Angst essen Seele auf, Angst vor der Piratenpartei. Seit den miteinander im Wettbewerb um möglichst weitreichende Internet-Zensur stehenden ehemaligen Volksparteien online ein kalter Wind ins Gesicht weht, geht in den Parteizentralen die Furcht um. Was wäre, wenn die Piratenpartei über fünf Prozent käme? Deutschland wäre nicht mehr dasselbe Land, die längst ausgeknobelten Koalitionen wären nicht mehr möglich, die Zwergenpartei der Generation Websperre säße am Schalter, der CDU, FDP, Grünen, Linken und SPD die Macht an- oder auch abschalten könnte.
Ein Ruderwettbewerb in die andere Richtung hat eingesetzt: Wo sich führende und geführte Politiker von SPD, Grünen und CDU eben noch mit neuen bizarren Ideen überboten, wie der "Schmutz" (Brigitte Zypries) und "Schund" (Walter Ulbricht) möglichst rückstandsfrei und unter Abschaffung aller Grundrechte aus dem Internet gefegt werden könne, wird jetzt zurückgeheuchelt, ohne rot zu werden.
„Wir wollen keine Zensurbehörde für das Netz etablieren“, flunkert Brigitte "Schmutz" Zypries jetzt in der „Berliner Zeitung“ - 13 Tage, nachdem nämliche Zensurbehörde von den Regierungsparteien der Nationalen Front mit dem Beschluß über das "Zugangserschwerungsgesetz", das eigentlich ein Seitenausblendungsgesetz ist, gemeinsam gegründet worden ist.
Den Zugang zu sperren, dürfe bei Kinderpornografie nur ein Hilfsmittel sein, wenn das Löschen nicht gelinge. „Wir müssen eine grundsätzliche Debatte führen, wie wir den Strafanspruch des Staates im Netz effektiv durchsetzen können, aber genauso sicherstellen, dass die Privatsphäre und das Recht auf freie Meinungsäußerung gesichert sind“, orgelt die als Justizministerin dilletierende Sozialdemokratin, die der Meinung ist: „Was offline verboten ist, ist auch online verboten.“
Offline verboten in Deutschland ist beispielsweise die Verbreitung von Glücksspielwerbung. Die Nationale Front hat das vor anderthalb Jahren unter der nachlässigen Tarnung des "Kampfes gegen die Glücksspielsucht" beschlossen, um die staatlichen Einnahmen aus Lottospiel und Wettgeschäft zu sichern. Inter Mailand darf deshalb in München keine Brustwerbung für bwin tragen, die Behörden in Magdeburg ermittelten nach einem Freundschaftsspiel gar gegen Werder Bremen, das den verbotenen Schriftzug auf dem Spielfeld spazieren geführt hatte.
Das ZDF aber liefert beim Auswärtsspiel der deutschen Nationalmannschaft in Baku den Beweis, dass im Fernsehen erlaubt ist, was im richtigen Leben strafbar wäre: 90 Minuten lang flimmert bwin-Werbung ungehindert in deutsche Wohnzimmer, ausgestrahlt vom Staatssender. Die Bezahlung für die untersagte Werbung kassiert mit dem DFB der größte Sportverband des Landes, die Bundesjustizministerin sitzt bequem daheim in ihrem Fernsehsessel und schaut dem ungesetzlichen Tun vergnügt zu wie tausende Staatsanwälte, Richter, Mitarbeiter der Ordnungsbehörden und Polizisten.
Was das Internet betrifft sei die Strafverfolgung in der Praxis "etwa dann schwierig, wenn strafbare Inhalte auf ausländischen Servern liegen". Lagen sie hier nicht.
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8 Kommentare:
Jetzt mal Spass beiseite: Für ein Ergebnis von fünf Prozent bei einer Bundestagswahl sind rund 2,5 Millionen Stimmen notwendig. Bei der Europawahl hatten die Piraten knapp 230.000 Stimmen und dabei noch den Bonus, dass Europawahlen auch stark als Protestwahl genutzt werden.
als gedankenspiel ist das doch aber erlaubt?
Aber klar! Ich sehe bloss keine Anzeichen dafür, dass die Piraten mit einem grösseren Zulauf zu rechnen hätten über ihre Wählerbasis der Europawahl hinaus, sondern rechne sogar eher noch mit dem Gegenteil, da bei einer Bundestagswahl etablierte Parteien immer eine bessere Chance haben (und die Querelen um die Abgrenzung nach rechts haben zudem innerhalb der Wählerbasis ein Übriges getan). Von daher dürften die Piraten realistisch betrachtet eher irgendwo zwischen der Familienpartei, der Tierschutzpartei und den Bibeltreuen Christen rangieren...
Oder siehst du irgendwo massigen Zulauf?
Das läßt sich doch leicht ändern! Bevor ich den Linken zwei Proteststimmen gebe, hundertmal lieber den Piraten, den die 'Partei der Vernunft' tritt erst 2013 an, außer der Deutsche Bundestag wird vorher aufgelöst.
Hans Kolpak
bloggt mit Links alles, was recht ist
und kommentiert zu recht Alles, was link ist.
Sollten - wider Erwarten - "Piraten" in irgendein Parlament (Bund oder Land) einziehen, werden sie realo-isiert.
ME gibt es drei "Stoßrichtungen": Was für´s Volk (Kinderporno), Terror und "rechts".
Eines der Themen wird ziehen, auch bei Piraten.
Ansonsten haben wir den Schill-Effekt: Als GEWALT beim Hamburger Wahlkampf auftauchte, wurde versucht einzudämmen und Innensenator Scholz sollte den Noske machen. Da hat Eindämmung aber nicht mehr funktioniert und so mußten die Schillianer nachfolgend platt gemacht werden.
Die Piraten werden überschätzt, weil sie "medienrelevanter" sind. Schon die Blogger-Diskussion über "chinesischen Mörder" hat doch politisch keine Sau interessiert.
da habt ihr sicherlich durchweg recht. die wirkung liegt deshalb ja auch in der furcht vor ihr, also vor der möglichkeit, dass ihr nicht recht habt. denn wahrscheinlichkeiten sind das eine, der wähler als rätselhaftes wesen ist das andere.
warum wohl versuchen plötzlich alle, auf der piratenflanke etwas einzufangen? weil sie meinen, es laufe ihnen da etwas weg, weil diese ganze "bewegung", so man denn von einer sprechen kann, ihnen eine black box ist, von der sich nicht wissen, wie ernst sie genommen werden muss.
das ist der effekt, der etwas verändert, wenn es natürlich auch nicht systemrelevant ist.
im übrigen: würde die piratenpartei - auch wider mein erwarten - wirklich in parlamente einziehen, würde sie zwangsläufig enden wie alle anderen, denen das gelungen ist, das sehe ich genauso.
Es geht doch um Glaubwürdigkeit.
Der Piratenpartei glaube ich, dass sie gegen Netzsperren ist.
Ich suche vergebens bei den anderen Parteien nach etwas Glaubwürdigem.
Also wähle ich Piratenpartei.
aber das monothematisch ist, auch wenn es glaubwürdig ist, kein rezept, ein land zu regieren. vorteil der piratenprtei ist: die anderen partein haben auch keins
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