Samstag, 5. September 2009

Kachelkultur in Gefahr

Sein Kampf ist ein ungeheurer. Seit Jahren schon versucht der hallesche Kachel Gott beharrlich, die Innenstadt der Saalemetropole komplett neu zu verfliesen, um der früheren Diva in Grau den wohlverdienten Platz im Unesco-Weltkulturerbeverzeichnis zu erobern. Doch so emsig er auch des nachts auszieht, bewaffnet mit Leiter und Fliesenkleber, um neue Kunstwerke an die bröckelnden Fassaden zu heften, Elemente wie Stark-Regen und Schleifwind arbeiten emotionslos gegen ihn.

In der Reilsstraße, Ecke Hegelstraße, ganz in der Nähe des alternativen Hochkulturzentrums GiG, zeigen sich die entsetzlichen Folgen der Erosion in aller Pracht: Der Jubelschrei "I love Yeah", von ehrenamtlichen Fliesenforschern erst jüngst entdeckt und unserem großen deutschen Kachelverzeichnis zur Verfügung gestellt, weist schon unübersehbare Spuren von natürlichem Abrieb auf. Die Farbe, mit Herzblut aufgebracht, blättert, die Botschaft dunkelt ab, schwindet und verblasst zu einer Milchschrift, wie sie nur große Geister wie Lenin lesen können. Eile ist geboten, die die Preziosen zu bannen, auf dass sie hier in der einzigen offiziellen Kachel-Galerie erhalten bleiben: Fliesenfunde aller Art können kostenfrei an politplatschquatsch@gmail.com

gemeldet werden, jeder Fund wird von uns auf Wunsch mit einem mundnachgemalten Kunstdruck der inzwischen von Kachel-Gegnern vernichteten Ur-Fliese prämiert.

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