Montag, 6. Oktober 2025

Mad Age: Die verrückte Zeit mit Greta Thunberg

Kümram Greta Thunberg In Öl
Gefesselt mit Backstage-Bändchen für den Zugang zum kalten Büfett hat der junge Maler Kümram Greta Garbo als Ikone des sogenannten Mad Age Zeit gemalt.

Der Jude hat sie nicht nur gefangengenommen, er hat sie gedemütigt. Auf offener See aufgebracht, von ihrem Flaggschiff "Selfie-Queen" geschleppt und in ein israelisches Foltergefängnis verbracht, meldete sich Greta Thunberg über einen aus der Kerkerhaft geschmuggelten Kassiber bei ihren Anhängern in Medien, Politik und organisierter Zivilgesellschaft.  

Anders als ihr vom Reiseveranstalter zuvor versprochen worden war, seien die Haftbedingungen katastrophal. Durch den Klimawandel verursacht, mangele es an Wasser in der Zelle, die wimmele dafür von Bettwanzen, klassischen Parasiten, die sich von Blut ernähren und als Zivilisationsfolger zu den wenigen Tierarten gehören, die vom Überbevölkerung, Urbanisierung und Technisierung des menschlichen Lebens profitieren.

Bettwanzen und Begrüßungscocktail 

Thunberg ist inzwischen 22 Jahre alt, aber kein Stück erwachsen geworden. Den Kampf ums Klima hat die Schwedin aufgegeben, zu stark waren die Widerstände in der Mitte der Gesellschaft geworden, zu schnell verbraucht hatte sich der knappe Vorrat an Parolen, mit denen Thunberg ab 2018 um die Welt gezogen waren. "Ich will, dass ihr in Panik geratet, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre.“ ", hatte die  Erfinderin der sogenannten "Schulstreiks" den Mächtigen der Welt auf deren Gipfel in Davos 2019 entgegengeschleudert. 

Ein hysterisches Kind ohne Schulabschluss oder gar Universitätsausbildung, das zur Ikone eines Zeitalters wurde, das Historiker heute als Mad Age (Verrückte Zeiten) bezeichnen: Das kindliche Kind aus Stockholm avancierte zur allgemein anerkannten Alarmsirene für den nahenden Untergang der Menschheit. Ihre wirren Reden - etwa die Analyse "an Orten wie Davos erzählen Menschen gerne Erfolgsgeschichten, aber ihr finanzieller Erfolg hat ein unvorstellbares Preisschild und beim Klimawandel müssen wir anerkennen, dass wir versagt haben" halten als Ausdruck der reinsten Form tiefster Erkenntnis. 

Die weisen Worte eines Kindes 

Wenn Thunberg, erleuchtet durch den genossenen Schulunterricht bis zur 9. Klasse, rief "jetzt ist es an der Zeit, deutlich zu sein und die Klimakrise zu lösen, ist die größte und komplexeste Herausforderung, der die Menschheit je gegenüberstand", dann verbreiteten unzählige Magazine, Sender und Tageszeitungen die weisen Worte, die Welt lauschte gebannt und ihre Anführer gingen in sich. 

Jeder Herrscher wollte mit Greta fotografiert werden. Der Papst empfing sie, die Größen Europas scharten sich um sie. So verrückt waren diese Jahre, dass der damalige US-Präsident Donald Trump sich scharf dafür kritisieren lassen musste, dass er Greta Thunberg hatte bei einem Gipfel links liegen lassen, satt die Gelegenheit zu nutzen, um ihren Rat einzuholen. Thunberg war die Anführerin einer globalen Bewegung, die in der Realität niemals so groß war, wie sie aussah. Doch wenn die großen Medienhäuser etwas gut und wichtig finden, dann bekommt es jeden Platz, den sonst etwas anderes bekommen hätte.

Tragisches Opfer des Kults 

Für das Opfer des bizarren Kults waren das keine guten Nachrichten. Greta Thunberg zeigte früh erste mentale Beschädigungen  in Form eines Gotteskomplexes. Menschen mit einer solchen Ausstattung sind in der Regel nicht in der Lage, Niederlagen oder auch nur Rückschläge hinzunehmen. Ihr Anspruch ist der von Kleinkindern am Süßigkeitenregal: Will haben! Jetzt. Dass Thunberg nach dem Ende der Schulstreiks, der personellen Auszehrung der Klimabewegung Fridays for Future und dem offensichtlichen Scheitern des Versuches, ein dem Corona-Regiment vergleichbares Klimaregime zu errichten, nicht geduldig weitermachen konnte, erklärt sie so. 

