Mittwoch, 10. Dezember 2025

Energieausstieg: Deshalb sind Wurzeln kein Holz mehr

Holz geht, aber nicht alle Sorten sind erlaubt.

Es wird wieder Sommer, mitten im Herbst. Der Klimawinter zeigt sich von der freundlichen Seite, um die prekären Gasspeicherstände zu schonen. Seit dem 1. Juli 2025 gilt die Frühwarnstufe. Die Gasversorgung in Deutschland ist stabil. Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet. Die Bundesnetzagentur schätzt die Gefahr einer angespannten Gasversorgung im Augenblick als gering ein, weil Wetter und eine solidarische Verbrauchszurückhaltung der Industrie gemeinsam dafür sorgen, dass derzeit nur noch halb so viel Gas importiert werden muss wie im vergangenen Jahr.

Neue Füllstandsvorschriften 

Die Lage im Griff, die Gefahr eines Winterblackouts gebannt. Im Nachhinein zeigt sich, wie klug die Entscheidungen der EU-Kommission waren, den Mitgliedsstaaten erst Füllstandsvorschriften für die Gasspeicherfüllung (Verordnung (EU) 2022/1032) zu machen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Und sie später zu flexibilisieren, um auf die stabilere Lage zu reagieren. 

Die Gasspeicherumlage konnte dadurch 2022 eingeführt werden, um die horrenden Kosten für die vorgeschriebene Befüllung bis zu einem bestimmten Termin auf die Verbraucher umzulegen. Inzwischen ist sie aber obsolet geworden, weil die Versorgungssicherheit durch eine Umstellung der Gasflüsse vom Ost-West- auf einen Nord-West-Ost-Fluss gewährleistet ist. Zudem, versichert die Bundesnetzagentur, seien weitere Importmöglichkeiten über Frankreich und Belgien erschlossen worden. Die beiden großen Gasförderländer haben den Gasnotplan der EU durch eine Ausweitung der Erdgasmengen unterstützt, die sie den Partnerstaaten zur Verfügung stellen.

Abschaffung des Notopfers Gas 

Zum 1. Januar wird das Notopfer Gas deshalb nicht abgeschafft, sondern statt von den Gasverbrauchern von den Steuerzahlern getragen. Damit hat die Bundesregierung ihre Zusage umgesetzt, Haushalte und Unternehmen zu entlasten. Demselben Gedanken trägt auch eine weitere Reform Rechnung, an der im politischen Berlin geschraubt wird: Die Bundesregierung wird auch die Biomasseverordnung (Verordnung über die Erzeugung von Strom aus Biomasse), BiomasseV) gründlich überholen, um sie auf den Stand der Zeit zu bringen. Mehrere Holzsorten, die bisher auch zum Heizen genutzt werden dürfen, fallen künftig unter ein Verbrennungsverbot.

Nach der alten BiomasseV aus dem Jahr 2001wurden sowohl Pflanzen und Pflanzenbestandteile als auch "aus Pflanzen oder Pflanzenbestandteilen hergestellte Energieträger, deren sämtliche Bestandteile und Zwischenprodukte aus Biomasse im Sinne des Absatzes 1 erzeugt wurden", pauschal als Biomasse im Sinne der Verordnung anerkannt. Im Zuge der großen Entbürokratisierungsoffensive, die sich die Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben hat, soll das künftig nicht mehr für Rundholz in Industriequalität sowie Wurzeln und Stümpfe gelten. 

Teil der Entbürokratisierungsoffensive 

Diese bisherigen Biomassebestandteile werden in  der EU-Richtlinie RED III (Richtlinie (EU) 2023/2413 - Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EERL/RED III) als "gut verwertbare Holzsortimente" definiert, deren Verwendung zur Energieerzeugung von den Mitgliedsstaaten nicht länger geduldet werden darf. Eigentlich schon bis zum Mai hatte Deutschland sogenannte Maßnahmen ergreifen sollen, um das Holzverbot umzusetzen. 

Durch das Ampel-Aus, die Sonderschuldenorgie rund um die Abschaffung der Schuldenbremse, den Wahlkampf und die erste Findungsphase der neuen Regierung dauerte es länger. Erst im Sommer gelang es, ehe die Vorgaben aus der Änderung der Richtlinie (EU) 2018/2001, der Verordnung (EU) 2018/1999 und der Richtlinie 98/70/EG im Hinblick auf die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Aufhebung der Richtlinie (EU) 2015/652 als Formsache mit der Mehrheit der großen Koalition durch den Bundestag zu bringen. Im politischen Berlin gilt das als weiterer entscheidender Schritt Richtung Energieausstieg. 

Garantierte Erhöhung 

Dadurch ist der Weg jetzt auch in Deutschland frei, das EU-Ziel anzuvisieren, den Anteil an erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch der Union bis zum Jahr 2030 auf mindestens 42,5 Prozent zu erhöhen, ohne Rundholz, Wurzeln und Stümpfe zu verbrennen. Im sogenannten "Sektor Wärme und Kälte" verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten, den Anteil der Erneuerbaren auf 45 Prozent zu erhöhen. Das wird erreicht, indem die 27 Partnerstaaten garantieren, dass die jährliche Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energien von bisher 0,8 Prozent im Jahr auf 1,1 Prozent bis 2030 und danach auf 1,3 Prozent pro Jahr bis 2035 steigt.

Ein Ziel, das die Effizienz-Strategie der EU mit einer Suffizienz-Strategie verbindet. Die Industrie legt Fabriken still. Die Bürgerinnen und Bürger ziehen sich warm an. Weniger ist mehr, der Mangel zwingt zur Innovation. Auch Stümpfen und Wurzeln könnten in Zukunft Klimakommoden werden, jene schon vor Jahren von einem jungen ostdeutschen Erfinder vorgestellten natürlich CO₂-Dauerspeicher, mit denen Deutschland seine immensen Klimaschulden schlagartig begleichen könnte.  

Nicht jedes Holz ist Biomasse 

Der erste Schritt ist mit der Entscheidung getan, dass Holz nicht mehr generell als Biomasse gilt. Dadurch können nach Ansicht von Lobby-Verbänden aus der Forst- und Holzbranche Biomasseanlagen schlechter oder nur zu höheren Preisen mit Brennstoff versorgt werden. Ohne die bisher übliche Subventionierung der Verbrennung durch deren rechtliche Legalisierung öffnet sich ein Window of Opportunity, wie es im politischen Brüssel heißt.

Mangels energetischer Verwertungsmöglichkeiten sollen Wurzelholz und Baumstümpfe künftig in ihrem natürlichen Lebensraum Wald verbleiben. Sie fungieren dort als wichtige Kohlenstoffspeicher, der das im Holz enthaltene Klimagift mit der natürlichen Verrottung nur ganz langsam abgibt. Würde das Holz stattdessen verbrannt, gelangte das gespeicherte CO₂ sofort in die Atmosphäre und würde dort zur Klimaerhitzung beitragen. 

Warme Bionade vor dem Kamin 

Das bisher fehlt, ist eine breite Aufklärungskampagne, die private Ofen- und Kaminnutzer über die neue Rechtslage aufklärt. Gerade falls doch noch winterliches Wetter Einzug hält und die stille Zeit beginnt, verspüren viele Menschen selbst aus der bürgerlichen Mitte das regressive Verlangen, es sich  vor dem eigenen Kamin gemütlich zu machen und ein Glas Bio-Rotwein oder ein warme Bionade zu trinken. Hier lauern jedoch bereits länger Gefahren: Wer seine Feinstaubschleuder mit Altpapier oder Kartonpappe in Gang bringt, riskiert empfindliche Strafen. 

Denn nach der BiomasseV scheint Papier zwar auf den ersten Blick ein im Einklang mit der geltenden Genehmigungssituation in Europa "aus Pflanzen oder Pflanzenbestandteilen hergestellter Energieträger" zu sein. Doch legal als Brennstoff verwendet werden darf er nach der Ersten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes  (Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen - 1. BImSchV) nicht. 

Positivliste aller Brennstoffe 

Mit dem 1. BImSchV hat der Gesetzgeber vielmehr eine Positivliste aller Brennstoffe fest gelegt. Die umfasst aus Gesundheitsschutzgründen zwar "Sperrholz, Spanplatten, Faserplatten oder sonst verleimtes Holz sowie daraus anfallende Reste" enthält, zumindest "soweit keine Holzschutzmittel aufgetragen" wurden. Aber Zeitungen oder Verpackungskartons spart sie, weil bei deren Verbrennung zur energetischen Verwertung von "Koksofengas, Grubengas, Stahlgas, Hochofengas, Raffineriegas und Synthesegas" Schwermetalle und Dioxine freigesetzt werden und der berüchtigte Papierrauch "auch Feinstaub" enthält.

Zumeist nichts ahnend, verwenden elf Millionen Kaminbesitzer zumindest hin und wieder Papier und sie begehen damit nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern sogar eine Straftat. Nach  Paragraf 69  Kreislaufwirtschaftsgesetz (§ 69 KrWG) stellt das Verbrennen sogenannter "anderer Materialien" eine illegale Abfallbeseitigung dar, die mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 Euro geahndet wird.

Die ARD-Arena: Schlandi und der Hautfarbenvergleich

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Der Kanzler sieht hier aus wie ein Deutschland-Narr, doch letztlich stellt sich doch heraus: Ja, wir werden gut regiert.

Deutschland in Herbst der Reformen, Deutschland im Ausnahmezustand. Alleingelassen von Amerika, alleingelassen mit der Verantwortung, die Verteidigungsanstrengungen der Ukraine zu finanzieren. Allein zu Haus im Regierungsviertel und im Parlament, ohne Mehrheit regierend, angewiesen auf die taktische Gnade einer Opposition, die vor Kraft nicht laufen kann.

Spaltung als Spielshow 

Die Gesellschaft hat eine Spaltung vollzogen: Die einen leben glücklich und zufrieden, einverstanden mit der politischen Linie. Die anderen aber fühlen sich ungehört, ausgegrenzt, geächtet und unterdrückt. Der Riss geht durchs Land, zwischen Ost und West und Süd und Nord, mitten durch Familien, die ihre Kinder an extremistische Grüppchen oder die Eltern und Großeltern an extremistische Parteien. 

