An der einzigen Eliteschmiede Ostdeutschlands geht die Angst um, die Angst vor einem verlust von Identität und Tradition. Seit die Landesregierung in Magdeburg plant, die Küche der Landesschule Pforta zu privatisieren, sind die Schüler des Internats auf den Barrikaden. Nach dem Vorbild der Einwohner von Leipzig, die den Verkauf von Anteilen am kommunalen Energieversorger an eine französische Staatsfirma ablehnten, weil sie fürchteten, ein privater Vermieter würde sie zur Profitmaximierung umgehend alle auf die Straße setzen, kämpft die Schülerschaft gegen die "katastrophalen Folgen einer Veräußerung dieser Versorgungseinrichtung an eine private Catering-Firma", wie es in einem offenen Brief an die Landesregierung heißt.
Die Elite fürchtet, bald ohne Essen dazustehen, wenn sie wie ganz normale Schüler, Kindergartenkinder oder die Mitarbeiter von zahllosen Firmen im Lande auf privat gekochte Nahrung zurückgreifen muss. "Uns ist durchaus bewusst, dass die momentane Situation nicht mehr tragbar ist, denn tagtäglich erleben wir die Überlastung und Überforderung des Küchenpersonals, da dieses stark unterbesetzt ist", schreiben die Vertreter der Internatsschüler. Eine Privatisierung sei jedoch "keine Lösung des Problems. Wir befürchten nicht nur einen erheblichen Qualitätsverlust des Essens, sondern auch des kulturellen Lebens und somit der Außenwirkung der Landesschule."
Die Küche als Weltkulturerbe? Aber ja doch. "So trägt unsere Küche maßgeblich zum Gelingen des alljährlich stattfindenden Schulfestes oder des Tags der offenen Tür bei", klagen Schülerinnen und Schüler gegen den Verlust von "wichtigen Traditionen wie das Martini-Gänse-Essen", die "nur wegen der im öffentlichen Dienst stehenden Küche Bestand" hätten.
Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut forsa zum Thema Privatisierung sind die Angehörigen der künftigen Elite Ostdeutschlands mit ihrer Ansicht nicht allein. Nach Angaben von forsa bewertet die Hälfte der Bevölkerung ihre Erfahrungen mit Privatisierungen negativ. Vor allem an der Bahn und den Energiekonzernen entzündet sich die Kritik - früher, so erinnern sich viele, kam die Bahn immer pünktlich, es war sauber in den Waggons und der Service stimmte. Nur der Staat, so meinen deshalb 58 Prozent der Befragten, könne flächendeckende Versorgung und angemessene Preise garantieren.
Eine Privatisierung etwa der Trinkwasserversorgung, die im sozialistischen Frankreich durchweg und zu niedrigenden Preisen von privaten Firmen betrieben wird, lehnen die Deutschen ebenso ab wie den Verkauf von städtischen Wohnungen. Vielen vor allem bei privaten Vermietern in sanierten Wohnungen lebenden Deutschen ist bisher entgangen, dass es die kommunalen Wohnungsunternehmen in Ostdeutschland selbst in 18 Jahren seit dem Mauerfall nicht geschafft haben, ihre Bestände durchweg zu modernisieren.
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1 Kommentar:
wer auch immer du bist, du hast keine ahnung!
mfg einer der dort lebt und isst
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