Nach dem Angriff der Hamas auf Israel, den 1.200 ermordeten Juden und der Ankündigung der Terrororganisation, so lange gegen den Judenstaat zu kämpfen,  bis der letzte Israelis ins Meer getrieben worden sei, wechselte Greta Thunberg das Lebensthema. Eben noch in Jack-Wolfskin-Uniform in Lützerath, um mehrere verfallene Bauernhöfe vor der Vernichtung durch Braunkohlebagger zu bewahren, trug sie jetzt Kufiya. Aus "How dare you" wurde "How dare Jew".

Eine neue Mission 

Da war eine Kind geblieben, trotzig in der Verweigerung, komplexe Probleme erkennen zu wollen. Greta Thunbergs neue Mission bestand daraus, dem neuen Antisemitismus, den der Hamas-Angriff ausgelöst hatte, ein nettes Gesicht zu geben. Thunberg, nicht berufstätig, aber aus nie geannten Quellen offenbar gut versorgt, reiste mit der "Global Sumud Flotilla" einmal demonstrativ ins Kriegsgebiet, um Israel nach Möglichkeit zu einem gegen den Judenstaat verwendbaren fehlverhalten zu zwingen. Als das nicht gelang, schiffte sie sich erneut ein, diesmal an der Seiote von noch mehr Selbstdarstellern, Ego-Influencern und Aufmerksamkeitssüchtigen wie der von ihrem Erbe geplagten Selbsthassmillionären Marlene Eneglhorn

Wie alle die anderen fortschrittlichen, antikolonialen und antirassistischen Aktivisti weltweit kümmerte es sich Thunberg keine Sekunde lang um das Leid der Menschen im Jemen. Nicht um die laufenden Kriege in Asien. Und schon gar nicht um Massaker in Afrika. Wenn kein Jude in der Nähe ist, dem die Schuld zugeschoben werden kann, so viel hat die mit zahlreichen Preisen geehrte "Person of the year 2019" des "Time"-Magazin von der Funktionsweise der Welt verstanden, lohnt es sich nicht, auf Öffentlichkeit zu hoffen. Ist aber einer da, dann steht man im Mittelpunkt, sobald man ihm etwas vorwirft, eigentlich auch egal, was es ist. 

Das narzisstische Ringen um Aufmerksamkeit, das oft ausgerechnet junge Frauen aus gutem Haus antreibt, verzeichnet die größten Erfolge, wenn antisemitische Klischees bedient werden. Israel lässt Unschuldige grundlos hungern. Die Hamas dagegen kämpft für Frieden, Fortschritt und ein eigenes Land. 

Aus der Haft heraus klagte Thunberg im  Stil der früheren RAF-Terroristen über eine harte Behandlung, getreu dem Missionsmotto "Sumud" (arabisch: صمود), das so viel wie "Standhaftigkeit" bedeutet. Entlehnt haben es die Initiatoren der Antisemiten-Armada der politischen Strategie der Hamas, die mit dem Wort ihre Entschlossenheit zeigt, immer weiter gegen Israel zu kämpfen, auch wenn wegen der eigenen unerbittlichen Haltung zehntausende Palästinenser sterben müssen.  

Genozid am eigenen Volk 

Ein Genozid am eigenen Volk, gegen den Thunberg noch nie Einwände geäußert hat. Dafür aber an den Umständen, unter denen sie in israelischer Haft leiden musste: Zu wenig Wasser, zu wenig Essen, dazu habe sie auch noch "auf harten Oberflächen" sitzen müssen. Die Berichte anderer antisemitischer Aktivisten, dass Thunberg bei ihrer Festnahme "an den Haaren geschleift und geschlagen worden" sei, bestätigte die Betroffene selbst nicht. 

Auch den Vorwurf, man habe sie gezwungen, eine israelische Flagge zu küssen, mussten Mitreisende machen - Thunberg selbst, so hieß es, sei bei Absprachen zuvor strikt gegen eine solche Behauptung gewesen. Die Galionsfigur der Hamas-Flotte war überzeugt, dass Israel diesen Vorwurf glaubhaft zurückweisen könne, indem es deutliche mache, dass kein Soldat der IDF eine solche Beschmutzung der Fahne durch Küsse einer überzeugten Judenhasserin zulassen werde.