Mit einem Farbtäfelchen wird hier die Hautfarbe vermessen.

Das letzte Lagerfeuer der Nation, die nie mehr eine hatte sein wollen, brennt in der ARD, dem Senderverbund, der seinen anmaßenden Titel "Das Erste" abgelegt hat, weil niemand das Erste sein soll, seit bekannt geworden ist, dass dann alle anderen dahinter kommen. Hier in der Senderfamilie, die sich aus Gründen der Reformwilligkeit gerade selbst eine neue Kontrolltruppe aus vertrauten Gesichtern zusammenstellt, inspirierte Négar Djavadi großer Roman "Die Arena" die Verantwortlichen zu einem neuen Sendeformat: Nach nur sieben Monaten ließen sie Friedrich Merz Bilanz ziehen "über sein erstes Kanzlerjahr".

Und der nahm sich die Zeit. Die auch in Anlehnung an Hayley Barkers Dystopie" Die "ARD-Arena" genannte Stunde konfrontierte 150 Menschen mit dem Bundeskanzler - Menschen, die die Abschaffung des Kulturpasses als Begründung dafür vorbrachten, keinen Wehrdienst leisten zu wollen. Hier "Townhall Meeting mit dem Bundeskanzler" wird das ernst genommen. Der 70-Jährige trifft auf Wählerinnen und Wähler, die sich noch für ihn interessieren, das wird mit Trost und Zuspruch vergolten. Wenn wir erst anfangen, Probleme zu lösen, sagt Merz, dann werde das Problem AfD von selbst verschwinden. Wann es losgehe, fragt niemand mehr.

Demokratie auf Augenhöhe 

Jessy Wellmer und Louis Klamroth moderierten "60 Minuten Demokratie auf Augenhöhe" (ARD). Was genau damit gemeint ist, wird nicht klar. Eine Anklage, weil Demokratie sonst auf Kniehöhe gespielt wird?  Eine Mahnung, dass alle sich recken müssen, weil Merz mit seinen 1,98 Metern Körperhöhe sonst alle überragt? Oder wird der Kanzler sich bücken wie damals im Weißen Haus, als er das Wunder von Washington bewirkte und der Welt im Arbeitszimmer des US-Präsidenten einen Kniefall im Sitzen mit eingesprungenem Hofknicks zeige.

Merz tritt auch in der Höhle der Göttinger Veranstaltungsstätte souverän auf. Er hat leere Hände mitgebracht, aber ein gewinnendes Lächeln. Merz trägt, weißgepunkteten Binder, dunkelblauen Anzug, statt die Merkelraute zu machen, stützt er einen Arm auf den anderen, selbstkritisch, nachdenklich, aufmerksam. Er sei mit dem, was er erreicht habe, "noch nicht zufrieden". Das wichtigste Geständnis aber war sein Zurückrudern beim Stadtbild. Nicht, dass wir die Probleme nicht weiterhin haben. Aber: "Heute würde ich das so nicht mehr sage", beschied der CDU-Chef auf die Frage einer jungen Frau.

Der Zurückruderweltmeister 

Da war er wieder, der Zurückruderweltmeister, der sich von der Zahnfee distanzierte, von der Schuldenbremse und von der Strompreissenkung und dabei doch immer er selbst blieb. Allen gefallen, jedem zum Munde reden. Ein Artist in der Aufmerksamkeitsmanege, dem das Zirkuszelt über dem Kopf zusammenstürzt, der aber vollkommen glaubwürdig wirkt, wenn er sagt, er sei damit noch nicht zufrieden.

Als Ouvertüre zu einem denkwürdigen Fernsehabend war Merz stark. Selbst die regierungskritische "Tagesschau" konnte dem Regierungsschau anschließend kaum eine direkte Lüge nachweisen, allenfalls ein paar kleine Falschaussagen und ungenaue Auskünfte. Doch als Merz ging, begann das eigentliche Spektakel erst. "Die 100 - Was Deutschland bewegt", so getauft als Referenz an die gleichnamige Buchreihe von Kass Morgan, die das Schicksal von hundert jugendlichen Straftätern beschreibt, die fast 100 Jahre nach einem Atomkrieg zurück auf die Erde geschickt werden, toppte den Unterhaltungsfaktor des Merz-Auftritts um Längen.

Ein Spiel um die Zukunft 

Als Spielshow um Deutschlands Zukunft aufgezogen, präsentierten  Anna Planken, Ingo Zamperoni und Tobias Krell eine "Deutschland-Party" mit Maskottchen "Schlandi", die jeden Verdacht, irgendetwas könne gerade nicht ganz optimal laufen im Land mit Trötmusik, Lichteffekten und Jubelgeschrei ausräumte. Noch nie wurde in einer eigentlich politischen Sendung in Deutschland so temposcharf mit Regietricks, Verdrehungen nach Drehbuch und den bei Zauberkunststücken üblichen Ablenkungsmanövern gearbeitet. 

Was Deutschland bewegte, war hier die frohe Botschaft, dass Deutschland "allen Grund zu feiern" habe, wie Planken enthemmt ausrief. Das Partyvolk im Parkett, das entlang der gesellschaftlichen Spaltung durch Farbmarkierungen in Gut und Böse getrennt worden war, folgte der bewusst so gestellten Frage "Wird Deutschland gut regiert?" Ursprünglich hatte es heißen sollen, "wird Deutschland gut oder sehr regiert". Aber weil die Lieferkette zur chinesischen Plakatmalereifirma gerissen ist, fehlte es an den nötigen Buchstaben, um eine wirklich harte Abstimmung durchzuführen.

Die Versorgungslage mit Hebammen 

Es musste auch so gehen. Und es ging. Wie die Bürger Merz zuvor "mit kritischen Fragen" (T-Online" Marke "Was sagen Sie zur Versorgungslage mit Hebammen" förmlich bombardiert hatten, so traf die nachfolgende Sendung zur Sendung unvorbereitete Zuschauer mit experimentellen Versuchsanordnungen, die nur verstehen kann, wer bei der ARD arbeitet. 

Merz' Stadtbildaussage etwa führte über mehrere kurzgefasste Moderationssimulationen zum großen deutschen Hautfarbenvergleich. Wie Rasseforscher vor mehr als 100 Jahren mit Linealen und Kopfmusterformen, mit Ellen und Maßband aufbrachen, um vermeintliche Rassemerkmale durch Schädelvermessungen und Musterkörpereinordnungen zu systematisieren, hantierten die Moderatoren jetzt mit einer Musterfarbtafel, um festzustellen, wer ins Stadtbild passt.

95 Prozent Interpretation 

Fünf Prozent Fakten, 95 Prozent Interpretation. Die ARD machte ihrem Ruf als eine der herausragenden Meisterwerkstätten für mediale Manipulation alle Ehre. Ein herumstehender Zuschauer ist empört. Wie ein Racial Profiler der Bundesbahnhofspolizei sucht sich Moderator Till Nassif einen kräftig gebauten jungen Mann mit Topfschnitt aus, um seien Farbschablone auszuprobieren. Er sei das gewöhnt, sagt der Testmensch, das gehe seit Jahren so und werde irgendwie auch immer schlimmer.

Werden wir also doch schlecht regiert? Kann gar nicht sein. Deutschland sei doch "die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt!", ruft Anna Planken und deshalb seien ja auch "zwei Drittel der Deutschen zufrieden". Jetzt schon! Dazu komme aber nun noch das XXL-Schuldenpaket, 500 Milliarden, mehr als Deutschland je gesehen hat! "Das soll alles gehen in unsere Wirtschaft!" Einige um die Ansager schauen noch skeptisch. Anna Planken räkelt sich in einem echten Flüchtlingsbett. Migration ist beendet, sagt sie. Das habe Merz auch geschafft. Die angereisten Fans dürfen später mit anpacken und die Flüchtlingsbetten nach draußen tragen. Wir haben das geschafft!

Der Stimmungsumschwung ist da 

Doch die Sache dreht sich, der Stimmungsumschwung, den Merz schon für den Sommer zugesagt hatte, er ist jetzt da. "Merz, der Macher!", ruft Planken. Der Kanzlerer werde "das Geld raushauen, investieren und will uns damit nach vorne bringen". Wehe denen, die nur auf die  Wirtschaftsdaten schauen, in die eigene Brieftasche, auf die Rechnungen. "Davon merken wir im Moment noch nichts", sagen die. Aber Anna Planken, die in ihrer absurden Rolle als Merzens Marktschreierin sichtlich aufgeht, ruft einfach "Aber nächstes Jahr!" Und noch mal "Deutschland hat Grund zu feiern!"

Grund zum Feiern 

Jetzt fliegen im Saal die Löcher aus dem Käse. Jetzt wollen alle besser regiert werden durch strengere Regeln, mehr Migration, offenere Grenzen, mehr und viel höhere Schulden, höhere Steuern, Bestrafungen für Abweichler, Humorverbote. Friedrich Merz wäre stolz auf seinen Sender. Lars Klingbeil könnte, würde er draußen vor der Halle warten, mit einem Schlag fast allen verbliebenen SPD-Wählern ein Autogramm geben. 

Kaum einer wagt es sich noch, auf der falschen Seite zu stehen oder sich mit der falschen Meinung zu Wort zu melden. Eine mutige Frau wird beklatscht, weil sie es wagt, den Satz „Es gibt nicht DIE Flüchtlinge, es gibt nicht DIE Migranten, es gibt nur Menschen" auf offener Spielfläche auszusprechen, obwohl rein rechnerisch 25 AfD-Wähler mit im Saal sind. 

Sie habe sowieso ein Problem mit dem Wort Migrationsproblem, springt ihr eine andere Dame zur Seite, so dass jeder weiß, dass die 25 unter den 98 anderen sein müssen. 97 sind es, als der dritte Tapfere klagt, dass er es "einfach unmenschlich" finde, "wie die Diskussion geführt wird". Die Menge unter Verdacht schrumpft auf 96, als der nächste seine Empfehlung abgibt: Einfach mal nicht immer nur über Migration reden, sondern "darüber, was wir damit erreichen können".


