Samstag, 15. November 2008

Stasi stoppt Wikipedia

In seinem offiziellen Lebenslauf ist in zwei Worten die Rede von seiner Tätigkeit als Personenschützer beim Ministerium für Staatssicherheit, dass derselbe Fakt aber beim Internet-Lexikon Wikipedia ausführlicher erläutert wird, gefällt dem PDS/Linke-Abgeordneten Lutz Heilmann gar nicht. Der erste hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter, der den Sprung ins deutsche Parlament schaffte, beantragte deshalb eine einstweilige Verfügung, die der Wikimedia-Foundation ab sofort die Weiterleitung von der deutschen Internetadresse Wikipedia.de auf die internationale Unterdomain de.wikipedia.org verbietet.

Aus dem Internet verschwunden ist der Lebenslauf es Zittauer Demokraten damit natürlich nicht. Unter de.wikipedia.org finden sich alle "konkret genannten Äußerungen über Lutz Heilmann (Die Linke)", die der Bundestagsabgeordnete niemanden in Deutschland lesen lassen will. Das Angebot wikipedia.de dagegen ist nicht mehr erreichbar eingestellt, wie der Verein Wikimedia Deutschland auf der Homepage mitteilt.

Heilmann hat so jetzt alle Chancen, richtig berühmt zu werden: Wikipedia ist derzeit die am vierhäufigsten geklickte Internetseite in Deutschland, wer bisher nicht wusste, dass Lutz Heilmann vor Urzeiten mal bei der Stasi war, wird es nun mit Sicherheit erfahren. Aufregend ist das nicht, denn Wikipedia schreibt nur:

Lutz Eberhard Heilmann (* 7. September 1966 in Zittau) ist ein deutscher Politiker (Die Linke). Heilmann ist der erste ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR, der in den Bundestag einzogen ist.

Leben und Beruf

Nach dem Abitur 1985 an der EOS Zittau leistete Heilmann einen freiwillig von 18 Monate auf drei Jahre verlängerten Wehrdienst beim Ministerium für Staatssicherheit ab. Anschließend wurde Heilmann hauptamtlicher Mitarbeiter der dortigen Hauptabteilung Personenschutz. Heilmann wurde nach eigenen Angaben nur im Objektschutz staatlicher Einrichtungen eingesetzt. Im Oktober 1989 soll Heilmann nach eigenen Angaben ein Entlassungsgesuch eingereicht haben. Tatsächlich schied er erst im Januar 1990 aus dem Ministerium für Staatssicherheit aus, als dieses aufgelöst wurde.

1991 begann Heilmann ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Zittau. Ab 1992 absolvierte er ein Studium der Rechtswissenschaft an der FU Berlin und der Christian-Albrechts-Universität Kiel, welches er 2005 nach dem ersten juristischen Staatsexamen unterbrach, weil er in den Bundestag einzog. 2005 war er Rechtsreferendar in Lübeck.

Seit etwa 2006 lebt Heilmann bekennend schwul. Er gründete 2007 die Landesarbeitsgemeinschaft queer, eine Gruppe für Schwule, Lesben und transidentische Personen innerhalb der Linken in Schleswig-Holstein und engagierte sich auf Christopher-Street-Day-Veranstaltungen in verschiedenen Städten.

Am 13. November 2008 erreichte Lutz Heilmann durch eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Lübeck, dass die automatische Weiterleitung von wikipedia.de auf die weiterhin erreichbare Internet-Adresse de.wikipedia.org abgeschaltet werden muss, solange dort bestimmte Äußerungen über ihn vorgehalten werden.

Politisches Wirken

Heilmann wurde 1986 Mitglied der SED. Nachdem er 1992 deren Nachfolgepartei PDS verlassen hatte, wurde er 2000 erneut PDS-Mitglied. Von 2000 bis 2002 gehörte er dem Vorstand des PDS-Kreisverbandes Nordwestmecklenburg an. 2004 baute Heilmann in Mecklenburg-Vorpommern eine ['solid]-Gruppe auf.

Seit 2005 ist Lutz Heilmann Mitglied des Deutschen Bundestages. Er ist als einziger Kandidat der Linken über die Landesliste Schleswig-Holstein in den Bundestag eingezogen.

Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit

Im Oktober 2005 enthüllte Der Spiegel die von Heilmann bislang verschwiegene Stasi-Vergangenheit. Heilmann gibt bis heute öffentlich an, von 1985 bis 1990 einen „verlängerte[n] Wehrdienst (Personenschutz MfS)“ geleistet zu haben,[3] was eine begriffliche Verwechslung mit dem so genannten Grundwehrdienst im Rahmen der allgemeinen Wehrpflicht ermöglicht. Tatsächlich war Heilmann nach Ableisten der allgemeinen Wehrpflicht von 18 Monaten für die Zeit bis 1990 als Berufssoldat beim MfS beschäftigt und verließ dieses erst, als es aufgelöst wurde.

