst noch außerhalb des Blickfeldes der Mehrheitsgesellschaft: "Als Sichtschutz wird eine Hecke gepflanzt", hat Bürgermeister Franz Schulz versprochen, "Bänke sowie Toiletten werden aufgestellt."
Deshalb soll jetzt nach den Plänen des Bürgermeisters von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), die Mittelinsel am Kottbusser Tor zu einem Trink-Platz für Freunde des Hochprozentigen umgebaut werden. Damit die Trinker auf der Insel bleiben und nicht über die Straße torkeln, sollen sie einen eigenen Kiosk bekommen.
Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein Riesensatz für alle Säufer.
Für nur 150.000 Euro - so wenig kostet die Errichtung des Trinkerreservats - könnte es Alkoholsüchtigen und Hobbysäufern gelingen, endlich mit Freizeitfußballern, Kindern und Skateboarder gleichzuziehen, denen Städte und Gemeinden bereits seit Jahren Sportstätten zur Ausübung ihres Hobbys kostenfrei zur Verfügung stellen. Der unheilvolle Trend der jüngsten Vergangenheit, nach dem die Gesellschaft weniger Alkohol konsumiert als noch zu Zeiten von JR und Dallas, dem Wolf, der die Meute hetzt, und Schimanski, der auf einem weißen Pferd völlig undurchgegendert durch die Ruhrpottkneipe galoppiert, der Suff aber dennoch häufigerere und größere Negativschlagzeilen macht, könnte endlich gestoppt werden. Vorerst noch außerhalb des Blickfeldes der Mehrheitsgesellschaft: "Als Sichtschutz wird eine Hecke gepflanzt", hat Bürgermeister Franz Schulz versprochen, "Bänke sowie Toiletten werden aufgestellt."
Klimakatastrophe Sommerloch
Was haben sie sich beim ZDF für eine Mühe gegeben, die aktuelle Ausgabe von "Maybritt Illner" katastrophisch anzufeaturen. Ist der "globale Wärmerekord" (wir erinnern uns an den vergangenen Winter) etwa "ein sicheres Anzeichen dafür, dass sich das Erdklima wirklich wandelt?" Oder eher ein unsicheres? Müssen wir gar, wie in der Vergangenheit viel zu oft, "in Zukunft mit Extremen leben: bitterkalte Winter mit Schneechaos, Rekordhitze im Sommer, kaum ein Frühjahr mehr, dafür immer öfter Gewitter, Tornados und Hochwasser?" Und "was ist los mit dem Wetter"? Derlei besinnungslose Schwurbelei, die Klima und Wetter nicht auseinanderhalten kann, aber dafür rhetorisch ungeschickt auf der Seite der richtigen Meinung und der vielen Kameras steht, kulminiert zwangsläufig in der uns alle beschäftigenden Frage: "Nimmt die Natur jetzt Rache an der Menschheit?" Oder wollen wir Koryphäen wie Hannes Jaenicke, Hanna Poddig und Mojib Latif einfach nur nur die dümmsten und fortschrittfeindlichsten Allgemeinplätze vom Grabbeltisch der Gutmenschen verbreiten lassen? Wahrscheinlich Letzteres. Denn für den von Menschen gemachten Klimawandel ist laut Illner "die Ölpest im Golf von Mexiko ... ein Menetekel". Wie uns ja auch beispielsweise isländische Vulkane mahnen wollen, die geborgte Erde nicht als Geschenk anzusehen.
Netzwerkrecherche dazu: Alles ist Re-Latif
Netzwerkrecherche dazu: Alles ist Re-Latif
Donnerstag, 22. Juli 2010
National-befreite Zonen: Nimmerland für immer
Das waren noch Zeiten, als Uwe-Carsten Heye den Sommer mit frechen Sprüchen auflockerte. Besucher der Fußball-Weltmeisterschaft, so warnte der frühere Regierungssprecher und spätere Kämpfer gegen rechts, müssten bei Abstechern in bestimmte Gegenden Brandenburgs vorsichtig sein. «Es gibt kleine und mittlere Städte in Brandenburg und anderswo, wo ich keinem, der eine andere Hautfarbe hat, raten würde, hinzugehen", warnte Heye, denn "Er würde sie möglicherweise lebend nicht mehr verlassen". No-Go-Areas nannte der wackere SPD-Politiker diese Gegenden, von denen er allerdings auf Nachfrage nicht direkt sagen konnte, wo sie genau liegen.