Dienstag, 9. Dezember 2025

Hades-Plan: Deutsche Dominante Republik

Der britische "Economist" war das erste international bekannte Blatt, das dem Hades-Plan eine Titelseite widmete.

Es sah zuletzt nicht mehr danach aus, als würde der große Plan noch umgesetzt werden können.  Anfangs wuchsen die Hoffnungen in den Himmel, dass die Vision Wirklichkeit wird, Deutschland zur "Hegemonialmacht" (Handelsblatt) auf dem alten Kontinent zu machen. So hatte es eine verschwiegene Politikerrunde an einem verregneten Septembertag des Jahres 1991 verabredet: Der Hades-Plan wurde für mehr als 20 Jahre zur Grundlage deutsche Außen- und Innenpolitik.

Geheimes Strategiepapier 

Öffentlich nie erwähnt, kam das Strategiepapier erst ans Licht, als ein Ex-Hauptmann des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR die geheimen Protokolle des Vorgangs "Euro-Falle" aus den streng abgeschirmten Räumen der Stasi-Unterlagenbehörde in Dresden schmuggelt, wo sie völlig vergessen in einem Aktenschrank verstaubt waren.

Der Leak machte Furore. Deutschlands Geschichte musste völlig neu geschrieben werden. Historiker betrachteten das Handeln von Helmut Kohl, Hans-Dietrich Genscher und ihren Helfern Theo Waigel, Wolfgang Schäuble, Rudolf Seiters und Friedrich Bohl aus einem völlig neuen Blickwinkel. Die Aufgabe der D-Mark, das Aufgehen der mächtigsten Wirtschaftsmacht Europas in einem verwirrend kompliziert regierten Vielvölkerstaat - all das ergab plötzlich Sinn. 

Die alte Ordnung 


Was ein erfahrener Stratege wie Wolfgang Schäuble gemeint hatte, als er das "Regelungsmonopol des Nationalstaates" als die "alte Ordnung" bezeichnete, "die dem Völkerrecht noch zugrunde liegt, mit dem Begriff der Souveränität, die in Europa längst ad absurdum geführt worden ist", lag offen vor aller Augen. Der "Hades-Plan", so lehrten es zeitweise alle Universitäten, war das beste Beispiel für deutsche Machtpolitik durch die Hintertür. Ein Leiten durch Leiden, das zuerst zum Vertrag von Maastricht führte, dann zur Einführung des Euro, schließlich zur großen Schuldenkrise. Und über diese nur scheinbar zufällige Kette von Ereignissen ans Ziel: Der Eroberung Europas durch Deutschland, diesmal aber ohne Marschstiefelstampfen und gebellte Befehle.

Die Briten rochen den Braten zuerst. Das Empire, das sich ein geeinigtes Europa immer nur unter britischem Mandat hatte vorstellen können, schäumte. War es nicht Churchill gewesen, der mit seinem Satz 'We are with Europe, not of it' einen Kurs vorgab, der eine Unterordnung unter die Ziele des Hades-Planes schlicht ausschloss? Bei allem, was später an Begründungen vorgebracht wurde: Hier lag der Grund für den Brexit, mit dem sich der Kontinent von seiner größten Insel isolierte. Man sei nicht "bereit, die deutschen Stiefel zu lecken", hieß es im Abschiedsbrief von Colin Liddell, veröffentlicht in kleinen, aber feinen Takis Magazine, einem fröhlichen Kompendium konservativen Humors.

Italien hielt zur Achse

Auch Italien war beunruhigt, hielt aber zur Stange Achse. In halbgaren Protesten hieß es im "Il Giornale", einem Qualitätsblatt aus dem Statt von Silbio Berlusconi, Italien liege "nicht mehr in Europa, sondern im Vierten Reich". Doch Konsequenzen blieben aus, weil die Amerikaner applaudierten. "Jetzt habt ihr die Hauptstadt Europas nach Berlin verlegt" jubelte George Friedman, der Gründer und Vordenker des US-Think-Tanks Stratfor über die Deutschen als die "kontrollierende Kraft der Europäischen Union".

Klare Machtverhältnisse. Die EU als die DDR Angela Merkels, wie es der "Spiegel" zufrieden ausdrückte. Von "Europas Kanzlerin" schrieb die Süddeutsche Zeitung". Wer, wenn nicht Deutschland? fragte das Blatt und der ehemalige Nachrichtensender n-tv antwortete beherzt: "Deutschland als Vorbild – warum nicht!" Eine "German Übermacht" entdeckte der "Spiegel" in dem Land, das seine ausgestellte Verletzlichkeit und eine hypochondrisch erscheinende Sensibilität für Verletzung seiner hochentwickelten Moral geschickt nutzte, sich die anderen Staat gefügig zu machen. 

Der Sieg des "Quattro Reich" 

Das "Quattro Reich", das Italien mit "Heil Merkel" verhöhnte, blieb unbeirrt von Lob wie von Tadel. Lieber das ganze Europa ganz als das halbe Deutschland halb, hatte Helmut Kohl die geheime Runde im Kanzlerbungalow damals eingenordet. Und auch wenn es zeitweise so schien, als komme die Umsetzung des Plans nicht recht vom Fleck,  übernahm Deutschland doch immer mehr Bürgschaften für die übrigen EU-Mitgliedsstaaten. Es verlangte dafür nicht. Blieb selbst in vermeintlich bedrohlichen Situationen höflich und unterwürfig. Schlug nie mit der Faust auf den Tisch, sondern verließ sich auf seine absolute Macht als einzige Instanz in der Gemeinschaft, die den anderen Schuldern noch Zugang zu frischem Geld verschaffen kann.

Ein gemütlicher Herrscher. Ein Chef, der sich müht, den Eindruck zu erwecken, dass er sich kaum allein die Schuhe zubinden kann. Geschult am Vorbild des früheren EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker hat Deutschland seine Position zu einer ausgebaut, die es ihm erlaubt, nicht nur wieder die Musik zu bezahlen, sondern auch anzusagen, welches Lied gespielt wird. Frankreichs Präsident mag öffentlichkeitswirksamer auftreten. Polen mehr Ultimaten stellen und Georgia Meloni besser aussehen. Doch es sind die Merkels, Scholz' und Merz, die das Sagen haben, wie das stets hellwache "Handelsblatt" die Situation analysiert.

Die große Dominante 

"Deutschland wird zur dominanten Macht Europas", beschreibt das Wirtschaftsmagazin das Ergebnis eines Meisterstücks internationaler Finanzdiplomatie, mit dem der Retter Not schuf, indem er Verführbarkeiten ausnutzte, um am Ende mit der Geldwaffe Kreditknechtschaft zu erzwingen. Autor Moritz Koch knüpft an eine lange Tradition in einer Publikation an, die Deutschland bereits 2016 als "widerwilligen Hegemon" porträtiert hatte. "Dominant" kommt vom Lateinischen 
 "dominans"  und meint herrschen oder beherrschen. Die EU ist so gesehen Deutschland "Dominion", sein Herrschaftsbereich.

Fast ein Jahrzehnt später gilt es, einen Irrtum aufzuklären: "Alle reden von Deutschlands Schwäche, dabei erlebt das Land einen gewaltigen Machtzuwachs", schreibt Koch. Friedrich Merz etwa, der so oft so ungelenk wirkt und heute schon mehr Versprechen gebrochen hat als die meisten seiner längerdienenden Vorgänger, sei bereits zu erkennen als ein "Kanzler einer Führungsmacht im Aufbau". 

Führungsmacht im Aufbau 

Wer will, kann es sehen. Noch trauert Deutschland zwar vergangenen Erfolgen nach, es "fühlt sich schwach wie lange nicht". Doch auch wenn der Titel des Exportweltmeisters weg ist und der Ruf als Europas Wachstumsmotor ruiniert, hat doch der Stimmungsumschwung im Sommer und der von Bauturbo und verkürzten Abschreibungsfristen ausgelöste Boom nicht nur Zukunftsängste ausgelöst, sondern auch eine Klebekraft in der schwarz-roten Koalition entfaltet, die Politikphysiker mit "Alles oder Nichts" beschreiben.

Selbst wenn beide Partner sich nicht einig sind, einigen sie sich wie bei der Abstimmung über das Rentenpaket. Selbst wenn beide keine Idee haben, hilft der Hades-Plan, daraus keine existenzgefährdende Regierungskrise werden zu lassen. "Ausgerechnet in dieser Phase der Schwäche, der Selbstzweifel und Schuldzuweisungen erlebt das Land einen historischen Machtzuwachs", erläutert Moritz Koch. 

So funktioniert ein System, das angeblich hatte zeigen wollen, wie die Deutschen gute Europäer  werden und den Europäern stattdessen jetzt die Chance gibt, gute Deutsche zu sein. "Was die nächsten zehn Jahre politisch prägen wird, ist nicht der Niedergang Deutschlands", ist der Autor sicher, "sondern das genaue Gegenteil: der Aufstieg der Bundesrepublik zur dominanten Macht Europas."

Trump ist schuld


Wie immer ist Trump schuld. Er hat Europa die Amerikaner entfremdet. Die Chinesen hatte Brüssel vorher selbst schon weggebissen, Indien zeigte noch nie großes Interesse am alten Kontinent und der hat keins an Argentinien und Brasilien. So bleibt Europa nur noch eine Führungsmacht, zufällig die, bei der die meisten Euro- und EU-Staaten ohnehin in der Kreide stehen. Briten und Franzosen seien chronisch klamm, schreibt Koch. "Deutschland ist das einzige Land, das die finanziellen Mittel für eine signifikante Nachrüstung hat." Das aber ist nicht Trumps Wille. Sondern der der Väter des Hades-Planes.

