Kurz vor Schluss sollten es Drohungen richten: Dennoch verlor "Spiegel"-Kandidatin Kamala Harris am Ende deutlich. |
Mittwoch, 6. November 2024
Am Abgrund: Schon einen Schritt weiter
The Day after: Eiszeit in Amerika
Gespalten und ohne Zukunft. Amerika. |
Trump ist nun auch Höcke
Möglicherweise folgenreich
Grausen im Kanzleramt
Keine richtige Demokratie
Selbst Hilfe aus Berlin
Keine Flinte ins Korn
Wasser auf die Mühlen
Dienstag, 5. November 2024
Bange Stunden: Das leise Wimmern der Demokraten
Auch zur Frage der Schwangerschaftsunterbrechungen gibt es im Augenblick nur eine korrekte Ansicht. |
Abschaffung der Demokratie
Das war vor sieben Jahren und vielleicht ist es morgen endlich so weit. Langsam, ganz langsam drohen selbst den größten Untergangspropheten die Drohungen aus zugehen, was alles passieren wird, wenn es zum Schlimmsten kommt. Faschismus, Diktatur, Abschaffung der Demokratie, eine Pflicht für Frauen, ein Kind pro Jahr zu bekommen, und Käfigkämpfe mit Migranten, gegen Eichhörnchen, gesponsert von Putin und Xi. Hätte er "Babys essen" gesagt, wäre die Botschaft klar gewesen: Bestenfalls eine Ankündigung seiner nächsten Mahlzeit. Schlimmstenfalls eine neue Pflicht für alle Bürger, die während der nächsten vier Jahre beschlossen werden soll.Alles wurde in den zurückliegenden Wochen an die Meinungsfront geworfen, was sich irgend ausdenken ließ. Wer immer sich für einen Demokraten ansah, ließ es alle wissen: Wahl ist, wenn ein anständiger Mensch mit anständigen Auffassungen keine Wahl hat, weil einer der Kandidaten wegen falscher und gefährlicher Absichten überhaupt nicht infrage kommt.
Diese Art Demokratie, die hier gemeint ist, geht von der Überzeugung aus, dass Meinungsstreit schädlich ist. Als ideal wird ein Zustand angesehen, in der jedermann und jede Frau einer Meinung sind, und selbstverständlich der richtigen. Zuweilen gestanden die Meinungsführer zwar ein, dass die Alternative ein Rätselbuch sei - Abtreibungen würde Amerika mit ihr bekommen, vom Rest wisse leider noch niemand etwas, vielleicht nicht einmal sie selbst. Aber wer Demokrat ist, muss nehmen, was gerade angeboten wird.
Leute von SPD bis CSU
Ein Deutschland sind das die Parteien des demokratischen Blocks, wobei noch nicht ganz fest steht, ob das neue Bündnis Wagenknecht nun wirklich dabeisein darf. In den USA, der Name sagt es, sind es die Demokraten, eine Partei, die nach Auffassung des früheren SPD-Chefs Sigmar Gabriel "Leute von SPD bis CSU" vereint und nicht nur Träume vom Ausbau der Kernkraft, einem anhaltenden Ölboom und gewaltigen staatlichen Förderprogrammen träumt. Sondern auch vorhat, wie bisher eine protektionistische Handelspolitik zu verfolgen, um die vom internationalen Wettbewerb verwirrte und aufgrund ihrer langen Befehlsketten reaktionsgehemmte EU als Konkurrenz endgültig auszumanövrieren.
In Berlin und Brüssel liebt jeder anständige Mensch die Demokraten, auch in den großen Medienstädten Hamburg, München, Köln und Frankfurt besteht Konsens darüber, dass es nur Eine geben kann. Der gute Demokrat hat all die Warnungen gelesen: Trump will Diktator werden. Wenn er verliert, gibt es Bürgerkrieg. Wer ihn wählt, unterstützt einen Nazi. Er ist alt, krank. Ein Hypochonder, Verschwörungstheoretiker, Frauenfeind, Kriegstreiber, steht auf Putins Gehaltsliste. Plant einen Atomkrieg mit dem Iran. Die Wiedereinführung der Sklaverei. Eine Außengrenze, fast so fest wie die, die die EU bald haben wird.
Siedelnde Sippen
"Demos", das Volk, entstanden aus dem Begriff für das gemeinsame Siedeln verschiedener Sippen, ist nach dieser Glaubensschule fast schon verpflichtet, in allen Belangen einer Ansicht zu sein. Die von Angela Merkel erstmals offensiv im politischen Geschäft verkaufte "Alternativlosigkeit" ist der Treibsatz einer Definition von Demokratie, nach der es nur einen Weg gibt, einen Plan und eine Rettung vor den Herausforderungen, die vor der Nase auftauchen.
Das kann ein rascher Energieausstieg durch die massenhafte Abschaltung vorhandener Energiequellen sein, ebenso aber das unumgängliche Bemühen, Energie möglichst billig zu machen, weil - das war kaum weniger alternativlos - sie zuvor gezielt verteuert worden war, um dem Klima unnötige Schäden zu ersparen.