Auf jeden Fall aber in der Nähe der "national-befreiten Zonen", die sich in diesen Sommertagen 2010 anschicken, ins 20. Jahr ihres Nichtbestehens zu gehen. Niemand hat sie je gesehen, keiner hat sie besucht, kartografiert oder gar ihre Befreier kennengelernt. Aber medial waren national-befreite Zonen präsent, seit ein rechtes Kampfblatt anno 1991 fantasierte, wie schön Deutschland sein könnte, gelänge es doch nur, irgendwo Dörfer, Stadtteile oder gar ganze Städte zu schaffen, in denen informelle Kreise von Nationalisten, Rechtsextremisten und -radikalen das Sagen hätten.
Gesagt, getan. Während der selbsternannte Nationalismus 2.0 von einem 3. Reich inmitten der bundesrepublikanischen Demokratie träumte, nahmen seine Widersacher die Ankündigung als Planerfüllungsmeldung. Es galt nun nicht mehr nur, Gesicht zu zeigen, sondern sich beunruhigt zu geben angesichts der überall im lande entstehenden national-befreiten Zonen, die Ausdruck waren einer geänderten Strategie der Rechten: "Sozialrevolutionäre Nationalisten sollten auch nicht davor zurückscheuen, sich gegebenenfalls in Umwelt- und Landwirtschaftsverbänden, Sportvereinen, Freiwilligen Feuerwehren und Gewerkschaften, ja selbst in Faschingsvereinen zu engagieren", schrieb die „Deutsche Stimme“ und das klang, als sei die Unterwanderung der Mehrheitsgesellschaft in vollem Gange.
Burkhard Schröder schrieb ein Buch namens "Im Griff der rechten Szene. Ostdeutsche Städte in Angst", Politiker wollten Skinhead-Musik verbieten, um ein "Einfallstor" der rechten Szene (Holger Hövelmann) zu verbarrikadieren. "Die perspektivlose Alltagsrealität des Liberalkapitalismus in Mitteldeutschland", frohlockten "rechte Rattenfänger" (Angela Merkel) treibe Jugendliche geradezu in die rechte Subkultur - angelockt würden sie nicht von der „Ausstrahlungskraft der nationalen Weltanschauung“, sondern vom knüppelharten „Glatzen-Rock“.
1997 war die Zukunft klar. Rechts empfahlt die neonazistische „Berlin-Brandenburger Zeitung für nationale Erneuerung" (BBZ) die Konzentration auf die Schaffung "befreiter Zonen". Links hatte "Die Woche" wenig später schon ganze „Braune Flächen" in Ostdeutschland entdeckt. Im Jahr 2000 war es geschafft: Der Begriff "national-befreite Zone", der bis dahin eine Nimmerland im Nirgendwo bezeichnete, wurde zum Unwort des Jahres gewählt.
Nur einige Monate später lieferte der Verfassungsschutz des Landes Brandenburg, das immer wieder als Heimstadt der nicht näher lokalisierten "Zonen" genannt worden war, Fakten. Nirgendwo im Lande gebe es diese „national befreiten Zonen“, überall allerdings herrsche in Kreisen Rechtsextremer große Genugtuung darüber, dass ihnen politische Gegner dennoch so durchschlagenden Erfolg beim Aufbau „befreiter Zonen“ attestieren.
Die Freude hält bis heute, denn das Unwort des Jahres 2000 hat seinen theoretischen Inhalt überlebt und ist zum Mittel praktischer Politik geworden. wie ein Blick auf die Google Timeline zeigt. Die einen wie die anderen benutzen den Begriff der „national befreiten Zonen“ als Kampfbegriff: "die rechtsextremistischen Propagandisten, um eine Handlungsmacht vorzutäuschen, die sie nicht besitzen"; analysierte der Verfassungsschutz schon vor zehn Jahren, "die gutmeinenden Publizisten" hingegen benutzten ihn, "um vorsorglich Alarm zu schlagen". Stadt und Land, Hand in Hand. Zuletzt gelangen dem Buchautoren Christoph Ruf sogar „Reisen in die National Befreite Zone“ (Buchtitel) und die Taz fand eine Zone in der Brückenstraße in Berlin Schöneweide, obwohl die Nachbarn einer dort beheimateten Nazi-Kneipe eher "die fehlende Kaufkraft" für ein unübersehbares Ladensterben verantwortlich machten.
"Noch immer gibt es ausländische Studierende, die einen Studienplatz trotz Stipendiums ablehnen, weil sie sich vor Rassismus und "national befreiten Zonen" fürchten", analysierte der Spiegel in seine diesjährigen "national-befreite-Zonen"-Erinnerungsbeitrag namens "Braune Biedermänner" und führt mutig den Kampf fort, den "Die Woche" wegen Geschäftsaufgabe hatte einstellen müssen. Tröstlich dabei: auch die "Berlin-Brandenburger Zeitung für nationale Erneuerung" erscheint mittlerweile nicht mehr.