So hat die Zeitenwende das Kräfteverhältnis auf dem Kontinent verschoben. Nur Deutschland, das jüngere Erfahrungen mit einem Kräftemessen mit den Russen hat als etwa Frankreich oder Polen, könne Europa künftig schützen. Nachdem Trumps illiberales Amerika dem europäischen Projekt den Kampf angesagt habe, muss der kranke Mann, als der sich Deutschland gern ausgibt, seine Krücken wegwerfen, seine Orthesen polieren und den Hades-Plan offen auf den Tisch legen: So geht's lang.>

Die elektrischen Reichsbürger: Glaubenskrieg mit Amerika

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In Europa werden Jahr für Jahr Milliarden verforscht, doch der Abstand zu den High-Technationen will einfach nicht geringer werden.

Es war eine Kriegserklärung, nicht nur an die früheren Partner, Freunde und Bundesgenossen jenseits des Atlantik, sondern eine an die so lange zu beharrliche behauptete Vision der offenen Gesellschaft. Als die Europäischen Kommission sich entschloss, mit einer Demonstrativhandlung ohne historisches Beispiel eine Geldstrafe in Höhe von 120 Millionen Euro gegen den US-Konzern X zu verhängen, wussten die in die Entscheidung eingebundenen Kommissare um Ursula von der Leyen ganz genau, was sie auslösen würden.  

Ein ehemaliger Verbündeter 

Der ehemalige Verbündete Amerika wäre brüskiert. Der amerikanische Präsident gäbe sich vermutlich schwer beleidigt. Die Riege seiner Minister, nach einer langen Phase der Radikalisierung inzwischen nicht mehr nur Neonazis und Faschisten, sondern beinharte Christen, wäre in Minuten aus dem Häuschen. Bestenfalls so sehr, dass sich die Hegseth, Vance und Rubio sofort in ihre rostigen Rüstungen werfen und zu einem neuen Kreuzzug gegen das alte Europa aufbrechen würden. 

Brüssel wäre damit schlagartig etliche drängende Sorgen los. Keine Diskussionen mehr um den drohenden Frieden an der Ostflanke. Kein öffentlich ausgetragener Streit zwischen Frankreich, Spanien und Deutschland um das große Kampfflugzeugprojekt FCAS, das die zusammenwachsenden europäischen Streitkräfte eigentlich schon 2040 mit einem modernen neuen Jäger samt "Combat Cloud und passender Sensorik" hatte versorgen sollen, nun aber schon vor dem für 2029 erwarteten russischen Angriff auseinanderbricht. Schluss mit den Debatten um russisches Auslandsvermögen und europäische Begehrlichkeiten. Schluss mit fruchtlosem Hoffen auf die große Wirtschaftswende.

Glaubenskrieg mit Amerika 

Stattdessen ein Glaubenskrieg mit den Vereinigten Staaten, ausgetragen als Armdrücken im Internet. Dort, das hatten in der Vergangenheit schon Vordenker wie Robert Habeck, Thierry Breton, Jessica Rosenthal und Martin Schirdewan angemahnt, haben sich US-Firmen aus bis heute nicht bekannten Gründen eine Vielzahl von Monopolstellungen erobert. Während Europa auf Sicherheit setzte und strenge Regulierungsmaßnahmen zur Innovationsförderung nutzte, ließen selbst befreunde US-Regierungen wie die von Barack Obama und Joe Biden in Übersee einen zügellosen Wildwuchs an Firmengründungen zu. 

Heute kauft ganz Europa bei Amazon ein, der Messenger der Wahl von Millionen heißt Whatsapp, die von Privatleuten, aber auch Behörden und Politiker bis hin zu Kommissionschefin Ursula von der Leyen am meisten genutzten sozialen Netzwerke heißen Facebook, X und Instagram. Allenfalls das chinesische Spionageportal TikTok bietet hier noch eine Alternative für die, die nicht weiterhin zum Reichtumsmehrung bei Donald Trumps Tech-Bros beitragen wollen.

National gesinnte Europa-Patrioten 

Alle zarten Bemühungen engagierter und national gesinnter Europa-Patrioten, dem erdrückenden Übergewicht der US-Firmen im Netz etwas entgegenzusetzen, endeten bisher mit peinlichen Pleiten. Robert Habecks Vorschlag, Google noch einmal zu erfinden, diesmal aber auf Deutsch, erachtete nicht einmal die für solche populistischen Parolen empfängliche Berliner Politikblase für erörterungswürdig. 

Die vom SPD-Nachwuchs und der Linkspartei vorgeschlagenen Enteignungen scheiterten an fehlenden  Umsetzungsmöglichkeiten. Der von sozialdemokratischen, grünen und linken Politikern ausgerufene Massenwechsel zu Portalen wie Bluesky und Mastodon an der Gefolgschaftstreue der Bürgerinnen und Bürger.

Von der Leyens Liebe zu X 

Nicht einmal Ursula von der Leyen verabschiedete sich von X, diesem weitgehend unkontrollierten Hassportal, das Ferda Ataman, die frühere Redenschreiberin Armin Laschets und heutige unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, schon im Herbst 2023 zum "Desinformations-Netzwerk" erklärt hatte. Die Not der Politik, wenigstens hier und da noch Menschen mit Botschaften zu erreichen, Zeichen zu setzen und - etwa nach bedauerlichen Einzelfällen - die unabänderliche Trauerroutine abzuspulen, zwingt zu einem Pakt mit dem Teufel. 

Nach den selbstgemachten europäische Datenschutzregeln dürfte Ursula von der Leyen seit Jahren schon keine Zeile mehr bei X schreiben. Doch die früher als "Zensursula" verspottete Christdemokratin muss die diesbezüglichen Entscheidungen der höchsten europäischen Gerichte ignorieren, will sie überhaupt noch wahrgenommen werden. 

Europa im Teufelskreis 

Ein Teufelskreis. Je mehr Follower offizielle europäische Stellen bei den US-Giganten sammen, desto größer wird die Menge der in die USA übermittelten personenbezogenen Daten von Europäern. Die dürfen dorthin nur gelangen, wenn garantiert ist, dass das in Europa durch die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) gewährleistete Schutzniveau gewahrt bleibt. Das ist bei einer Speicherung in den USA oder auf Servern einer US-Firma nicht der Fall, weil sämtliche US-Geheimdienste jederzeit Zugriff haben.

Der Komission hat das nie gefallen, wurde sie doch durch jeden einezelnen Post der Kommissionschefin blamiert. Doch mangels anderer Vertriebswege für die Amtsnachrichten blieb Brüssel wie Berlin darauf angewiesen, das verhasste Pferd des verabscheuten Milliardärs Elon Musk zu reiten. Der Aufbau neuer, staatlich kontrollierter europäischer Angebote kam einfach nicht in Gang. 

Gipfel der Peinlichkeit 

Gipfel der Peinlichkeit: Selbst die vom zersurfreudigen EU-Parlamentarier Axel Voss mitbegründete "Democratic Tech Alliance"eine Aktivistenrunde, die sich den Kampf gegen US-Konzerne im Netz auf die Fahnen geschrieben hat, ließ ihre Domain https://democratic.technology von einem US-Dienstleister registrieren. Dafür aber ignorieren die Kämpfer für ein souveränes digitales Europa die europäischen Datenschutzvorgaben: Ihre Seite hat weder ein Impressum noch wird ein Verantwortlicher benannt, es gibt keine Telefonnummer und keine Datenschutzerklärung. 

Damit muss Schluss sein, das hat die Brüsseler Kommission mit ihrer Geldstrafe für X klargemacht. Was aussieht wie ein selbstmörderischer Angriff auf "alle amerikanischen Technologieplattformen und das amerikanische Volk", wie es US-Außenminister Marco Rubio nannte, ist in Wirklichkeit der brachiale Versuch einer Entfesselung. Mit dem sichtlich vorgeschobenen Argument, X werde "wegen mangelnder Transparenz bei Werbung und Nutzerkonten" bestraft, versucht sich Brüssel an einem Befreiungsschlag.

Vorbild Rückbau der Gasnetze 

Vorbild ist der in Deutschland bereits gestartete Rückbau der Erdgasnetze. 511.000 Kilometer Röhren und Leitungen, die sich durchs gesamte Land ziehen, Millionen von Häusern versorgen und nebenher 360 TWh Energie speichern - etwa ein Zehntel des jährlichen Primärenergieverbrauchs in Deutschland - sollen in den kommenden 20 Jahren aus der Erde gerissen und evrschrottet werden. Wie dann weiterversorgt werden wird, ist bislang nicht ganz. Doch es herrscht großer Optimismus:  Kommt kein Erdgas mehr aus der Leitung, weil keine Leitung mehr da ist, werden sich die Menschen anders zu behelfen wissen, wenn es kalt wird

Das ist auch die Logik, der die EU-Kommission mit ihrem brüsken Vorgehen gegen den Onlinedienst X folgt. Die Begründung, X habe Nutzerkonzten "irreführend authentifiziert", weil Menschen hätten  glauben können, dass hinter den Konten mit den Häkchen echte, verifizierte Nutzer stehen, ist so vorgeschoben wie sie klingt. 

Freihändig festgelegte Strafe 

Die EU gibt das auch zu, indem sie erklärt, dass die Strafhöhe willkürlich festgesetzt worden sei. Als private Firma gibt X die Umsatzzahlen nicht bekannt, an denen sich die mögliche Strafzumessung laut Digital Service Act zu orientieren hat. Freihändig legte eine öffentlich nicht genannte EU-Instanz das Bußgeld deshalb auf 45 Millionen für die Häkchen,  40 Millionen für  einen "fehlenden Datenzugang für die Wissenschaft" und 35 Millionen für "fehlende Transparenz bei Werbung" fest.

Dass X zahlen wird, erwartet niemand. Brüssel wartet vielmehr auf die Weigerung der Firma, sich den Vorgaben der Kommission zu unterwerfen. Daraus ließe sich Honig saugen: Mit Hilfe von DNS-Sperren könnte X in der EU verboten werden. Störrische Weiternutzer liefen Gefahr, selbst belangt zu werden. damit wäre endlich ein Hebel gefunden, Bürgerinnen und Bürger nach russischem und chinesischem Vorbild auf streng kontrollierte und überwachte staatliche Portale umzuleiten.

