"Ja, es stimmt schon, sagt Weidenbart, "irgendwie ist es passiert: Der Tod ist mein Job geworden". Seine Frau scherze manchmal auch in Abwandlung eines Filmtitels "Der Tod steht ihm gut". Geplant war das nie, denn der Sproß einer Zeitzer Zuckerarbeiterdynastie empfand sich eine ganze Jugend lang als "eher lebensbejahend", wie er sagt. Doch als die alten Industriebetriebe um Zeitz zusammenbrachen und Weidenbart seinen Arbeitsplatz als Brückenführer in der Rechenzentrale einer nach der Wende in die USA verkauften Braunkohlengrube verlor, "war mir klar, dass ein Neuanfang ansteht".
Gemeinsam mit zwei Bekannten, die in einer ähnlichen Situation steckten, knobelte Heiko Weidenbart hartnäckig an einer innovativen Geschäftsidee. "Wir haben die Märkte analysiert, Wachstumsfelder ins Visier genommen und uns immer wieder gefragt, wo kann da unser Platz sein?" Weil sie alle drei aus der "Rechnerecke" gekommen seien, beschreibt Weidenbart, sei klar gewesen, "dass wir was mit Internet machen wollen". Viele Geschäftsfelder hier seien aber schon abgegrast gewesen, "bei anderen dachten wir, das hat keine Zukunft." Erst als sie eines Abends wieder beisammen saßen in Weidenbarts kleiner Wohnung am Zeitzer Neumarkt und sich die Köpfe heißredeten, kam plötzlich die Idee: "Wir sahen in unseren demoskopischen Fachunterlagen, dass wir die Alterung der Gesellschaft als Ausgangspunkt nehmen müssen."
Gestorben wird immer und immer öfter, je älter die Menschen werden, habe sein Gründerkollege Nico Röbitzsch gesagt und den Begriff "Web 0.0" erfunden. Zur Zeit sei das öffentliche Totengedenken zwar noch recht traditionell in den Tageszeitungen beheimatet. "Doch uns war klar, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird." Wenn erst die Generation Facebook anfange zu sterben, formulierten die drei Jungunternehmer in ihrem ersten Geschäftsplan, dann werde sich dieser letzte Offline-Anzeigenmarkt zweifellos ins Netz verlagern. "Unsere Antwort darauf war deathbook.net", sagt Weidenbart.
Noch in derselben Nacht reservierte das Trio den Domainnamen, innerhalb von wenigen Tagen danach wurden zahlreiche Unteradressen wie stillhere.com, ruhesanft.de und letztergruss.org auf ihre neugegründete Stilvolle Netzfriedhof GbR angemeldet, in die die drei Zeitzer jeden Cent steckten, den sie auftreiben konnten. "Wir haben sogar unsere Eltern angepumpt", erinnert sich Weidenbart, "denn irgendwie wussten wir, dass das eine Goldgrube wird."
Hoffnungen, die am Anfang nicht eintrafen. Ganz im Gegenteil: Die Goldgrube, die heute mit witziger Fernsehguerillawerbung etwa in Südamerika auf sich aufmerksam macht (Video oben - die unterlegte Ballade stammt von Nico Röbitzschs Hobbyband Death Note), wurde in den ersten Monaten zum Millionengrab. "Wir hatten zum Glück über einen Freund in Kalifornien schnell einen US-Venture-Capital-Funds von unserer Idee begeistert", erklärt der Zeitzer , der in der neugegründeten Gesellschaft Deathbook Inc freiwillig den Posten des sogenannten CEO übernahm.
Dank des quelloffenen Codes, den Deathbook verwendet, haben Programmierer aus aller Welt inzwischen Erweiterungen für alle Bedürfnisse geschrieben. Türken etwa erwarten hier virtuelle Laternenpfähle und Hauswände, an die die landestypischen Kleinanzeigen gepinnt werden können. Amerikaner können virtuelle Seebestattungen wählen, Hindus finden einen virtuellen heiligen Fluß, in dem die Toten mit virtuellem heiligen Wasser gewaschen werden, ehe sie an seinen virtuellen Ufern auf traditionelle Art mit virtuellem Holz verbrannt werden. Sogar an Trauernde jüdischen Glaubens ist gedacht - ein virtuelle Mauer erlaubt virtuelles Klagen.
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Klar, dass soviel Erfolg Begehrlichkeiten weckt. "Ja, wir hatten Anfragen von dem anderen großen Book", lächelt Heiko Weidenbart, der inzwischen mit Frau Waltraud und den beiden süßen Töchtern in Kalifornien lebt. Facebook komme es darauf an, die Onlinestandzeiten seiner Mitglieder zu erhöhen und aus dem "Jugendtopf herauszukommen" (Weidenbart). Dazu sei die Deathbook-Klientel die ideale Ergänzung, denn "unsere Mitglieder sind ja die treuesten überhaupt". Mehrere Milliarden standen als Angebot im Raum. "Aber natürlich hätte ich das Geld nicht allein bekommen", grinst der Zeitzer, der denn auch keinen Moment zögerte, die Offerte auszuschlagen. Da sei er sich mit seinen beiden Gründerpartnern und den externen Geldgebern einig gewesen. "Wir setzen auf internes Wachstum und fühlen uns da langfristig auf der sicheren Seite", sagt er.
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