Im gelenkig denkenden Gehirn eines wohlerzogenen Demokraten ergibt das immer Sinn. Es anders zu sehen, ist verdächtig, das zu sagen, beinahe ein Fall für die staatlichen Erziehungsbehörden und deren private Vorfeldorganisationen.
In einer bipolaren Welt gibt es kein Grau mehr, alles ist zwingend Weiß oder Schwarz. Auf Fragen wie Schwangerschaftsabbruch, Kernenergie, Klimaschutz und Mobilität gibt das Parteiprogramm der Grünen Antwort, bei Migration, Kriminalität und Europa kann die SPD helfen, für Krieg, Waffen und unverzagte Vorneverteidigung hat die FDP eines im Regal.
Das Wer entscheidet
Zahltag: Menschen, die falsch wählen
Fast niemand mag ihn, seine Schandtaten beschäftigen die Medien seit einem Jahrzehnt. Doch trotz aller Warnungen ist Donald Trump noch immer nicht aus dem Rennen. |
Der Amerikaner bleibt ein Rätsel - wie der Sachse
So weit weg
Kamala könnte jeden haben
Tabula Rasa statt Weiterso
Eigentlich nur Ruhe haben
Es läuft was schief
Die Neidkarte sticht nicht
Was nach Sieger aussieht
Montag, 4. November 2024
Fremdbestimmungsgesetz: Der Kanonenfutter
Niemand will Frauen an die Front zwingen - und damit verweigert der Gesetzgeber Frauen das fundamentale Recht, immer und überall genauso behandelt zu werden wie Männer. |
Sie nennen das Selbstbestimmungsgesetz und es soll die große Revolution bringen. Männer und Frauen endgültig auf Augenhöhe und das immer. Entscheidend ist nicht mehr, was eine Hebamme oder ein Geburtshelfer Jahre oder auch oder Jahrzehnte zuvor zu sehen geglaubt zu haben hat, sondern wie sich der dabei Betrachtete heute fühlt. Ein Gang zum Amt. Ein wenig warten. Fertig ist die Gerechtigkeit.
Unbürokratische Regelung
Fremdbestimmungsregelung
Altbackene Überinterpretation
Der Kanonenfutter
Trumpophobie: Die Angst, dass er Recht hat
Auf den letzten Metern eines Wahlkampfes, der an Tiefen reich war, missbraucht die Kampagne von Ex-Präsident Donald Trump das Schicksal des New Yorker Eichhörnchen "Peanut" als Wahlkampfmunition. |
Gedeih und Verderb
Mit juristischer Schlinge
Sound der Alarmsirenen
Trotzdem oder deshalb
Trumpismus der demokratischen Mitte
Trumpophobie auf allen Kanälen
Popanz Faschismus
Der Sumpf hat Angst
Sonntag, 3. November 2024
Not kennt ein Gebot: Die Prepper von Brüssel
Einst Zielscheibe vieler Kritiker, nach dem Wille der EU bald Vorbild für Millionen: Prepper. |
Was sind sie verlacht worden. In ihrem Hang, sich vorzubereiten, den Ernstfall zu planen, Vorräte anzulegen und bereit zu sein, wenn alles zusammenbricht. Sie hatten Nudeln, Reis und Wasser gehortet, um prepared zu sein, wenn es zum Äußersten kommt. Der Blackout, das Ende der gewohnten Welt. Die Zombieapokalypse. Der Russe.
Angst vor der Zukunft
Prepper pflegten den unerschütterlichen Glauben, hinter der sichtbaren Wirklichkeit verbürgen sich geheime Kräfte, dunkle Schattenwelten, allmächtige Herrscher, die das Leben der einfachen Menschen mehr bestimmten als Olaf Scholz, die Uno und Donald Trump zusammen. Das Internet war ihr Treffpunkt, hier tauschten sie ihre Codes, hier verabredeten sie ihre gemeingefährlichen Aktivitäten mit dem selbstsüchtigen Ziel, eine kommende große Krise ohne Rücksicht auf andere überleben zu wollen.
Bundesregierung, EU-Kommission und demokratische Leitmedien konnten immer nur wieder davor warnen, den Einflüsterungen zu folgen. Nudeln, Reis, Bier und Löschkalk für den Tag X bevorraten? Wer das tat, drückte damit mangelndes Vertrauen in den Staat aus. Der anständige Bürger verließ sich selbstverständlich darauf, dass die Behörden im Fall der Falle alles zu besten wenden würden.
Preppern heißt Zweifeln
Wer prepperte, den trieb der "tiefe Wunsch nach dem Zusammenbruch" (Spiegel), der war "gefährlich für den Rechtsstaat" und zumeist dort weit rechts außen unterwegs, wo der "Hass am Grill" steht (Die Zeit). Verdammenswerter Egoismus. Lebensrettung auf Kosten anderer. Rücksichtslos auf das eigene Wohl bedacht, so lauteten die Urteile der medialen Mehrheitsgesellschaft über die, die sich mühten, auf Naturkatastrophen, biblische Seuchen und "den unweigerlich bevorstehenden Endkampf" (Zeit) mit dem Russen gerüstet zu sein.
