Nachmittags schon ist die Stadt wie leergefegt. Kein Mensch an den Basketballnetzen, kein Betrieb auf den Bolzplätzen. Nur gelegentlich klirren kleine Gruppen schwerbeladen mit Bierkästen Richtung Peißnitz. Dort spielt die Musik, dort ist die Generation Abi versammelt. Letzter Schultag des Abgangsjahrgangs 2007: Trillerpfeifen auf dem Markt, zerscheppertes Glas im Polizeipark, 17-Jährige mit Pappkronen auf dem Kopf, Mädchen mit umgeschnallten Engelsflügeln.
Als es dunkel wird, biegt die Party in die Zielgerade. Die Peißnitzinsel ist Pressefest, Woodstock und Rock-am-Ring in einem, jeder und jede trägt mindestens eine 1,5-Liter-Flasche Spaßmacher bei sich und das Handy immer offen in der Hand. Komasaufen war gestern. Heute wird gesimst, dass die Landschaft piepst wie eine Siemens-Schaltwarte: "Wo seid ihr gerade?" ist der Spruch des Abends, und "da sind wir gerade vorbei" die Standardantwort.
Auf der Bühne hallescher Hiphop von BMC, donnernde Bässe, ein Rapper, der dauernd "Mein Traum wird wahr" ruft und das Ganze mit "Jajaja" abfedert. Vor der Bühne feiert ihn ein überwiegend männlicher Anhang in Rutschjeans und Basecaps, der sich über sein Abitur noch keine Gedanken machen muss. Oder schon lange keine mehr.
Die Moderatoren sind von der Begeisterung überfordert. "Es gibt keine Zugaben mehr", sagt ein Typ mit langem Blondhaar, der besser ins Silly-Line-Up als auf diese wüste Bühne passen würde. Von unten grollt es beharrlich "BMC-BMC-BMC". Dann erscheint der Rapper mit der Vorliebe für Träume noch mal und lädt "den ganzen Mob in die Upperclass" ein. ""Wer Bock hat, kommt jetzt mit, dort geht die Sau weiter ab."Das Publikum, medial unter Generalverdacht, auf dem Weg zum Schulabschluss hauptsächlich im Fach Alcopops aufzupassen, schwirrt derweil herum wie die Heiligen des letzten Tages. Eine Band namens Ex-Flucht-WG spielt jetzt, die so heißt, weil sie mal Flucht-WG hieß, jetzt aber nicht mehr, sich aber andererseits noch auf keinen neuen Namen einigen konnten. Das ist Rock, der niemanden ringsum interessiert. Alle simsen sich an. Alle telefonieren. "Wo seid ihr gerade?" Hochkonzentrierte Fernkontakte. "Ja, Jenny ist auch da." Kaum Taumelnde, nirgendwo Bewegungsunfähige. Keine Schlägereien. Gelangweilte Polizisten, die im Großaufgebot die Zugänge zum Festpark bewachen. Eine Flaschensammlerin mit rotem Fahrradanhänger grast die Wiese ab. Ein großer Abend ist zu Ende.
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1 Kommentar:
ich bin mit meinen kindern lieber geflüchtet, als die horden bepickelter spaß-trinker über die peißnitz herfielen. aber die reportage "binladenhüter in gefahr" hat mir dennoch sehr gefallen.
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