Es riecht nicht gerade nach Ascot, wenn der Rennclub Halle zum Renntag ruft. Kein Hauch von großem Sport weit und breit, dafür der Duft von schalem Bier und Bratwurst, lange nicht gewaschenen Zigarrenraucher-Anzügen und preiswertem H&M-Parfüm. Die Auskenner sind auch alle da: Ältere Herren in Trenchcoats, die die Rennzeitung unter dem einen Arm und einen Feldstecher in der anderen Hand haben. Sie sind die letzten Angehörigen einer aussterbenden Spezies, die ketterauchenden Rudimente eines Rennzeitalters, das keine Internet-Wetten auf virtuelle Pferde und keinen "Großen Preis der Gaesefurther Quelle" kannte. Während das gewöhnliche Publikum vorm Totalisator zweifelt, "ob ich das alles richtig angekreuzt habe", schiebt der wahre Spezialisten seine Tipp-Scheine nach eingehender Diskussion mit anderen Experten schweigend durch die Luke. Der Führring ist etwas für Kinder, die Kenner geben sich ein Stelldichein am Schwarzen Brett, an das wichtig aussehende Herren von Zeit zu Zeit mit Bleistiftstrichen bedeckte Blätter mit letzten Anmerkungen zu den Rennen heften. "Halber Hals" und "Nase" steht da nach Lauf vier, den der Favorit Sea Devil nicht gewonnen hat. Überhaupt ist dieser zweite Renntag des Jahres 2007 ein Tag der Außenseiter: Kaum galoppieren die Rösser durchs Ziel, reißt irgendwo irgendwer den Arm in die Luft, weil seine fünf Euro Einsatz 300 Euro Gewinn gebracht haben. "Reines Glücksspiel", kommentieren die Trenchcoat-Männer und wandern gelassen in die Wetthalle. Dort sieht es aus wie in einem Nostalgie-Nachbau der Mitropa-Gaststätte in Brand-Erbisdorf. Auf ein paar staubigen Fernsehapparaten an der Wand läuft glücklicherweise gerade ein Rennen aus Baden-Baden.
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1 Kommentar:
ich wäre zum nächsten rennen gegangen. aber so ...
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