Er war der Berserker aus der Provinz, der Pinsel-Peitscher und Theatervernichter. Einar Schleef, der größte Sohn der kleinen Stadt Sangerhausen, starb dennoch ohne Pophit und ignoriert vom Kinopublikum. In einem alten Kaufhaus in Halle, stillgelegt seinerzeit, aber beharrlich "neues Kaufhaus" genannt, weil es das Anfang der achtziger Jahre mal gewesen war, feierte der Dramatiker dann dunkle Wiederkehr: Der jung aus einem Zug auf den Kopf gefallene Sangerhäuser, der als Theater-Tarzan zeitlebens ein Stück namens Provokation inszenierte und aufführte, verbriet noch aus dem Jenseits 150.000 Euro von der Bundeskulturstiftung, um lange graue Kaufhauswände mit seinen grellbunten Bildern von Telefonzellen und bemalten ND-Seiten zu tapezieren.
Die Exposition rührte jedoch nur kurzzeitig an den Schleef der Welt. Neun Jahre nach dem Tod des renitenten Malerschauspielers, dessen größter Erfolg die Hauptrolle in Bertolt Brechts Puntila unter dem Regisseur Einar Schleef war, ist das nach Meinung von Elfride Jelinek einzige ostdeutsche Genie wieder vergessen. Sein schriftstellerisches Hauptwerk "Gertrud", ein zweibändiger, monumentaler Monolog über das Leben seiner Mutter durch vier Staatsformen hindurch, dümpelt bei Amazon jenseits von Platz 500.000, die letzte Aufführung seiner "Nietzsche Trilogie" ist auch schon wieder acht Jahre her, auch die von PPQ lancierte Online-Ausstellung seiner epochalen Telefonzellen wird kaum mehr beachtet. Ein Gigant fällt ins Volksvergessen: In die improvisierte gewaltige Kaufhaus-Galerie, die des fundamentalistischen Fröhlichkeitsverweigerers Kunst in der angemessen kalten, toten Gruft einer untergegangenen Einkaufskultur zeigte, zog inzwischen ein Möbelhändler.
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2 Kommentare:
Nett zusammengefasst
„zeitlebens ein Stück namens Provokation inszenierte“.
Aber wenigstens Elfride Jelinek mag ihn. Jeder Normale würbe bei Lob von der zusammenzucken; aber ich glaube Schleef fühlte sich geehrt.
das musste er. es provoziert ja schön
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