Ein Treffen der von sich selbst überraschten Giganten, ein Spitzenspiel der schärfsten Maurertruppen der Regionalliga. Babelsberg, eins unter dem lächerlichen Namen "Babelszwerge" bis in die Zweite Liga gescheitert, gegen den Halleschen FC, der früher mal, die älteren seiner Fans erinnern sich wage, Europapokal spielte.
Mittwoch spielen sie nur manchmal, hier im Fußball-Unterhaus, und wenn, dann gleich um 18 Uhr, damit die, die noch Arbeit haben in Sachsen-Anhalt und im Speckgürtel um Berlin, gar nicht erst anreisen müssen. Zum Glück gibt es live-Übertragungen nicht nur bei Premiere, sondern auch im Videotext. Dort steht es dann viel zu früh 1:0 für den HFC. 70 Minuten weren die das nie halten. Der MDR, der die Grundversorgung Mitteldeutschlands mit Fußballnachrichten aus Potsdam sicherstellt, berichtet von anrennenden Babelsbergern und einem HFC, der in Person des Torwarts Horvath wie allein auf der Wacht steht und die Bälle fortfaustet.
Es ist das erwartet schwere, aber - aus der Ferne nicht gesehen - nicht das erwartet langweilige Spiel zweier Mannschaften, die wunderbar verteidigen, aber keine Tore schießen können. Babelsberg, das lässt die aller Jubeljahre aktualisierte MDR-Videotextseite vermuten, versucht es zumindest. Der HFC vertraut auf seine Defensivkünstler - Recken wie Christian Kamalla, die mit jedem Tritt an den Ball Löcher in die Tribüne schießen können. Zur Halbzeit, die im Videotext gefühlte drei Stunden dauert, hält das Ergebnsi. Jetzt nimmt Trainer Sven Köhler mit Hebestreit, dem bis hierher von den Fans verfluchten Fußballgott, den nun alle lieben werden, den Torschützen heraus, um mit Kevin Kittler einen weiteren Defensivmann zu bringen.
Vorn sollen es jetzt Kunze, Kanitz und Neubert richten. Für einen schneller Konter reichen ja auch drei? Nun, nicht hier, nicht in dieser Elf, die ihren letzten Konter erfolgreich abschloß, als noch keiner aus der aktuellen Besetzung das HFC-Trikot trug.
Aber erfolgreich sind sie. Immer nur Siege und Unentschieden, seit 18 Monaten hat die Elf, abgesehen von einem inzwischen als Irreführung der Gegner erkannten Pokalpleite gegen Hannover 96 und einer Heimniederlage gegen Pößneck, als die Mannschaft noch im Rausch der Aufstiegsfeier war, nicht mehr verloren. Der Videotext-Mann, der seine Berichte offenbar per SMS durchgibt, denn er verschwendet kein Wort zuviel, berichtet von nachlassenden Bemühungen der Babelsberger. Oder sind es nachlassende "zündende Ideen?" Von denen schreibt er jetzt. Seit vier Minuten rettet Horvat, unser Torwart, gegen einen Potsdamer namens Lange, der von der Strafraumgrenze "abgezogen" haben soll, wie der Berichterstatter simst. Babelsberg "versucht jetzt alles". Der HFC, der sich, so hieß es, zwischendrin befreien konnte, hält dagegen. Hofft man, denn noch immer leuchtet oben das rote 0:1, das bedeutet, Spiel läuft, Spielstand wie bisher. I
Im Webhallunkenforum Alarm. Jemand hat ein 1:1 durchgegeben. Ist aber ein Irrtum. Ausgleich nur nach Ecken. Klingt nicht nach Spitzenspiel. Oder Kamalla trifft wirklich immer die tribüne.
90. Minuten sind rum. Keine weitere SMS im Fernsehen. 84. Minute steht da. Der Videotextreporter, der kein Fußballfan sein kann, ist Kaffeetrinken gegangen. Er rasiert sich. Ist auf dem Klo. Halles Trainer Köhler wechselt noch mal. Robert Stark kommt, auch ein Defensiver. Dann Beck, ein ungelenker Notnachbau des tölpelhaften, aber symphatischen Neubert. Plötzlich ein Blitz: oben in rot nun 0:2!
So hoch hat der HFC seit einem Jahrhundert nicht gewonnen. Wer war es? Beck? Der Stolperkönig? Im Videotext immer noch hebestreit, 0:1, 23. min. Was ist denn da los! Wofür zahlt man eigentlich GEZ-Gebühren? Nur für maybritt Illner und Boxübertragungen? Der Reporter immer noch auf dem Klo. Im Webhallunkenforum hats auch noch keiner gemerkt. Der Videotext-Mann ist verschollen. Letzte Meldung: "Babelsberg lässt zündende Ideen vermissen!" Gut so! Weiter so! Regen über Potsdam, soll die letzten Ideen auslöschen meinetwegen.
Aber wer hat denn nun das zweite Tor geschossen? Horvat, unser Torwart? Wann ist Schluss? Babelsberg lässt zündede Ideen vermissen, kabelt der Reporter. Ein hartnäckiger Typ. Vielleicht hat er unterwegs zum Klo einen Bekannten getroffen. Die MDR-Leute sind ja alle aus Berlin. Oder ist sein Handy kaputt? Ist er Babelsberg-Fan? Bei den Webhallunken nun endlich geschriebene Torschreie. Im Videotext Leere. Müsste längst Schluß sein in Potsdam.
Jetzt, jetzt, Thomas Neubert wars, Neubi, der Westernhagen-Widergänger, der das Pech gepachtet hatte. Jaaaaah! Und die Schrift wird weiß. Schluß! Aus! Aus! Das Spiel ist aus! Sieg in Babelsberg!
Die "Gurkentruppe", wie sie der in Halle wegen seiner außerordentlichen und immer amüsanten Fachkenntnis hochgeschätzte Volker Rehboldt, Präsident des nur einen Punkt hinter den Hallensern liegenden FC Magdeburg einst nannte, ist damit die einzige Mannschaft aus den vier deutschen Profiligen, die in dieser Saison noch ungeschlagen ist.
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4 Kommentare:
tja, so sind sie unsere helden in halbschuhen
das seis 18 Monaten niederlagenfrei (außer Hannover) stimmt nicht ganz. Pößneck bekam zu den Meisterfeierlichkeiten beim letzten heimspiel den Klassenerhalt geschenkt (HFC - Pößneck 0:2)
ja, das ist wahr. voller bauch studiert nicht gern
Köstlich! Ein Abonnement mehr... ;)
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