![]() | ||
Katharina Schulze hatte die Idee zum Freiheitsdienst. Sie selbst arbeitete früher als Mitarbeiterin einer grünen Landtagsabgeordneten. Solche Dienstzeiten sollen angerechnet werden. |
Von wegen Zeitenwende. Das Grundgesetz steht mit seinem Art. 12a auch im vierten Kriegsjahr noch gnadenlos gegen Geschlechtergerechtigkeit an der Waffe. "Männer", heißt es da, "können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden. Frauen nicht, Frauen wären nur als Freiwillige zugelassen, wenn sich herausstellt, dass die vielen neuen Waffen eines Tages auch viel neues Personal zur Bedienung braucht. Würde die Wehrpflicht wieder scharfgeschaltet, bliebe das starke Geschlecht derzeit außen vor.
Reicht der Reformeifer
Ob der Reformeifer der kommenden Koalition reicht, eine Lösung für die längst veraltete Wehrformel zu finden, ist unklar. Friedrich Merz und Lars Klingbeil haben bisher nicht erkennen lassen, dass dieser Teil der Wiederaufrüstung Europas zu ihren Prioritäten gehört. Auch deshalb sind jetzt die abgewählten Grünen als letzte wirklich staatstragende Partei in die Bresche gesprungen. Mit Unterstützung der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin hat die ehemals streng pazifistische Partei einen eigenen Plan zur personellen Nachrüstung vorgelegt.
Danach sollen gleichberechtigt alle Frauen und Männer zwischen 18 und 67 Jahren Dienst an der Gemeinschaft leisten. Sechs Monate Dienstpflicht sind vorgesehen. Zur Wahl stehen Wehrdienst, Dienst als Blockwart im Bevölkerungsschutz, Beitritt zu einer Freiwilligen Feuerwehr oder einer Hilfsorganisation wie Greenpeace, Amnesty International, Sea Watch oder Open Arm. Oder aber der anstelle des früheren Zivildienstes angebotene Gesellschaftsdienst. Eine Wehrplficht ohne Waffe, freiwillig, aber verbindlich.
Digitaler Dienstbeginn
Die letzte Hürde zwischen Einberufung und Dienstantritt ist dieselbe wie bei der Auszahlung des Klimageldes: Zuerst einmal müssen die Behörden sich ein Bild davon machen, wer überhaupt im Land lebt, wie er zu erreichen ist, welche Gesundheitspässe, Radladerführerscheine und Sprachkenntnisse vorliegen. Und wie die Einberufungsbescheide digital nachhaltig zugestellt werden können. Beratungsbüros können dann bei der Beantwortung der Frage helfen, für wen Homeoffice infrage kommt. Amtsärzte müssen Freistellungsbescheide von Medizinern aus der Friedensszene prüfen. Einheiten von Kettenhunden wären personell besser auszustatten, um Dienstpflichtleugner und Freiheitsverweigerer nachhaltig an ihre Mitwirkungsverpflichtung zu erinnern.
Es sei jetzt nicht die Zeit, zu fragen, was denn der Staat für seine Bürger tun könne - die Infrastruktur reparieren, die Steuern und die Energiepreise senken, ordentliche Bildung anbieten oder ein Sozialsystem, das niemanden, der ein Leben lang gearbeitet hat, am Ende des Lebens zwingt, den letzten Spargroschen für den Platz im Pflegeheim auszugeben. Sondern die Zeit, den Staat zu fragen, was der Bürger denn noch tun könne: Mehr zahlen? In Uniform dienen? Sie tief verbeugen, um seine Dankbarkeit dafür zu zeigen, dass ihm nach der Wahl Lösungen für Probleme präsentiert werden, die vor der Wahl nicht einmal am Rande erwähnt worden waren?