In Brüssel und Straßburg, wo die Uhren bekanntlich langsamer gehen, brauchte es vier Jahre, um der hässlichen Verschwörungstheorie von der Notwendigkeit privater Krisenvorsorge den amtlichen Segen der Kommission zu geben. Die aber hat nun gesprochen und einen Krisenplan der EU verkündet: Jeder Haushalt müsse Reserven für 72 Stunden anlegen, weil die EU-Staaten nicht in der Lage seien, das Überleben ihrer Bürger im Krisenfall für mindestens drei Tage sicherzustellen. Gefragt sei "mehr Selbstverantwortung der Bürger", Vorratshaltung, Selbstversorgung, Wasser, Verbandszeug, Brot.
Der gute Europäer preppert
Der gute Europäer, der in der Vergangenheit gezielt darauf verzichten sollte, mehr an Lebensmitteln daheim zu haben als es sich gehörte, um ein Zeichen der Solidarität in Zeiten des Mangels zu senden, soll zum Hamster werden, der für sich selbst sorgt und damit allen hilft. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mag 66 Jahre alt sein, doch die CDU-Politikerin ist gelenkig genug, einen Salto aus dem Stand vorzuführen: Der Hamster, das Wesen, das zuletzt in der Pandemie auf der Jagdliste stand, wird nach der Vorlage des Niinistö-Berichtes zur Krisenresilienz der weltgrößten Staatengemeinschaft zum Wappentier der EU.
Um die Bereitschaft der Bürger zu stärken, an kommende existenzielle Krisen zu glauben, sollen Menschen zudem "für die Gefahren sensibilisiert und ihre
psychologische Widerstandsfähigkeit gefördert werden". Angst gilt als bester Ratgeber: "Ohne in Panik zu
verfallen, sollten sich die Menschen auf Krisenszenarien vorbereiten", fasst der zum SPD-Medienimperium zählende RND zusammen.Von der geplanten Beobachtung der Prepper durch die Geheimdienste soll offenbar dauerhaft abgesehen werden.
Angstblüte: Rette sich, wer kann
Mit großer Kaltblütigkeit hat Christian Lindner dem Niedergang seiner Partei über Jahre hinweg zugeschaut. |
Was für ein Eklat. Ein ganzes langes Jahr hatte die ehemalige liberale Partei Deutschlands ihrem eigenen Untergang mit der gelassenen Ruhe eines Pokerspielers zugeschaut. Ihre Wähler wanderten ab, ihre Sympathisanten wandten sich anderen Hobbys zu. Parteileiter Christian Lindner stimmte allem zu, was Grün und Rot auf die politische Agenda haben, stets gelang es ihm, noch schlimmeres zu verhüten. Und nie bekam er Applaus dafür, nicht für seine Punkte-Pläne und nicht für seine Kaltblütigkeit.
Glaube an ein besseres Morgen
Das Land verkam. Die Wirtschaft verfiel. Wahlen gingen in Serie verloren. Der 45-jährige Youngster im Vizekanzleramt aber verlor den Glauben nicht an ein besseres Morgen. Eines Tages würde der Befreiungsschlag kommen. Die FDP würde die Fesseln des Sozialstaatsfundamentalismus abschütteln. Und auferstehen aus der Asche des Verrats an nahezu allen freiheitlichen Werten. Von einem Volk, das sich nach neuen Führern sehnt, begeistert gefeiert.
Ganz so weit ist es noch nicht. Aber ein Jahr vor der Bundestagswahl hat die erste Angstblüte im Hans-Dietrich-Genscher-Haus ein "Positionspapier" sprießen lassen: "Wirtschaftswende Deutschland - Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit" führt auf 18 Seiten aus, wie aus "unverändert großen Stärken" wie "Innovationskraft und geistiges Eigentum, qualifizierte Beschäftigte, ein kapitalstarker Mittelstand und eine industrielle Basis, die ihre Anpassungsfähigkeit schon oft bewiesen" hat ein Staatswesen werden konnte, das jammert, sich am Alten festklammert, nicht auf die Strümpfe kommt und schon gar nicht mehr auf die Beine.
Zu viel Mühe
Lindner hat sich Mühe gegeben mit seiner Antwort auf Robert Habecks vielbeachtetes und noch häufiger gelobtes Grundsatzpapier zur Umgehung der Schuldenbremse durch ein weiteres prächtiges Sondervermögen und dem Ausbau des Staatseinflusses auf die Wirtschaft durch Bundesprämien auf Investitionen.
Aber das hätte er sich auch sparen können. Kaum war sein "Konzept" ruchbar geworden - ein Leak, den Verschwörungstheoretiker dem FDP-Parteichef sofort selbst andichteten - ging es nicht mehr um den Inhalt. Sondern darum, dass das ja wohl die Scheidungsurkunde der Ampel sei.
Von der "neoliberalen Phrasendrescherei" über "Papiere, die nicht helfen" bis zu "nicht zu verwirklichen" oszillierten die Reaktionen. Das auch noch "gerade jetzt", wo Hitler vor der Tür steht. "Als würde man einem Auffahrunfall zuschauen, nannte es die grüne Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge, die die Säuberungswelle in ihrer Partei glücklich überstanden hat, im Falle einer Neuwahl vor der Zeit aber wie so viele Grüne um ihren Platz im Bundestag bangen müsste.