Auf jeden Fall aber in der Nähe der "national-befreiten Zonen", die sich in diesen Sommertagen 2010 anschicken, ins 20. Jahr ihres Nichtbestehens zu gehen. Niemand hat sie je gesehen, keiner hat sie besucht, kartografiert oder gar ihre Befreier kennengelernt. Aber medial waren national-befreite Zonen präsent, seit ein rechtes Kampfblatt anno 1991 fantasierte, wie schön Deutschland sein könnte, gelänge es doch nur, irgendwo Dörfer, Stadtteile oder gar ganze Städte zu schaffen, in denen informelle Kreise von Nationalisten, Rechtsextremisten und -radikalen das Sagen hätten.
Gesagt, getan. Während der selbsternannte Nationalismus 2.0 von einem 3. Reich inmitten der bundesrepublikanischen Demokratie träumte, nahmen seine Widersacher die Ankündigung als Planerfüllungsmeldung. Es galt nun nicht mehr nur, Gesicht zu zeigen, sondern sich beunruhigt zu geben angesichts der überall im lande entstehenden national-befreiten Zonen, die Ausdruck waren einer geänderten Strategie der Rechten: "Sozialrevolutionäre Nationalisten sollten auch nicht davor zurückscheuen, sich gegebenenfalls in Umwelt- und Landwirtschaftsverbänden, Sportvereinen, Freiwilligen Feuerwehren und Gewerkschaften, ja selbst in Faschingsvereinen zu engagieren", schrieb die „Deutsche Stimme“ und das klang, als sei die Unterwanderung der Mehrheitsgesellschaft in vollem Gange.
Burkhard Schröder schrieb ein Buch namens "Im Griff der rechten Szene. Ostdeutsche Städte in Angst", Politiker wollten Skinhead-Musik verbieten, um ein "Einfallstor" der rechten Szene (Holger Hövelmann) zu verbarrikadieren. "Die perspektivlose Alltagsrealität des Liberalkapitalismus in Mitteldeutschland", frohlockten "rechte Rattenfänger" (Angela Merkel) treibe Jugendliche geradezu in die rechte Subkultur - angelockt würden sie nicht von der „Ausstrahlungskraft der nationalen Weltanschauung“, sondern vom knüppelharten „Glatzen-Rock“.
1997 war die Zukunft klar. Rechts empfahlt die neonazistische „Berlin-Brandenburger Zeitung für nationale Erneuerung" (BBZ) die Konzentration auf die Schaffung "befreiter Zonen". Links hatte "Die Woche" wenig später schon ganze „Braune Flächen" in Ostdeutschland entdeckt. Im Jahr 2000 war es geschafft: Der Begriff "national-befreite Zone", der bis dahin eine Nimmerland im Nirgendwo bezeichnete, wurde zum Unwort des Jahres gewählt.
Nur einige Monate später lieferte der Verfassungsschutz des Landes Brandenburg, das immer wieder als Heimstadt der nicht näher lokalisierten "Zonen" genannt worden war, Fakten. Nirgendwo im Lande gebe es diese „national befreiten Zonen“, überall allerdings herrsche in Kreisen Rechtsextremer große Genugtuung darüber, dass ihnen politische Gegner dennoch so durchschlagenden Erfolg beim Aufbau „befreiter Zonen“ attestieren.
Die Freude hält bis heute, denn das Unwort des Jahres 2000 hat seinen theoretischen Inhalt überlebt und ist zum Mittel praktischer Politik geworden. wie ein Blick auf die Google Timeline zeigt. Die einen wie die anderen benutzen den Begriff der „national befreiten Zonen“ als Kampfbegriff: "die rechtsextremistischen Propagandisten, um eine Handlungsmacht vorzutäuschen, die sie nicht besitzen"; analysierte der Verfassungsschutz schon vor zehn Jahren, "die gutmeinenden Publizisten" hingegen benutzten ihn, "um vorsorglich Alarm zu schlagen". Stadt und Land, Hand in Hand. Zuletzt gelangen dem Buchautoren Christoph Ruf sogar „Reisen in die National Befreite Zone“ (Buchtitel) und die Taz fand eine Zone in der Brückenstraße in Berlin Schöneweide, obwohl die Nachbarn einer dort beheimateten Nazi-Kneipe eher "die fehlende Kaufkraft" für ein unübersehbares Ladensterben verantwortlich machten.
"Noch immer gibt es ausländische Studierende, die einen Studienplatz trotz Stipendiums ablehnen, weil sie sich vor Rassismus und "national befreiten Zonen" fürchten", analysierte der Spiegel in seine diesjährigen "national-befreite-Zonen"-Erinnerungsbeitrag namens "Braune Biedermänner" und führt mutig den Kampf fort, den "Die Woche" wegen Geschäftsaufgabe hatte einstellen müssen. Tröstlich dabei: auch die "Berlin-Brandenburger Zeitung für nationale Erneuerung" erscheint mittlerweile nicht mehr.
