Weil es in Deutschland zwar zu warm ist, in Rußland aber zu kalt, weil in Frankreich zwar kein Schnee fällt, dafür aber in China reichlich liegt, verlieren die Klimakatastrophenforscher jetzt doch mal die Geduld mit dem Untergang. Alles geht viel zu langsam, wegen ausbleibender Tsunamis und zugefrorener Buchten in Grönland lässt sich selbst eine Merkel-Reise zu den sterbenden Eisbären derzeit nur schwer organisieren.
Neue Horrormeldungen werden deshalb kurzerhand im Labor hergestellt: Das Potsdam- Instituts für Klimafolgenforschung hat jetzt gemeinsam mit britischen Wissenschaftlern eine Umfrage gemacht und dabei neun klimaverschärfende Vermutungen destillieren können. Prof. Hans Joachim Schellnhuber, als Berater der Bundeskanzlerin mit einer Vorhersage von "sieben Meter Meeresspiegelanstieg mindestens" legendär geworden, und sein Mitarbeiter Prof. Stefan Rahmstorf haben 52 Berufskollegen befragt und "die Ergebnisse eines Workshops mit 36 führenden Klimaforschern im Oktober 2005 in der britischen Botschaft in Berlin analysiert". Und auf diesem Weg neun Punkte auf der Erde identifiziert, an denen das Klima "schneller kippen könnte als bislang erwartet".
Zwar, das geben die Forscher durchaus zu, können "die heutigen Modelle das beobachtete Abschmelzen der Gletscher nicht genau erfassen." Aber hält sie das von Prognosen ab? Nein, man muss doch nicht wissen, wieviel Benzin im Tank ist, um prognostizieren zu können, dass die Karre irgendwann stehenbleiben wird.
Also frisch ans Werk: "Wird aber die kritische Grenze von drei Grad Celsius lokaler Erwärmung überschritten, könnte der Eisschild schlimmstenfalls schon innerhalb von 300 Jahren abschmelzen." Sie können also das reale, heutige Abschmelzen nicht erfassen. Aber sie wissen, was in spätestens 300 Jahren daraus folgt, wenn die in der Umfragelotterie gezogene "Grenze von drei Grad" überschritten wird: "Dies würde den Meeresspiegel um bis zu sieben Meter ansteigen lassen."
Zumindest "könnte". Und um "bis zu". In "spätestens 300 Jahren". Wissenschaft im Womöglich-Modus. Die Katastrophe im zurückhaltenden Konjunktiv, der Untergang als Meinungsumfrage, aber mit durchaus erwartbarem Tenor: Schon in zehn Jahren "könnte" die Arktis im Sommer eisfrei sein. Damit "könnte" sich schlagartig die Erderwärmung beschleunigen. Bereits in einem Jahr "könnte" die atmosphärische Zirkulation über Indien so sehr aus dem Ruder laufen, dass der Monsunregen chaotisch wird. Auch die Borealwälder im Norden der Erde "könnten" den Forschern zufolge bei drei bis fünf Grad Erwärmung durch Trockenheit, Sommerhitze und Krankheiten innerhalb von 50 Jahren größtenteils absterben, der Regenwald im Amazonas durch Entwaldung und Erwärmung derart geschädigt, dass er "nach Modellaussagen" in dieser Zeitspanne ebenfalls großflächig zerstört sein "könnte".
Modellaussagen sind wohl soetwas wie Aussagen, die man mal so macht, im Maßstab 50:1 oder auch 500:1, man weiß es nicht genau. Genau aber weiß man, dass "weitere "Tipping Points" genannte Schaltstellen für das Erdklima" sind der Umfrage zufolge die Sahara, die Sahelzone und die Region südlich davon sind. Wobei irgendwie nicht klar ist, ob die denn trockener oder feuchter werden als bislang, aber sie könnten und sie werden irgendwas werden - mit ziemlicher Sicherheit sogar anders als erwartet. Dazu kommen das Klimaphänomen El Niño, der indische Sommermonsun und der große Wasserkreislauf im Atlantik - hier wird gar nicht mehr genau gesagt, ob wärmer, kälter, feuchter oder weißnicht. Aber ändert sich hier etwas, ändert sich alles.
Wissenschaftliche Belege liefern die Autoren nicht mit, denn wissenschaftlich geforscht haben sie ja auch nicht. Immerhin aber werden wichtige Ratschläge erteilt: "Angesichts der potenziell dramatischen Auswirkungen des Kippens dieser Elemente rechnen die Autoren damit, dass der Klimaschutz verstärkt wird. Es müssten auch neue Anpassungsstrategien an den Klimawandel gefunden werden." Neue Anpassungsstrategien also, soso. Applaus im Konjunktiv: Könnte klappen.
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