Salonkrieger an der Front 

Es ist alles etwas durcheinander geraten, auch weil die Ereignisse die Sumud-Flottille überholt haben. Der Befreiungskampf der Palästinenser, für die totalitäre Linke im Westen das Herzensthema, hinter dem sich das eigene Versagen angesichts der großen Zukunftsthemen daheim verbergen lässt, könnte dank der Initiative des allseits verhassten US-Präsidenten enden, noch ehe die letzten deutschen, italienischen, spanischen und französischen Interbrigadisten nach Hause zurückgekehrt sind. 

Beendet  die Hamas ihren genozidalen Kampf auf, streckt sie die Waffen, gibt sie ab wie zuvor ETA, IRA und PKK, und lässt sie die Geiseln frei, wären es bald nur noch die Salonkrieger in Europa, die weiterhin die Kriegstrompeten blasen, zu eigenen Unterhaltung und Selbstbestätigung. Perspektivisch aber braucht die gesamte Klasse der Engagierten ein neues Thema. Das Mad Age ist vorüber.

Trumps falscher Friede: Wenn die Linken Trauer tragen

Hamas Sympathisanten Proteste Antisemitismus
In Deutschland marschiert der antisemitische Mob, medial aber gelten Hass und Wut auf Israel als verständlicher Ausdruck von Enttäuschung und Ärger. 

Alles, aber nicht das. Bei diesem Thema wird es keine Kompromisse, keine Verständigung und kein Einlenken geben. Sollte es dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump wirklich gelingen, die Terrororganisation Hamas zum Aufgeben zu bewegen, mag das für den unbedarften Beobachter positiv wirken. Die weltweite Solidaritätsbewegung mit den Mördern vom 7. Oktober 2023 aber werden dem Präsidenten nicht verzeihen, dass er ihnen ihr aktuelles Lieblingsspielzeug weggenommen hat.  

Überall dort, wo die Palästinenserfahne und die Kufiya einen ähnlich dekorativen Zweck erfüllen wie früher Wandbilder des Menschenschlächters Che Guevara, ist die Furcht groß, dass es zum Frieden kommt. Und hektisch wird nach Möglichkeiten gesucht, den Kampf über den letzten Tag hinaus fortzuführen.

Die Völkermordliebhaber 

Die Vorbereitungsarbeiten laufen bereits. "Auch wenn keine Bomben mehr fallen und keine Kugeln mehr töten: Israel hat Gaza zerstört und Völkermord begangen", offenbart ein "Freigeist, Vielleser, freiheitsliebend, grundgesetzaffin" bei X, dass es für ihn weit wichtigeres gibt als den Frieden. Recht haben und Recht behalten zum Beispiel: Der "Kindermörder" muss schuld sein und der Kindermörder ist natürlich der Jude. "Es braucht Sanktionen gegen Israel. Trump und Netanjahu gehören nach Den Haag. Die illegale Besatzung Palästinas muss beendet werden!"

Zwei Jahre seien vergangen, "seit die Menschen in Gaza die Mauern des größten Freiluftgefängnisses der Welt eingerissen haben", lobt der Aufruf zu einer antisemitischen Solidaritätsdemo in Berlin, der den "heldenhafter Ausbruch aus dem Gefängnis" lobt weil er,  "das zionistische Regime erschüttert" habe, "einen Grundpfeiler der imperialistischen Kontrolle in der Region". Damals habe der palästinensische Widerstand der Welt gezeigt, "dass es möglich ist, die allmächtige zionistische Entität zu besiegen". Keine Juden mher im Nahen Osten, am besten nirgendwo mehr, so wünsht es sich die "Generation after Generation until total Liberation". "Ihr mutiger Aufstand hat den Mythos der zionistischen Unbesiegbarkeit zerstört und ist zu einem Leuchtfeuer der revolutionären Hoffnung für alle antiimperialistischen und antikolonialistischen Kämpfe auf der ganzen Welt geworden."