Mehr ist immer weniger
Vor sieben Jahren hatte der Arbeiterführer und Finanzminister Hans Eichel eine geradezu grandiose Idee. Um den maroden Staatshaushalt endlich zu sanieren, würde er die Tabaksteuer erhöhen. Zwei Effekte waren geplant: Einerseits würde die Zahl der Raucher zurückgehen. Andererseits würden die Steuereinnahmen steigen. "Die Mehreinnahmen in Milliardenhöhe", hieß es im Hauptquartier der später als Dienstwagenfahrerin bekanntgewordenen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt stolz, "sollen in die Finanzierung der Gesundheitsreform fließen". "Ich habe den Eindruck, dass in der Bevölkerung akzeptiert wird, dass die Raucher hier einen Beitrag leisten", imaginierte die seinerzeit führende Grüne Krista Sager.
Damit nicht zu viele Menschen einfach mit dem Rauchen aufhören, hatte das rot-grüne Kabinett einen raffinierten Fahrplan ausgearbeitet. Eine "zeitliche Streckung" (Schmidt) würde verhindern, dass Raucher vermehrt zu Schmuggel-Zigaretten greifen und die Steuereinnahmen aus der erhöhten Steuer sinken. Modell Frosch im Kochtopf: Ins heiße Wasser geworfen, stirbt er. In kaltes gesetzt, das langsam erhitzt wird, ist er irgendwann zwar auch tot. Er merkt es aber nicht.
Es ging immerhin um jährliche Zusatzeinnahmen von 4,5 Milliarden Euro. Die nun trotzdem nicht nur ausgeblieben sind, sondern seit der Steuererhöhung beständig sinken. Deutschlands Raucher verweigern sich der Solidarität mit dem Staat: Nach der dritten Stufe der Tabaksteuererhöhung, die den Steueranteil pro Zigarette von 8 auf 14 Cent erhöhte, werden die Einnahmen aus der Tabaksteuer im Jahr 2010 bei etwa 13,6 Milliarden Euro liegen - und damit rund 400 Millionen Euro niedriger als vor der ersten Erhöhungsrunde im Jahr 2003.
Dass höhere Steuern automatisch zu höheren Einnahmen führen, darf damit ein weiteres Mal als erwiesen gelten, wenn auch in diesem Fall die Profiteure der klugen Maßnahme jenseits der deutschen Grenzen sitzen. Allein im zweiten Quartal 2010 ging der Umsatz im Tabakhandel nach Angaben des Statistischen Bundesamt in Wiesbaden um sechs Prozent zurück, weil "immer mehr Raucher auf losen Tabak zum Selberdrehen und auf Schmuggelzigaretten umsteigen". Der steuerbegünstigte Drehtabak verkaufte sich um 5,3 Prozent besser, den fehlenden Rest liefern Moskauer Edelhersteller wie "Jin Ling" sogar ganz steuerfrei.
Alle fehlenden Einnahmen flossen in den wackligen Staatshaushalt von Eichel-Nachfolger-Nachfolger Schäuble. Konsequenterweise setzt dessen Finanzministerium nun "zur Sanierung des Bundeshaushaltes" auf bewährte Maßnahmen: Die Koalition erwägt derzeit eine
Erhöhung der Tabaksteuer.
Damit nicht zu viele Menschen einfach mit dem Rauchen aufhören, hatte das rot-grüne Kabinett einen raffinierten Fahrplan ausgearbeitet. Eine "zeitliche Streckung" (Schmidt) würde verhindern, dass Raucher vermehrt zu Schmuggel-Zigaretten greifen und die Steuereinnahmen aus der erhöhten Steuer sinken. Modell Frosch im Kochtopf: Ins heiße Wasser geworfen, stirbt er. In kaltes gesetzt, das langsam erhitzt wird, ist er irgendwann zwar auch tot. Er merkt es aber nicht.
Es ging immerhin um jährliche Zusatzeinnahmen von 4,5 Milliarden Euro. Die nun trotzdem nicht nur ausgeblieben sind, sondern seit der Steuererhöhung beständig sinken. Deutschlands Raucher verweigern sich der Solidarität mit dem Staat: Nach der dritten Stufe der Tabaksteuererhöhung, die den Steueranteil pro Zigarette von 8 auf 14 Cent erhöhte, werden die Einnahmen aus der Tabaksteuer im Jahr 2010 bei etwa 13,6 Milliarden Euro liegen - und damit rund 400 Millionen Euro niedriger als vor der ersten Erhöhungsrunde im Jahr 2003.
