Es sollte der Höllensommer schlechthin werden. Verdorrte Ernten, in ihren stickigen Wohnungen erstickte Senioren, Wassermangel im Flachland, Bäume, denen das Laub aus den Kronen fällt wie Krebskranken das Haar vom Kopf. The year that climate broke, so hatten es tausend Uno-Klimaexperten beschlossen. Trocken und heiß, Temperaturrekorde, wo immer man hinschaut, dampfender Asphalt und verbrannte Haut. Palmen sollten zu sprießen beginnen mitten in Deutschland, die Tropen wandern nach Norden, nie mehr Schnee, nie mehr Regen. Der ungewöhnlich heiße Sommer 2003 - gerne als "Jahrhundertsommer" bezeichnet - werde zur Normalität werden.
Sechs Wochen danach sind die Propheten des Untergangs im Urlaub. Man hört sie plötzlich nicht mehr, die Klimafolgeforscher, die Dauer-Talker Marke Stefan Rahmsdorf, die Apologeten eines Klimamodells, in dem der Durchschnitt nicht die rechnerische Mitte der Extreme, sondern die nur theoretisch denkbare Dauerpräsenz einer Lauheit ohne jeden Ausschlag nach oben oder unten ist. Stefan Rahmsdorf, ein besonders fleißiger Schwachschwätzer, war zum letzten Mal zu hören, als sein Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung einen neuen Wärmerekord für ganz Deutschland vermeldeten. Der bestand darin, dass die mittlere Temperatur hierzulande mit etwa 11°C um 3 °C über dem langjährigem Mittel von 8°C lag. Das "langjährige Mittel" bezieht sich dabei auf den Zeitraum seit 1893 - angesichts einer Klimageschichte, die zurückreicht in die Zeit der Wimpertierchen und Amöben, kommt das der Behauptung gleich, ein Ampelstopp liege 100 km/h unter dem Geschwindigkeitsmittel einer einjährigen Autobahnfahrt.
Es ist kalt geworden in Deutschland, es hagelt im Juni (unser Bild oben) und regnet im Juli und Männer, die sich wichtig Paläoklimatologen nennen, schweigen beredt davon, dass sie nicht wissen, warum das Wetter sich nicht am Klima orientiert und das Klima nicht am Wetter. "Die Extreme nehmen zu", lautet ihr Standardsatz zur Erklärung der Dinge, die sie nicht erklären können. Uns tröstet das dennoch, denn wenn die Extreme zunehmen, bleibt wenigstens der Durchschnitt gleich.
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3 Kommentare:
wow. das ist so schön, wenn das immer nur gefühlte so eloquent als text um die ecke kommt. hochachtung.
und den rolling stone bestelle ich ab, wenn al gore noch einmal so kritiklos gefeatured wird. ein paar schöne sätze zum thema habe ich hier gefunden:
http://www.oekologismus.de/index.php/archives/2007/07/04/es-gibt-keine-globale-temperatur/#more-616
zum beispiel: "Es gibt kein solches Dingens wie die globale Temperatur. Und wenn es keine globale Temperatur gibt, wie kann es dann eine globale Erwärmung geben?"
oder auch: "Viele Menschen denken, dass es immer sinnvoll ist, einen Durchschnitt von irgendetwas zu bilden. Meine übliche Antwort dazu ist zu fragen, was ein Durchschnitt von Telefonnummern bedeutet. Bei der Temperatur ist das ähnlich. Wenn man den Durchschnitt davon bildet, erzeugt das eine ähnlich reale Temperatur von irgendetwas, wie der Durchschnitt von Telefonnummern eine anrufbare Telefonnumer erzeugt, ganz zu schweigen davon, daß diese Nummer nichts ist, unter der sie anrufen könnten."
wunderbare diskussion bei der readers edition :-)
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