Nicht nur Amerika ist kampflustig 

"Die Zeiten, in denen Amerikaner im Internet zensiert wurden, sind vorbei", hatte Marco Rubio nach der Kriegserklärung aus Brüssel kampfeslustig gepostet. Doch der 54-Jährige aus Florida wird sich eines Besseren belehren lassen müssen: Für den Traum der digitalen Reichsbürger um Axel Voss, Robert Habcek und Ursula von der Leyen ist die eingeleitete Trennung zwischen europäischem und amerikanischem Internet ein Gamechanger.

Jetzt gilt keine Ausrede mehr. Sind ie technisch überlegenen US-Portale erst unzugänglich, gibt es keine Zugriffsmöglichkeiten mehr auf Software von Microsoft, Smartphones von Apple und E-Autos von tesla, werden sich europäische Lösungen auch durchsetzen, wenn sie vielleicht noch unter einer Reihe von kleinen Kinderkrankheiten leiden. Die Allianz der Souveränisten hat den einzigen Weg gefunden, derhinausführt aus dem digitalen Gefängnis US-amerikanischen und chinesischen Übermacht bei Hochtechnologien. 

Fleißig verforschte Fördermilliarden 

Es hilft kein Wünschen gegen Microsoft, keine Beschwörungen des Bundeskanzlers, dass ja auch der deutsche Konzern SAP ein Riese sei und an vielen deutschen Universitäten fleißig Fördermilliarden verforscht würden. Erst eine feste Außengrenze für fremde Technologien verschafft dem verspäteten Kontinent die Atemluft, endlich Software aus regionalen Anbau zu nutzen und Plattformen aus der Nachbarschaft, auf die für die Meinungsfreiheit zuständigen Behörden Tag und Nacht ein Auge auf die Nutzer*innen haben. 

Das Modell der "Selbstverwalter", die sich als diesem Staat nicht zugehörig fühlen und oft im Zuge eines privaten Rituals ihren Austritt aus der der Bundesrepublik erklären, indem sie sich etwa zu Reichskanzlern von Gartengrundstücken ernennen, wird hier in die Welt des Digitalen übertragen. Statt über die technologsiche Übermacht der ausländischen Konzerne zu wimmern und zu klagen, wird denen der Marktzugang genommen. 

Abgeschirmtes Elektro-Europa 

Wie Barbarossa aus seiner Gruft entsteht streng abgeschirmten Elektro-Europa dann fast zwangsläufig ein eigenes Biotop aus Ersatzpflanzen. Unbehelligt von der sie bisher gnadenlos erdrückenden Kunkurrenz werden sie wachsen und blühen können - getreu der Forderung von Friedrich Merz, der gesagt hatte "Wir müssen raus aus der Abhängigkeit von US-Techfirmen".

Mit der Abstrafung von X ist der erste Schritt zur Abkopplung von Apple, Google und Microsoft getan. Europa kann die Dominanz der amerikanischen Technologiefirmen brechen, wenn es gelingt, Schluss zu machen mit der "Nebenrolle, die Firmen aus Europa spielen" (Friedrich Merz). Digitale Souveränität ist kein Hexenwerk, das haben Staaten wie die Türkei, der Iran und China vielfach bewiesen.

Vor Wochen schon sah der deutsche Bundeskanzler Europa auf einem "schwierigen, aber machbaren Weg hin zur digitalen Souveränität", für die er "alles zu tun" bereit war. Die Vergrämung von X ist so gesehen auch ein Testfall: Wie schnell lassen scih digitale Grenzen hochziehen? Wie können sie gesichert werden? Und  wie hoch muss der Verfolgunsgdruck sein, um Abweichler und Feinde der gemeinsamen meinungssichernden europäischen Lösungen abzuschrecken?

Montag, 8. Dezember 2025

Aufschrei in Bronze: Kunst gegen den harten Kurs

Mahnmal unbekannter Flüchtling, CDU Kunstaktion, Friedrich Merz Flüchtlingspolitik, Frontex Kritik, Willkommenskultur 2025, Aktionsmonument Adenauer-Haus
Mit der Aktionsstatue "Dem unbekannten Schutzsuchenden" hat der sächsische Bildhauer Jan Laurenz Dippelberg mitten in Berlin ein deutliches Zeichen gesetzt.

Ein Blumen- und Kranzmeer ist es nicht, das den Boden vor der CDU-Bundesparteizentrale bedeckt. Ein paar Sträuße nur liegen da, vom Frost gezeichnet und angegraut. Doch viele Passanten bleibe an diesem milden Klimawintertag vor dem Konrad-Adenauer-Palast stehen. Sie verharren still, einige stellen Kerzen nieder. Zu Füßen einer überlebensgroßen Bronzestatue liegen Kuscheltiere und persönliche Notizen, Grußbotschaften zumeist. "Wir schaffen das", hat ein Kind geschrieben. "Friedrich Merz - denke nach!" eine erwachsene Frau mit eleganter Handschrift.

In der Nacht zum ersten Advent 

Das Mahnmal "Für den unbekannten Flüchtenden", das der sächsische Bronzebildhauer Jan Laurenz Dippelberg der Kanzlerpartei in der Nacht zum ersten Advent vor die Nase gestellt hat, erregt Aufsehen. Dippelberg hat es eigener Aussage nach zum Gedenken an die Zeit geschaffen, in der es unmöglich war, Deutschlands Grenzen zu kontrollieren. Mit Merz, sagt der Künstler, sei eine Generation Politiker zur Macht gelangt, die die Grundwahrheit ignoriere. "Sie brüsten sich damit, einen harten Kurs gegen alle zu fahren, die sich von uns Schutz und Hilfe erhoffen."

Für Jan Laurenz Dippelberg, der im Sommer mit der Initiative eines Robert Habeck gewidmeten "Robertinum" im erzgebirgischen Bad Walterberg bundesweit Aufsehen erregt hatte, wollte ein deutliches Zeichen gegen diesen galoppierenden Werteverfall setzen, wie er den neuen harten Kurs des Kanzlers nennt. Für ihn, der aus der früheren Bürgerbewegung der ehemaligen Ex-DDR kommt, sei die Zurückweisung Asylsuchender ein Zivilisationsbruch. "Gerade weil die gesamte EU mit nahezu allen unseren Partnern auf diesem Geisterkurs fährt, ist es doch an uns, den richtigen Weg weiterzugehen."

Landestracht in Bronze 

Die Idee, einen Schutzsuchenden in seiner Landestracht in Bronze zu gießen, kam dem studierten Bildhauer und Kupferstecher bei einem Spaziergang durch das Berliner Regierungsviertel.  Am Spreeufer gegenüber dem Bundeskanzleramt, mit direktem Blick auf die dort laufenden Erweiterungsbauarbeiten, sei ihm eingefallen, wie er hier noch vor sieben Jahren gemeinsam mit  Künstlerkollegen vom Zentrum für Politische Schönheit einen echten Seenotrettungseinsatz simuliert hatte. "Unsere Kunstaktion "Escape Europe" erregte damals großes Aufsehen", erinnert er sich.

Direkt zu Füßen des hochaufragenden Kanzleramtes und in Rufweite des Parlaments hatten Political Beauty und Dippelberg mit einigen weiteren Freunden aus der Kunstschaffendenszene auf die unhaltbaren Zustände an den offenen Grenzen aufmerksam gemacht. Geschützt nur von dünnen Rettungswesten und ausgerüstet mit dem Mut der Verzweiflung über die rechtsextremistisch geprägte Lage paddelten 47 Künstlerinnen und Künstler über die Spree. Ein aufrüttelndes Sinnbild für die gefährliche Fahrt über das Tyrrhenische Meer, gejagt von den Schnellbooten der in Warschau residierenden EU-Grenzschutzagentur Frontex. 

Eingeschlafene Willkommenskultur 

Zum Entsetzen von Jan Laurenz Dippelberg aber schlief die Willkommenskultur in der Zeit danach eilig ein. "Statt Geld in die Anwerbung weiterer Fachkräfte und deren Integration zu stecken, investiert die EU-Kommission lieber in ein neues Frontex-Hauptquartier", kritisiert er. Der Bau sei für die künftige Erweiterung der Agentur auf bis zu 30.000 Mitarbeiter projektiert. "Dabei würden die 250 Millionen Euro, die die EU dafür bereitgestellt hat, vollkommen ausreichen, um die Kosten für die nach Deutschland geflüchteten Menschen für beinahe drei Tage zu decken."

Dippelberg wäre früher beinahe einmal selbst CDU-Mitglied geworden. Doch ehe es dazu kam, trat er von seiner Absicht zurück. "Helmut Kohl hatte den von mir hochverehrten Heiner Geißler kalt aus dem Weg geräumt", sagt er. Das sei zwar bereits geschehen, bevor er als DDR-Flüchtling am 3. Oktober 1990 Bundesbürger wurde. "Doch als ist es erfuhr, stand meine Entscheidung, dass ich einer solchen Partei nicht angehören möchte." 

Parlamente ohne Brandmauer 

Dass die SPD, der er zeitweise auch habe beitreten wollen, damals im Bundestag damals in Sachen Einheit gemeinsame Sache mit der Union gemacht habe, trug ein Übriges zu seinem Entschluss bei, auch kein Sozialdemokrat zu werden. "Wer konnte schon sicher sein, dass in vier oder acht Jahren dieses Land noch ein demokratisches Land sein würde?", beschreibt er seine Überlegungen zu einer Zeit, in der Nazihorden auf den Straßen marschierten, Skinheads den Kulturkampf gewonnen zu haben schienen und rechtsextreme Parteien wie die Republikaner und die DVU sich brüsteten, in Parlamenten ohne Brandmauer akzeptiert zu werden.

Die meisten Opfer jener Jahre seien heute vergessen. "Fragen Sie die Menschen", klagt er. Außer dem berühmten Antonio Amadeu, an den die gleichnamige Meinungsfreiheitsstiftung erinnere, habe kaum ein Schicksal wirklich Spuren im kollektiven Gedächtnis hinterlassen. Durch das Wissen darum habe er sich radikalisiert, gibt Dippelberg freimütig zu. "Die CDU ist eine Partei der geistigen Brandstiftung", warnte er in seiner kurzen Eröffnungsansprache zur Einweihung  seines Kunstwerkes, das er selbst ein "Aktionsmonument" nennt. "Merz setzt auf dieselbe populistische Masche, die schon der späte Olaf Scholz benutzen wollte, um sich Liebkind zu machen bei denen, für die nur ein remigrierter Flüchtling ein guter Flüchtling ist." 