Dass höhere Steuern automatisch zu höheren Einnahmen führen, darf damit ein weiteres Mal als erwiesen gelten, wenn auch in diesem Fall die Profiteure der klugen Maßnahme jenseits der deutschen Grenzen sitzen. Allein im zweiten Quartal 2010 ging der Umsatz im Tabakhandel nach Angaben des Statistischen Bundesamt in Wiesbaden um sechs Prozent zurück, weil "immer mehr Raucher auf losen Tabak zum Selberdrehen und auf Schmuggelzigaretten umsteigen". Der steuerbegünstigte Drehtabak verkaufte sich um 5,3 Prozent besser, den fehlenden Rest liefern Moskauer Edelhersteller wie "Jin Ling" sogar ganz steuerfrei.
Alle fehlenden Einnahmen flossen in den wackligen Staatshaushalt von Eichel-Nachfolger-Nachfolger Schäuble. Konsequenterweise setzt dessen Finanzministerium nun "zur Sanierung des Bundeshaushaltes" auf bewährte Maßnahmen: Die Koalition erwägt derzeit eine
Erhöhung der Tabaksteuer.
Mittwoch, 21. Juli 2010
Wiedergeboren als Schweden-Prinz
Es gibt sie noch, diese Männer, die unangreifbar sind und unerreichbar, und die ganz nebenher ein Arbeitspensum absolvieren, das jeden Normalsterblichen binnen einer Woche unter einem akuten Burnout-Syndrom zusammenbrechen ließe. Sie sind Abhängige der Öffentlichkeit, Männer, denen kein Weg zu weit ist, wenn am Ziel nur eine Kamera steht; große, kräftige Kerle, die sogar öffentlich weinen, wenn es ihnen nur ein paar Schlagzeilen bringt.
Wie Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (Bild oben links), der eben noch in einem wilden Hubschrauberritt über den Hindukusch den noch nicht völlig befriedeten Taliban entkam. Seine Soldaten hatte er besuchen wollen, Einsatzkräfte der Schnellen Eingreiftruppe in Baghlan. Ein "Blitzbesuch" (Bild) in der großen deutschen Tradition des Blitzkrieges, kurzfristig geplant und mitten in die Zeit hineingelegt, in der andere Männer noch in den Flitterwochen wären.
Denn Guttenberg, bislang offiziell verheiratet mit der bekannten Kinderschützerin Stephanie Gräfin von Bismarck-Schönhausen, hat jüngst ein zweites Mal geehelicht - vor aller Augen und doch weitgehend unerkannt nahm er Schwedens Kronprinzessin Victoria zur Frau, um die deutsch-schwedischen Beziehungen weiter zu stärken.
Viel Zeit aber blieb dem jungen Paar nach der Traumhochzeit in Stockholm nicht, bei der sich Guttenberg als "Daniel Westling" (Bild oben rechts) ausgewiesen hatte. Nur wenige Stunden nach dem medialen Großereignis, dem Millionen weltweit fasziniert an ihren Flachbildschirmen folgten, musste der gelernte Stabsunteroffizier schon wieder zu seiner Armee eilen, um die Welt zu retten.
Zurück blieb Victoria, gehüllt in einen Traum aus Dior, schulterfrei, aus cremefarbener Seide. Sie durfte nur aus der Ferne zuschauen, wie ihr Daniel, jetzt wieder als Guttenberg, 420 tapferen Rekruten das Gelöbnis vor der Berliner Reichstag abnahm. Das Stauffenberg-Attentat bezeichnete der frühere Fittnesstrainer in Anspielung an einen Satz des früheren Bundeskanzlers und heutigen Gazprom-Repräsentanten Gerhard Schröder zielgenau als „Aufstand des Gewissens“, im Ohr wohl noch die Worte des schwedischen Erzbischof Anders Wejryd, der ihm in seiner schönsten Stunde, Hand in Hand mit der bezaubernden Victoria vor dem Altar in Stockholm, verraten hatte: „Kritik ist billig, nicht mal Bösartigkeit kostet was.“
Mehr erstaunliche und erschütternde Wiedergeburten in der einzigartigen PPQ-Wiedergeboren-Datenbank.
Wie Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (Bild oben links), der eben noch in einem wilden Hubschrauberritt über den Hindukusch den noch nicht völlig befriedeten Taliban entkam. Seine Soldaten hatte er besuchen wollen, Einsatzkräfte der Schnellen Eingreiftruppe in Baghlan. Ein "Blitzbesuch" (Bild) in der großen deutschen Tradition des Blitzkrieges, kurzfristig geplant und mitten in die Zeit hineingelegt, in der andere Männer noch in den Flitterwochen wären.
