Dienstag, 31. März 2009
Selbst der Tod war toll
Ach, wie schön war doch die Zeit, als Erich Honecker für das Wohl des Volkes sorgte und Erich Mielke für seine Sicherheit. Niemand weiß heute noch, wer Gesundheitsminister der DDR war, aber dass der Mann, der auch eine Frau gewesen sein kann, wunderbare Arbeit abgeliefert hat, das weiß jeder. Ach, wäre es doch nur heute noch genau so schön!
Nach einer aktuellen dimap-Studie im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung wünscht sich jeder zweite von 3000 Befragten das zurück, was er für die Vorzüge der 1989 kollabierten DDR hält. Ganz vorn bei den guten Wünschen: Das Gesundheitswesen. Rund 40 Prozent der befragten West- und 84 Prozent der Ostdeutschen halten jedenfalls Krankenhäuser und Kliniken der DDR für eine Errungenschaft, die „hätte bewahrt werden sollen“. Die vielen, vielen schönen Polykliniken, in denen der Patient nur zwischen sechs und sieben Stunden auf die Behandlung eines Augenarztes warten musste! Heute bekommt er keinen Termin - damals auch nciht, heute aber empört ihn das, damals fand er es normal. Gab ja auch keine dimap-Studienleiter, die was anderes wissen wollten.
Dafür ging man unter sozialistischen Ärzten noch gern ins Krankenhaus. Eine Meniskusoperation etwa dauerte sechs Wochen mit Streckbett und sieben Leuten im Zimmer, Besuchszeit zweimal die Woche zwei Stunden. 1989 lag das Durchschnittsalter der Krankenhaus-Bausubstanz bei 60 Jahren. Da die DDR selbst nur 40 Jahre existierte, lässt sich denken, das es Hitlers Lazarette waren, die hier verbraucht wurden zum Wohl der Volksgesundheit. In jedem Großbetrieb gab es eine eigene medizinische Abteilung - im Buna-Werk zum Beispiel war die vor allem dazu da, die jenseits aller Uno-Vorgaben liegenden Quecksilberwerte im Blut der Aldehydarbeiter zu überwachen und die Staublungen der Karbid-Kumpels im Auge zu behalten.
Stiegen die Werte selbst noch über die Phantasiegrenzen, die das Politbüro nach Vorgaben der Produktionsanlagen gezogen hatten, gab es keine Behandlung, sondern eine bezahlte Zwangspause für den Betroffenen. Er durfte wieder Schichten machen, sobald die Werte unter die Grenze des langfristig tödlichen gefallen waren.
Es waren sozialistische Ärzte, die das verantworten wollten - und die heute dafür gefeuiert werden. Wie wenig neu gebaut und wie viel über die Verschleißgrenze heruntergewirtschaftet wurde, schreibt die "Welt": Die durchschnittliche Bettenauslastung in DDR-Krankenhäusern sank zwischen 1966 und 1988 von 81,3 auf 75 Prozent – weil Bauschäden vielerorts eine Belegung unmöglich machten, und weil ständig Personal fehlte. Auch die Zahl der Krankenhausbetten stieg in der DDR nicht, sie verringerte sich: Von 206 000 im Jahr 1965 auf 169 000 Mitte der 80er-Jahre.
Wer chronisch erkrankt war, hatte schlechte Aussichten: In der DDR standen in den 80er-Jahren nur 200 Behandlungsplätze für Nierendialyse pro eine Million Einwohner zur Verfügung – in der Bundesrepublik waren es mit 510 mehr als doppelt so viele. In Alten- und Pflegeheimen herrschte in aller Regel ein noch größerer Mangel, denn dort wurden schließlich nicht Werktätige wieder fit gemacht, sondern aus Staatssicht nutzlose Rentner bis zum Tod aufbewahrt. Die über 65-Jährigen durften anders als der Rest der DDR-Bevölkerung frei reisen – und sollten nach Möglichkeit gleich ganz den Wohnsitz wechseln und die Rentenkasse des Klassenfeindes belasten. Für die übrigen reimte der böse DDR-Volksmund: „Ein guter Sozialist / springt mit 65 in die Kist.“
An kaum einer statistischen Größe lässt sich die Qualität eines Gesundheitswesens so gut messen wie an der durchschnittlichen Lebenserwartung. Die lag in den 80er-Jahren in der DDR je nach Altersgruppe zwischen 1,3 und 3 Jahren unter der des Westens. An der Umweltverschmutzung lag es nicht, dass die Menschen im Sozialismus früher starben, jedenfalls nicht ausschließlich: Im stark industrialisierten Süden der DDR lebten die Menschen im Schnitt 73,23, im stark landwirtschaftlich geprägten Norden nur 72,12 Jahre. Grund für das Frühableben war offenbar eher die außerordentlich dürftige medizinische Versorgung in der dünn besiedelten Provinz. Ob im Norden oder Süden – erst nach 1990 stieg das durchschnittliche Lebensalter der Ostdeutschen langsam auf West-Niveau.
Das gilt denen, die heute auf ihm leben, nun schon als so schrecklich, dass sie zurückwollen zu dem, nach dem sie vor 20 Jahren nicht mehr zu leben können glaubten. Seinerzeit, ja, da war der Tod sogar toill! Man starb gern im großen Gruppenzimmer auf der Nierenstation. Der Mensch, ein Wunderwesen. Immer krank, irgendwie.
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3 Kommentare:
Kaum vorstellbar, das dieses von den ehemaligen DDR-Bürger überlebt werden konnte!
Jetzt ist aLLes besser.
Ludwig Mecklinger - jedenfalls den wesentlichen Teil der Zeit.
rein rechnerisch sind aber die meisten tot, etwa ein zwei drittel ist während der ddr-zeit gestorben, ein drittel danach. so gesehen war es gesünder in der ddr
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