Vor längerer Zeit bereits war PPQ in einer vielbeachteten Untersuchung der wachsenden Bedeutung des Wortes "gilt"
auf den Grund gegangen. "Gilt" gilt medial immer dann als erste Wahl, wenn es die "Fakten, Fakten, Fakten" (Focus) eine Behauptung nur eingeschränkt stützen - dann ist ein Star nicht der erfolgreichste seit der Erfindung des Absatzschuhs, sondern er "gilt" als solcher, ein Politiker etwa ist nicht der Machtmensch in seiner Fraktion, sondern er "gilt" als jener und selbst die Geschwindigkeit eines schnellen Autos kann ohne Nachmessung zur höchsten aller Zeiten erklärt werden - so lange nicht gesagt wird, es sei das schnellste, sondern es "gelte" als dieses.
"Gilt" aber ist in Zeiten der sprachlichen Unschärfe nicht mehr allein unterwegs, Behauptungen und Annahmen zu Wahrheiten zu erklären. Ihm assistieren "scheinen" und "scheinbar", "offenbar" und "scheint", vier selbstrückversichernde Lügen, deren Gebrauch inflationäre Züge angenommen hat. Wo Wahrheit Ansichtssache ist und das Publikum nicht mit unbequemem Wissen behelligt werden soll, für das es sich ohnehin nicht interessiert, spricht der Schwamm die passende Sprache: Oben in der Grafik findet sich die Häufigkeitsverteilung der Verwendung der Begriffe "gilt", "gelten", "scheinbar", "scheinen" und "scheint" (von oben) in den Jahren 1985 bis 2009 in deutschen Medien nach den Zahlen von Google Timeline. Scheint offenbar als Trend zu gelten.
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