Ein Killerregime, das Andersdenkende, Andersliebende und Andersglaubende mit brutalen Methoden unterdrückt und ermordet, als "Leuchtfeuer der Hoffnugn" Menschen, die sich für fortschrittlich halten.  Dass sich die heroische Hamas jetzt "dem US-amerikanisch-zionistischen Kolonisierungsplan Gazas unterwerfen" soll, trifft auf manifeste Ablehnung, nicht nur beim antisemitischen Fußvolk. Auch die Spitze der Linkspartei wird Trump seinen Plan nicht verzeihen und der Hamas nicht, wenn sie aufgibt. Jahrelang haben sie über jeder Gelegenheit versucht, die Verantwortung für den Angriff vom 7. Oktober  den Angegriffenen zuzuschreiben. Die einzige Demokratie im Nahen Osten, schon immer Hassobjekt bis in die Mitte der medialen Gesellschaft, sollte büßen für das, was ihm angetan worden war. 

Eine alte Obsession 

Eine Obsession, die Islamisten und Kommunisten, Antikolonialisten und Klimakämpfer, Queeraktivisten und Antiamerikafanatiker einte wie keine andere. Schon die Diktaturen des sowjetischen Weltreichs munitionierten PLO und Schwarzen September. Die Demokratien  etwa in der EU füttern die Nachfolger.  Mit keinem anderen Land beschäftigte sich die Uno so hingebungsvoll. Kein anderes Land wurde auch nur annähernd so häufig verdammt, verflucht und verurteilt. Mit dem UNRWA leistete sich die Weltgemeinschaft ein eigenes Palästinenserhilfswerk. Alle anderen Nationen müssen sich ein Flüchtlingshilfswerk teilen.

Die frühere deutsche Außenministerin Annalena Baerbock widmete ihre letzten Amtsmonate fast ausschließlich der Unterstützung des palästinensischen Befreiungskampfes. Und Francesca Albanese, "UN Special Rapporteur" für Anklagen gegen die Regierung in Jerusalem, führt ihr Amt unter der Überschrift, dass Juden "Torturers through and through" seien. Die Welt, so schrieb die Menschenrechtsexpertin gerade erst, sei aufgefordert, ihre Verbindungen mit Israel komplett zu kappen, um den Völkermord zu stoppen, die illegale Okkupation und die Apartheid.

Kein Wort gegen die Hamas 

Kaum ein Wort fiel je gegen die Hamas, schon gar keins gegen die von den Terrorkommandos der heiligen Krieger ins Westjordanland zurückgedrängten gemäßigten Antisemiten des als "Palästinenserpräsident" hofierten Mahmut Abbas und seiner Palästinensischen Autonomiebehörde.  Als Trump begann, die in Europa bis vor zwei Jahren nicht einmal als Terrororganisation eingestufte Hamas mit einem Friedensplan unter Druck zu setzen, reagierte eine Reihe von Staaten sofort und entschlossen. Nicht bloß eine "Luftbrücke der EU" diesmal. Als Lohn für den Massenmord vom 7. Oktober erkannten sie die zweigeteilte Diktatur von Hamas und PLO als Staat an. 

"Palästina", das steht heute für alles, was die globale Linke liebt: Männer, die gegen den Kapitalismus kämpfen, gegen Amerika und alles, was den freiheitlichen demokratischen Westen ausmacht. Nach dem Ende des großen Klimakampfes fanden zahlreiche Aktivisten im Befreiungskampf der Palästinenser ein neues Betätigungsfeld. Nicht eine Minute wurde gefragt, warum die Enkel Arafats die 20 langen Jahre seit dem Rückzug der IDF aus dem Gazastreifen und die von der Welt gespendeten hunderte von Milliarden Dollar nicht genutzt haben, ihr Land in eine  "Riviera des Ostens" (Donald Trump) zu verwandeln.

An allem ist der Jude schuld 

So wie am Elend Kubas allein die USA schuld sind, ist Israel schuld am Elend eines Landstrichs, der als einzige Diktatur höchstes Ansehen bei denen genießt, die eigentlich ausschließlich sozialistische Diktaturen als fortschrittlich anerkennen. "Torturers through and through" fasst es Francesca Albanese zusammen, deren Herz für die Hamas weit ist. "Es ist entscheidend, dass man versteht, dass man bei Hamas nicht unbedingt an Halsabschneider denken sollte, bis an die Zähne bewaffnete Menschen oder Kämpfer denken sollte. So ist es nicht.", hat sie erst im August gesagt. Die Terrororganisation sei auch "eine politische Kraft, sie baute Schulen, öffentliche Einrichtungen, Krankenhäuser". 