Hoffen auf ein Wahlwunder
Für SPD und Grüne ist Lindner zu früh dran. In den Zentralen der beiden größeren Regierungsparteien lebt die Hoffnung noch, dass ein gnädiges Schicksal die Wirtschaft von ganz allein wenden wird, dazu Harris im Weißen Haus und gute Gaben aus Amerika, ein bisschen von der üblichen Vergesslichkeit der einfachen Leute und ein paar schöne Wahlplakate mit ganz viel "neu" und "sozial" und "gerecht" drauf.
Und schon ist ein Wahlwunder wie 2021 nicht mehr vollkommen ausgeschlossen. Bis dahin wird es schon noch gehen, davon sind sie im politischen Berlin überzeugt. Vielen anderen Ländern gehe es doch nach wie vor viel schlechter. Das müsse man draußen im Land nur besser erklären.
Lindner hielt sein Pulver trocken. Der gewiefte Taktiker, der die FDP nach ihrem letzten Scheintod nahezu im Alleingang wiedererweckt hatte, wusste, dass er nur diese eine Patrone hat: Den Abschied aus der Fortschrittskoalition, die das Land nach Ansicht vieler in drei Jahren mindestens so weit zurückgeworfen hat wie Merkel in 16.
Besser als die Lage
Dass ihn jetzt die Nerven im Stich gelassen haben, kann nur bedeuten, dass die miserable Stimmung besser ist als die Lage: Die Regierung kommt vor lauter Gipfeln nicht mehr zum Regieren. Der mystische "Wachstumspakt" vom Frühjahr ist immer noch nicht mehr als ein Versprechen. Alles, was die drei Regierungsparteien noch zusammenhält, ist das Spekulieren darauf, dass der eigene Abschied eines Tages so inszeniert werden kann, dass die anderen beiden an allem schuld sind.
Christian Lindner hält den Moment nun wohl für gekommen. Ausdrücklich zitiert er schon im Titel den Begriff "Wende" aus dem Lambsdorff-Papier von 1982, das damals das Ende der sozial-liberalen Ehe einläutete. Und neben dem "geringen Produktivitätswachstum" und dem "geringen Arbeitsvolumen" prangert er auch den "deutschen Sonderweg beim Klimaschutz" an - einen bisher als Kraftkern der Koalition geltender Kurs, der Europas größter Industrienation eine "politisch forcierte Dekarbonisierung des Kapitalstocks" auferlegt, der "zu stark steigenden Energiekosten" führe und "langlebige und weiterhin nutzbare Güter privater Haushalte (wie etwa Heizungen oder PKW) an Wert" verlieren lasse.
Eben noch überzeugt
Das war bis vor ein paar Tagen durch die Überzeugung legitimiert, dass es sein muss. Führt nun aber zu "hoher ökonomische Unsicherheit, verschlechterten Standortbedingungen in der Energieversorgung, zur Bindung von Finanzmitteln des Staates für Subventionen und soziale Ausgleichsmaßnahmen und zur Zurückhaltung von Haushalten und Unternehmen bei Investitionsentscheidungen". Jetzt reicht es. Rette sich, wer kann!
Die "Wirtschaftswende", die Lindner bereits im Sommer leise flüsternd ausgerufen hatte - keiner der anderen Koalitionäre sah eine Notwendigkeit, mitten in den Ferien darauf zu antworten - ist die Pistole, die der FDP-Chef seinen Kollegen Scholz und Habeck auf die Stirn setzt. Lindner will das Soziale kürzen, bei der Verweigerung noch höherer Schulden beruft er sich auf die EU-Schuldenregeln, er will die "Marktwirtschaft als Treiber der Erneuerung" und er meint damit nicht den Ausbau der staatlichen Technologieselektion und der immer und aufwendiger planwirtschaftlichen Lenkung des Ressourceneinsatzes durch Verbote und Subventionen.
Den Menschen vor sich selbst retten
Nicht einmal Olaf Scholz würde in einer solchen Welt regieren wollen, geschweige denn Saskia Esken, Lars Klingbeil oder die Grünen, für die nur der strenge, obrigkeitliche Staat den Menschen vor sich selbst retten kann. Wie das Ganze ausgehen wird, hängt nun ganz von Amerika ab. Je nach Ausgang der Wahlen in den USA werden sich die drei Ampel-Parteien ab Mittwoch neu positionieren: Weiter nach links oder noch weiter? Für die "wirtschaftspolitische Neuausrichtung" des Landes wird in keinem Fall Platz bleiben.
Und die FDP steht in den letzten Monaten oder nur Wochen ihrer Existenz als politisch bedeutsame Kraft vor der interessanten Wahl, mit den beiden anderen unterzugehen. Oder ohne sie.
Samstag, 2. November 2024
Zitate zur Zeit: Defekte Wirklichkeit
Im Gegensatz zu deutschen Erkenntnissen, wonach Vertrauen zuletzt nur verschoben wurde, behauptet Amazon-Besitzer Jeff Bezos, es sei geschwunden. |
Wer mit der Realität kämpft, verliert.
