Angela Merkel macht ernst. Seit 2006 lässt die Kanzlerin den "Normenkontrollrat" alle Gesetzentwürfe auf zu erwartende Bürokratiekosten kontrollieren, ehe sie beschlossen werden. 790 Millionen soll das angeblich allein in diesem Jahr gespart haben - dabei war Deutschland nie zuvor so reguliert, kontrolliert und in Verordnungen gefesselt. Allein seit Antritt der Großen Koalition wurden im Bundesgesetzblatt 198 Gesetze und 500 Verordnungen veröffentlicht, zählt eine Studie im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) vor. "Das wird sich bis Ende der Legislaturperiode sogar noch auf das Doppelte erhöhen", prognostiziert der Leiter der Studie, der Hamburger Staatsrechtler Ulrich Karpen.
Union und SPD beteuern zwar laut, Bürokratie abbauen zu wollen, gleichzeitig aber sind sie sich einig darin, immer mehr Dinge staatlich zu regeln. "Beide große Parteien reden vom freien Bürger - gleichzeitig schaffen sie beständig neue Normen, die die Freiheit immer weiter einschränken und die Bürger fesseln."
Jugendschut, Kinderschutz, Internetregulierung, Telefonübewachung, Nichtraucherschutz, Abgeltungssteuer, Verbraucherschutz und Steuernummer für jeden Bürger, Mindestlohn und Meldewesen - die meisten Neuregelungen betreffen die Bereiche Wirtschaft, Steuern, Finanzen sowie Landwirtschaft und Lebensmittel. Zu den Bundes-Zahlen müssen noch die Gesetze und Verordnungen der Länder und die Gemeindesatzungen hinzugerechnet werden. Das Ergebnis ist klar:"Das Urvertrauen in die Gesetzgebung wird erschüttert, weil oft selbst Experten nicht mehr wissen, was gilt." Selbst Steueberater und Finanzbeamte sind angesichts monatlich neuer Regelungen, die ganze Ordner füllen, nie sicher, wie der aktuelle Stand gerade ist.
Laut der Studie verursachen 76 Prozent der neuen Gesetze und Verordnungen noch mehr Bürokratiekosten für Bürger, Unternehmen und Verwaltung; 58 Prozent werden innerhalb von zwei Jahre wieder geändert; 50 Prozent sind unverständlich. Als Extrembeispiel nennt die Studie die Landwirtschaft, wo Vorschriften häufig von den Bauernverbänden übersetzt werden müssen, weil sie auch für studierte Landwirte nicht zu verstehen sind.
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