Sonntag, 11. April 2010

Tiefpunkt statt Triumph

Dreimal geteilt, jahrzehntelang unterjocht, von Soldatenstiefeln zertreten, auf fremden Schlachtfeldern im Kampf für die Heimat und dann doch wieder von fernen Königen und Kaisern betrogen: Polen ist ein Land mit einer bewegten Geschichte, die an Tiefpunkten reicher ist als an Triumphen. Der Unfalltod des bis vor kurzem vor allem bei Regierungskollegen im europäischen Ausland überaus verhassten polnischen Präsidenten Lech Kaczynski, der sich lange geweigert hatte, die Lissabon-Verträge zu unterschreiben, ordnet sich so ein in eine Kette nationaler Dramen, die als Beweis dafür dienen könnten, dass konzentrierter Katholizismus nicht zur Anreicherung von Glück führen muss.

n-tv, ein Qualitätsfernsehsender, bei der alte Polen-Feind Adolf Hitler seit Jahren weite Strecken der Nachmittagsschiene moderiert, überschreibt seinen Online-Beitrag zum Flugzeugunglück von Smolensk dennoch mit dem Satz "Noch nie eine solche Tragödie erlebt". Das scheint naheliegend, saß doch rein zufälligdie gesamte nationale Elite Polens samt der Spitzen aller Teilstreitkräfte an Bord des Fliegers. Der, wäre er von einem Jahr abgestürzt, als Kacynski die Lissabon-Verträge noch nicht unterschrieben hatte, zweifellos zu einem gewaltigen Problem für Europa geworden wäre: Zu bequem wäre ein Absturz des EU-Kritikers damals gewesen.

So aber ist es einfach nur die größte Tragödie aller Zeiten, noch vor Michael jackson und Robert Enke. Und nicht nur für Polen, wie Ministerpräsident Donald Tusk laut ntv geäußert hat. Nein, "die moderne Welt hat noch nie eine solche Tragödie erlebt" ist er sicher. Ob Tusk wegen unzulässiger Verharmlosung anderer geschichtlicher Ereignisse angeklagt werden wird, haben die Behörden in Deutschland noch nicht entschieden.

11 Kommentare:

derherold hat gesagt…

Das Problem für alle Verschwörungstheoretiker rund um den letzten Flug von *Air Katyn* ist, daß sowohl die Maschine als auch der Pilot aus Polen kamen.

Aber in der Tat wirkt der gemeinsame Flug div. Führungskäfte div. staatlicher Einrichtungen ("Elite" ist böse !) wie ein Schildbürgerstreich. Man hätte schon drei Dutzend Autounfälle arrangieren müssen, um den gleichen Effekt zu erzielen.

... und da gab es auch noch diesen *räusper* Flugzeugabsturz des Generals und Premierministers der poln. Exil-Regierung, Wladyslaw Sikorski, der *hüstel* während des Krieges eine Aufklärung des Massenmordes von Katyn forderte.

VolkerStramm hat gesagt…

Gut, Sikorsky hat den Unfall erlitten, weil er zu viele dumme Fragen stellte.
Genauso wie General Patton einen Autounfall erlitt, weil er sich während des Krieges zum Deutschland-Fan entwickelte.

Nicht dass es dem lupenreinen Demokraten nicht zuzutrauen wäre, aber welchen Sinn hätte es, die polnischen Staatsführung zu ermorden?

vakna hat gesagt…

Es ist schon selten dämlich, einen Großteil der Regierung in ein und dasselbe Flugzeug zu setzen und dann auch noch auf Biegen und Brechen im Nebel landen zu wollen. "Das Schicksal herausfordern" nennt man sowas.

Gustav Fröhlich hat gesagt…

"Aber in der Tat wirkt der gemeinsame Flug div. Führungskäfte div. staatlicher Einrichtungen ("Elite" ist böse !) wie ein Schildbürgerstreich. Man hätte schon drei Dutzend Autounfälle arrangieren müssen, um den gleichen Effekt zu erzielen."

auch wenn es sich im moment pietätlos anhören sollte: das waren fast allesamt irgendwelche volltrottel, die mit der zeit an die macht gespült worden sind..die nachfolger lauern schon in den löchern..

zur unfallursache: vllt. hat ja auch jemand im flugzeug das handy gezückt, um kurz mal im wald von katyn bescheid zu sagen, daß es ein kleines bißchen später wird..

Friederich hat gesagt…

Nehmen wir doch mal an, das sei ein ganz normaler Unfall gewesen und nirgendwo hat jemand an einem Schräubli gedreht. Das bietet dann doch trotzdem ungeahnten Nutzwert, wenn mal wieder irgendein Repräsentant irgendeines Landes irgendetwas nicht gleich unterschreiben will. Man kann ihn dann einfach off records unauffällig zur Seite nehmen, ihn dezent daran erinnern, »was damals den Polen widerfahren« sei, und den Rest seiner Phantasie überlassen.

Anonym hat gesagt…

Zur seltenen Dämlichkeit. Theoretisch könnte man doch annehmen, Fliegen mit Regierungsflugzeugen wäre sicherer als das Fliegen mit Billigklippern und vielleicht hatte der meister zur geselligen Runde geladen?

Wird die deutsche Fußballmannschaft übrigens mit mehreren Fliegern fliegen?

Natürlich muß es die größte Tragödie gewesen sein, die Polen erlebt hat, abgesehen von unbedeutenden Ereignissen, wie der polnischen Teilung. Aber das kann doch heute keinen Seemann mehr erschüttern, der vorm Fernseher sitzt.

ppq hat gesagt…

ich finde allerdings, man hätte dann zwingend die schöne vokabel "allerschlimmste" verwenden sollen

derherold hat gesagt…

*räusper*
Es ist nicht zu leugnen, daß es sich um eine einzigartige Katastrophe handelt, die sich von anderen qualitativ unterscheidet.

Entsprechendes regelt ein mit a) - oder b) - einzufügender § im StGB.

ppq hat gesagt…

einzigartig wie das 11:1 der bayern gegen borussia dortmund 1971/1972 und die jagdstrecke von erich honecker, der am 18. Oktober 1989 am drewitzer see stolze um 19 Hirsche hatte erlegen können

nwr hat gesagt…

"....der am 18. Oktober 1989 am drewitzer see stolze um 19 Hirsche hatte erlegen können"

Bei der Republikflucht erschossen? Versuchen die Hirsche etwa in den Westen zu flüchten?

derherold hat gesagt…

@Hirsch

Wg. Boykotthetze standrechtlich erschossen