Der US-Multimilliardär Jeff Bezos verteidigt seinen Umgang mit der Pressefreiheit
Turbanpropaganda: Selbst das Klima zählt nicht mehr
Von wegen "nur ein Stück Stoff" - ein ordentlicher Turban benötigt gewaltige Stoffmengen und belastet das Klima deutlich mehr als eine gestrickte Pudelmütze. |
Eng eingebunden, eindrucksvoll aus, ein Stück Stoff, "das sich auf kunstvolle Weise windet". Die Hamburger Wochenschrift "Die Zeit" hat eine Eloge auf den Turban verfasst, die Hoffnungen weckt, dass der nahöstliche Kopfputz "diesen Herbst endlich die schlumpfigen Wollmützen ablöst".
Der Turban, heißt es ehrfurchtsvoll, sei "zurück in der Mode", aus der er anderenorts nie verschwunden war. Sogar bei Prada gebe es Mützen für Männer mit einer turbanartigen Stoffumwicklung, "Max Mara" habe "einen Turban für die Dame im Programm" und damit finde endlich Guccis Versuch von vor Jahren, mit blauen Turbanen ein wenig Islamfeeling ins Abendland zu bringen, seine Fortsetzung.
Verstörende Sehnsucht
Eine Sehnsucht, die verstörend wirkt in Zeiten, in denen Nachhaltigkeit, Materialsparsamkeit und Verzicht im Sinne des Klimaschutzes auch bei der Wahl der Bekleidung dominieren sollten. Sogenannte Kapuzenjacken gelten nicht von ungefähr als so akute Bedrohung, dass die EU seit Jahren ein Verbot erwägt: Einer Studie zufolge existieren allein in Europa mehr als fünf Milliarden Jacken mit Kapuzen.
Die Baumwollmenge, die allein für die Kopfbedeckungen, die zu 99,5 Prozent der Zeit nicht benutzt werden, bringt ein Gewicht von zwischen 250.000 und 500.000 Tonnen auf die Waage. Ausgebreitet würde die Stoffmenge fast 1000 Saarländer oder aber 350 Millionen Fußballfelder bedecken.
Populär bei Predigern
Ähnlich problematisch ist der Turban, ein "religiös konnotiertes Kleidungsstück" (Die Zeit), das Religionsstiftern, Imamen und anderen Predigern popularisiert wurde. Im Westen umgibt das aus einer langen Stoffbahn zusammengewickelte Tuch, dem die Träger ihren liebevollen Spitznamen "Wickelköpfe" verdanken, weiterhin eine Aura des Fremden.
Aus Angst vor dem Vorwurf der sogenannten kulturellen Aneignung, aber auch aus Respekt vor den begrenzten Ressourcen, die die Erde bietet, nahmen die Gesellschaften nördlich des Mittelmeeres überwiegen jahrhundertelang Anstand vom Brauch, sich öffentlich ausschließlich mit umwickeltem Kopf zu zeigen.
Dem Turban eine Chance
Ausgerechnet die "Zeit" aber, eigentlich in solchen Dingen ja recht wach und jederzeit alarmbereit - wirft sich nun für das "exotisierende" (Zeit) Stoffstück in die Bresche. Wie Vermeers "Mädchen mit dem Perlenohrring", das als Zitat der "morgenländischen Kultur" einen blauen Turban und ein gelbes Tuch trägt, sollen Fashion Victims ihre bequemen Wollbeanies, ihre Tschapkas und Pudelmützen im Schrank lassen und dem Turban eine Chance geben.
"Das lockende Fremde" könne so eine neue Heimat in den urbanen Zentren Deutschlands und draußen auf dem Land finden und die Erinnerung daran hochhalten, dass der Turban im Mittelalter ein Turban Symbol des Feindes war, heute aber symbolisiert, dass alles eins ist, Freund, Feind und Geliebter und Geliebte.
Mangelnder Respekt
Problematisch daran ist weniger die Aneignungsfunktion, die von mangelndem Respekt einem in bestimmten Landstrichen als heilig betrachteten Accessoire erzählt. Sondern der drohende erhöhte Ressourcenverbrauch, den eine Turbanwende samt Mützenausstieg und deutschlandweiter Tuchtransformation mit sich bringen würde. So wiegt eine Branded Knitted Beanie Mütze nach Herstellerangaben ganze 50 Gramm, ein Turban kann je nach Länge und Breite des verwendeten Stoffstreifens auf das drei- bis 70-fache kommen.
Denn klar ist: Für Turbane werden in aller Regel verschwenderisch große Stoffmenge verwendet. Ein Meter mal ein Meter gelten als vollkommen normal, drei Meter mal 80 Zentimeter als nicht besonders groß, auch vier mal ein Meter sind häufig anzutreffen. Der Turban bedeckt dennoch nur einen relativ kleinen Bereich des Körpers, allerdings so dick, dass die ARD schon vor vielen Jahren besorgt fragte "Wie heiß wird's unterm Turban".
