Kanada, ein Land, das selten für Schlagzeilen sorgt - und wenn doch, dann eher seiner Bären als seiner Bürger wegen -, führt in diesen Tagen aufgeregte Debatten um die Grenzen der Zugeständnisse, die man Einwanderern machen solle. Ausgangspunkt war die Hérouxville im Regierungsbezirk Mékinac im Herzen der Provinz Quebec, eine Gemeinde von 1300 Seelen; bezeichnenderweise ein ausschließlich französischsprachiges Dorf, das Immigranten nur vom Hörensagen kennt. Dort hatte der Gemeinderat am 27. Januar 2007 beschlossen, dass Frauen ihr Antlitz aus Gründen des Anstands und "um eindeutig identifiziert" werden zu können "stets unverhüllt" zu halten hätten, "zu jeder Zeit und an jedem öffentlichen Ort", ausgenommen an Halloween. Da dürfe selbst das weibliche Geschlecht sich ohne Vorbehalte verkleiden.
Vorsorglich hatten die Bürgervertreter die Erklärung der Motive für ihren Kleiderkodex gleich mitgeliefert: "Wir sind der Ansicht, dass die Steinigung von Frauen auf öffentlichen Plätzen, ihre Verbrennung lebendigen Leibes, durch Feuer oder durch Säure sowie die Verstümmelung ihrer Geschlechtsteile durch nichts zu rechtfertigen ist." Stadtrat André Drouin, der Initiator dieses Beschlusses, machte in einem Interview klar, was gemeint war: "Wir müssen uns einfach vergewissern, dass die Leute, die kommen, unseren Lebenswandel akzeptieren und so leben möchten wie wir. Die Muslime, die uns die Scharia aufdrücken wollen, wenn die gewusst hätten, dass man hier keine Frauen steinigt, dann wären die wahrscheinlich gar nicht gekommen."
Wer sich den Bauch hielt vor Lachen über den Fauxpas der Laienpolitiker, wurde bald eines Besseren belehrt. Der Sturm im Wasserglas wuchs sich schon nach wenigen Tagen zu einer öffentlichen Meinungsflut aus, die alle anderen Themen aus dem politischen Bewusstsein verdrängte und auch nach bald einem Jahr die Gemüter immer noch unverändert heftig bewegt. Neu ist vor allem die breite und unverhohlene Kritik an die Adresse derer, die andere als westliche Werte mitbringen, neu ist überhaupt der Stimmungswandel in einem Land, das politisch korrektes Verhalten zum elften Gebot hochstilisiert und das sein Bekenntnis zur multikulturellen Gesellschaft wie eine Monstranz vor die politischen Debatten stellt.
"Ich hatte damals nichts gegen Einwanderer", klagt jedoch, stellvertretend für viele, eine Leserbriefschreiberin auf den Websites der Canadian Broadcasting Corporation, des öffentlichen Rundfunks, "und ich habe auch heute nichts gegen Muslime. Nur sollten sie sich an unseren Werten ausrichten. Wer das nicht kann oder will, der möge draußen bleiben." Und ein Kolumnist gibt ihr recht: "Ziehen wir uns beim Besuch arabischer Länder nicht auch die Schuhe an den entsprechenden Orten aus? Was ist so schlecht daran, die Hegemonie unserer Kultur im eigenen Haus einzuklagen?"
Die ganze Geschichte in der FAZ
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