Spontaner Applaus für den Kunstschaffenden 

Gebannt lauschten die über US-amerikanische und chinesische Sozialnetzwerke wie X, Whatsapp und TikTok informierten Menschen den Worten des Einzelkämpfers und Überzeugungstäters, der seinen Stil schon als Kind an den Klassikern des sozialistischen Realismus geschult hatte. Seinen offenen Worten, dass die offene Gesellschaft unter Feuer der Anti-Aufklärer, die "Feuer an Unseredemokratie legen wollen", wurde spontan applaudiert. "Jubel brach aus, als ich sagte, dass wieder jemand versucht, zu definieren, welcher Mensch ein Mensch ist."

Für Jan Laurenz Dippelberg ist die Antwort auf diese Frage klar. "Jeder ist ein Mensch, und jeder ist ein Jemand, und niemand ist ein Niemand!", formuliert er deutlich. Angesichts der Flüchtlingspolitik, die CDU, CSU und SPD unter Missachtung der gemeinsamen europäischen Regeln und der völkerrechtlichen Vereinbarungen zwischen  den Schengen-Staaten betreiben, sei es höchste Zeit, zu handeln.  Dippelberg spricht sich klar für ein Verbotsverfahren für alle drei Parteien aus. Belege für die Verfassungsfeindlichkeit der Regierungspolitik gebe es genug. "Denken Sie nur an das Urteil zum Klimafonds", sagt er, "oder an die vielen gescheiterten Versuche der Volksparteien, das Wahlrecht passgenau auf den eigenen Vorteil zuzuschneiden."

Risiko Verbotsverfahren 

Dippelberg, der sich von Besuchern gern mit seinem Kunstwerk fotografieren lässt, schwankt zwischen Zuversicht, wie sie der Vizekanzler zuletzt forderte, und reiner Verzweiflung. "Was muss eigentlich noch geschehen? Was muss noch gesagt werden? Wie viel muss noch gehetzt werden?", fragt er. Natürlich sei ein Verbotsverfahren gegen ehemalige Volksparteien, die derzeit auch noch die Bundesregierung stellen, ein Risiko. Aber die "Rot-Front"-Rufe, die bei SPD-Parteitagen zu hören seien, "müssen uns doch ebenso aufrütteln  wie die Kampfansage an die Sozialpartnerschaft, mit der Frau Bas kürzlich so unangenehm aufgefallen ist".

Wer so Front mache gegen das Erfolgsmodell soziale Marktwirtschaft, müsse mit dem wehrhaften Rechtsstaat rechnen, denkt er. "Das Grundgesetz sieht die Möglichkeit ausdrücklich vor, Parteien zu verbieten, die den Rechtsstaat und die Demokratie abschaffen wollen." Dass es auch Kritik an seiner Kunstaktion gebe, habe ihn nicht überrascht. 

Die üblichen Abwehrreflexe 

"Die üblichen Abwehrreflexe", nennt er die auch persönlich gefärbten Angriffe auf seine Person. "Man hat mich einen unverbesserlichen Habeck-Fan genannt und einen ostdeutschen Quertreiber, der die Migrationsprobleme missbrauche, um als Künstler bekannter zu werden", sagt er. "Aber ich frage mich: Worin besteht der Missbrauch?" Es gehe ihm darum, den Finger in eine demokratische Wunde zu legen und zu sagen: Bis hierher und nicht weiter!" 

Natürlich ärgerten sich die Damen und Herren im Adenauer-Haus, dass ihr Rechtsdrall nicht unwidersprochen bleibe. "Aber wenn die demokratische Mitte es schon nicht schafft, gemeinsam auf die Straße zu gehen und ein deutliches Stoppzeichen zu setzen, dann ist man eben als Einzelner gefordert, die Öffentlichkeit aufzurütteln." Dippelberg appelliert mit seinem Aktionsmonument an alle, sich für die Demokratie einzusetzen. "Die Abschottung, das Blinken nach rechts, alles, was wir heute beklagen, liegt auch in unserer Verantwortung", sagt er. Bisher sei zu wenig unternommen worden. 

Schutzschild gegen Russland: Abschreckung durch Armut

Deindustrialisierung als Abschreckung, Morgenthau-Plan für Russland, Putin abschrecken durch Armut, Deutschland abrüsten statt aufrüsten, Rentenkassen leer als Verteidigung, Abschreckung durch Verfall, satirische Verteidigungsstrategie
Deutschland komplett zu Deindustrialisieren und die Rentenkassen nicht zu reparieren, wäre die sicherste Gewähr, dass Putin von seinen Angriffsplänen ablässt.

Es war wohl knapp, denkbar knapp. Als die Russen und die Amerikaner in Moskau zusammensaßen, um über einen Frieden in der Ukraine zu beraten, klapperten in Brüssel die alten Knochen. Beim Nato-Treffen waren die Demokraten diesmal unter sich.  

Die Vereinigten Staaten ließen sich am Katzentisch durch einen subalternen Stellvertreter von Verteidigungsminister Peter Hegseth vertreten. Das hätte schiefgehen können. Im schlimmsten Fall, so tuschelte es am Tisch, erfahren wir morgen aus der Zeitung, wie es ausgegangen ist. "Und was wir zahlen müssen", soll ein Diplomat aus der Reihe an der Wand gesagt haben.

Eine fröhliche Natur ist betrübt 

Selbst der ewige Optimist Mark Rutte, ungedient, aber wegen seiner grundfröhlichen Natur nach langem Suchen zum Nachfolger des ewigen Nato-Chefs Jens Stoltenberg befördert, sei wegen der demonstrativen Ausbootung durch die Amerikaner  "ernüchtert". Und auf der Suche nach neuen Geldquellen, die die EU-Staaten brauchen, um wie versprochen Waffen in den USA zu kaufen, geht es auch  nicht voran. 

Gut, dass wenigstens eintrat, was Elmar Theveßen,  US-Korrespondent des ZDF, schon vorab als frohe Botschaft verkündet hatte. Auch Trump werde lange brauchen, den Krieg in der Ukraine zu beenden. "Die gute Nachricht ist, es wird nicht am ersten Tag schon der Frieden ausbrechen" beschwichtigte der Amerika-Experte die Furcht vieler europäischer Staatenlenker vor einer erneuten jähen Wendung. Er behielt recht. 

Das Treffen von Trumps Sondergesandten Steve Witkoff mit Putin ging gerade noch mal gut aus. Der Frieden ist für die Ukraine noch weiter entfernt als die Zurückeroberung von Pokrowsk.

Wappnen für den Fall

Und so bleibt den europäischen Verbündeten Zeit, sich weiter zu wappnen für den Fall, dass das schlimmste eintritt: Ein als "Frieden" verbrämter kalter Krieg, diese Information hat der deutsche Verteidigungsminister Boris Palmer selbst verbreitet, 2029 mit einem Angriff der Russen auf breiter Front enden wird. Putins Truppen, die derzeit so tun, als hätten sie Mühe auf den 600 Kilometern der Donbas-Front Richtung Westen voranzukommen, werden dann auf der ganzen 3.000 Kilometer langen Westfront antreten.

Guter Rat ist teuer, denn in den Zeitrahmen, in dem deutsch-französische Rüstungsprojekte vorankommen, passt das nicht. Auch das Bundeswehrbeschaffungswesen, obschon von Pistorius "durch ein neues Gesetz und Maßnahmen zur Beschleunigung von Prozessen bereits maßgeblich reformiert", rechnet in ganz anderen Dimensionen. 

Auch nach dem, was Pistorius als "Quantensprung" für die  Beschaffung von Großgeräten wie Panzern, Schiffen und Flugzeugen nennt, wird die nächste P-8A Poseidon für die Bundesmarine erst im fünften Jahr nach der Bestellung Marinefliegergeschwader 3 "Graf Zeppelin" in Nordholz eintreffen.

Höchste Zeit für Plan B 

Es sei höchste Zeit für Plan B, Zeit für  eine alternative Verteidigungsstrategie, sagt der Friedensforscher Herbert Haase, der am Rande des Nato-Gipfels in Brüssel zu einer Pressekonferenz ins Hauptquartier des transatlantischen Bündnisses geladen hatte. Es gehe darum, ein klares Signal nach Moskau zu senden, sagt der Wissenschaftler. Haase leitet in Grimma, mitten im ländlichen, abgehängten Sachsen, den Verteidigungs-Think-Tank Climate Watch (CWI). Hier wird über den Tag hinaus gedacht, auch mal quer zu den allgemeinen Erwartungen.

Russland setze seinen brutalen Krieg gegen die Ukraine fort und greife die Bevölkerung und die kritische Infrastruktur an, gerade jetzt vor dem Winter, betont der Institutsleiter. Es bestehe aber noch kein Grund, wegen des drohenden Friedens in Hektik auszubrechen. "Ich sehe keinen ernsthaften Willen auf russischer Seite, auf einen Verhandlungsmodus einzugehen." Man müsse als Europa aber nachdenken, "wie wir uns jenseits des begonnenen Ausbaus Europas zum stählernen Stachelschwein wirksam schützen."

Zurück zu Morgenthau 

Haase hat gemeinsam mit seinen Mitarbeitenden am CWI eine Strategie ausgearbeitet, die Wladimir Putin wirksam davon abhalten könnte, Polen zu überrennen und Deutschland anzugreifen. Die Idee orientiert sich am legendären Morgenthau-Plan. Dieser 1944 vorgelegte Vorschlag des damaligen US-Finanzministers Henry Morgenthau Jr. sah vor, Deutschland in einen Agrarstaat zu verwandeln. 

