Das Volk, es will trotz Aufforderung durch Landwirtschafts- und Internetministerin Ilse Aigner nicht so recht in Panik verfallen angesichts des drohenden Starts von Google Street View in Deutschland. Obwohl die gelernte Rundfunkmechanikerin gleich mehrmals den Untergang des Abendlandes nahen sah, wenn erst echte Häuser als Bild im unechten Internet zu sehen sein werden, fanden sich bislang nicht einmal zehntausend Mitbürger bereit, ihre eigene Fassade mit Hilfe eines Einspruch bei Google vor der datenschutzrechtliche bedenklichen Abbildung zu schützen.
Wo der Einzelne nicht will oder kann, muss nun natürlich der Staat "ran" (Franz Müntefering). Die Stadtverwaltung von Halle an der Saale hat aus der weitgehenden Verweigerungsmüdigkeit ihrer Bürger im Überlebenskamf mit Google entsprechend schnell und konsequent Schlüsse gezogen: Weil sich "Google Street View in dieser späten Phase durch gewöhnliches Verwaltunghandeln", wie es ein Beamter nennt, nicht mehr aufhalten lasse, habe man zu härteren Maßnahmen greifen müssen, zumal im Internet aufgetauchte erste Street View-Bilder aus Deutschland Schlimmes für den Datenschutz befürchten lassen. "Wenn wir Google nicht daran hindern können, die Stadt gegen unseren Willen zu fotografieren", beschreibt der mit den Planungen vertraute Fachmann, "müssen wir eben dafür sorgen, dass die bei Street View präsentierten Fotos nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben."
Ein kühner, ein verblüffender Plan: Als erste Stadt in Deutschland boykottiert Halle den Google-Bilderdienst mit dem Abrissbagger. Sobald die ungeliebten Street-View-Kamera-Fahrzeuge eine Straße passiert haben, um sie 1:1 für die Darstellung im Internet aufzuzeichnen, rücken in Halle im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Bautrupps mit schwerem Gerät an, die großflächig Häuser abreißen, Bäume fällen und Baulücken mit Planen verhängen. Allein in der innerstädtischen Ludwig-Wucherer-Straße gelang es in den letzten zwei Wochen drei Mietshäuser und die ehemalige Fabrikanlage des VEB Gravo-Druck (Bild oben, Foto: Irrsinnslawine) völlig auszuradieren. So solle, heißt es im Rathaus, gezeigt werden, dass das von Google ins Netz gestellte Halle-Bild mit der Wirklichkeit gar nichts zu tun habe.
Auch an die Skyline der Saalestadt wagen sich die Protestler: In enger Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Landwirtschaft und Raumordnung plane die Stadt eine Entfernung der bislang über Halle aufragenden Flutlichtmasten des Kurt-Wabbel-Stadions und eine komplette Umgestaltung des zentralen Riebeck-Platzes, der in Googles Street View-Dienst von zwei Hochhäusern dominiert wird, die derzeit auch im realen Leben noch über den Platz herrschen. Damit der kalifornische Internetriese diese Quasi-Echtzeitansicht nicht in alle Welt transportieren kann, wo sich Datendiebe, zwielichtige Tourismusunternehmen und Busreisefirmen ihrer bedienen könnten, soll eines der Hochhäuser zeitnah abgerissen werden.
Der Abriss des die Silhouette prägenden Gebäudes (rechts) wird von Bund und Land mit rund 800.000Euro gefördert, eine nach Ansicht von Bundesministerin Ilse Aigner recht preiswerte Lösung, Google das datenschutzgefährdende Spiel zu verderben. Langfristig werde der Konzern zwar sicherlich mit Nachaufnahmen versuchen, sein Halle-Bild im Internet auf den neueren Stand zu bringen. Jedoch seien Stadtverwaltung, Landesregierung und Bund bereit, mit weiteren großräumigen Flächenabrissen dafür zu sorgen, dass Halle sich schneller verändere, als die Datenkrake mit der Neuaufnahme hinterherkomme. Es bestehe begründete Hoffnung, dass weite Teile der Stadt bereits abgerissen sein könnten, wenn der fragwürdige Google-Fassadendarstellungsdienst in Deutschland starte. Dann könne sich jeder Besucher überzeugen, dass das wahre Halle nichts mit den nicht einmal rechtswidrig erstellten Street-View-Aufnahmen zu tun habe. Man sei überdies sicher, als Verwaltung am Ende den längeren Atem zu haben, auch wenn Google regelmäßig versuche, seine Fotodatenbank auf dem Laufenden zu halten - schließlich laufe in Halle derzeit ein Themenjahr mit dem eindeutigen Motto "Halle verändert".
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
3 Kommentare:
Schade um den Leipziger Turm, da sind wir nämlich letzte Jahr vom GuuglÖrs-Auto fotografiert worden.
Und ich hoffe, die hiesige Gemende macht nicht mit, denn letztens sind sie hier durch...
hast du schon einspruch eingelegt?
Äh, nein, muß man das?
Geht das in Deutschland nicht automatisch?
Papa Staat weiß doch, was gut für uns ist und kümmert sich selbst darum, oder?
War doch bisher immer so...
Kommentar veröffentlichen