Denn Guttenberg, bislang offiziell verheiratet mit der bekannten Kinderschützerin Stephanie Gräfin von Bismarck-Schönhausen, hat jüngst ein zweites Mal geehelicht - vor aller Augen und doch weitgehend unerkannt nahm er Schwedens Kronprinzessin Victoria zur Frau, um die deutsch-schwedischen Beziehungen weiter zu stärken.
Viel Zeit aber blieb dem jungen Paar nach der Traumhochzeit in Stockholm nicht, bei der sich Guttenberg als "Daniel Westling" (Bild oben rechts) ausgewiesen hatte. Nur wenige Stunden nach dem medialen Großereignis, dem Millionen weltweit fasziniert an ihren Flachbildschirmen folgten, musste der gelernte Stabsunteroffizier schon wieder zu seiner Armee eilen, um die Welt zu retten.
Zurück blieb Victoria, gehüllt in einen Traum aus Dior, schulterfrei, aus cremefarbener Seide. Sie durfte nur aus der Ferne zuschauen, wie ihr Daniel, jetzt wieder als Guttenberg, 420 tapferen Rekruten das Gelöbnis vor der Berliner Reichstag abnahm. Das Stauffenberg-Attentat bezeichnete der frühere Fittnesstrainer in Anspielung an einen Satz des früheren Bundeskanzlers und heutigen Gazprom-Repräsentanten Gerhard Schröder zielgenau als „Aufstand des Gewissens“, im Ohr wohl noch die Worte des schwedischen Erzbischof Anders Wejryd, der ihm in seiner schönsten Stunde, Hand in Hand mit der bezaubernden Victoria vor dem Altar in Stockholm, verraten hatte: „Kritik ist billig, nicht mal Bösartigkeit kostet was.“
Mehr erstaunliche und erschütternde Wiedergeburten in der einzigartigen PPQ-Wiedergeboren-Datenbank.
Paywall zeigt Wirkung
Seit drei Wochen lässt sich die englische "Times" von ihren Online-Lesern für deren Lesetätigkeit bezahlen, um Premium-Content wie Thierry Henrys Fußballerinnerungen und Gesundheitanalysen wie "Botox: the feminist facelift?" nicht mehr kostenlos in die digitalen Weiten verklappen zu müssen. Ein Pfund kostet der Zugang für den Anfang - zuviel, fanden neun von zehn ehemaligen "Times"-Internetlesern. Seit das Murdoch-Blatt unregistrierte Nutzer direkt von der Seite mit dem Nachrichtenüberblick auf eine Registrierungsseite umlenkt, fiel der Marktanteil der Zeitung von rund 15 auf knapp über vier Prozent , wie der zur Zeit noch unverschlüsselte Guardian berichtet.
Vom Segen des Spitzelns
Es sind entsetzliche Grafiken, die das Faktenmagazin Focus jetzt unter der Schlagzeile "Stasi bremst Wachstum" veröffentlichen musste (oben). In Grün und Gelb und Rot findet sich ein verstecktes Loblied auf die zweite deutsche Diktatur - und harsche Kritik an den derzeit herrschenden Zuständen in der zweiten deutschen Demokratie.
Das Danarichtenmagazin aus München berichtet eigentlich über eine Studie, die erstmals enthüllt, wie sich die Überwachung durch inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit in der DDR bis heute auf die Vertrauens- und Kooperationsfähigkeit der Menschen in Ostdeutschland auswirkt. Klarer Fall: Negativ. Das Wirtschaftswachstum in den neuen Bundesländern leide auch 20 Jahre nach der deutschen Einheit unter den Machenschaften des Mielke-Ministeriums, das habe eine Studie der Wirtschaftswissenschaftler Marcel Tyrell und Marcus Jacob bewiesen. Indirekt sei die Jahrzehnte lange Bespitzelung für bis zu sieben Prozent der Einkommensunterschiede zwischen Ost und West verantwortlich - und für fast 26 Prozent der Differenz in den Arbeitslosenzahlen, folgern die Forscher nachdem sie die Zahl der Stasi-IM in Beziehung zum Sozialverhalten und zu den Wirtschaftsdaten gesetzt haben. Frühere DDR-Bezirke, die eine deutlich überdurchschnittliche Überwachungsintensität aufgewiesen hätten, könnten heute beispielsweise eine um durchschnittlich 0,6 Prozentpunkte geringere Wahlbeteiligung, eine um zehn Prozent geringere Beteiligung am öffentlichen Leben und nur die Hälfte an Organspenden vorweisen. Diese schlechten Sozialkapitalwerte schlügen dann negativ auch auf die Bereitschaft zu sozialer und wirtschaftlicher Aktivität und damit schlussendlich auf die Wirtschaftskraft insgesamt durch.
