Es ist die Zielgerade einer langen Saison, die lange Zeit zu großer Hoffnung Anlaß gab. Kurz vor Toresschluss aber geht den Spielern des Halleschen FC, in der vergangenen Spielzeit noch bis zum Saisonfinale mit Chancen auf den Aufstieg in die 3. Liga, doch die Puste aus. Einem grandiosen Auswärtssieg beim Erbfeind aus Magdeburg folgte eine enttäuschende Heimniederlage gegen die Reserve des Hamburger SV, darauf ein bescheidenes Remis bei Türkiyemspor Berlin. Der eben noch greifbar nahe erste Platz glitt der ersatzgeschwächten und von permanenten englischen Wochen aufgeriebenen Mannschaft von Sven Köhler so schon sieben Spieltage vor Schluss aus den Händen. Allein ein Sieg beim Tabellenzweiten VfL Wolfsburg hätte das Flämmchen Hoffnung auf die Meisterschaft noch einmal anfachen können - doch auch in Wolfsburg, wo vergangenes Jahr ein souveräner 2:0-Erfolg gelungen war, blieben sich die Hallenser treu.
Nach zwei Minuten schon stand es 0:1, die Saison war eigentlich zu Ende und das Kommentatorenduo am HFC-Fanradio wusste kaum, was es erzählen sollte. Das aber machten die beiden Freizeit-Spielbeschreiber höchst unterhaltsam: Weniger analytisch als die zuletzt beeindruckend sachlich und kompetent aus Berlin berichtende Stammbesatzung, lassen der brummelige Daueroptimist Krümel und sein Kollege umso reichlicher Herzblut fließen. Keinen Gedanken an das kalte Profi-Kommentatorentum hochbezahlter GEZ-Sprecher gibt es hier, sondern Live-Berichterstattung aus streng subjektiver Fansicht. Die hin und wieder aussetzt, wenn die beiden Sprecher von einer vielversprechenden Szene zu sehr gefangen sind, als dass sie sie fürs Internet-Radio auch noch beschreiben könnten.
Rund 300 Fans sind es diesmal, die beim Auswärtsspiel des Viertligisten am Volksempfänger mitbangen, obwohl es lange nichts zu bangen gibt. Halle steht nach dem Rückstand hinten wieder sicher wie immer, nach vorn geht wie zuletzt immer nichts. Dafür vor dem Mikrophon alles - geboten wird Heimatradio aus vollen Herzen, angemacht mit hallescher Mundart und angereichert mit spontanen Gefühlsausbrüchen, die so noch nie irgendwo im Radio zu hören waren: "Oh, Mist", tönt es dann, und "verdammt, den musser machen", klagt der Kommentatorenkollege zurück.
Radio als Familienangelegenheit. Die handelnden Akteure auf dem Rasen werden mit Kosenamen wie "Mülli", "Neubi" und "Darko" vorgestellt, die Taktikkritik ist eine aus tiefster Seele, die keinen Anspruch auf fußballstrategische Vollständigkeit erhebt. "Jetzt musser nochmal was machen", mahnt das Duo eine Viertelstunde vor Schluss Richtung Bank, "hier geht noch was, wenn wir den Ausgleich machen".
Trainer Köhler sieht das genauso, er wechselt offensiv und das Risiko, das auf den Meisterschaftsausgang gerechnet sowieso keines mehr ist, wird belohnt. Verteidiger Jan Benes macht zehn Minuten vor dem Abpfiff tatsächlich noch den Ausgleich, nachdem der amtierende Fußballgott Thomas Neubert kurz zuvor noch freistehend vor dem leeren Tor vergeben hatte. Nun brennt das bis dahin tote Spiel plötzlich wie ein Osterfeuer der Freiwilligen Feuerwehr Morl, die Mannschaft am Mikrophon steigert Lautstärke und Tonfall, ein Hauch von Wankdorfstadion weht durchs Netz.
Die Köhlertruppe bläst zum Sturm, die Kommentatoren blasen mit, dass der Sprecherplatz wackelt. Die zehn Schlußminuten (oben) sind Kopfkino vom Feinsten, ein Hörbuch von höchstem Amüsement für Freunde von mitteldeutschem Dialekt und Unterklassenfußball, spannend und höchst unterhaltsam, eine Sternstunde der Vereinsgeschichte beinahe.
Nur das Happy End fehlt, denn noch ein Tor fällt nicht. Aus. Vorbei. Ende. Leicht geknickt schleicht die Verbeugung der Mundart-Moderatoren Richtung Babelsberg, das mit einer um nur drei Treffer besseren Torbilanz im Saisonverlauf neun Punkte mehr geholt hat und nun eigentlich schon die Meisterschaft feiern kann. Wenn nicht, so heißt es ganz am Ende, noch ein Wunder geschieht. Mit dem die wahren Fans natürlich fest rechnen.
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2 Kommentare:
na meiner da weiß keener was, ich verstehe dich, wir sind mittem herzen derbei, liebhaber des gepflegten wortes, der unfreiwilligen satire und der formalen geschlossenheit
wollter wissen was ich meine, na wie der eine guckt sieht der andere aus oder anders nur wer ordner zwei in allen seine schritten kennt, kann fanradio richtig genießen
ratskrone für alle!
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