Hitze und Hass
Eine berechtigte, aber auch besorgte Frage, hat die Wissenschaft hat den Zusammenhang zwischen Hitze und Gewalt doch längst eindeutig nachgewiesen.Untersuchungen wiesen einen Verlust bis zu 40 IQ-Punkten durch Hitze nach, Der jungen Mathematikerin Annika Stechemesser gelang es sogar, durch die Analyse von mehr als vier Millionen Hass- und Hetznachrichten beim damaligen Hassportal Twitter einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen steigenden Temperaturen und einer wachsenden Zahl von wütenden und häufig regierungsfeindlichen Notaten zu belegen. Unter Turbanen ist es zwar nur heiß, wenn es warm ist. Aber da Mützen den Wärmeverlust am Kopf verhindern, verhindern Turbane ihn auch.
Klimaschädliches Kleidungsstück
Der aktuelle Versuch, das für weniger resiliente Gruppen potenziell gefährliche, in dem Fall aber äußerst klimaschädliche Kleidungsstück zu popularisieren, spricht so weniger für verantwortungsvollen Verzichtsjournalismus, sondern mehr für eine gedankenlose Verleitung vieler Menschen zu einer Modeerscheinung, die schnellstens weltweit gebannt gehört.
Aus dem Material eines einzigen Turbans lassen sich bis zu 16 gewöhnliche Wintermützen machen - die Turbanpropaganda in der "Zeit", die darauf mit keinem Wort eingeht, verstört umso mehr, als auf das Blatt normalerweise Verlass ist, wenn um Maßnahmen zum Stopp des vorindustriellen Zeitalter bei 1,2 Grad Celsius oder Hinweise auf eine aufmerksamkeitssensible Wahrnehmungsgeschichte der Klimakrise als täglich Warnung im Alltag geht.
Doch der Rechtsruck zeigt auch hier Spuren: Wenn es um Mode geht, den letzten Großstadtchic und neue Absatzmärkte für die großen Turbanhersteller, zählen Klimagesichtspunkte nicht mehr.
Freitag, 1. November 2024
Udo und die Audianer: Das A-Wort
Vor drei Jahren war Audi mit der Genderbezeichnung "Audianer_innen" noch ganz vorn, jetzt liegt das Unternehmen im Bedeutungskampf ganz hinten. |
Kinder, wie die Zeit vergeht. Noch vor drei Jahren war die Volkswagentochter Audi ganz vorn, als sie ihre Mitarbeiter wissen ließ, dass der in der Belegschaft beliebte Begriff des "Audianers" als liebevolle Umschreibung aller bei Audi Festangestellten künftig gerecht gegendert werden müsse. "Statt "Audianer" heiße es ab sofort "Audianer_innen", hieß es in der entsprechenden internen Richtlinie. Angesichts der damals noch grassierenden Corona-Pandemie ein entschiedener Schritt, um den besonderen Herausforderungen der Zeit mit klaren Signalen zu begegnen.
Audi weit vorn
Nie wieder war Audi so weit vorn, so nahe am Zeitgeist und so beispielgebend für eine ganze Generation von Unternehmenslenkern, die das Hauptaugenmerk ihrer Tätigkeit auf die entscheidenden Nebenaspekte der Wirtschaftstätigkeit legten.
Doch wie so oft: Je schneller einer läuft, desto früher stürzt er hin. Volkswagen, der Staatskonzern Niedersachsens, stolperte über die eigenen Füße, aber auch über die Entscheidung, gefragte Fahrzeuge nicht mehr herzustellen und stattdessen lieber Autos zu entwickeln, die niemand haben will. Porsche wird die Rechnung für die EU-Entscheidung zahlen, China mit Strafzöllen zu überziehen. Und Audi steht infolge der Verschärfung der Sprachregeln mit seiner "Audianer_innen"-Richtlinie am Pranger: Wie kann eine Begriff, der unverhohlen auf das diskriminierende "I-Wort" anspielt, im offiziellen Sprachgebrauch eines großen deutschen Konzerns weiterhin vorgeschrieben sein?
Der Marsch der Kulturkompanien
Die Kulturkompanien machen vor, wie sich ordentlich im Takt der Zeit marschieren lässt. Udo Lindenbergs "Sonderzug nach Pankow", im Kalten Krieg ein schelmischer Hit, mit dem der Sänger aus dem VW-Land den DDR-Oberindianer Erich Honecker um ein Date anging, fällt 40 Jahre später unter Rassismusverdacht: Der "Oberindianer" könne "diskriminierend wahrgenommen werden". Deshalb soll der offiziell als "I-Wort" umschriebene Begriff beim Liedertreffen im Berliner „Humboldt Forum“ nicht ausgesungen, sondern durch ein lange gehaltenes "i" nach "Ober" ersetzt werden.
Eine Andeutung nur, die vollumfänglich für eine neue Epoche steht. Nach N-Wort und Z-Wort nun I-Wort, nach der Entfernung sexistischer Gedichte nun die Reinigung rassistischer Lieder. Lindenberg, als schnoddriger "Panikpräsident" selbst Erfinder der "Bunten Republik Deutschland", steht unter Diskriminierungsverdacht. Lindenberg, 78 Jahre alt, steht damit vor einem deutsche, Europa- und Weltrekord: Er ist der einzige lebende Künstler, der sowohl in der kommunistischen DDR-Diktatur als auch in der freiheitlichen Meinungslenkungsgesellschaft der offenen Vielfaltsrepublik zensiert wurde.
