Normale Menschen, überfordert schon vom Sauberhalten der eigenen Küche, regelmäßigem Blumengießen und mittenrein geschobenen Auswärtsaufenthalten zur Sicherung des Broterwerbs, stauenn still und schüchtern. Wie schafft der Mann das nur? Hitler, jüngst 120 Jahre alt geworden, sendet auf allen Kanälen, gibt Interviews in allen Magazinen. Das Nachmittagsprogramm bei n-tv bestreitet der ehemalige Führer und Reichskanzler schon seit Jahren fast vollständig allein. Er erzählt dann von seinen Abenteuern im Osten oder seinen Verbrechen beim Judenmord, seine Panzer fahren unwiderstehlich Böschungen hoch und wieder runter, "deutsche Ingeneurtechnik" brummt es zufrieden in der Fangemeinde vor den Bildschirmen, die nach Ende der aktuellen Episode "Hitler und seine Kochrezepte" bruchlos zu Phoenix, 3sat oder ZDF Doku wechseln kann, wo es sofort weitegeht mit "Hitler und seine Schulfreunde" oder "Hitler - was lief da mit Speer?".
Der "Spiegel", ehemals ein aktuelles Nachrichtenmagazin, heute eine regelmäßig erscheinende Volkshochschulbegleitlektüre für Geschichtsinteressierte, hat den neuen Gröpaz (Größter Popstar aller Zeiten) mitgeschaffen. Regelmäßig hebt die Hamburger Illustrierte der Jahrhundertverbrecher auf den Titel, denn Hitler und die Vergangenheit sind ein sicherer Kaufanreiz, je länger her, je lieber. Im Windschatten machen alle mit, Aufarbeitung tut - mehr als sechs Jahrzehnte nach dem Ende des 3. Reiches - mehr not denn je. Google Timeline, ein Analyseinstrument, das unbestechlich zeigt, was deutsche Medien an Wirklichkeit produzieren, zeigt Adolf Hitler im Krisenjahr 2009 im größten Boom seiner langen Karriere. Nie war er so wertvoll wie heute. Diese Woche in "Hitlers langem Schatten" (Spiegeltitel 2001):
"Hitlers europäische Helfer beim Judenmord". Wir sind gespannt auf "Hitler und die Indianer", "Heiße Liebesnächte mit Hitler - Die Eva-Braun-Tagebücher", "Hitlers Osterbräuche" und "Adolf und die Außerirdischen".
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4 Kommentare:
Wir alle brauchen unsere tägliche Portion Teufel!
Man muß diese "Spiegel"-Obsession medienpsychisch begreifen. Im Grunde hält sich der "Spiegel" für den klugen Warner, der die Katastrophe (ganz gleich, welche) immer kommen gesehen hat, wenn auch nur im nachhinein.
Schwierig wird es nur bei Hitler, der ja weg war, bevor der "Spiegel" vor ihm warnen konnte. Jede Führer-Titelgeschichte ist letztlich ein Echo dieses Makels der späten Mediengeburt.
Die dauerhafte Flucht des SPIEGEL vor aktuellen Titelthemen ist und bleibt eine Schande. Was hat dieses Blatt früher bewegen können und auch bewegt. Was bleibt ist eine rotumrandete papierne Spritzpistole.
das habt ihr alle sehr schön analysiert. hate der spiegel eigentlich schon mal eine titelgeschichte über sich selbst?
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