Sonntag, 6. Juni 2010

Die Fliesen sind unter uns

Seit der respektlosen Enthüllung der Identität des halleschen Kachel Gott durch ein regionales Kunstmagazin steht die weltweite Gemeinde der mitteldeutschen Kachelfreunde unter Schock. Öffentlich hatte sich der kultisch verehrte Kachelmann von der Saale als Kollektiv von Keramikern geoutet und das im weltweit einzigen Kachelverzeichnis akibisch gesammelte Fliesenwerk als kleinen Bruchteil seines Gesamt-Œuvres bezeichnet. Über die dort von Kachel-Enthusiasten gemeinsam mit dem kalifornischen Internet-Riesen Google liebevoll angeordneten Kachelbilder und virtuellen Kachelkarten hinaus wollen die jungen Künstler mehrere hundert weitere Kacheln an Fassaden vor allem in Halle, aber auch in Südamerika, Asien und verschiedenen europäischen Ländern geklebt haben.

Die Fliesen sind unter uns, doch wie in Edgar Alan Poes 1844 veröffentlichter Geschichte "Der entwendete Brief" sind sie so plakativ geklebt, dass Passanten, Kunstfreunden und städtischen Kämpfern gegen den großen Plan von der Gesamtverfliesung der historischen Innenstadt kaum auffällt, wo Kachel-Kunst und Keramik-Kultur Freunde des Kachel-Kultues verzücken. Am August-Bebel-Platz etwa, durch ein naheliegendes Kindettheater traditionell Pilgerstätte von Bühnenfreunden und Galeriegängern, ist es dem Kachelmann-Kollektiv gelungen, eine der detailverliebt gestalteten Mosaik-Kacheln direkt in die Platzmitte zu kleben: Von einer Laterne grüßt sie die Gäste der gegenwärtig stattfindenden Händel-Festspiele. Und lässt wissen: Halle ist nicht nur die Stadt des großen Barock-Musikanten aus London. Sondern auch die Metropole der mittig gehängten Kachel.

Eigene Funde können wie stets direkt an politplatschquatsch@gmail.com geleitet werden, jeder Fund wird von uns auf Wunsch mit einem mundnachgemalten Kunstdruck der inzwischen von Kachel-Gegnern vernichteten Ur-Fliese prämiert.

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