Donnerstag, 15. April 2010
Behütet vom Blogampelamt
Es war ein Internet-Gipfeltreffen die wie re-publica in Berlin, nur hochkarätiger und viel virtueller. Es ging um die Zukunft der deutschen Blogs, deren völlig unzuverlässige "politische Ausrichtung" gerade harsch von einem Leser namens SwissLupe kritisiert worden war. Doch wie damit umgehen? Wie reagieren, wie Wiederholung ausschließen und Qualitätsblogging abgrenzen von der gemeinen Wald- und Wiesenschreiberei, die ohne exakte Notengebung auskommt und der Willkür individueller Beurteilung damit Tür und Tor öffnet.
Ausreden gelten nicht, ein Ausgleich auf lange Sicht, nein, da war sich die Spezialistengruppe aus Die Anmerkung, KarleduardsKanal, Gundermann und PPQ schnell einig. Es reiche nicht, hieß es, "auf dreimal Nazibashen zweimal FDJ-Kritik zu gießen und anschließend mit einem mahnenden Text in Richtung etablierte Parteien nachzuwaschen", ehe Kultur, der Sport und das Wetter wie üblich in der ARD versöhnlich stimmen.
Schnell war Einigkeit erzielt: Was Deutschland wirklich braucht, ist ein allgemeinverbindliches Farbmarkierungsystem für Blogeinträge. Texte könnten mit der "Blogampel" jeweils individuell farblich markiert werden - Botschaften im Kampf gegen den "braunen Sumpf" (Angela Merkel) würden etwa braun gekennzeichnet, zurückhaltend-nachdenkliche Vorsicht-vor-links-Geschichten bekommen ein leuchtendes Rot, liberale Steuerberichterstattung erhält aus historischen Gründen kein Gelb, sondern Blau. Und so weiter.
Da sich nach derselben Logik auch ganze Blogs durchfärben ließen, bräuchte der neugierige Leser nicht mehr lesen und nicht mehr denken, denn er könnte im Idealfall durch bloßes Abzählen die politische Ausrichtung gut finden oder rigoros ablehnen.
Bei Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner und der amtierenden Arbeitslosenverantwortlichen Ursula von der Leyen, die als Internetexpertin der Bundesregierung gilt, traf die Idee sofort auf offene Ohren. Es sei überaus begrüßenswert, hieß es, wenn sich die Bloggerszene selbst Gedanken um ein Jugendschutzsystem mache, das auch Andersdenkende einschließe. Das von Kreis der Initiatoren inzwischen patentrechtliche geschützte Instrument der "Blogampel" halte die Bundesregeirung für ein "geeignetes Mittel der Selbstzensur". Für die Umsetzung der Blogampelpflicht, die ab 1.1. kommenden Jahres für alle deutschsprachigen Blogangebote gelten soll, plane das Kabinett in Zusammenarbeit mit den Patentinhabern und Initiatoren die Einrichtung eines Blogampelamtes, in dem eine Blogampelkommission die Bewertung einzelner Leseangebote im Netz vornehmen werde.
Das Blogampelamt (BAA), das ersten Plänen zufolge eine Ausgründung des Familien-Mysteriums sein und im Örtchen Klein-Labenz in der strukturschwachen Region um das mecklenburgische Warin seinen Sitz nehmen wird, werde als Instrument der Selbstkontrolle gleich der FSK bei den Anbietern von Filmen und Fernsehsendern eine allgemeinverbindliche Blogabnahme durchführen und für einzelne Beiträge jeweils Freigaben erteilen. Es werde aber auch möglich sein, unter dem Namen "Blog'n'Roll" sogenannte globale Bloggerlizenzen zu erwerben, die sich am Modell der früher in der DDR vergebenen Einstufungen für Musikgruppen orientieren sollen. Dazu sei es notwendig, unter Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses eine Arbeitsprobe in Echtzeit anzufertigen, die dann von BAA-Experten auf Wertigkeit überprüft wird.
Die Bundesregierung verspricht sich von der Umsetzung des Vorschlages aus der Bloggerszene einen Qualitätssprung bei den Beiträgen in der deutschsprachigen Bloggosphäre. Zudem könnten beim Blogampelamt mindestens 213 neue Stellen geschaffen werden. Die Blogampelkommission selbst soll mit führenden Internet-Politikern wie Dieter "Trallafitti" Wiefelspütz hochkarätig besetzt sein, die jeweilige Einfärbung der Blogangebote wird preisgünstig vom Bundesinformationsamt übernommen. Dazu müssen teilnehmende Blogger nur Benutzernamen und Kennwort ihres Blog ans Blogampelamt nach Klein-Labenz senden. Die Mailadresse dafür lautet BAA. Über eine übergeordnete BehördIn, die das Blogampelamt nach den geltenden EU-Richtlinien durchgendert und abqueert solle nach Anlauf der Farbgebungsarbeiten entschieden werden.
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9 Kommentare:
Das Projekt scheint mir etwas verfrüht vorgestellt worden zu sein, ist aber bereits eine ziemlich runde Sache.
Ich selber bilde mir jedoch erst dann meine abschließende Meinung, wenn sich Alice Schwätzer und Claudia Droth geäußert haben.
Bundesblogampelamt.
Schön. Da will ich arbeiten.
Oder besser gesagt, Geld verdienen. Arbeiten muß nicht sein.
Unbedingt mit einfließen in die Bewertung sollte, ob auf dem Blog geraucht und gesoffen wird oder Badesalz geschnüffelt wird. Ach so, natürlich ist auch mit entscheidend, ob Fair-Trade-Kaffee dabei gesoffen wird oder bloße imperialistische Standard-Brühe. Dann muss noch überlegt werden, ob die Blogbetreiber auch fünf Mal am Tag Rohkost zu sich nehmen, früh zu Bett gehen und ein ordnungsgemäßes Che-Guevara-T-Shirt als Arbeitskleidung tragen bzw. ihren Mitarbeitern/Sklaven als Dienstkleidung spendiert haben. Und ob sie im Erkältungsfall Globuli anstelle von Antibiotika zu sich nehmen. Wichtig ist auch, ob das Blog mit Engergiesparlampen bzw. die Rechner mit Handkurbel betrieben werden. Und natürlich ob schon alle Beteiligten sich bei der Bundespasswortvergabestelle ihr Bundespasswort abgeholt haben. Erst dann können die entsprechenden Behörden und BehördInnen ihr Plazet geben. Es kann nicht sein, dass einfach jeder tut was er will.
Das würde aber auch Zeit.
"Es kann nicht sein, dass einfach jeder tut was er will" ist ein Merkel-Zitat, oder?
"Es kann nicht sein, dass jeder tut was er will" -
Ja, das Zitat ist von mir.
übrigens: was ist globuli? nicht diese krankheit, wo man alles auskotzt, oder?
Ich glaube, die Krankheit, wo man alles auskotzt heißt nicht Globuli, sondern Salmonellenvergiftung.
Nein, Globuli ist das deutsche Wort für Smarties. Das hilft gegen fast alles, außer Fußpilz und die Maul- und Klauenseuche. Wenn man zuviel davon einnimmt, kotzt man vielleicht aber auch was aus. Vielleicht meinen Sie das?
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