Geschichte wiederholt sich, "das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce", anaylsierte der Geschichtspraktiker Karl Marx im "Achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte" und seitdem wiederholt sich Geschichte beim Versuch, im Recht zu geben. Im nationalen Siegestaumel um die neue deutsche Nationalsängerin Lena Meyer-Landrut gestattete sich auch Stefan Raab, Fernsehmoderator und Erfinder der Chanteuse, einen Ausflug ins Geschichteszitat. Zur Vorlage wählte sich der Metzgersohn den früheren liberalen Außenminister Hans-Dietrich Genschers berühmte Prager Balkonrede "Wir sind heute zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise..."
Bei Raab, der frei zitierte, hieß es "Wir sind heute zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Nacht um 0.15 Uhr Deutschland den Eurovision Song Contest gewonnen hat." Zwei Jahrzehnte zwischen zwei wahrhaft historischen Ereignissen: Ende des Kalten Krieges und Ende der für Deutschland über Jahnzehnte so erfolglosen Sängerkriege, Mauerfall und Lenamania, Untergang eines Weltreiches und Aufstieg eines Weltstars. Und das ist erst die erste Wiederholung, nach Marx also die Tragödie. Doch für Netzwerkrecherche allemal "ein Grund, Lena und ihrem Trainer Stefan Raab das Bundesverdienstkreuz mit Eichenlaub und Schwertern zu überreichen", wie es verschiedene Politiker bereits fordern, um die Farce nicht mehr allzulange warten zu lassen.
"Vergessen sind Eurokrise, Sparpaket und Steuerlüge", schreibt Netzwerkrecherche: "Wir sind Lena" und "Lena, wir lieben Dich", schreibt die "Bild". Deutschland liebt also letztlich sich selbst - "ein Formwandel des deutschen Nationalismus", wie die Taz frei ins Grobe fantasiert, denn der "monokelbewehrte, schnarrende und von Mensuren gezeichnete General Dr. Ritter von Staat", den Marx noch kannte, vervollschlankte zuerst zur "Hosenanzüge tragenden, betont unscharfen Angela Merkel" und nun zu "ihrem symbolpolitischen Pendant, dem unverbildeten Mädchen aus Hannover", das "dunkelhaarig" (Taz) und mit "blickdichter Strumpfhose" (dpa) ein Liedchen namens "Satellite" singt, das natürlich als "überdeutlicher Tribut an die globale Herrschaft des amerikanischen Kapitals" fortweist von den baltischen Wurzeln der vielfach vertriebenen Familie Meyer-Landrut, deren Vorstand Andreas Meyer-Landrut Genschers Balkon-Auftritt nur denkbar knapp verpasste: Ehemals Staatssekretär im Auswärtigen Amt, war er gerade als Botschafter nach Moskau entsandt worden.
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