Montag, 19. März 2007

Achtzig Säcke Plüschgetier

Hier nun Teil 1 der neuen Platschquatsch-Serie "Lesestöffchen aus dem Lager" - ein Gespräch mit Paddy und Johnny von der Kelly-Family



Erst sangen sie noch auf Weihnachtsmärkten. Es war kalt, nieselig und bloß ein paar hundert Leute unterbrachen ihre Einkaufsrunde, um der Kelly-Family zu lauschen. Routineauftritte, die die Kellys mit klammen Fingern absolvierten. Dann aber war alles anders. Die Kellys wurden erfolgreicher als Madonna, verkauften mehr Platten als Take That und den 17jährigen Paddy Kelly liebten die Mädchen fast wie heute Tokio Hotel.

Frage: Wann habt ihr gewußt, daß jetzt eine neue Kelly-Zeitrechnung begonnen hat?
Paddy: Das war Ende Mai in Berlin, als wir unser bisher größtes Konzert gaben. Einfach Wahnsinn. 70.000 Leute, die alle nur wegen uns da waren.

Frage: Es liegt ja ein kometenhafter Aufstieg hinter Euch. Wie habt ihr den verkraftet?
Paddy: Wir hatten ja schon vorher ziemlich große Konzerte. 10.000 Leute in Rostock und 500.000 verkaufte Platten im Jahr. Dadurch war der Sprung für uns selbst gar nicht so groß. Was jetzt anders ist, sind die Medien. Die sind irgendwann auf uns aufmerksam geworden und seitdem haben wir keine Ruhe mehr.

Frage: Habt ihr den Erfolg geplant?
Johnny: Nein. Es war schon vorher unsere Hoffnung, mit der neuen Platte in die Charts reinzugehen. Aber daß es ein solcher Erfolg wird, hat natürlich niemand erwartet.

Frage: Wie erklärt ihr Euch Euern Erfolg ausgerechnet in den Zeiten von Techno und Dance?
Paddy: Ich glaube, es ist die Musik. Wir sind kein Medienhype. Unsere Musik ist einfach für viele so eine Art Alternative zu Techno und Dance. Sie ist erfrischend, der Sound ist ganz anders, es ist viel Power drin. Letztens haben wir 40.000 Rocker auf einem Festival in der Schweiz überzeugt - es muß also was dran sein.

Frage: Also kein Marketingkonzept?
Paddy: Die Kelly Family ist ganz von unten entstanden. Zuerst waren die Konzerte, dann wurden Leute aufmerksam, schließlich kamen dann die Medien dazu und es wurde riesig.

Frage: Dann kam die Kelly-Mania. Welche Ausmaße hat denn die Hysterie um Euch erreicht?
Paddy: Wir bekommen pro Tag 3.000 Briefe. In unserem Computer sind derzeit 250.000 Fans registriert. Bei Konzerten sammeln sich jeden Abend zu achtzig Säcke mit Plüschtieren an. Ein extra LKW fährt die immer ab. Wir überlegen jetzt gerade, ob wir die Dinger vielleicht für Bosnien opder für Kinderheime oder irgendwas Nützliches spenden können.

Frage: Wie gehst du damit um, der Lieblingstraummann aller deutschen Mädchen zu sein?
Paddy: Naja, ich mach das ja nicht extra. Das ist so gekommen und nun muß ich damit leben. Es ist leider so, daß ich inzwischen nicht mal mehr auf die Straße gehen kann.
Johnny: Aber so sehr stört ihn das gar nicht. Paddy ist zur Show geboren. Schon als er klein war, konnte man merken, daß er ein Naturtalent ist. Jede Band hat so einen Frontmann. Paddy ist halt unserer Star.

Frage: Aber Lieder schreiben alle?
Paddy: Alle. Aber Kathy und ich, wir kümmern uns dann um die Arrangements und passen Texte und Musik zusammen.

Frage: Warum geht ihr eigentlich nicht zur Schule?
Paddy: Unser Vater war doch früher Lehrer. Der unterrichtet uns. Das geht ja gar nicht anders, weil wir mit unseren 300 Konzerten im Jahr ja ständig unterwegs sind.

Frage: Obwohl ihr irische Pässe habt, lebt ihr in Deutschland? Gibt es dafür einen besonderen Grund?
Paddy: In Deutschland hat man uns immer gut behandelt, auch als wir nicht so berühmt waren. Hier konnten wir immer spielen, immer Geld verdienen. Dafür sind wir den Menschen hier immer noch dankbar. Außerdem fühlen wir uns eigentlich eher als Europäer. Und da kann es auch sein, da wir irgendwann auch mal wieder woanders hingehen. Wir haben ja ein Haus in Spanien, wo fünf von uns auch geboren sind. Und wenn man alle Inspiration aus einem Land gezogen hat, ist es immer besser, weiterzuziehen.

