Mittwoch, 23. April 2008

Eine Kette aus Konjunktiven

Mit offenen Worten in einem "Offenen Brief" schreibt Dr. Hans-Georg Moldenhauer, Vizepräsident des DFB und Präsident NOFV, derzeit Rechtsgeschichte. Nach der Weigerung der Staatsanwaltschaft in Halle, wegen "antisemitischer Schmährufe" (dpa) aus dem Fanblock des Fußballklubs HFC im Viertliga-Spiel gegen die Reservemannschaft des Klubs aus Jena Ermittlungen aufzunehmen, warnte der greise Funktionär die Fußballfreunde in der Provinz, dass solche Rufe "unter gewissen Voraussetzungen“ eben doch „als Verstoß gegen den Schutz der öffentlichen Ordnung angesehen werden und auch strafrelevant sein" können. Muss so sein. Schließlich hat der Verband, dem Moldenhauer vorsteht, den beim Spiel gastgebenden Verein wegen der strafrechtlich nicht relevanten Rufe gerade mit einem sportlich sehr relevanten Punktabzug bestraft.

Keine Angaben machte Moldenhauer allerdings dazu, welche "gewissen Voraussetzungen" das konkret sein müssten. Kommt es auf die Anzahl der Rufer an? Auf die Tonhöhe? Auf das Wetter? Auf die Anzahl der Zuhörer? Oder den Spielstand?

Der Inhalt des jeweils Gerufenen jedenfalls kann nach NOFV-Maßstäben keine Rolle spielen. So gilt etwa der nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes im "Soldaten-sind-Mörder"-Urteil strafrechtlich geradezu lehrbuchhaft relevante Chor "Schiri, Du schwule Sau" in Fußballspitzenverbandskreisen bis hin zum Deutschen Fußball Bund traditionell als integraler Bestandteil einer überaus stimmungsvollen und sauberen Stadionfolklore. Ein Mysterium, denn der NOFV in Person seines Geschäftsführers Holger Fuchs erklärte jetzt auf PPQ-Anfrage selbst, dass eine "mögliche strafrechtliche Relevanz gegeben sein kann, wenn derartige Sprüche konkret lokalisierbaren Personen und Gruppen zugeordnet werden können."

Mögliche. Können. Eine Kette aus Konjunktiven. Davon abgesehen aber ist das Rechtsgutachten des Fußball-Juristen richtig, dass "hier ein Anfangsverdacht (§ 152 StPO) einer Beleidigung nach §185 StGB gegeben sein kann". Im Fall von "Schiri, Du schwule Sau" steht die Strafbarkeit sogar völlig außer Frage, auch wenn Fuchs darauf vorsichtshalber nicht eingeht: Es wird eine einzelne Person getroffen. In den meisten Fällen wird sie sogar mit einer falschen Tatsachenbehauptung öffentlich verleumdet, die vom Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gedeckt wird. Die Mehrheit der Schiedsrichter ist aller Wahrscheinlichkeit nach nicht schwul und mit Sicherheit keine "Sau".

Glasklar erkennt aber sogar der NOFV, leicht abweichend zum Offenen Brief seines Präsidenten, dass auch in einem solchen Fall die Voraussetzung für eine Strafverfolgung "eine Strafanzeige und ein Strafantrag des Geschädigten ist" (Holger Fuchs). Der Geschädigte wäre im Fall eines "Schiri, Du schwule Sau"-Rufes der betroffene Schiedsrichter. Oder der seine Fürsorgepflicht ernst nehmende Fußballverband.

Das ist recht einfach. Umso schwerer ist nachzuvollziehen, dass es eine derartige Strafanzeige bisher weder von DFB noch vom NOFV erstattet wurde.

Erst im Fall der in Halle aktenkundig gewordenen "Juden Jena"-Rufe, die Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit schon 1987 bei Magdeburger Fans protokollierten, griff der NOFV durch. Geisterspiel, Punktabzug.

