![]() |
Zum Abschied von der Klimabewegung bekommt deren Mutter Luisa Neubauer noch einen verdienten Preis geschenkt. |
Es wird ein neues Hochamt für unsere Demokratie werden, ein unübersehbares Zeichen gegen und zugleich ein eindrucksvolles Signal der Geschlossenheit und der Solidarität. Es gibt kein Zurückweichen, kein Einknicken und kein Nachgeben im Kampf gegen Narrative, Rechtsruck und Klimaleugnung, das wird mit der Vergabe der renommierten Albert-Schweitzer-Medaille an Luisa Neubauer und ihre Klimabewegung "Fridays for Future" noch einmal nachdrücklich unter Beweis gestellt.
Der rechte Namenspate
Albert Schweitzer, in einer "Spiegel"-Reportage aus dem Jahr 1957 als "verbohrt, diktatorisch, vorurteilsvoll, pedantisch auf eine eigentümlich teutonische Art, reizbar und etwas eitel" beschrieben, ist der rechte Namenspate für die Auszeichnung der letzten deutschen Aktivistin. Der geniale Arzt sein ein "tiefer Moralist", berichtet John Gunther, sein Besucher vom "Spiegel", er habe "aber verhältnismäßig wenig Interesse für die Menschen selbst, seien sie nun Afrikaner oder etwas anderes."
Einen passenderen Preis hätte Luisa Neubauer nicht erhalten können, denn auch Schweitzer ließ seine "zärtlichste Fürsorge" seinen Hausantilopen zukommen. "Er scheint die Tiere lieber zu haben als die Menschen; vielleicht - wer weiß? - sind sie ihm dankbarer", staunte in seinem Buch "Afrika von Innen".
Luisa Neubauers letzter Bestseller hieß "Was wäre, wenn wir mutig sind?", er analysiert die Machtkämpfe hinter der Klimakrise, legt die fossilen Wurzeln unserer Demokratie frei und zeigt, wie eine realistische Utopie auf unserem Planeten aussehen kann. Doch kaum jemand hat die 144 Seitchen gelesen, kaum jemand will noch Neubauers Aufruf folgen, "zu intervenieren und unsere ökologischen Grenzen zu verteidigen".
Zumindest Schweitzer-Laudator Heinrich Bedford-Strohm lobte "Neubauers Vision" einer klimafreien Welt und ihre "guten Argumente". Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzenden und Vorsitzenden des Zentralausschusses des Weltkirchenrates (ÖRK) muss es wissen, denn er war vor drei Jahren selbst Empfänger des von der baden-württembergischen Ärzteschaft vergebenen Preises.
So ist das am Ende jeder Ära. Die Kreise derer, die Preise verliehen bekommen, werden immer kleiner, die Doppelehrungen immer häufiger. Sicher im Rennen um höchste Ehrungen ist in den letzten Tagen vor einer Zeitenwende ist irgendwann nur noch, wer sich bereits als preiswürdig erwiesen hat. Bundesverdienstkreuze werden unter denen verteilt, die ganz nah an den Verleihern arbeiten. Die Vordenker und Vorkämpfer der neuen Zeit lassen sich eigens für sie selbst geschaffene Sonderauszeichnungen wie frühere Hauptmänner für sich den Rang "Feldmarschall" erfinden ließen.
Verdienst am Schulterband
Eine Hand am Ordensband wäscht die andere. Es kann gar nicht genug solcher Auszeichnungen geben, um alle regelmäßig abzufüttern. Wem es als Politschaffenden nicht gelingt, sich auf halber Strecke seiner Laufbahn wenigstens ein Bundesverdienstkreuz verleihen zu lassen, der bekommt später ein Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband für seinen Trophäenschrank daheim. Nirgendwo ist die Anzahl von Ordensträger höher als dort, wo die Nähe zu denen, die die Auswahl treffen, groß und die Anzahl der Ordensträger hoch ist.
Unter den insgesamt 264.620 Trägern von Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ist die Anzahl von Diktatoren, Mördern und Menschenrechtsverletzern höher als die von Schlossern, Hausfrauen und Kellnerinnen. Je exquisiter die Stufe der Verdienstkreuze, Großen Verdienstkreuze und Großkreuze, desto adliger, elitärer und blutbefleckter der Trägerkreis. Nicht nur Joe Biden und François Hollande, Václav Havel und König Charles III. sind Träger der "Sonderstufe des Großkreuzes", sondern auch Nicolae Ceaușescu und Josip Broz Tito, Mohammad Reza Schah Pahlavi und Haile Selassie.
Zum Abschied noch eine Medaille
Das Muster, das auch Luisa Neubauer eine Medaille zum Abschied einer kurzen, aber erfolgreichen Karriere beschert, springt ins Auge. Unter den Inhabern des "Grimme"-Preises ist kaum einer, der nur einen hat. Beim führenden Fernsehschaffenden des ZDF, dem Komiker Jan Böhmermann, stapelt sich ein halbes Dutzend auf dem Hausaltar. Böhmermann trägt außerdem mehr als 50 weitere Orden, Medaillen und Ehrenpreise.
Darunter ist auch der nach dem letzten ARD-Journalisten Hanns Joachim Friedrichs benannte Friedrichs-Preis - nicht zu verwechseln mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels - , den 2023 auch Elmar Theveßen verabreicht bekam, als USA-Korrespondent des ZDF einer der treffsichersten Analysten des amerikanischen Elends.
Die Jury hatte den Mittfünfziger seinerzeit geehrt für seine "souveräne Sachkenntnis" und den "scharfen Blick für die großen Zusammenhänge". Seine Chefredakteurin Bettina Schausten, berühmt geworden durch ihre feinfühligen Merkel-Verhöre, freute sich, "dass mit Elmar Theveßen ein exzellenter Journalist ausgezeichnet wird", der "mit großer analytischer Tiefe in der aktuellen Berichterstattung ebenso wie in hintergründigen Dokumentationen komplexe globale Zusammenhänge" erkläre und "für Zuschauerinnen und Zuschauer die Lebenswirklichkeit der Menschen in seinem Berichtsgebiet erlebbar" mache.
Da kommt noch was nach
Die Ärzte-Jury wird womöglich von "Theveßens Vision" und seinen "guten Argumente" für behauptete Steinigungen angeführt, um dem deutschen Talkshowkönig und "höchst effizient arbeitenden Profi", der zwar Träger des Medienpreises des Deutschen Bundestages, dreifacher Gewinner des Radio-, TV- und Neue-Medien-Preis der RIAS-Kommission und Deutscher Fernsehpreisträger ist, aber bislang ohne Grimme-Preis leben muss, im kommenden Jahr die Albert-Schweitzer-Medaille zu verehren.
Nötig wird es werden, denn seit Elmar Theveßen dem jüngst verstorbenen Charlie Kirk mit mutigen Worten die Maske des Ultraradikalen vom Gesicht gerissen hat, steht der Mann, der Auge und Ohr des ZDF in den USA sowie aus El Salvador, Guatemala, Haiti, Honduras, Jamaika, Kuba, Panama und "Mexico" (ZDF) ist, unter Remigrationsdruck. US-Politiker haben ihn und seine Kollegen Dunja Hayali ins Visier genommen. Kaum schafft es die solidarische Linke noch, den Unmut als unangebrachten Hass und die Fake News als folkloristische Meinungsausrutscher zu entschuldigen und die hart arbeitende Mitte zur Gegenwehr auf die Barrikaden zu rufen.