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| Mehr Rüstung bedeutet mehr Wohlstand. |
Miese Stimmung im Land, schlechtes Wetter und in Berlin eine ratlose Regierungskoalition, die sich wegen der Beitragshöhe zur Rentenversicherung in zehn Jahren gegenseitig zerfleischt, obwohl jeder weiß, dass alle Pläne, Haltelinien und Begrenzungsbeschlüsse schon im kommenden Jahr hinfällig sein werden. Wenig Hoffnung auf Besserung herrscht, zudem heften zwei nahezu gleich große gesellschaftliche Gruppen sie an zwei diametral entgegengesetzte Erwartungen.
Die einen möchten alles kaputtschlagen und neu anfangen, mit einem kleinen, schlanken Staat. Die anderen drängen darauf, den Staat einfach in die Lage zu versetzen, die Unzahl an Aufgaben, die er sich aufgehalst hat, erfüllen zu endlich auch mal können.
Auf dem Mittelweg in den Tod
Kompromisse werden gesucht. Kompromisse aber sind gerade zwischen gegensätzliche Positionen schwer zu finden. Und in der größten Not bringt der Mittelweg den Tod - ausgenommen in jenen seltenen Fällen, in denen sich doch noch ein unerwarteter Ausweg findet, mit dem allen leben können.
In diesem Fall kommt er aus Grimma, wo sich das Climate Watch Institut (CWI) längst schon nicht mehr nur mit der großen Transformation, dem Klimaausstieg und dem Rückbau der Industrie beschäftigt. Institutschef Herbert Haase hat schon vor Monaten umgesteuert und sein Haus auf die neuen Herausforderungen des Rechtsrucks eingestellt. Statt mit Statistiken und Zahlen Zweifel am Klima zu nähren, haben CWI-Forschende bereits moderne schmerzfreie Steuererhöhungsmodelle vorgeschlagen und ebenso Maßnahmen gegen die grassierende Altersarmut.
Neue Studie zeigt Wehrkraft-Wumms
Doch das seien Nischenideen gewesen, sagt Gründungsdekan Haase, der 2022 im Rahmen der Bundesbehördenansiedlungsoffensive von Angela Merkel nach Sachsen geschickt worden war, um dort neue, hochwertige Arbeitsplätze für Wissenschaftler aufzubauen, die in der Kohle nicht mehr gebraucht werden. Die neue Studie, unter dem Titel "Arms boom secures hundreds of thousands lives" im Wissenschaftsmagazin "Real Science Nature" veröffentlicht, geht grundsätzlichere Probleme an: Die Dauerkrise. Den Zusammenbruch der Wirtschaft in Zeitlupe. Die Machtlosigkeit der Parteien, denen bereits im fünften Jahr - die Merkel-Ära nicht mitgerechnet - nichts einfällt, wieder Dampf auf den Kessel zu bringen.
Deutschlands Autobranche schwächelt, die Stahlbranche wird nur noch von mutigen Managern wie Heiko Maas aufrecht gehalten. Die Chemie schließt Anlagen. Das Gastgewerbe eine Kneipe nach der anderen. Auch alle anderen Industriezweige stöhnen über Kosten und globalen Gegenwind, hohe Steuern, die Unfähigkeit der EU, ihre selbstgemachten Bürokratieregeln abzuschaffen, und den Drang des neuen Kanzlers, sich auf Nebenkriegsschauplätzen als tatkräftigen Anführer zu inszenieren.
Zuversicht im Gepäck
Herbert Hasse aber hat Zuversicht im Gepäck. "Die Waffenbranche ist im Aufwind", sagt er, "und dort finden wir den Schlüssel zur Rettung." Steigende Ausgaben für das Militär seien in Deutschland der Studie seiner Kolleginnen und Kollegen zufolge jetzt schon der einzige Grund, warum sich die anhaltende Krise in den anderen Wirtschaftsbereichen nicht in den Arbeitslosenstatistiken zeigten. "Sie kann aber ein echter Jobmotor werden, wenn es gelingt, die direkten Verteidigungsausgaben nicht nur bei den bisher geplanten 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zu belassen, sondern sie auf sieben bis 15 Prozent auszuweiten".
Die Rechnung, die Haase mitgebracht hat, ist einfach. Die bisherigen Investitionen in Panzer, Kasernen; Geschütze und Uniformen würden hierzulande bis 2029 schätzungsweise 144.000 neue Arbeitsplätze entstehen lassen, heißt es in der CWI-Studie. Hinzu kämen bereits bestehende Industriejobs, deren Erhalt durch die Rüstungsaufträge abgesichert wird, weil Autofabriken Panzer herstellen und Autozulieferer Drohnenteile bauen. In diesem Konversionsbereich rechnen die Studienautoren mit einem Job-Effekt von 360.000 Arbeitsplätzen, die erhalten bleiben können.