Nach Karl May und ostdeutschen Küchenchefs, Astrid Lindgren und J.K. Rowling ist der Mann dran, der sich selbst als "kleinen Bruder von Hermann Hesse" sieht, einen Dicherkollegen, über den Alfons Pillach reimte: "Mein größter Star war Winnetou, das hat mich umgetrieben; sah alle Filme stets dazu, bin lang sein Fan geblieben. Das Leben hat mich abgeklärt, da gab's was auf die Fresse, der Winnetou ist jetzt verjährt, ich lese Hermann Hesse."
Der fesselnde Weltgeist
Einer schlimmer als der andere. "Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen / Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten", hatte Hesse vermutet, Lindi war "Gegen die Strömung " unterwegs, er mischte Blut mit Indianerversprechen und erfreute sich am Anblick der "Spießer" ringsherum.
Jetzt ist er selbst einer, überholt vom Lauf der Zeit wie die eifrigen Genderer bei Audi, deren betriebsamtliche Anspielung auf das "I-Wort" einer dringenden Revision bedarf. Mitten in der größten Krise des VW-Konzerns assoziiert das "A-Wort" Erinnerungen an die Gewaltgeschichte der Kolonisierung indigener Bevölkerungsgruppen - eine offene Diskussion der Audi-Sprachbeauftragten mit Mitarbeitern, Betriebsrat und Management ist dringend nötig.
Auch der Zeithorizont - das A-Wort lässt sich über Jahrzehnte zurückverfolgen - kann keine Entschuldigung sein. Der Wortstamm "dians" verdankt sich einen Irrtum Christoph Kolumbus’, der sich in Indien wähnte und die amerikanischen Indigenen mit dieser herabsetzenden Bezeichnung versah.
Politisch korrekte Ersatzbegriffe stehen auch für Audi ausreichend zur Verfügung: Denkbar wären Audigene, Audinwohner, Native Audicans oder - nach Gründer August Horch - First Augusts.
Beeinflussungsbann: Die gestohlene Wahl
Sie wettern in den sozialen Netzwerken, pflastern das Land mit Wahlplakaten zu und geben Milliarden für Fernsehwerbung aus. Mit seinem Hintermann Elon Musk, dem reichsten Milliardär der Welt, hat der frühere US-amerikanische Präsident einen Gehilfen gefunden, der alles daran setzt, ihm noch einmal ins Amt zu verhelfen.
Deutschland steht zwar treu zu Kamala Harris, der von Joe Biden persönlich ausgewählten demokratischen Nachfolgerin. Europas Demokraten setzen auf einen Sieg der beliebten Vizepräsidentin. Die Hoffnung ist, dass sich viele Amerikaner ein Beispiel nehmen, weil sie auch künftig nicht auf die enge Zusammenarbeit mit der EU, Deutschland, der SPD und den Grünen verzichten wollen.
Fürchterliche Tendenz
Doch die Tendenz, die sich in Umfragen abbildet, ist mittlerweile so deutlich, dass sie selbst deutsche Schlagzeilen bestimmt: Was, wenn der erwartete Erdrutschsieg der schwarzen, farbigen, asiatischen, modernen Frau gegen den alten weißen Mann mit den schrecklichen Umgangsformen ausbleibt? Was, wenn das Schlimmste eintritt und Trump erneut ins Weiße Haus einzieht?
Es geht weniger um Folgeabschätzung als um Ursachenforschung. Wie bei der Ampelkoalition, deren gute Politik sich vor der der Biden-Administration nicht verstecken muss, halten die Beliebtheitswerte der Verantwortlichen nicht mit den sichtbaren Erfolgen schritt. Die Gründe aber liegen keineswegs nur allein darin, dass es weder in Berlin noch in Washington schon ausreichend gelingt, die erreichten Fortschritte und Planziele transparent genug darzustellen.
Digitale Angriffe
Nein, die wichtigste Einflussgröße bilden digitale Angriffe aus dem Hinterhalt der sozialen Netzwerke, Versuche der Beeinflussung durch Elon Musk, den Kreml und republikanische pressure groups, die Milliarden für Trump spenden. Diese Kreise sitzen diesmal nicht in Mazedonien und sie trommeln nicht für ein paar hundert Dollar für Trump. Nein, sie versprechen sich Vorteile von einer zweiten Skandalpräsidentschaft des ausschließlich um sein privates Vermögen bedachten Immobilientycoons.
Deshalb lancieren sie Videos, die Muslimen und Juden widersprüchliche Inhalte zu der Demokratin zeigen, deshalb mäkeln sie an Auftritten der First Lady herum, deshalb schreitet niemand ein, obwohl Elon Musk seinen privaten Account bei X verwendet, um zur Wahl von Trump aufzurufen. Nach dem Honeymoon im August, als Kamala Harris bereits als sichere Siegerin feststand, sieht nun alles nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem "angeschlagenen, fragilen, tattrigen" (Elmar Theveßen) Mann und der jungen, modernen Frau aus.
