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| Aristophanes Stück "Der Frieden" hat Jahrtausende bei guter Gesundheit überstanden. |
Aristophanes wurde geboren, als die heute gültigen Kalender noch nicht benutzt werden konnten. Um das Jahr 448 vor Christus soll er zur Welt gekommen sein gewesen sein, als Sohn von Philippus in Kydathen in Athen, damals einer der griechischen Stadtstaaten, demokratisch regiert, von Sklaven aufgebaut und eine Führungsmacht im attischen Seebund. Aristophanes studierte ein Orchideenfach, er wollte Dramatiker werden und wurde es. Er schrieb seine Stücke erst anonym, wurde aber schnell berühmt und trat dann unter seinem eigenen Namen auf.
Mit Hohn und Spott
Sein Trick war es, Zeitkritik in Hohn und Spott zu verkleiden. Wie ein früher Jan Böhmermann zielte in seinen Werken auf die Mächtigen, auf Entscheidungsträger und einfache Leute, die von der Norm abwichen. Seine spitze Feder war wegen ihrer satirischen Schärfe gefürchtet. Die drastischen Darstellungen in seinen Stücken ließen dem Publikum in Aufführungen seiner Texte das Lachen im Halse steckenbleiben. Er prangerte die "Schmausbrüder" und die "Babylonier" an, ließ sich böse über Bauern und Ritter aus, machte sich lustig über Reiche, Frösche und Störche.
Als Aristophanes an den Dionysien des Jahres 421 v. Chr. seinen "Eirene" - zu Deutsch Frieden - aufführte, war er – trotz der im Stück selbst erwähnten Glatze – noch ein junger Mann von etwa 24 Jahren. Die Festspiele zu Ehren von Dionysos, dem Gott der Ekstase, wurden für den jungen Dichter zu einem Triumphzug. Aristophanes Wagnis, sich dem umstrittenen Thema des damals schon seit zehn Jahren laufenden Krieges Athens mit dem konkurrierenden Sparta zu widmen, zahlte sich aus. Schon im sechsten Jahr seiner Karriere wurde der Magier des Reims zum Star, weil er in seinem Stück Zweifel ausformulierte, die viele Athener beim Blick auf die Frontlage befallen hatten.
Mehr als der Krieg zweier Städte
Der später als Peloponnesische Krieg aktenkundig gewordene Zwist zwischen dem von Athen geführten Attischen Seebund und dem Peloponnesischen Bund unter seiner Führungsmacht Sparta war mehr als der Krieg zweier Städte gegeneinander. Der Attische Seebund, nach den Perserkriegen 50 Jahre zuvor als freiwilliges Verteidigungsbündnis freier griechischer Städte gegründet, war im Laufe der Zeit zu einem reinen Macht- und Zwangsinstrument Athens geworden.
Die Athener nutzen ihn, um ihre Vormachtstellung im Ägäischen Meers zu sichern und auszubauen. Die Hauptstadt des Bundes hatte sich mit langen Mauern bis nach Piräus gegen Bedrohungen gesichert. Aus dieser festen Position heraus strebte Athen nach uneingeschränkter Herrschaft.
Aufrufe zur Vernunft
Doch der Peloponnesische Bund unter Führung Spartas stellte sich dem entgegen. Die "Lakedaimonier und ihre Mitkämpfer", wie sich Peloponneser nannten, fühlten sich von Athen bedroht. Anfangs konnte sich König Archidamos II. noch durchsetzen. Er rief zur Vernunft auf, vermochte aber nicht zu verhindern, dass die Kriegerpartei Athen bezichtigte, den dreißigjährigen Frieden von 446 v. Chr. gebrochen zu haben.
Es folgte die förmliche Kriegserklärung, die zum Ausgangspunkt end- und fruchtloser Kämpfe wurde. Das reiche Athen litt. Es wurde belagert. Eine Seuche forderte zahllose Opfer. Aristophanes schrieb "Der Frieden" und er verspottete die Intellektuellen, die den Krieg für notwendig erklärten. Die Bürger, die ihn für gewinnbar hielten. Und die Mächtigen, die ihn schon allein deshalb fortzusetzen gedachten, um nicht eingestehen zu müssen, dass er vermeidbar gewesen wäre.
Ein schräges Stück
Aristophanes wurde angezeigt und wegen Verleumdung angeklagt. Herrscher Kleon versuchte, ihm die Staatsbürgerschaft aberkennen zu lassen. Aristophanes blieb bei seinen Leisten und er schuf mit "Der Frieden" ein in der Form von heute aus gesehen schräges Stück, dessen Inhalt die Jahrtausende seit seiner Entstehung schadlos überstanden hat.
Aristophanes: Eirene ("Der Frieden") ab Vers 292 ff., gekürzt
TRYGAIOS (zum Chor)
An die Arbeit, Leute! Mit den Schaufeln geht hinein und schafft die Steine weg!