Der Zusammenhang ist an den Haaren herbeigezogen, aber genauso schlüssig wie die von PPQ-Wissenschaftlern einst aufgedeckte enge Verbindung zwischen den Verkaufszahlen der immens rechtsradikalen Modekette Thor Steinar und dem Wohnungsleerstand (Grafik links). "Wer eine rechtsextreme Jacke hat, braucht keine Wohnung mehr", schlussfolgerte das Forscherteam seinerzeit schlüssig. Heute heißt es: „Das stete Bewusstsein im Gegenüber einen geheimen Informanten der Stasi vermuten zu müssen, hat in der DDR zu einem starken latenten Misstrauen gegenüber Fremden geführt“, zitiert das Magazin den Professor der Uni Friedrichshafen, einen offenkundigen Buchgelehrten des DDR-Alltags. Das wirke sich bis heute auf die Bereitschaft aus, zu vertrauen und zu kooperieren. Misstrauen, so schwört der Wissenschaftler, geboren in Trier und zum Zeitpunkt des Mauerfalls 30 Jahre alt, sei eine Art zweiter Vornamen jedes Ostdeutschen und der "Mangel an so genanntem Sozialkapital" lasse deshalb bis heute in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens nachweisen – etwa in der im Vergleich zum Westen geringeren Mitgliedschaft in Vereinen oder der niedrigeren Wahlbeteiligung.
Das eigentlich Erstaunliche aber ist die Tatsache, dass die Zahlen, mit denen die Wissenschaftler arbeiten, dieses Bild in der Übersetzung in Focus-Grafiken nicht stützen. Ganz im Gegenteil. Die Theorie, dass dort, wo wenig gespitzelt wurde, heute mehr Kooperation und Vertrauen und damit sozialer Klebstoff vorhanden sei, geht nicht auf. So hatte der ehemalige Bezirk Halle seinerzeit vergleichsweise wenige Stasi-Mitarbeiter pro Kopf der Bevölkerung, dennoch gehen in der Demokratie sowenig Menschen zur Wahl wie im ehemaligen Bezirk Schwerin, der von viel mehr Stasi-IM beobachtet wurde. Halle hat außerdem eine Arbeitslosenquote, wie sie nach Ansicht der beiden Experten ehemals schwer Stasi-durchseuchte Regionen haben sollte. Dagegen ist Schwerin, ehemals eine Paradies für Spitzel, mit weniger Arbeitslose gesegnet, während der frühere Bezirk Cottbus zwar viele Arbeitslose hat, aber als ehemalige IM-Hochburg nicht wie von den beiden Experten vorhergesagt wenig, sondern eher eifrig zur Wahl geht. Kunterbunt ist das alles ohne Grund: Suhl etwa hatte viel Stasi, hält aber heute dennoch eine niedrigere Arbeitslosenquote als Leipzig, wo es seinerzeit viel weniger Stasi-Überwachung gab.
Ist also die Tätigkeit der Stasi-Spitzel ein später Segen für den Osten? Blüht und gedeiht die Demokratie, wo früher jeder zweite Herzschlag Angst sein musste? Magdeburg etwa hatte mehr unter der Stasi zu leiden als Halle, was augenscheinlich dazu führte, dass die Arbeitslosenquote dort heute niedriger ist. Karl-Marx-Stadt, das frühere Chemnitz, hatte mehr Stasiüberwachung als Halle und geht vielleicht deshalb heute engagierter als die Hallenser zu jeder Wahl. Fakten, die allerdings weder Focus noch Forscher interessieren: „Der Mensch“, erklärt Mitforscher Jacob die Auswirkungen der Arbeit des MfS trotzig, „zieht sich zurück, er verlässt sich nur noch auf den innersten Kreis der Familie und wenige, enge Freunde“. Alle zusammen sitzen wieder in der Nische. Da war es damals schon gemütlich.