Sämtliche Industriebetriebe sollten demontiert werden. Durch Teilung, Demontage, Stilllegung und Entindustrialisierung sowie der Internationalisierung bestimmter Regionen sei das aggressive Land, das zwei Weltkriege begonnen hatte, am sichersten davon abzubringen, die Welt erneut mit Unheil zu überziehen.

Diesmal allerdings soll nicht Deutschland davon abgehalten werden, gestützt auf seine kriegstüchtigen Streitkräfte in andere Staaten einzumarschieren, sondern Russland. Das Reich des neuen Zaren gilt seit Putins berüchtigter Brandrede im Bundestag, in der er von Berlin als "einer Stadt mit einem so komplizierten Schicksal" sprach, als größte Gefahr für die globale Grundordnung. In 100 Jahren, so hatte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas erst kürzlich vorgerechnet, hat niemals ein Land Russland angegriffen, Russland dagegen marschierte bereits 19 Mal ohne jeden Grund in andere Staaten ein. 

Unterjochen und erobern 

Russland, so hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eben erst gewarnt, sei darauf aus, "die Landkarten ständig neu zu zeichnen". Die Eroberungsfeldzüge der Russen sind eine Kette ohne Ende, sie führten russische Soldaten nach Georgien, Syrien, Armenien und Tschetschenien. Dort unterjochte die grausame Soldateska im Auftrag der Staats- und Parteiführung sogar einen integralen Bestandteil des eigenen Staatsgebiets.

 "Die Kreml-Herrscher waren dabei stets auf der Suche nach Bodenschätzen, gut ausgebildeten Arbeitskräften für ihre Gulags und modernen Industrieanlagen, wie sie Russland nicht hat", erklärt Herbert Haase die Motivation, die aus dem Russen an sich einen von Haus aus aggressiven Charakter macht. Diesem durch die vielen Jahrzehnte unter despotischen Herrschern wie Alexander dem Großen, Katharina der Großen, Lenin, Stalin und Putin auch untertanisch geprägten Wesen lasse sich der Drang zu Eroberungen militärisch kaum aberziehen. 

Der Westen kann sich nur Armut leisten 

"Dazu bräuchte es eine Militärmaschine, die nach unseren Berechnungen mit über 3,4 Millionen aktiven Soldaten mehr als doppelt so viele wie Russland mit etwa 1,3 Millionen haben müsste."  Um eine solche erdrückende Übermacht aufzubauen, müssten die Nato-Staaten jedoch bereit sein, etwa zehnmal mehr für ihre Streitkräfte auszugeben wie Russland. 

Europas Weg zu mehr Sicherheit, insbesondere der deutsche, müsse vor diesem Hintergrund ein anderer sein. "Wo Reichtum den Russen lockt, kann er der Versuchung, ihn sich zu nehmen, aufgrund seiner eher einfachen Natur kaum widerstehen", haben die Wissenschaftler aus Sachsen mit Hilfe einer Künstlichen Intelligenz aus dem Verlauf der Geschichte herausgelesen. Sicher sei nur, wer sich entsprechend sicher aufstelle.

Abschreckung durch Rückbau 

"Wenn wir Richtung Osten schauen, können wir das klar erkennen", sagt Haase. So sei Russland zwar 1921 in die Mongolei einmarschiert und sowjetische Truppen hätten unter dem Deckmantel, gegen den konterrevolutionären General Baron Ungern kämpfen zu müssen, das gesamte Land besetzt. "Aber das Interesse erlahmte schnell, als sich herausstellte, wie wenig dort zu holen war."

Für Herbert Haase und seine Kolleg*innen ist das der Weg zu mehr Sicherheit, den Deutschland einschlagen muss. "Ein Aufbau wirklich abschreckender Militärpotenziale in kürzester Zeit ist unmöglich, der Rückbau der deutschen Industriekapazitäten hingegen hat ja bereits begonnen und da er sich zunehmend beschleunigt, sehen wir gute Chancen, bis zum beabsichtigten Angriff Putins in vier Jahren so weit zu sein, dass niemand mehr ein Interesse daran haben kann, Deutschland zu besetzen." 

Haase empfiehlt dazu auch ein möglichst langes Offenhalten der Rentenfrage und eine weitere Erhöhung von Staatsschulden zu Finanzierung laufender Ausgaben. "So verführerisch jede junge Industrienation mit hoher Produktivität und hohen Exportüberschüssen auf expansive Charaktere wie Putin wirken, als so abschreckend empfinden sie Staaten mit einer überalterten Bevölkerung, die sich finanziell nicht mehr selbst aushalten kann." 

Den Eroberer nicht anlocken 

Selbst eine sehr schwache, desorganisierte Armee, in der heute schon jeder 15. Soldat im Beschaffungswesen beschäftigt ist und nicht einmal sechsmal so viele in der fronttauglichen Truppenteilen, reize einen Eroberer dann, das betreffende Land einzunehmen. "Konsequent gemacht, ist Armut die größte Gewähr für Sicherheit, die es überhaupt gibt", fasst Herbert Haase zusammen. Neben der möglichst komplett zurückgebauten Industrie seien auch leeren Sozialkassen ein "echter Trumpf, mit dem sich wuchern lässt", sagt er. 

Die rechtliche Situation ist eindeutig. "Nach Völkerrecht ist eine Besatzungsmacht verpflichtet, eine humane Behandlung der örtlichen Bevölkerung und die Erfüllung ihrer Bedürfnisse sicherzustellen, darunter zählen auch die Unterhaltung öffentlicher Dienstleistungen und der kritischen Infrastruktur, der Betrieb von Bildungseinrichtungen und der Betrieb medizinischer Dienste", fasst Herbert Haase zusammen. All das seien Aufgaben, an denen der deutsche Staat seit vielen Jahren zusehends scheitere. 

Der Verfallsprozess als Schutzschild 

Doch wenn Bundesfinanzminister Lars Klingbeil die Ergebnisse dieses Verfallsprozesses "peinlich" bezeichne, verkenne er die abschreckende Funktion, die eine überalterte Infrastruktur mit großen Schäden, eine auf ewiggestrige Verbrennertechnologien ausgerichtete Industrie, Fachkräftemangel und ein beständig wachsendes Milliardenloch in den Versorgungskassen auf russische Expansionsgelüste habe. 

"Selbst ein Putin wird sich diesen Klotz nicht ans Bein hängen wollen", sagt Herbert Haase. Ausdrücklich warnt er deshalb davor, die Gelder aus dem milliardenschweren Sondervermögen für Investitionsprogramme zu nutzen, wie es die große Koalition in Berlin zumindest für einen kleinen Teil der Billionenschulden plant. "Deutschland auf Vordermann zu bringen, das wäre so, als ob wir eine Einladung nach Moskau senden."

Sonntag, 7. Dezember 2025

Echo der Erinnerung: Vom Tapetenkutte

Die EU-Kommissionspräsidentin ist angetreten, die europäische Interpretation von "Freiheit" weltweit mit allen Mitteln durchzusetzen.   

Vom Tapetenkutte 

 

Legen Sie das Stirnrunzeln an

Die Kuriere bitten

um Aufmerksamkeit und

gespielten Gleichmut

 

In Moskau tapezieren sie

nicht nur, Genosse Hager 

 

Lars Leibrecht, Erfurt, DDR, August 1987

Angriffe auf EUropa: Einmischung in innere Angelegenheiten

EU Strafe, Digital Services Act Bußgeld, X 120 Millionen Strafe, EU gegen Elon Musk, DSA Verfahren Twitter X, Bestrafung
Ursula von der Leyen hat den Vereinigten Staaten mit ihrer Entscheidung, X abzustrafen, den Fehdehandschuh hingeworfen. geht alles glatt, gelingt es der Kommission damit, die transatlantsichen Beziehungen dermaßen in Brand zu setzen, dass die Sorgen der USA um den bedenklichen Zustand der EU kein Thema mehr sind.

Kein Zurückziehen, kein Einknicken. EUropa bleibt im Kampf mit der Regierung in Washington unbeugsam. Mit der Verhängung einer empfindlichen Strafe gegen Elon Musks Internetportal X hat die EU-Kommission deutlich gemacht, dass sie nicht bereit ist, im Streit um die von der US-Firma nach eigenem Dafürhalten festgelegten Regeln zur Authentifizierung von Nutzerkonten klein beizugeben.  

Vergebliches Ultimatum 

Zwei Jahre nach dem ersten Ultimatum an den US-Milliardär, umgehen din Brüssel zu erscheinen, um vor einer EU-Wahrheitskommission Rechenschaft über die geduldete Verbreitung von sogenannten "illegalen Inhalte und Desinformationen" abzulegen, kommt es zum Showdown: Gestützt auf das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act - DSA), das Anbieter digitaler Dienste verpflichtet, gegen Hass und Hetze im Netz vorzugehen, erließ die EU als Gericht auf Klage der EU als Staatsanwalt ein Bußgeld in Höhe von 120 Millionen Euro gegen die Kurznachrichtenplattform. 

Die Strafe ist die erste, mit der die EU-Kommission versucht, dem weltweit einzigartigen Digital Service Act weltweite Geltung zu verschaffen. Ein Unternehmen, vor dem die Kommissare lange zurückschreckten. Nach der Auswechslung des französischen Meinungsfreiheitsbeauftragten Thierry Breton, sich den Kampf gegen Musk zur persönlichen Hauptaufgabe gemacht hatte, schien es lange, als scheue sich Europa, offen gegen den lange eng mit dem US-Präsidenten Donald Trump befreundeten Tesla-Gründer vorzugehen. 

"Bedrohung von innen" 

Erst war es die Ankündigung von Trumps Vize JD Vance, Europa die Zuwendung zu entziehen, wenn die EU nicht gegen "die Bedrohung von innen" durch die Einschränkung der Meinungsfreiheit vorgehe und den "Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendsten Werte" beende, die die Kommission zu einer nie näher terminierten Verlängerung ihrer Ermittlungen gegen X bewegte. Später scheute Brüssel das Risiko, nach dem erfolgreichen Aushandeln eines Zolldeals mit den USA eine neue Front zu eröffnen.