CHORFÜHRER (zu Hermes)
Zähl auf uns! Du aber, aller Götter weisester, übernimm als Fachmann hier vor Ort die Leitung! Du wirst gleich sehen: wir sind tüchtige Mitarbeiter.
TRYGAIOS (zu Hermes)
Komm rasch und halt die Schale hin! Wir wollen ein Gebet erschallen lassen – und dann frisch ans Werk!
HERMES
Opfer, Opfer! Auf die Knie und schweigt!
TRYGAIOS
Wir opfern betend, dass der heutige Tag für Griechenland der Anfang sei von reichem Segen, und dass, wer kräftig jetzt am Seil mitzieht, in Zukunft niemals mehr zu Felde ziehen muss!
CHOR
Dass er, bei Zeus, in Frieden leben kann mit einer hübschen Dirne und das Feuer schüren!
TRYGAIOS
Wer aber lieber Krieg als Frieden will …
CHOR
Soll jeden Tag, o Herr Dionysos, sich die Geschosse aus den Armen klauben!
TRYGAIOS
Und sollte einer, weil er Oberst werden will, es dir nicht gönnen, Herrin, hier ans Licht zu kommen …
CHOR
Soll ihm das Herz gleich in die Hosen fallen – wie Kleonymos!
TRYGAIOS
Ist einer Waffenfabrikant und Waffenschieber und wünscht sich Krieg für sein Geschäft …
CHOR
Dann soll er Terroristen in die Hände fallen und nichts bekommen außer Brot und Wasser!
TRYGAIOS
Und wer noch Lust hat, General zu werden, und wer als Sklave vorhat, blauzumachen und nicht hilft …
CHOR
Der werde aufs Rad geflochten, ausgepeitscht!
TRYGAIOS
Auf uns jedoch komm Segen! Schenk uns reiches Erbarmen!
CHOR
Lass doch das „Armen“ weg! Bete: schenk uns reiches Erben!
TRYGAIOS
Gut also: reiches Erben! Erben, sage ich! Von Hermes, von den Grazien, den Horen, Aphrodite und der Liebe – von Ares … Hau ruck ho!
CHORFÜHRER (zu Trygaios und Hermes)
Heda, ihr zwei, kommt, helft uns ziehen!
TRYGAIOS
Zieh ich denn nicht? Ich häng ja in den Seilen, leg mich rein und tue, was ich kann!
CHORFÜHRER
Warum denn kommen wir nicht weiter?
TRYGAIOS (zu einem Choreuten)
Herr Oberst Lamachos, das ist ja Obstruktion! Wir können’s auch ohne deine Fratze machen!
HERMES (auf eine andere Gruppe weisend)
Und das Argiverpack hat auch nicht mitgezogen; sie haben nur gelacht, als wir uns abgemüht – und als Neutrale gleich von beiden Seiten profitiert.
TRYGAIOS
Doch die Spartaner, unsre Feinde, ziehen tüchtig!
HERMES
Nur grad die Kriegsgefangenen möchten gern; doch die sind interniert und können nicht hinaus.
TRYGAIOS
Auch die Megarer sind uns keine Hilfe!
HERMES
Sie ziehen immerhin und zerren …
TRYGAIOS
Wie Straßenköter! Denn bei Zeus, sie sind ja halb verhungert.
CHORFÜHRER
So kommen wir nicht weiter. Einmütig müssen wir am gleichen Strick ziehn! Hau ruck!
CHOR
Hau ruck!(Alle ziehen gemeinsam)
CHORFÜHRER
Hau ruck, bei Zeus!
TRYGAIOS
Kein Wunder, denn die Hälfte zieht ja in der falschen Richtung! Argiver – das gibt Prügel! Hau ruck noch mal!
CHOR und CHORFÜHRER (durcheinander)
Hau ruck! Hau ruck! Jetzt alle!
TRYGAIOS (zu Eirene)
O Herrin, Traubenspenderin, wie soll ich dich anreden? Wo finde ich ein Tausendhektoliterwort für dich? Mir fehlt das Vermögen. (Zu den Begleiterinnen) Ich grüße dich, Opora, Fülle des Herbstes, und dich, Theoria, Freude der Feste! Wie schön ist dein Gesicht, wie süß dein Atem – der mir tief zu Herzen geht, so süß wie Demobilmachung und Parfüm!
HERMES
Das riecht ganz anders als der Militärtornister!
TRYGAIOS
Ja, das ist der schrecklichste der Schrecken: die Notration im Kriegeswahn! Denn diese riecht nach sauren Zwiebelrülpsern, sie aber hier nach Erntezeit, Bewirtung, Dionysosfest, nach Pfeifen und Theater, nach Arien des Sophokles und Hähnchen – und Verschen des Euripides!
HERMES
Ich hau dir gleich eine runter für diese Lüge! Keine Freude hat sie an diesem linken Intellektuellen!










