Was für eine "skandalöse These" (Passauer zeitung), was für ein schlimmer, schlimmer, schlimmer Vergleich. Was, fragt das mediale Flachland einhellig mit offenstehendem Mund, hat sich Michael Vesper, Grüner und zudem Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes, dabei nur gedacht?
Internetzensur, behauptete er frech, gebe es nicht nur in China, sondern auch in Deutschland. Dort würden Seiten der Falun-Gong-Sekte gesperrt, hierzulande welche von Neonazis, dort darf niemand seiner Begeisterung über den Dalai Lama Ausdruck verleihen, hier keiner seiner über den England-Flieger Rudolf Heß.
Skandalös, absurd, empörend. Denn was gleich aussieht und so ähnlich riecht, ist natürlich nicht annähernd dasselbe: "Hier eine Diktatur, die mit Zensur Meinungs- und Pressefreiheit einschränkt", sagt der kampfeslustige Kommentator der Passauer Presse, "dort eine Demokratie, die sich gegen Verfassungsfeinde zur Wehr setzt."
Natürlich, einen Moment Nachdenken braucht man, um in solch einer Formulierung zu unterscheiden, welche Satzhälfte nun welches Land meint. Aber eindeutig wird es ja hier, wo bemängelt wird, "dass sich die deutschen Olympia-Funktionäre bisher nicht gerade dadurch ausgezeichnet haben, dass sie auf Missstände in Peking hinweisen." Obwohl es ja Lebenszweck deutscher Olympiafunktionäre ist, auf Mißstände in Peking hinzuweisen. Vesper hat das nicht begriffen und ist so fahrlässig der erste deutsche Olympiafunktionär, der Mißstände in Deutschland kritisiert.
Was geht den das an? Natürlich muss er sich nun entschuldigen, wie der SPD-Westoverträger Dieter Wiefelspütz spontan forderte. Die Berliner CDU, die am liebsten an allen Berliner Schulen Internet-Filter einrichten will, wird folgen. Dann Yahoo, das bei der Flickr-Suche deutschen Gerichtsurteilen folgen muss und warnt: "If your Yahoo! ID is based in Germany you are not able to view restricted content due to your local Terms of Service." Google ist nicht besser, deren Seite mit .de schluckt allerlei unerlaubte Treffer weg, ebenso wie Ebays Artikelsuche, die zur großen Begeisterung der Passauer Presse weglässt, was mit Stasi oder Nazi zu tun hat. Selbst SED-Parteiabzeichen gelten als Konterbande, die Deutsche nicht finden dürfen.
Die SPD, die neulich das Internet-Forum „Keine Zukunft mit Kurt Beck“ schließen ließ, findet das bestimmt prima. Ein sauberes Netz auch für Erwachsene. Das hat der Internet Provider Arcor neulich schonmal getestet, als er seinen Kunden auf Verlangen eines deutschen Gerichtes den Zugang zur Pornoseite Youporn verwehrte. Kam nicht gut an, allerdings nur bei den Betroffenen. Deutsche Massenmedien kämpfen doch tendenziell eher lieber für ein freies Netz in Wuhan als für eines in Wuppertal.
Ein Schelm, wer dabei denkt. Schließlich sind wir hier in Deutschland. Und das lobt sich selbst im Grundgesetz:
Eine Zensur findet nicht statt.
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4 Kommentare:
Natürlich gibt es viele andere Negativ Beispiele im Kontext des ach so freien Netzes, dass macht die Aussage Vespers aber nicht gleich besser.
Deswegen wird unsere Freiheit ja auch am Hindukusch verteidigt, weil ihre Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland abgelaufen ist.
aber die tatsache, das allerlei kommentatoren einhellig so tun, als sei in china alles gaaaaanz anders, machts das auch nicht.
die chinesen haben gesetze, nach denen alles, was gegen den staat gerichtet ist, nicht zulässig ist. das kann man schlimm finden, aber ehe man das tut, sollte man bedenken, dass unsere gesetze in der form genauso aussehen: was gegen den staat gerichtet ist, verliert das recht auf meinungsfreiheit, redefreiheit, kunstfreiheit. das ist nicht nur im internet so.
die absicht dahinter ist natürlich eine hehre, aber dazu muss man dann mal stehen, und nicht so tun, als täten die dort etwas gänzlich anderes. aus ihrer sicht ist es dasselbe - falun gong und dalai lama sind dort, was nazilauck und sed-auktionen hier sind.
wenn eine bezirksregierung in köln internetseiten sperren kann, ohne demokratische legitimation, halte ich das jedenfalls für nicht demokratischer als wenn das die china-sed tut
Der Satz "Deutsche Massenmedien kämpfen doch tendenziell eher lieber für ein freies Netz in Wuhan als für eines in Wuppertal" trifft den Nagel auf den Kopf.
Bei uns werden immer mehr Bürgerrechte abgebaut. Es mutet fast an als ob man andere Länder zur Ablenkung nutzt. Die sollen ein bisschen mehr Demokratie akzeptieren, und wir sollen gefälligst ein bisschen mehr faschistischer Überwachungsstaat dulden.
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