Nichts ist wirklich neu in der Welt, weder der kalte Winter noch die staatstheaterreifen Stücke, mit denen deutsche Massenmedien um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlen. Immer schneller, immmer höher oder tiefer, immer grausamer und erschröcklicher müssen die Meldungen sein, die das Volk bei der längst laveden Stange halten sollen.
Eine Wirtschaftskrise, die nicht die erste ist und nicht die letzte bleiben wird, findet sich ausgerufen zur allesbeendenden Apokalypse. Ein Winter mit Schnee und Minusgraden wird zum Menetekel für den kommenden Jüngsten Klimatag, ein Messerattentat auf einen Provinzpolizeichef führt zu hektischen Bemühungen, eine ganze strohdumme Weltsicht zu verbieten. Rettungspakete werden im Minutentakt geschnürt, Polizeifahnder sammeln aufgeweichte Zigarettenkippen aus dem Schnee, um einen grüntätowierten Unhold zu fassen, Gerichte verbieten das Mitführen von Lebkuchen zu einer Demonstration und die Vollversammlung der Chefredaktionen ruft den Höchststand an "rechtsextremen Straftaten" aus,wo ein Blick ins Archiv gereicht hätte, um zu zeigen, dass es bis zu diesem Höchststand noch ein ganzes Stück Weges ist.
Eine Welt der Rekorde, eine Welt des Irrwitzes, eine Welt nicht vor dem Ende, aber kurz vor dem Ende der Vernunft, die geschichtserfahrere Beobachter wohlig-warm erinnert an das letzte Zeitalter, das mit fantastisch zusammenfabulierten Schlagzeilen zu Ende ging: Geschichten aus der alten Zeit, als die Arbeiter und Bauern noch herrschten, neu erzählt für ein junges Publikum.
Damals also, vor 20 Jahren, die Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik war gerade dabei, aus dem Urlaub in Ungarn nicht zurückzukehren an den Arbeitsplatz, obwohl der doch ein Kampfplatz für den Frieden war, damals also druckte das DDR-Staatsorgan Neues Deutschland eines Tages im September eine ganzseitige Dokumentation, die den stabsmäßig organisierten Menschenhandel durch die Bundesrepublik aufdeckte. Unter der Überschrift „Ich habe erlebt, wie BRD-Bürger gemacht werden“ enthüllte der Mitropa-Koch Hartmut Ferworn, "Mitglied der SED, glücklich verheiratet, drei Kinder" (ND), wie er aus dem geliebten Vaterland DDR nach Wien entführt worden war. Unbekannte betäuben den Arglosen mit einer Menthol-Zigarette, „professionelle Menschenhändler“ wollen ihn dann in den Westen verschleppen. So, das ist nun klar, verschwinden also die vielen, vielen Menschen aus der DDR Richtung Westen. Sie gehen nicht freiwillig. Nein, sie werden geholt.
Wie es weitergeht, ist klar, denn so geht es immer weiter. In der Nachdrehe zum Bericht veröffentlicht das SED-Parteiblatt dreispaltig empörte Lesermeinungen, die DDR-Fernsehsendung „Objektiv“ im DDR-Fernsehen am gleichen Abend wäscht scharf nach. Eine irrsinnige, durch keinen Beweis und keinen Fakt befeuerte Medienkampagne läuft, die nur die, die sie miterleben durften, an all die irrsinnigen, durch keinen Beweis und keinen Fakt befeuerten Medienkampagnen erinnert, die heute fröhlich und gänzlich sinnfrei durch die Gegend rollen: Das Land hält sich den Bauch vor Lachen über den Unsinn, der ihm als Wahrheit verkauft werden soll.
Aber wie ein guter Skispringer bleiben die Staatsmedien in der Vorhalte, so nah der Hang auch rückt. Natürlich war es ein mit grünen Schlangen tätowierter Rechtsradikaler. Natürlich ist Eiseskälte wie 1929 anno 2009 nur möglich, weil sich das Klima erwärmt hat. Natürlich kann die Polizei in der Skijacke von Thüringens MP Althaus durch den Zusammenprall mit einer anderen Skifahrerin verursachte "Temperaturunterschiede" feststellen, die ihr "den Aufprallwinkel" verraten. Und natürlich garantiert Angela Merkel mit ihrem ganzen Gehalt plus Zulagen die Spareinlagen von 80 Millionen Deutschen.
Das glaube wer will, aber viele, viele, viele wollen ja. Wo steht der nächste Schwachsinn? Ist Eva Herman doch Eva Braun? Das Neue Deutschland braucht seinerzeit anderthalb Monate, ehe es am 3. November 1989 „in eigener Sache“ eine Entschuldigung druckt, knirschend. Am 5. Januar 1990 schließlich folgt der endgültige Rückzug: Hartmut Ferworn zieht seine Darstellung zurück. Alles war gelogen. Schade, denn das wissen die meisten schon seit dem ersten Tag.
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1 Kommentar:
großartig. damit ist zum aktuellen geschehen in unserer mickey-mouse-republik alles gesagt.
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