Frage: Nach Euerm großen Erfolg in Deutschland habt ihr ja jetzt sowieso ganz Europa im Visier?
Johnny: Ja, es stimmt. Unsere letzte Platte wird jetzt überall in Europa veröffentlicht und wir hoffen, daß sie überall so gut aufgenommen wird wie in Deutschland.
Paddy: Aber am wichtigsten bleibt Deutschland, vor allem Ostdeutschland. Gerade hier haben die Leute uns schon zugejubelt, als wir noch nicht in der Hitparade standen. Wir haben zuerst in Ostdeutschland gespielt, als es die DDR noch gab. Auch nach dem Mauerfall waren wir oft hier. Wir haben irgendwie miterlebt, was die Leute hier in den letzten fünf Jahren erlebt haben. Weil wir wissen, was hier los ist, haben wir auch ganz besondere Eintrittspreise gemacht. Wir wollen, daß die Leute ihre ganze Familie mitbringen können.

Frage: Warum wohnt ihr auf einem Hausboot auf dem Rhein? Ihr könnt Euch doch längst ein Haus leisten?
Paddy: Das Boot hat etwas mit Freiheit zu tun. Mit dem Gedanken von Independence. Also Unabhängigkeit. Unser Vater wollte immer frei sein und sich keinem unterordnen müssen. Aber wir leben ja nicht nur auf dem Boot. Das wird immer nur so erzählt. Direkt an dem Boot haben wir ja auch ein haus, in dem unsere Plattenfirma sitzt. Da haben wir auch unsere Proberäume, Büros und so weiter.
Johnny: Das mit dem Boot ist eine Lebensart, die wir von unserer Zeit in Amsterdam kennen. Dort leben 20.000 Leute, vor allem Künstler und Musiker, auf Booten in der Krachten. Das ist faszinierend. wenn du wegwillst, machst du einfach die Leinen los.

Frage: Habt ihr jemals Sehnsucht, von zu Hause wegzugehen?
Paddy: Nie. Was ich zu Hause habe, ist doch das, wovon viele andere Menschen träumen. Das findet man selten. Die Geborgenheit und Sicherheit. Andere Kinder wachsen mit Drogen auf und Gewalt. Ich kann verstehen, daß die da raus wollen. aber mir geht es ja zum Glück nicht so.
Johnny: Mir geht es so, daß ich schon nach drei, vier Tagen, die ich mal von zu Hause weg bin, mir sage: Oh, Johnny, dir fehlt irgendwas. Ich kriege ein ganz schlechtes Gefühl. Wir sind doch zusammen aufgewachsen, wir waren zusammen unten und oben. Wenn du Probleme hattest, konntest du immer zu deinem Bruder oder zu deiner Schwester gehen. Wir haben auch gestritten und streiten noch - aber am meisten halten wir zusammen.

Frage: Was treibt euch nach 300 Konzerten im Jahr noch an?
Paddy: Ach, wenn ich zu Hause bin und fünf Tage nicht Gitarre gespielt habe, dann zittere ich schon. Es fehlt dann einfach dieses Feedback vom Publikum, dieses Erlebnis mit den Fans. Das muß man sich immer holen.

Frage: Könntet ihr Euch auch eine andere Arbeit vorstellen?
Johnny: Wir haben doch alle auch noch eine andere Arbeit. Jeder von uns hat in unserer Firma eine andere Verantwortung. Kathy ist die Finanzministerin, Maite kocht, ich mach´ die Videoproduktionen.


Frage: Ihr seid ja alle weitgereist und sprecht mehrere Sprachen. In welcher Sprache denkt ihr?
Paddy: Ich träume manchmal in spanisch. Unterhalten tun wir uns auf englisch. Nur wenn wir Geheimnisse haben, reden wir spanisch.

Frage: Und welche Rolle spielt Euer Vater?
Johnny: Er ist der Chef. Er hat das alles möglich gemacht, alles aufgebaut. Ohne ihn gebe es die Kelly Family nicht.
Paddy: Pa ist einfach ein Genie.

3 Kommentare:

Eisenschwein hat gesagt…

ich kann dazu irgendwie - kein verhältnis aufbauen.

Eisenschwein hat gesagt…

die kinder in bosnien werden sich übrigens über die abgelegten plüschtiere der kellys sehr gefreut haben.

Vox Diaboli hat gesagt…

hmm, kelly-family. hmmm, nun ja.