Finde eine Gruppe, die klein genug ist, verzichtbar zu sein, und groß genug, den Zorn des gesamten Volkes schultern zu können. Dann kämpfe unter großem Getöse gegen diese Gruppe - und es wird dem Volk gefallen. Helmut Kohl wählte damals die Mitarbeiter der Staatssicherheit, weil in der Sozialistischen Einheitspartei zuviele DDR-Bürger Mitglied waren, die Großen rot-schwarzen und schwarz-gelben Rettungskoalitionen konzentrieren sich auf die Manager, weil sie schlecht gegen Parteien und Politiker Krieg führen konnte, die ihre Machtbasis und ihre Funktionsträger sind.
Neues Kapitel nun in der Endmoräne der großen Weltkrise, für die ein amtlicher Sündenbock noch immer gesucht wird. Derzeit haben Steuersünder die besten Chancen, für den Beinahe-Untergang der Zivilisation abschließend verantwortlich gemacht zu werden: In Deutschland konzentriert sich die Regierung mangels anderer Regierungsmöglichkeiten auf die Verfolgung von Schwarzkonteninhabern und Sozialstaatsbetrüger, in Frankreich legt Nikolas Sarkozy noch eine Schippe drauf und zelebriert wie einst sein inzwischen bei Thyssen Krupp dienender deutscher Kollege Peer Steinbrück auf offener Bühne einen Windmühlen-Kampf gegen "Steuerparadiese", der der von staatswegen ausgesaugten Mittelschicht zumindest das Gefühl geben soll, es gehe irgendwo doch noch gerecht zu in der Welt.
Sarkozy meint es selbstverständlich nicht ernst mit seiner Ankündigung, "Steueroasen" mit Hilfe von Strafsteuern und Geschäftsverboten "austrocknen" zu wollen. Ab März hebt Frankreich zwar die Quellensteuer auf Dividenden, Zinsen und Lizenzabgaben, die über Steuerparadiese fließen, von 15 auf 50 Prozent an - betroffen aber sind nur äußerst bedeutende "Finanzzentren" wie Costa Rica und Panama, Grenada, die Cook- und die Marshallinseln, Brunei und die Philippinen.
Nicht erwähnt wird hingegen der US-Steuerspar-Bundesstaat Delaware, in dem dank des 1967 beschlossenen Delaware General Corporation Law nicht nur die Hälfte aller börsennotierten US-Gesellschaften, sondern auch tausende von französischen Unternehmen ansässig sind. Allein seit 1989 wurden hier soviele Ableger französischer Mütter gegründet, dass die French-American Chamber of Commerce vor Freude gar nicht mehr an sich halten kann.
Besser als hier lassen sich Vermögenswerte auch nicht verstecken. In Delaware ist es möglich, eine Firma zu gründen, deren Inhaber aber nirgendwo anzugeben. Die Firma darf dann Eigentümer von Vermögenswerten werden, Geschäfte und Gewinne machen und in Delaware äußerst niedrige Steuern zahlen - das Heimatland der Inhaber von derzeit 850.000 Firmen erfährt davon nicht.
Ein unhaltbarer Zustand, fand Brasilien, das Delaware bereits vor zwei Jahren zum verbotenen Steuerparadies erklärte. Wird es nun richtig eng für das Steuerparadies? Plant Sarkozy einen Boykott des US-Bundesstaates, für den Vizepräsident Joe Biden im US-Senat sitzt? Kommt die französische Kavallerie? Wird sich Deutschland anschließen und die in Delaware ansässigen Tochterfirmen der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau schließen?
Eine Frage, die bisher in deutschen Qualitätsmedien nicht gestellt worden ist. Dort spielt man wie die "Hamburger Morgenpost" am liebsten die gewohnte Triole aus Recherchefaulheit, Heuchelei und Faktenferne (Bild oben): Oben eine Agenturmeldung zum "schärferen Vorgehen" gegen Steuerparadiese, drunter ein gepfefferter Kommentar gegen Steuersünder, unten drunter dann Anzeigen mit Bannerwerbung für Steuersparmodelle.
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3 Kommentare:
Wäre es denn nicht sinnvoll, wenn mon president wirklich Ernst machen wollte, a) die Kanalinseln zu entern (wir könnten da alte Experten anbieten) und b) Monaco zu besetzen ?
Aber die Technik funktioniert tatsächlich:
- Zumwinkel statt HypoRealEstate-Untersuchungsausschuß
- Goldman Sachs statt Griechenland (oder gleich die EU, mit der die "Bilanzfälschung" doch wohl abgesprochen wurde)
Interessant auch, daß "Boni", die ja wohl in der Masse in den USA gezahlt werden, als running gag jeder polit. Diskussion in D. auftauchen. Mir hat auch noch keiner erzählen können, wie man in D. "Bankster" inhaftieren will, die weit überwiegend bei polit. kontrollierten Landesbanken beschäftigt sind.
In der bisherigen Geschichte der Menschheit war es so, daß jede beliebige soziologische Gruppe (Stichprobe) ihre Neger brauchte und auch hatte.
Heute sind die dran, die vergessen haben, wo sie ihren Sparstrumpf deponiert hatten.
Morgen eine andere Gruppe. Oder erst übermogen.
Hinzu kommt, daß der Fiskus nach der Prostitution das zweitälteste anschaffende Gewerbe der Welt ist und weitaus älter als die Demokratie überhaupt leben wird.
Der Fiskus ist Gott und damit unangreifbar. Wer ihn angreift, wird das bitter büßen. Manchmal.
Insofern wundert mich das alles überhaupt nicht.
wo du recht hast
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