Diesmal werden sie wieder alle da sein. Die Minister, die Oberbürgermeister, die Beigeordneten und die Leute, die eigentlich nur einen Kasten Bier kaufen wollten, dann aber eine Eintrittskarte dazubekamen. Finale totale in der Regionalliga Nord, Hallescher FC gegen VFC Plauen: Zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten hat der Klub aus der Saalestadt die zumindest theoretische Chance, in den bezahlten Fußball zurückkehren zu können, aus dem er 1992 nach einer desaströsen Rückrunde in der 2. Bundesliga herausgefallen war.
Der Sturz ging tiefer als bei den meisten anderen ehemaligen DDR-Oberliga-Konkurrenten. Länger als ein Jahrzehnt spielte der einstige Europacup-Teilnehmer Oberliga, ein halbes sogar Verbandsliga. Auf den Rängen des bröckligen Kurt-Wabbel-Stadions verloren sich zeitweise 300 oder 400 Menschen, im Kader standen anderswo gescheiterte Kicker neben eigenen Nachwuchsleuten, auf der Bank nahmen nacheinander engagierte Neulinge, alte Haudegen, Alkoholiker und russische Charismatiker Platz.
Es interessierte niemanden. Während andere Städte sich Stadien bauten, Oberbürgermeister Vereinsvorsitze übernahmen, ungedeckte Schecks ausstellten und Stadträte Bürgschaften übernahmen, um ihre Vereine zu retten, schleppten sich die Rot-Weißen mühsam durch die Fußballebene. Mal ging es nach Pößneck, mal nach Aschersleben. Erst als der Aufstieg in die Regionalliga vor einem Jahr endlich glückte, war die Prominenz zur Stelle: Alle waren sie nun tief, tief in ihren Herzen schon immer immer immer ganz ganz dolle HFC-Fans gewesen. Nur der Dienst am Volk hatte die FDP-Vorständlerin, den CDU-Stadtrat, die SPD-Oberbürgermeisterin und den SPD-Finanzminister stets daran gehindert, auch mal einer der vielen, vielen langweilig heruntergespielten Niederlagen gegen Fußballgrößen wie Neugersdorf oder Meuselwitz beizuwohnen.
Doch wo der Erfolg wohnt, da zieht jeder gern ein. Und so werden sie denn morgen, zum Schicksalsspiel der Saison, alle zugegen sein: Die Leute, die es ein Jahrzehnt lang geschafft haben, keine Hand zu rühren für ein neues Stadion. Die Leute, die einen kleinen Verein vom Zoo zum "bürgerlichen" Aushängeschild des halleschen Fußballs machen wollen, und dabei Millionen verschwendeten. Die Leute, die den HFC vor einiger Zeit noch am liebsten auflösen und seine Fans in von den Stadtwerken durchgeführten Sommercamps zu Eishockey-Anhängern umerziehen wollten. Sie werden feixen und die Patschhände aneinanderhauen, sie werden ein Sektchen trinken und fragen, welche unsere sind, sie werden sich flüsternd nach Spielernamen erkundigen und sich wie alle Jahre wieder die Abseitsregel erklären lassen.
Aber es wird egal sein. Ausgerechnet in dem Jahr, in dem der 20. Jahrestag des Mauerfalls gefeiert wird, indem erstmals keine frühere DDR-Oberliga-Mannschaft mehr in der 1. Bundesliga spielt, braucht die Mannschaft von Trainer Sven Köhler einen Sieg gegen den abstiegsbedrohten VFC Plauen und dazu einen Punktverlust von Kiel im Nordderby gegen Lübeck. Eine Band namens "Two Riders", angeführt von einem ältlichen Sänger, der früher sogar mal einen Hit namens "Nacht aus schwarzem Samt" landen konnte, hat extra eine Art Lied geschrieben, das "Boom Boom HFC" heißt und klingt, als hätte es Dieter Bohlen im Delirium erbrochen. Kommt alles, wie es hier in der Regel ganz am Ende kommt, dann wird die debile Hymne ein Hit und dem HFC fehlen drei Tore zum Aufstieg. Aber andersherum wäre es natürlich viel schöner.
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1 Kommentar:
Es gab schonmal ein Jahr Bundesliga ohne Vertreter aus der DDR-Oberliga. Das dürfte vor 3 Jahren gewesen sein. Aber ich weiß nicht, ob das schlimmer ist, als FC Energie Osteuropa zum alleinigen Vertreter aller Ostklubs hochzusterilisieren.
Drücke dem HFC heut die Daumen, Kiel ist mir zum Hinfahren zu weit. ;)
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