Dabei ist der Geschädigte hier schon sehr viel schwerer auszumachen: Der NOFV kann es nicht sein, da seine offiziellen Vertreter, immerhin ein Schiedsrichter, zwei Linienrichter und ein Schiedsrichter-Beobachter, die Rufe nicht vernommen haben wollen und als Nicht-Adressaten der mutmaßlichen Beleidigung auch keine potenziell Geschädigten wären. Auch die Jenaer Mannschaft kommt nicht in Frage, weil sie die Rufe ebenfalls nicht gehört oder, wie ihr Kapitän Mark Zimmermann beschreibt, "nach all den Jahren, wo das schon gerufen wird, nicht mehr wahrgenommen" hat.

Tatsächlich Schaden genommen hat der gastgebende Verein HFC, aus dessen Fankurve die Gesänge kamen. Sponsoren sind verstört, die Presse kritisiert, die Mannschaft ist beunruhigt, die Punkte sind weg. Auch die Führung des gastgebenden Vereins jedoch behauptet, gar nichts gehört zu haben. Kann aber jemand, der mit einer Beleidigung nicht gemeint ist und angibt, sie nicht gehört zu haben, als Beleidigter Anzeige erstatten?

Holger Fuchs vom NOFV weiß es nicht, greift aber vorsichtshalber zum Hausrecht-Trick und simuliert eine Art Antwort: "Da der Zuschauer vom Verein eine Eintrittskarte erwirbt und somit eine vertragliche Vereinbarung mit dem Verein eingeht (u.a. Anerkennung der Stadionordnung) obliegt es zunächst dem Verein, aktiv zu werden."

Wie dieses "aktiv werden" auszusehen hat und unter welchen Bedingungen jemand "aktiv werden" kann, wenn er nicht weiß, dass er aktiv werden müsste, wel oin vergleichbaren Fällen auch der Fußballspitzenverband samt seines Briefschreibenden Präsidenten nicht "aktiv geworden" ist, darauf bleibt der NOFV-Funktionär eine Antwort schuldig.

Auch auf die spannende Frage, warum der NOFV nicht mit gutem Beispiel vorangeht und seine Schiedsrichter schon seit Jahren durch Strafanzeigen vor Beleidigungen wie "schwule Sau", "Schieber" oder "Eierkopf" schützt, bleibt der Fußball-Führer in Berlin still. "Wir bitten um Verständnis, dass wir die Vielzahl der eingegangenen Mails nicht direkt beantworten können", schreibt Fuchs frostig. Auf den konkreten Fall könne man sowieso "nicht eingehen", da es sich "um ein schwebendes Verfahren handelt, da Berufung eingelegt wurde."

Alle Anfragen würden aber "Bestandteil der internen Auswertung im Verband und mit den Vereinen sein." Na dann.

6 Kommentare:

Eisenschwein hat gesagt…

zum glück steht wenigstens hier, was ich woanders nicht lesen darf.

Anonym hat gesagt…

DANKE!

Anonym hat gesagt…

strafrechtlich hin oder her... Ballwegschlagen gibt auch ohne strafrechtliche Relevanz Gelb.
Und das Einsetzen eines z.B. gesperrten Spielers gibt auch Punktabzug obwohl gar nicht strafrechtlich relevant.
Das Lizenzvergehen der Koblenzer ist auch nicht strafrechtlich relevant, scheint aber sogar 9 Punkte zu kosten. Staatsanwalt übernehmen Sie...

Anonym hat gesagt…

In dem vorherigen Kommentar vergleicht ja jemand Äpfel mit Birnen. Du solltest nicht vergessen, dass die Vergehen, die Sie aufzählen, allesamt direkte Vergehen der Spieler oder des Vereins sind und nicht von irgendwelchen Verstörten begangen wurden. In diesen Fällen ist der Verein und seine sportliche Leitung schon in der Pflicht. Aber bei Zuschauern, deren Geistes Kind man am Stadioneingang nicht kontrollieren kann...

Anonym hat gesagt…

wir fordern jedenfalls punktabzug für den Fußballverband! rote karte für Moldenhauer! Gay Schiris, wehrt euch!

Sockenpuppe hat gesagt…

gay nau