Langsam reimt sich zusammen, was in Fürstenzell passierte, nachdem der Polizei-Chef Alois Mannichl von einem oder mehreren Unbekannten niedergestochen worden war. Nachdem die"Süddeutsche Zeitung" die seit Wochen in allerlei Blogs und Foren ausdauernd diskutierten "Ungereimtheiten" (SZ) nach einem Monat bangem Hoffen auf die Ergreifung des vorhergesagten rechtsextremen Attentäters in einem Beitrag zusammenschrieb, legt nun der "Stern" nach.
Die Geschichte, die zur Ergreifung und zwischenzeitlichen Verhaftung eines rechtsextremen Ehepaars aus Bayern führte, ist nun gehalten, den Glauben an den Rechtsstaat in einem Maße zu erschüttern, das selbst Menschen, die in der DDR und mit der Stasi aufgewachsen sind, bis vor kurzem undenkbar schien.
Was war, laut Stern, geschehen? Eine ältere Dame hatte am Tattag auf dem Friedhof von Fürstenzell einen Mann und eine Frau gesehen, die sie dort vorher noch nie gesehen hatte. Der Mann trug eine Kreuztätowierung im Gesicht und eine schwarze Jacke mit weißem Aufnäher, eine ebensolche Jacke trug die Frau.
Später sah die 58-Jährige das Paar noch einmal - vor einem als rechter Treffpunkt bekannten Café unterhielten beide sich mit einem anderen Mann, der eine Schlangentätowierung im Gesicht trug. In einem Auto in der Nähe saß ein dritter Mann mit Pferdeschwanzfrisur, der der späteren Zeugin mit einer Hand ein Victory-Zeichen zeigte.
Als die Frau, vom "Stern" Magda Kaiser genannt, vom Attentat auf Mannichl hörte, schöpfte sie Verdacht. Und rief die Polizei an. Am nächsten Tag wurden der Mann mit dem Pferdeschwanz und seine Frau verhaftet. Magda Kaiser erkannte den Verhafteten auf einem Bild wieder. Ja, diesen Mann hatte sie vor dem Café in Fürstenzell gesehen.
"Die Art einer möglichen Tatbeteiligung wird geprüft", hieß es daraufhin bei der Polizei, die wenig später einen Fahndungsaufruf nach dem Schlangenmann und dem Kreuztätowierten auslöste.
Erstaunlicherweise, denn welche Hinweise auf eine Tatbeteiligung deuten, vermag auch der Stern-Beitrag nicht zu erklären, der das deshalb auch gar nicht erst versucht. Das rechte Paar war vor dem Café. Dort aber war Mannichl nicht. Es wurde zusammen mit einem Mann gesehen, der vorher auf dem Friedhof gewesen sein könnte. Dort aber war Mannichl auch nicht. Und der Kreuztätowierte sprach mit dem Schlangenmann. Der auch nicht bei Mannichl gesehen wurde.
Was haben wir also? Eine Zeugin hat an zwei Orten vier Leute gesehen, zwei davon waren reich tätowiert, sind aber nirgendwo anders und seitdem nicht mehr gesehen worden. Die beiden anderen sind als Rechtsextreme bekannt, was nach landläufiger Rechtssprechung allein noch kein Verbrechen ist, nicht einmal, wenn man im Auto sitzt, das Victory-Zeichen macht oder in aller Öffentlichkeit Gespräche mit Tätowierten führt.
Irgendwas verpaßt? Irgendwas vergessen? Irgendwo muss doch ein Haftgrund gefunden worden sein? Immerhin ging es um mögliche "Beihilfe" zum versuchten Mord.
Der "Stern" schreibt richtig: "Die vorläufige Festnahme musste von einem Haftrichter überprüft werden. Deshalb wurde Magda Kaiser von einer Beamtin zu einem Psychologen nach Regensburg gebracht. Er testete ihre Glaubwürdigkeit auch unter Hypnose. Das Ergebnis war positiv."
Die Polizei glaubte Marga Kaiser also, dass sie einen bekannten Rechtsextremisten im Auto gesehen hatte. Aber ist das neuerdings ein Haftgrund? Werden demnächst alle Menschen verhaftet, die von Marga Kaiser gesehen worden sind? Oder alle, die von Zeugen, die Verdacht geschöpft haben, auf Friedhofen erwischt wurden, auf denen sie vorher noch nie waren? Darf man künftig noch Friedhöfe besuchen, die man noch nie besucht hat? Zu zweit und in schwarzen Jacken? Tätowiert vielleicht sogar?
Wenigstens rechtfertigen die weiteren Ereignisse das fabelhafte Näschen der Miss Marple aus Fürstenzell: Nachdem die Polizei die Fahndungsbilder der beiden von ihr beschriebenen Tätowierten veröffentlicht hatte, schreibt der "Stern" weiter, habe Magda Kaiser nämlich "unliebsamen Besuch" erhalten. Abends um 23.30 Uhr, die wichtige Zeugin brachte gerade ihre Katze vors Haus, packte sie vor ihrer Haustür plötzlich "ein großer Mann grob mit seiner behandschuhten Hand an Kinn und Hals und drohte: Schönen Gruß vom Chef: Zieh Deine Aussage zurück, sonst passiert was." (Stern) Danach sei er "wieder im Dunkeln verschwunden" und "mit einem bereitstehenden Auto" geflüchtet. Leider etwas zu schnell, er hatte die üblichen "Grüße vom Nationalen Widerstand" ganz vergessen.
Parole Räuberpistole: Der Polizei beschrieb die offenbar kühler als Alois Mannichl beobachtende Hobby-Detektivin den Täter als etwa 1,90 Meter großen, über 30 Jahre alten Glatzkopf mit Vollmondgesicht. Der Mann habe keine Augenbrauen gehabt; er trug schwarze Jacke, dazu Handschuhe und Springerstiefel. Das ähnelt der Beschreibung, die Alois Mannichl nach Medienberichten von dem Messerstecher gab, ist allerdings wie jede fortgeschriebene Geschichte viel detaillierter.
Vor allem die Springerstiefel sieht man wohl gut, wenn einem ein 1,90-Riese die Kehle zudrückt.
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2 Kommentare:
Herrlich geschriebener Klartext!
Liest sich prima. Ich denke, das Zeug hat den Stoff, von der ARD verfilmt zu werden. "Ein Mann sieht Schlangen" oder "12.30 Uhr Passau" oder ....
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