Unwägbarkeiten im Wahlkampf
Ende ungewiss, Konsequenzen aber sicher: Eine große, fest im Volk verankerte Demokratie darf ihre Zukunft niemals den Unwägbarkeiten von Wahlkämpfen überlassen, bei denen umstrittene Kandidaten wie Donald Trump zwar mit deutlich weniger Geld auskommen müssen wie die in Deutschland favorisierte Kandidatin. Bei denen es ihnen aber gelingt, diesen Nachteil mit Tricks und Kniffen auszugleichen, etwa, indem sie Kamala Harris zu ihrer Interviewoffensive in der letzten Wahlkampfphase verleiteten.
Die 60-Jährige ging in die Falle, die ihre Gegner mit der ständig wiederholten Behauptung aufgestellt hatten, niemand wisse, was sie eigentlich wolle, sie sei als Präsidentschaftskandidatin nicht greifbarer als in den drei Jahren ihrer Vizepräsidentschaft, in denen sie sich den Ruf einer Unsichtbaren eroberte. Harris fiel auf den Trick herein. Statt ein ungewisses Versprechen zu bleiben, in das jeder Trump-Gegner seine Träume und Wünsche hätte projizieren können, ging sie vor die Kameras, in den Nahkampf und auf Details ihrer Pläne ein.
Das eigene Grab
Ein Desaster. Mit jedem weiteren Interview gingen die Umfragezahlen weiter zurück. Aus dem Vorsprung wurde ein Gleichstand. Inzwischen raten Wahlkampfstrategen dringend, "Kamala Harris sollte aufhören, Interviews zu geben". Und als Konsequenz aus der Tatsache, dass die Gegner der Vizepräsidentin jeden einzelnen Auftritt in den sozialen Netzwerken auswalzen und höhnisch kommentieren, hat der nicht nur für Klima und Wirtschaft, sondern auch für die Bundesnetzagentur als Online-Überwachungsbehörde zuständige Robert Habeck bereits angekündigt, dass Deutschland Maßnahmen treffen werde, um die "verlorene Diskurshoheit des grünen Milieus" (Die Welt) zurückzuerobern.
Längst schon geht es in Wahlkämpfen nicht mehr um Inhalte, sondern um Gefühle, um Vertrauen und die Botschaft der Politik an den Wähler, dass man sich um alles kümmern werde, wenn erst richtig gewählt worden sei. Niemand muss mehr wissen, als zur Erfüllung seiner Aufgabe - hier: Die Stimmabgabe - unbedingt nötig ist.
Bloß keine Inhalte
Der EU-Wahlkampf im Frühjahr, der letztlich auf einen Mittwochvormittag fiel, zeigte das beispielhaft: Alle Parteien vermieden es, auf Wahlplakaten oder in Wahlveranstaltungen Hinweise darauf zu geben, welchen Kurs sie bei Themen wie Migration, Wirtschaft oder Ukrainekrieg einzuschlagen gedenken. Stattdessen gab es Schlagworte wie "Wirtschaft liebt Freiheit", "Einigkeit gegen
rechts für Freiheit" und "In Freiheit.
In Sicherheit. In Europa" zu lesen.
Für die AfD reichte das, seitdem ist klar, dass es mit einer Themenvermeidung im Wahlkampf nicht getan ist, sondern mit Blick auf die Bundestagswahl wohl ein umfassendes Beeinflussungsverbot gesetzlich verankert werden muss. Das Beispiel des US-Milliardärs Jeff Bezos mahnt: Der Eigentümer der Washington Post verhinderte mitten in der heißen Phase des US-Wahlkampfes, dass seine Zeitung ihren Lesern Kamala Harris als neue US-Präsidentin empfiehlt.
Ein "Tabubruch" (Der Spiegel) und ein tiefer Eingriff in die Freiheit der Wahl, der in Deutschland ebenso drohen könnte, mit nicht weniger schrecklichen Folgen. Es ist unerträglich und ein Anschlag auf die Demokratie, wenn sich Milliardäre in Wahlkämpfe einmischen wie Elon Musk. Und tun sie es nicht dann ist das unerträglich und ein Anschlag auf die Demokratie.
Auf den letzten Metern
Auf den letzten Metern bieten alle alles auf. Kamala Harris hat sich von der Starfotografin Annie Leibovitz für die "Vogue" fotografieren lassen, um unentschlossene Arbeiter und kleine Angestellte im umkämpften rust belt anzusprechen. Die Vizepräsidentin der USA trägt demonstrativ auch diesmal wieder Braun, um Trump-Wähler zu überzeugen, dazu eine brombeerfarbene Seidenbluse und einen Sticker mit US-Fahne. Ob dieser elegante Hochglanz-Angriff auf die hart arbeitende Mitte Erfolg haben wird, steht noch aus, denn Donald Trump ließ sich gleichzeitig von den Gästen einer McDonald’s-Filiale in Feasterville (Pennsylvania) fotografieren, angetan mit Firmenschürze und McDonald's-Kappe.
Unredlich, weil inszeniert, ein Fall für den Beeinflussungsbann, der die Bundestagswahl im kommenden Jahr vor genau solchen Attacken schützen muss. Die Hoffnung bleibt, dass die ansonsten ja kaum her zu einer Einigung fähige Ampelkoalition wenigstens in diesem Bereich noch einmal über ihren Schatten zu springen vermag. Und straffe, strenge Regeln erlässt, die