Einiges wäre zu sagen zum Urteil gegen den "Rußland-Deutschen" Alexander W., der die Ägypterin Marwa El-Sherbini in einem Dresdner Gerichtssaal erstach und dafür lebenslang ins Gefängnis kommt. 1980 im sibirischen Perm geboren und später nach Deutschland spätausgesiedelt, kam der Täter nie in Deutschland an: Für seine neuen Nachbarn blieb er ein Russe, so sehr er sich selbst auch danach sehnte, Deutscher sein zu können.
Viel Stoff zur Kommentierung, gerade auch vor dem Hintergrund der Tragödie um den Torsteher Robert Enke, der eine große Anpassungsleistung vollbrachte, und daran zerbrach, wie allerlei Sondersendungen berichten. Enke bestrafte sich selbst für seine Angst, Alex W. richtete seinen Hass auf die, die noch fremder in der neuen Heimat waren als er: Von Marwa El Sherbini fühlte der 28-Jährige sich zweimal provoziert, beim zweiten Mal wehrte er sich auf die einzige Weise, die ihm vorstellbar schien.
Ein Mord als Aufschrei, eine Verzweiflungstat, die sich gegen das Opfer genauso richtet wie gegen den Täter. Nicht jeder, der in der Sowjetunion aufgewachsen ist, heißt Wladimir Kaminer und versteht es, sich charmant anzupassen, ohne die eigene Herkunft zu verleugnen. Und nicht jeder, der Ausländer ersticht, ist ein deutscher Rechtsradikaler, denn die Welt ist komplizierter als sie die Schwarzweiß-Schablonen, durch die jede Kurznachrichten sich pressen lassen muss.
Die "Tagesthemen" der ARD machen deshalb kurzen Prozess mit dem schwierigen Prozess, der aus dem Ausland argwöhnisch verfolgt, im Inland von Protesten und ungeheuerlichen Forderungen an das Gericht begleitet und von der Politik mit klaren Vorgaben versehen worden war. Alex W. wird im Kommentar von Esther Schapira kurzerhand zum ganz gewöhnlichen deutschen Rechtsradikalen, zum NPD-Wähler und Moslemhasser, der getan hat, was alle die Leute tun: Morden für eine verquere, ausländerfeindliche Ideologie.
Kein Wort zur Lebensgeschichte, kein Wort zur Angst des Gerichtes, mit einer geringeren als der verhängten Höchststrafe vielleicht selbst ins Visier des militanten Islam zu geraten, keine Differenzierung, keine Einordnung, stattdessen nur platte Parolen und tiefe Befriedigung darüber, dass das Gericht ein Urteil gefunden hat, dass es der muslimischen Welt möglich macht, Deutschland nicht den Krieg zu erklären. Vom Strafrechtsziel Resozialisierung, das sonst gleich nach oder sogar gleichauf mit dem Strafrechtsziel Sühne kommt, ist nach 22.30 Uhr im ersten deutschen Fernsehen sowenig die Rede wie von der Angst der Fernsehmacher, für einen falschen Zungenschlag selbst auf die Strafbank gesetzt zu werden.
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5 Kommentare:
danke.
von welchem deutschland redet die frau eigentlich? wohne ich da auch?
Entsetzen über die schreckliche Tat ist angemessen.
Mir fallen zwei Dinge auf:
Als Schüler bin ich aufgewachsen mit Truman Capotes "Kaltblütig" und der Empörung Fortschrittlicher, daß trotz psych. Probleme die Täter zur Höchststrafe verurteilt wurden.
Bei jemandem, der aus der wohl nicht als zartbesaitet bekannten Roten Armee wg. Schizophrenie entlassen wird, hätte man sich ein bißchen mehr Mühe und weniger schnelle Aburteilung gewünscht.
Zudem werden mit der Berichterstattung die realen Verhältnisse bei Deutschen, Spätaussiedlern, arabischen und türkischen Einwanderen hinsichtlich Opfer und Tätern auf den Kopf gestellt.
Ich glaube, niemand hätte sich 1989, egal ob in BRD oder der DDR, vorstellen können, daß Polit- und Medieneliten wissentlich einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung führen würden.
Masterfrage: Wir werden sich all die Angehörigen von Opfern fühlen, denen keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde, weil sie nicht ins politische Bild paßten ?
Angst dürfte in der Tat die handlungsleitende Motivation der Presse und des Gerichts gewesen sein. Vielleicht war es aber auch eine Art Angstlust: Der Schrecken zieht magisch an.
So sind wir wohl, wir Janusköpfe.
Gisela Friedrichsen schrieb die gescheitesten Gerichtsreportagen in Deutschland.
Jetzt ist sie auf dem Islam-Trip und beteiligt sich an der Marwa-Leichenfledderei.
Bettina Wegner hat mal was dargestellt. Sehr viel sogar. Eine großartige Frau.
Jetzt ist sie zu einer „Mehr Frauen in Führungspositionen“-Trulla verkommen.
Vor 30 Jahren war ich das erste mal bei einen Konzert von Kurt Demmler. Es war gut, wirklich gut. Es war toll.
Und dann ... http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Demmler
Esther Shapira schreibt großartige Reportagen gegen den Strom (www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/esther_schapira/). Sie hatte den Mumm, Steinmeier wegen seines gemeinsamen Musizierens mit einen Schweineanbeter zu kritisieren (www.welt.de/welt_print/article1372603/Steinmeiers_Muster_Rapper.html).
Sie stellt sich gegen den islamischen Mainstream (www.hr-online.de/website/fernsehen/sendungen/index.jsp?rubrik=2712&key=standard_document_33381094), was man im Zeitalter des Kampfes gegen Islamophobie (www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/europa-der-vorurteile/) gar nicht genug würdigen kann.
Und hier bringt die einen verbalen Dünnschiss, es wird einem Angst und Bange.
Gorbatschow haben wir vorgestern durchgekaut ...
Ach so,
Was ich verbrochen habe? Ne, das sag ich nicht!
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