Friedensdienst abgewählt
Ursprünglich hatte die federführend verantwortliche grüne Fraktionsspitze im Bayrischen Landtag als werbewirksamen Namen des halben Pflichtjahres den Begriff "Friedensdienst" in den Blick genommen. Von Historikern der Bundesstiftung Aufarbeitung, die die Rechtslage mit Blick auf die frühere Nationale Volksarmee der DDR hatte prüfen sollen, kam ein Haltebefehl. Die DDR-Führung hatte den "Ehrendienst" an der Waffe propagandistisch auch als "Friedensdienst" beworben und dem Begriff damit "nicht wiedergutzumachende Beschädigungen zugefügt", wie die Forscher warnten. Selbst Bürgerinnen und Bürger guten Willens, bereit, ihre naturgegebene Rolle als Verfügungsmasse staatlicher Entscheidungen willig anzunehmen, könnten durch unschöne Erinnerungen abgeschreckt werden.
Rettung kam dann allerdings schnell von der BWHF, die keine Probleme hatte, schnell Ersatz zu liefern. Die "Freiheitsenergien", die Falk Ebenhagen vor zwei Jahren mit seinem Team aus Propagandapoeten und Hülsendrehern für die damalige FDP hergestellt hatte, konnten binnen weniger Stunden umgebaut und als "Freiheitsdienst" neu ausgeliefert werden.
"Ein Begriff, der in der semantischen Systematik von Sondervermögen, Klimageld, Rettungspaket und Tankrabatt", bleibt, wie der Hauptabteilungsleiter Hauptsatzverwaltung (HHV) in der BWHF beschreibt. Zudem nutze das auf das Trägerwort "Dienst" aufgesetzt Signalwort "Freiheit" einen aktuellen Trend. "Seit Jahren schon bemerken wir eine leise, aber anhaltende Konjunktur des lange als abgehalftert geltenden Begriffes, der für eine gewisse Sehnsucht der Öffentlichkeit nach Freiheit spricht."
Freiheitsdienst als Bedürfnis
Ebenhagen rechnet damit, dass der grüne Freiheitsdienst diesem Bedürfnis entgegenkomme. Zumal die konkrete Ausgestaltung darauf abzielt, schon abgeleistete Dienste oder bestimmte ehrenamtliche Tätigkeiten anrechenbar zu machen. Wer in fremden Heeren gedient hat, etwa in der NVA, einer anderen Armee des Warschauer Paktes oder einer afrikanischen Terrormiliz, muss nur die eventuell verbleibende Restzeit nachdienen. Auch Spielzeiten in Handballvereinen, Praktika in den USA und geleistete Teilzeitdienste in grünen Landtagsfraktionen werden angerechnet.
Denn eine "einfache Wehrpflicht, wie sie im Kalten Krieg bestand, greift zu kurz", das hat auch Roderich Kiesewetter von der CDU noch einmal klargestellt. Benötigt würden "Aufwuchskräfte auch in anderen - neuen - Bereichen", die nur ein "verpflichtender Gesellschaftsdienst" bereitstellen könne - neben einer "smarten und effizienten Wehrpflicht", die "den Fokus vor allem auf den Dienst im Bevölkerungsschutz und den Schutz der kritischen Infrastruktur" legen müsse. Deutschland, demnächst mit Waffen im Übermaß ausgestattet, brauche "den Aufbau einer zivilen und militärischen Reserve", denn es reiche nicht aus, "nur wehrfähig zu sein, wir müssen abschrecken können", sagt Kiesewetter, als gelernten Artillerist einer der wenigen gedienten Bundespolitiker.
Ein neuer Fachkräftemangel deutet sich an
Der "Freiheitsdienst" muss Begeisterung auslösen, eine Wehrfreude begründen, die über die Pflicht, fürs Vaterland zu sterben, weit hinausgeht. Roderich Kiesewetter nennt es ein "Mindset" mit dem "Willen für Freiheit zu kämpfen und sich für unser Land zu engagieren", indem jeder mithilft, die Zusagen der Bundesregierung für die NATO zu erfüllen und "der Sicherheitsbedrohung gerecht zu werden". Auf einem Bierdeckel während der Koalitionsverhandlungen durchgerechnet, "brauchen wir wohl eher 460.000 Soldaten", ist er sicher.
Das sind knapp 100.000 mehr als im vergangenen Jahr Babys männlichen Geschlechts geboren wurden. Ein neuer Fachkräftemangel deutet sich an.