Vor der Wahl hatte Heilmann den Mitgliedern des Landesverbandes seine Tätigkeit beim MfS verschwiegen. Dies stellte einen Verstoß gegen innerparteiliche Richtlinien dar. Auf dem Landesparteitag am 4. Dezember 2005 stimmten die Mitglieder des Landesverbandes Schleswig-Holstein über einen Misstrauensantrag gegen Heilmann ab. Das Ergebnis war 47 Stimmen für Heilmann zu 42 gegen ihn. Heilmann ist seitdem innerhalb der Linken in Schleswig-Holstein umstritten.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Website seines Unternehmens "Flutsch-Express.de" ist auch nicht mehr erreichbar. Naja, dann bestelle ich mein "Geilmacher-Paket" eben woanders.

Anonym hat gesagt…

Zwischen Personenschützer und Spitzel (IM) besteht aber schon ein Unterschied. Leider ist der ganze Wikipedia-Artikel ziemlicher Murks.
Ich denke, man sollte schon sehen, ob der Heilmann einem anderen Menschen geschadet hat oder eben nicht.

Gysi hatte sich mit den Söhnen von Robert Havemann und Rudolf Bahro getroffen. Beide Söhne lobten Gysi für sein Engagement für ihre Väter.

Auf der anderen Seite steht der Verdacht, dass unsere Bundes-Merkel als IM Havemanns Grundstück und die Straße davor überwacht hatte. Als FDJ-Funktionärin für Propaganda und Agitation war sie ja strenge Kommunistin. Kurz vor dem Mauerfall hat der heutige Thüringische Ministerpräsident auch noch ein Pamphlet zur Stärkung des Kommunismus veröffentlicht.

Heilmann war dagen sicher nur ein kleines Licht. Soll er sein ganzes Leben für seine MfS-Mitarbeit getraft werden?

Anonym hat gesagt…

Nachtrag:

http://www.tagesspiegel.de/politik/Gregor-Gysi-Robert-Havemann-Rudolf-Bahro-DDR-Stasi;art771,2595388

Sockenpuppe hat gesagt…

anonym du interpretierst hier dinge, die gar nicht gesagt werden. niemand macht hier vorwürfe oder stellt rücktrittsforderungen o.ä.

aber ich wollte ganz was anderes schreiben, das solche leute, die ja zur führungselite des landes zählen, also ich meine damit vor allem, daß ihnen alle medien, berater und und und exklusiv zur verfügung stehen, das solche leute die mechanismen dieses zugegeben, das muß man hier immer betonen, sonst wird gelöscht, in seinen kinderschuhen absterbende medium nicht begreifen, ist schon erstaunlich

Eisenschwein hat gesagt…

wenn es einen (wie auch immer gearteten) unterschied zwischen spitzel und personenschützer beim mfs gibt, möchte ich wissen, warum der kerl gegen wikipedia vorgeht: dort steht nichts von einem spitzel (in unserem text übrigens auch nicht). das legt doch den verdacht nahe, dass heilmann es um diesen unterschied nicht gehen kann, sondern eher um die korrekte darstellung seiner vergangenheit. davon abgesehen: dass ein angeblicher linker gegen ein offenes wissens-netzwerk vorgeht, hat mehr als nur ein geschmäckle...

Anonym hat gesagt…

Ich möchte zunächst mal anmerken, dass ich in Berlin-West aufgewachsen bin und nie einen Kontkt zum MfS hatte.

Ich verstehe schon, dass sich Herr Heilmann hier völlig vergriffen hat. Er will seine Karriere retten und hat sie hier zur Disposition gestellt. Ich glaube dennoch nicht, dass er ein schlimmer Mensch ist. Die Frage ist doch, ob er anderen geschadet hat. Wenn nicht, ist die ganze Sache ein Sturm im Wasserglas.

binladenhüter hat gesagt…

schlimmer mensch? ach, gott, das wirft ihm doch keiner vor. sockenpuppe hat den punkt: dass jemand, um zu verhindern, dass über ihn geredet wird, dafür sorgt, dass alle darüber reden, dass er das verhindern will, zeigt, dass der mann nicht schlimm, sondern schlicht strohdumm sein muss. mich persönlich schert das einen scheiß, ob er personenschützer oder abv war. ihm selbst aber scheint wichtig zu sein, dass es mich nicht schert. bis gerstern wusste ich es nicht, er hat mich mit der nase draufgestoßen. gute arbeit, heilmann