Dass Fernsehkommentatoren und Radiomoderatoren ihr erwachsenes Publikum ansprechen, als hätten sie es mit minderbemittelten Siebenjährigen zu tun, denen ganz vorsichtig erklärt werden muss, dass Herdplatten heiß und fremde Männer in dunklen Autos böse sind, daran ist der Durchschnittsdeutsche nach Jahren der Übung gewohnt. Gern ruft er an, wenn ihn sein Lieblingssender fragt, ob die Stelle im Krankenhaus, an der operiert werde, "OP" oder OK" heißt. Geduldig hört er zu, wenn ihm der "Tagesschau"-Sprecher tagtäglich neu verrät, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin und Chefin der CDU ist. Viele ahnten es, manche hatten schon davon gehört. Aber gut, es nochmal amtlich bestätigt zu bekommen.
In diesem kindergärtnernden Stil lässt sich aber noch viel mehr über die Rampe bringen. Vielleicht, so mag die Hoffnung beim ZDF gewesen sein, muss das gesamte Programm auf das Niveau zurückgeschnitten werden, das es erlaubt, Fragen wie "OP" oder "OK" zur Abstimmung zu stellen.
Einen ersten Schritt in die richtige Richtung hat der zweite deutsche Staatssender mit seinem Party-Beitrag "Baby Bundesrepublik" gemacht. In diesem "besonderen Programmschwerpunkt" (ZDF) zu den "Feierlichkeiten anläßlich des 60. Jubiläums der Veranschiedung des Grundgesetzes" nahmen die Fernsehmacher um Jörg Müllner ihr Publikum sachte bei der Hand und führten es wie kleine lobotomierte Kinder durch die sogenannte "Primetime".
"Wie unsere Demokratie laufen lernte" heißt die Sendung zur Volkserzeihung im Untertitel, und wie bei jeder großen Chartshow sind ein paar Prominente "am Start" (DJ Bobo), um die ganzen Vorteile der gewählten Hits aus ganz persönliche rSichtzu erklären. Mit der deutschen Stimme von Privatdetektiv Thomas Magnum beschreibt "Müllner in 45 Minuten die Entstehung der BRD auch mit ihren Schattenseiten: die Überwachung der westdeutschen Staatsgründer durch die Alliierten; die Kritik an der in Kauf genommenen Vertiefung der Teilung in West und Ost; den Verdacht, Bonn sei mithilfe von Schmiergeldern zur Hauptstadt ernannt worden", wie die Nordsee-Zeitung
hochkritisch anmerkt.
Eine feine Sache aber ist die Fernsehlektion Demokratie für Lobotomierte dennoch. "Namhafte Frauen und Männer, welche die ersten Gehversuche des "Babys" Bundesrepublik in Richtung Demokratie miterlebten", orgelt die Nordsee-Zeitung würdevoll, "erinnern sich an ihre Hoffnungen und Zweifel: Die Autorität des späteren Kanzlers Helmut Schmidt darf da ebenso wenig fehlen wie die scharfe Zunge von Dieter Hildebrandt."
Wer fehlt sonst noch? Na klar, Egon Bahr! Hanna Renate Laurien! Hans-Dietrich Genscher! Hellmuth Karasek! Hildegard Hamm-Brücher! Die unentwegt und bis in alle Ewigkeit als "Grande Dame ruft der Nation" anzukündigende "Grande Dame der Nation" nutzt die Gelegenheit, dem Volke draußen an den Volksempfängern "unermüdlich aufmunternd" (Nordsee-Zeitung) zuzurufen: "Ohne Bürgerinnen und Bürger gibt es keine Demokratie - das sind wir alle!"
Gute Frage, ZDF! Die richtige Antwort, wir dürfen es hier schon verraten, noch ehe der Bundesrat darüber abgestimmt hat, ist natürlich OK!!!!
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