Doppelt hilft doppelt
Doch es könnten viel mehr sein, sagt Herbert Haase. Wenn die großen Waffenschmieden wie Rheinmetall, KNDS Deutschland und Heckler & Koch mit größeren Auftragsvolumina versorgt würden, dann müssten sie auch ihre Kapazitäten ausweiten. Doppelt so hohe Ausgaben würden nach Einschätzung der Autoren dazu führen, dass statt einer halben Million lukrativer Arbeitsplätze im Verteidigungsbereich fast 750.000 entstünden. Die deutsche Wirtschaftsleistung im Jahr 2029 werde dann nicht nur um 0,7 Prozent höher ausfallen, sondern - höhere Staatsausgaben für den Kauf von Jagdflugzeugen, Schützenpanzern, Jeeps und Gewehren vorausgesetzt - um 1,2 Prozent.
Mehr Extra-Geld für Waffen und andere Militärkosten bedeute mehr Wirtschaftswachstum. "Das Verhältnis ist recht linear, hat unsere Studie ergeben." Und das Verhältnis zwischen aus dem Fenster geworfenem Geld und staatlichen Erträgen in Form von Steuern und Abgaben seit "deutlich besser als alles, was wir derzeit sehen". Mit einer Neuverschuldung, die um 1,8 Prozent angestiegen sei, habe der Staat gerade mal ein schwächelndes Wachstum von null anregen können. "Da geht unglaublich viel verloren, weil das Geld einfach versickert."
Das Geld kehrt zurück
Statt Milliarden fordert Haase Billionen für ein modernes Militär. Man müsse nur einmal anschauen, was eine gezielte Ausweitung der bis 2035 geplanten direkten Verteidigungsinvestitionen der europäischen Nato-Staaten von knapp 2,2 Billionen Euro auf sechs, sieben oder acht Billionen auslösen könne. "Da das Gros der Investitionssumme an europäische Unternehmen fließt – lediglich etwa ein Drittel geht nach unserer Analyse an US-Firmen –, kehrt das Geld in Hülle und Fülle in die Staatskassen zurück", sagt der Fachmann. Kredite könnten so bedient, Schulden zurückgebaut und zudem wichtige Investitionen in die desolate Infrastruktur gestemmt werden. "Das ist eine absolute Win-Win-Situation."
Auch verteidigungstechnisch, das betont der Wahlsachse. Wenn ein deutscher Verteidigungsminister heute stolz auf 300 Panzer verweise, über die er vielleicht schon zwei, drei Jahre nach dem für 2029 erwarteten Angriff Russlands verfügen werden, "dann lachen im Kremlhof die Hühner". Müsse Putin aber erkennen, dass Deutschland gezielt und schnell darauf hinarbeite, sich wieder die 2.000 bis 3.000 Panzer anzuschaffen, die es vor 35 Jahren noch in die Schlacht hätte werfen können, sei das ein klarer Kompass, den "auch Putin lesen kann", wie Haase glaubt.
Positiv für alle
Er sehe die Entwicklung der Rüstungsbranche deshalb im doppelten Sinne positiv für die ganze Wirtschaft. Auch wenn die 3.000 Leopard-Panzer alles in allem nur 100 Milliarden Euro kosten würden, lohne sich die Investition. "Durch die Unterhaltung, Pflege und Reparaturen stellt die Verteidigungsindustrie einen wirtschaftlich stabilisierenden Faktor dar, der selbst bei konjunkturellen Schwankungen alle europäischen Volkswirtschaften stützen wird."
Haase rechnet vor allem anfangs mit deutlichen Wachstumsimpulsen dank der steigenden Rüstungsausgaben, später dann mit einer Transformation auf einem stabilen Level, das die großen Jobverluste in anderen Industriebereichen auffangen werde. "Sobald es zu Gefechten kommt, werden diese Bereiche aber strukturell weiter ausgebaut und personell aufgerüstet werden."
Der Sauger für alles
Dass durch den Aderlass an Arbeitskräften in traditionell starken deutschen Branchen wie Auto- und Maschinenbau glücklicherweise viele fähige Facharbeiter und Ingenieure frei würden, treffe sich gut. "Die Rüstungsbranche wird die Leute alle aufsaugen", sagt Herbert Haase. Sei die Rüstung erst richtig in Fahrt gekommen, werde auch das Gemecker über hohe Strompreise, Lieferketten und bürokratisch Lasten enden. "Wir sehen ja beim geplanten Notfallsystem für Militärtransporte, dass im Namen der Verteidigungsfähigkeit selbst Ausnahmen bei Lenk- und Ruhezeiten, nationalen Melderegeln oder Umwelt- und Lärmschutzvorschriften genehmigt werden."