Doch die Langmut EUropas ist nun aufgebraucht. Kaum waren die ersten Nachrichten über die neue Sicherheitsstrategie der US-Regierung in den Messengerkanälen der Brüsseler Spitze aufgeploppt, ging die Kommission all in. Getreu dem Versprechen von Ursula von der Leyen, "ein starkes Signal für Menschen, Unternehmen und Länder weltweit" auszusenden, dass die "neuen Regeln die Nutzer im Internet schützen, die Meinungsfreiheit gewährleisten und Chancen für Unternehmen bieten" wirft  Brüssel der Schutzmacht in Übersee den Fehdehandschuh hin. 

Fehdehandschuh für Washington 

X als die Plattform, auf der Fake News  am entschiedensten widersprochen wird, eignet sich am besten, selbstbewusst den offenen Konflikt mit den USA zu suchen. Die Stellung, aus der die 27 Mitgliedsstaaten nach Monaten des Duckmäusertums zum Angriff übergehen, könnte nicht besser sein. Vor wenigen Wochen erst hatten führende EU-Digitalpolitiker sich zur mächtigen "Democratic Tech Alliance"  zusammengeschlossen, um schon in den kommenden Jahren ein europäisches Google, ein EU-X und ein demokratisches Facebook zu erfinden. 

Auch beim 5. Digitalgipfel in Berlin saßen mächtige europäische Internetkonzerne und Entscheider aus der Politik zusammen, über die besten Wege zu beraten, wie das derzeit noch mit nur 30 Digitalbeamten besetzte bundeseigene "Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung" (ZenD) allumfassende Alternativen zu den US-Diensten entwickeln kann.

Brüssels neues Selbstbewusstsein 

Das hat nicht nur in Brüssel neues Selbstbewusstsein geschaffen. Auch Berlin reagierte auf die in der amerikanischen "Anti-Europa-Doktrin" (Die Zeit) enthaltenen Vorwürfe, ohne das Knie zu beugen.  In der letzten Zeit häuften sich die "Aktivitäten und Versuche gegnerischer Kräfte zur unmittelbaren Einmischung in innere Angelegenheiten" der EU, hieß es. Unverkennbar sei, dass Behörden, Einrichtungen und Institutionen der USA "in massiver Form Bürger der Gemeinschaft inspirieren", "Widerstand gegen aktuellen Kurs Europas" (Tagesschau) zu leisten. 

Damit ziele Washington auf die Organisierung politischer Untergrundtätigkeit zur Aufweichung, Zersetzung und Destabilisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse und letztlich auf die Beseitigung Unsererdemokratie. Europa aber sei mächtig genug, sich diese Art politischer Wühlarbeit an seinen Fundamenten nicht bieten lassen zu müssen. 

Wer behauptet, Europa leide nicht nur unter niedrigen Verteidigungsausgaben und wirtschaftlicher Stagnation, "sondern unter einem kulturellen und demografischen Niedergang samt EU‑Überregulierung, Migrationspolitik, Einschränkungen der Meinungsfreiheit, politischer Repression, sinkenden Geburtenraten und Verlust nationaler Identität", der spicht Ungeheuerliches an. Wer fürchtet, Europa könne schon in 20 Jahren unkenntlich sein und "möglicherweise nicht mehr fähig, ein starker Verbündeter zu bleiben", der mische sich in Dinge ein, die ihn nichts angehen.

"Subversive Angriffe" 

Es handele sich eindeutig um "subversive Angriffe auf die verfassungsmäßigen Grundlagen" eines ganzen Kontinent, heißt es in Brüssel, wo die derzeitige EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas noch "gute Miene zum bösen Spiel"  (Der Spiegel) macht und den neuerlichen "Schock für Europa" wegzulächeln versucht. Die Vereinigten Staaten dürften aus EU-Sicht dennoch weiterhin "unser größter Verbündeter" bleiben, erklärte Kallas bei einem Auftritt in Katar.

Mit dem Emirat verbindet die Gemeinschaft eine enge Partnerschaft, die auch zwischenzeitliche Irritationen durch einen großen Bestechungsskandal in Straburg schadlos überstanden hat. Seit der damalige Klimawirtschaftsminister Robert Habeck den Finanziers der Terrorganisation Hamas in Doha im März 2022 seine Aufwartung und vor Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al Thani einen Hofknicks machte, sind beide Staaten auch wirtschaftlich eng verbündet.

Katar als guter Partner 

Über seine Flüssiggasanlage Golden Pass im US-Bundesstaat Texas liefert Katar Deutschland dringend benötigtes Flüssggas, das hilft, den Energieausstieg weiter erfolgreich voranzutreiben. Im Gegenzug haben deutsche Politiker und Medien ihre Kritik an der Menschenrechtslage in dem kleinen Emirat vollkommen eingestellt. Auch die aktuelle Bundesregierung lobt die katarischen Blutprinzen für ihre "engagierte Außenpolitik in vielen regionalpolitischen Fragen"

Als Israel führende Hamas-Funktionäre in Doha angriff, stellte sich Deutschland solidarisch an die Seite der Terroristen und ihrer Unterstützer. Das Vorgehen gegen die Hamas-Spitze "gefährdet auch unser aller Bemühungen zur Freilassung der Geiseln", floskelte Bundesaußenminister Johann Wadephul und nannte den "Schlag inakzeptabel."

Keine Nachsicht für die USA 

Die Vereinigten Staaten dürfen weder auf so viel Verständnis noch auf solche Nachsicht hoffen. Aus europäischer Sicht rutscht die frühere Schutzmacht des alten Europa seit dem Einzug von Donald Trump mehr und mehr in eine regellose Meinungsanarchie ab. Die "Leitplanken" (RND), die jede anständige Meinungsfreiheit braucht, waren auf Anweisung aus Washington zuerst bei X ignoriert worden. Alle Dämme brachen jedoch, als Facebook-Chef Mark Zuckerberg öffentlich erklärte, auch seine Firma wolle die "freie Meinungsäußerung wiederherstellen", in die während der Amtszeit von Präsident Joe Biden von Amts wegen eingeschränkt worden sei.

Facebook beendete die Praxis der Kommantaraufseher, die als "Moderation" bezeichnete Unterdrückung sogenannter gefährlicher Meinungen wird allerdings in Europa derzeit noch weiter fortgesetzt. Das Vorgehen der EU gegen X, das sich dieser Praxis vom ersten Tag nach der Übernahme durch Elon Musk verweigert hat, soll zeigen, dass Brüssel beißen kann. Doch es zeigt vor allem, wie zentral der Kampf um die Meinungsfreiheit in der Auseinandersetzung um den Weg des gesamten Westens in die Zukunft nicht nur aus dem Blickwinkel der US-Regierung ist. 

Zwei Züge auf Kollissionskurs 

Hier rasen zwei Züge voller Passagiere mit grundverschiedener Weltsicht aufeinander zu. Während die Verantwortlichen in den USA darauf verweisen, dass Kontinentaleuropa seit Jahrzehnten an Wirtschaftskraft verliere, seiner Migrationsprobleme nicht Herr werde, die Meinungsfreiheit immer weiter einschränke und so schwer unter sinkenden Geburtenraten leide, dass schon in 100 Jahren nur noch knapp zehn Millionen Menschen in Deutschland leben werden, steht die EU auf dem Standpunkt, dass ihre Erfolge beim Wiederaufbau nicht infrage gestellt werden dürfen. 

Der in der Sicherheitsdoktrin als Gefährung genannte drohende "Verlust nationaler Identität", der aus Sicht der USA zu einer "zivilisatorischen Auslöschung" führen werde, wird nicht argumentativ bestritten. Sondern als feindseliger Akt gebrandmarkt. Deutschland brauche keine externen Ratschläge zu Fragen der freien Meinungsäußerung oder "der Organisation unserer freiheitlichen Gesellschaften", hat Johann Wadephul Richtung Washington bestellen lassen. Er werde die neue US-Sicherheitsstrategie nun "intensiv auswerten".

Furcht gegen Furcht 

Damit sind die Frontlinien beschrieben. Die USA fürchten um die Stabilität ihrer wichtigsten Verbündeten. Die Europäer fürchten, dass zu den vielen Krisen, für die die Mitgliedsstaaten und die als multinationale Überregierung agierende EU-Kommission seit Jahren keine Lösung finden, noch ein auf offener Bühne ausgertagener Konflikt kommt, den Europa nicht gewinnen kann. Zwar hat der frühere Zentralbankchef Mario Draghi die von Washingtons beklagte Zerbrechlichkeit Europas in seinem Draghi-Bericht vor zwei Jahren mit deutlich drastischeren Worten als strategischen Risikofaktor für die EU beschrieben. 

Doch mit dem üblichen Wortgeklingel über anstehende große Reformen, Förderprogramme und neue bürokratische Initiativen wie den "Kompass für Wettbewerbsfähigkeit gelang es Kommission und Mitgliedsstaaten, alle Konsequenzen aus der übermittelten schlechten Botschaft auf die lange Bank zu schieben.

Übergriffige Einmischung 

Die Beschwerden über die übergiffige Einmischung der Amerikaner in die inneren Angelegenheiten der EU dockt zielgerichtet am lateten Anti-Amerikanismus vieler Europäer an - dem letzten Gemeinschaftsgefühl, das Europa neben dem Antisemitismus noch pflegt. Das Angebot der USA, die Verbündete bei der Erhaltung von Europas Freiheit und Sicherheit weiter zu unterstützen, wenn diese sich bereit erklären,  die westliche Identität Europas wiederherstellen und zu erhalten, soll, so spekulieren die Kommissare in Brüssel, nicht von oben abgelehnt werden müssen.

Sondern von unten. Gut verkauft, werde vielen Menschen die Offerte des "Hasspredigers" (Steinmeier) Trump so vergiftet vorkommen, dass sie sich lieber von der EU sagen lassen, was sie sagen dürfen, als  von den Amerikanern,  dass die uneingeschränkte Meinungsfreiheit in den drei knappen zeilen des Artikel 11 der "Charta der Grundrechte der Europäischen Union" festgelegt ist. Und in den Fußnoten mit nur 17 weiteren Zeilen einhegt wird.