Das Danarichtenmagazin aus München berichtet eigentlich über eine Studie, die erstmals enthüllt, wie sich die Überwachung durch inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit in der DDR bis heute auf die Vertrauens- und Kooperationsfähigkeit der Menschen in Ostdeutschland auswirkt. Klarer Fall: Negativ. Das Wirtschaftswachstum in den neuen Bundesländern leide auch 20 Jahre nach der deutschen Einheit unter den Machenschaften des Mielke-Ministeriums, das habe eine Studie der Wirtschaftswissenschaftler Marcel Tyrell und Marcus Jacob bewiesen. Indirekt sei die Jahrzehnte lange Bespitzelung für bis zu sieben Prozent der Einkommensunterschiede zwischen Ost und West verantwortlich - und für fast 26 Prozent der Differenz in den Arbeitslosenzahlen, folgern die Forscher nachdem sie die Zahl der Stasi-IM in Beziehung zum Sozialverhalten und zu den Wirtschaftsdaten gesetzt haben. Frühere DDR-Bezirke, die eine deutlich überdurchschnittliche Überwachungsintensität aufgewiesen hätten, könnten heute beispielsweise eine um durchschnittlich 0,6 Prozentpunkte geringere Wahlbeteiligung, eine um zehn Prozent geringere Beteiligung am öffentlichen Leben und nur die Hälfte an Organspenden vorweisen. Diese schlechten Sozialkapitalwerte schlügen dann negativ auch auf die Bereitschaft zu sozialer und wirtschaftlicher Aktivität und damit schlussendlich auf die Wirtschaftskraft insgesamt durch.
Der Zusammenhang ist an den Haaren herbeigezogen, aber genauso schlüssig wie die von PPQ-Wissenschaftlern einst aufgedeckte enge Verbindung zwischen den Verkaufszahlen der immens rechtsradikalen Modekette Thor Steinar und dem Wohnungsleerstand (Grafik links). "Wer eine rechtsextreme Jacke hat, braucht keine Wohnung mehr", schlussfolgerte das Forscherteam seinerzeit schlüssig. Heute heißt es: „Das stete Bewusstsein im Gegenüber einen geheimen Informanten der Stasi vermuten zu müssen, hat in der DDR zu einem starken latenten Misstrauen gegenüber Fremden geführt“, zitiert das Magazin den Professor der Uni Friedrichshafen, einen offenkundigen Buchgelehrten des DDR-Alltags. Das wirke sich bis heute auf die Bereitschaft aus, zu vertrauen und zu kooperieren. Misstrauen, so schwört der Wissenschaftler, geboren in Trier und zum Zeitpunkt des Mauerfalls 30 Jahre alt, sei eine Art zweiter Vornamen jedes Ostdeutschen und der "Mangel an so genanntem Sozialkapital" lasse deshalb bis heute in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens nachweisen – etwa in der im Vergleich zum Westen geringeren Mitgliedschaft in Vereinen oder der niedrigeren Wahlbeteiligung.
Das eigentlich Erstaunliche aber ist die Tatsache, dass die Zahlen, mit denen die Wissenschaftler arbeiten, dieses Bild in der Übersetzung in Focus-Grafiken nicht stützen. Ganz im Gegenteil. Die Theorie, dass dort, wo wenig gespitzelt wurde, heute mehr Kooperation und Vertrauen und damit sozialer Klebstoff vorhanden sei, geht nicht auf. So hatte der ehemalige Bezirk Halle seinerzeit vergleichsweise wenige Stasi-Mitarbeiter pro Kopf der Bevölkerung, dennoch gehen in der Demokratie sowenig Menschen zur Wahl wie im ehemaligen Bezirk Schwerin, der von viel mehr Stasi-IM beobachtet wurde. Halle hat außerdem eine Arbeitslosenquote, wie sie nach Ansicht der beiden Experten ehemals schwer Stasi-durchseuchte Regionen haben sollte. Dagegen ist Schwerin, ehemals eine Paradies für Spitzel, mit weniger Arbeitslose gesegnet, während der frühere Bezirk Cottbus zwar viele Arbeitslose hat, aber als ehemalige IM-Hochburg nicht wie von den beiden Experten vorhergesagt wenig, sondern eher eifrig zur Wahl geht. Kunterbunt ist das alles ohne Grund: Suhl etwa hatte viel Stasi, hält aber heute dennoch eine niedrigere Arbeitslosenquote als Leipzig, wo es seinerzeit viel weniger Stasi-Überwachung gab.
Ist also die Tätigkeit der Stasi-Spitzel ein später Segen für den Osten? Blüht und gedeiht die Demokratie, wo früher jeder zweite Herzschlag Angst sein musste? Magdeburg etwa hatte mehr unter der Stasi zu leiden als Halle, was augenscheinlich dazu führte, dass die Arbeitslosenquote dort heute niedriger ist. Karl-Marx-Stadt, das frühere Chemnitz, hatte mehr Stasiüberwachung als Halle und geht vielleicht deshalb heute engagierter als die Hallenser zu jeder Wahl. Fakten, die allerdings weder Focus noch Forscher interessieren: „Der Mensch“, erklärt Mitforscher Jacob die Auswirkungen der Arbeit des MfS trotzig, „zieht sich zurück, er verlässt sich nur noch auf den innersten Kreis der Familie und wenige, enge Freunde“. Alle zusammen sitzen wieder in der Nische. Da war es damals schon gemütlich.
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