Mit Tunneln überall, in denen die Raketen zusammengeschraubt werden, die auf das verhasste Nachbarland abgeschossen wurden. Für die oberste Palästinabeamtin der Weltgemeinschaft ein durchaus verständlicher Ausdruck von Zorn und Wut. "Ihr habt das Recht, gegen diese Besatzung Widerstand zu leisten", rief sie den Mördern zu, denn "eine Besatzung erfordert Gewalt und erzeugt Gewalt."

Hoffentlich scheitert Trump 

Wenn Trump scheitert, wäre es nicht nur der 48-Jährigen am liebsten. Die Welt des Nahen Ostens bliebe wie sie immer war. Ein böses Judenregime weigert sich trotz aller Ermahnungen, sich widerstandslos into the sea werfen zu lassen. "Hamas-Kämpfer" (ZDF, ARD, Spiegel) ernten Bewunderung dafür, dass sie lieber ihr ganzes Volk sterben lassen würde als auch nur eine weitere Geisel freizulassen. Dass Israel Trumps Friedensplan sofort zustimmte,  bewies allein schon, was dahitlersteckte: Eine neue Eskalationsstufe. Eine Falle. Die Absicht, Trump den Friedensnobelpreis zu verschaffen.

Mit seinem Versuch, die immer noch widerstrebende Hamas zur Aufgabe zu bewegen, riskiert es Donald Trump, erneut von allen Seiten unter Beschuss genommen zu werden. Der 79-Jährige musste in der Vergangenheit schon den Milliardär spielen, der keiner war, den Rechtspopulisten, Faschisten, Nazi, Rassisten, Menschenfeind, Kriegstreiber, Irren, Zerstörer der Weltwirtschaft und Möchtegerndiktator. Jetzt schickt er sich auch noch an, am Allerheiligsten zu rütteln: Dem heiligen Krieg der globalen Linken gegen den Kolonialismus, den nach den unleugbaren Pleiten in Afrikas shit holes, in Kuba, Bolivien und Venezuela nur die Hamas erfolgreich führt, so lange sie keinen Erfolg hat.

Der "oberste Kriegstreiber" 

Die Friedensschlüsse zwischen Indien und Pakistan, Kambodscha und Thailand und Armenien und Aserbaidschan sind zum Glück fast schon vergessen, die zwischen Ruanda und Kongo und Israel und dem Iran und Zölle nach umfassenden Untersuchungen deutscher Faktenchecker  zweifelhaft. Die Zölle, die im April noch drohten, die USA in ein Armenhaus zu verwandeln, taugen immerhin dazu, Deutschlands seit drei Jahren "schwächelnde" (DPA) Wirtschaft zu erklären. Eine Friedensvereinbarung zwischen Hamas und Israel aber wäre dem Publikum nur schwer als neueste Übeltat eines Usurpatoren zu erklären. Der löschende "Feuerteufel" (Spiegel)? Ein Hetzer, der beschwichtigt? Der Mann, den die deutsche Reporterlegende Georg Restle den "obersten Kriegstreiber" nennt, der nun aber Frieden stiftet am ältesten Brandherd der Erde?

Das wird Donald Trump nie verziehen werden. Der Mann ist eine einzige Enttäuschung. Erst waren es vielleicht doch nicht die Russen, denen er seinen ersten Wahlsieg verdankte, dann starb er nicht an Corona, schließlich nicht einmal bei einem Attentat. Und nun nimmt er der Linken, den Nazis und allen UN-Antisemiten  auch noch die Möglichkeit, Israels Gegenwehr gegen die geplante Auslöschung aller Juden nach den Zahlen der Hamas zum "Völkermord" zu addieren. Schon haben deutsche Politiker, die Israel gerade noch hatten entwaffnen und Netanjahu verhaften wollen, ungefragt, aber widerstrebend Zustimmung signalisiert. Aus Angst, am Ende wieder auf der falschen Seite zu stehen. 

Die Hölle macht Hoffnung 

Doch ein bisschen Licht ist noch am Horizont für die, die es mit der Hamas halten. Von Israel enthauptet und an die Wand gedrückt von Trumps Ankündigungen, es werde die "HÖLLE" losbrechen, wenn die Terrortruppe nicht allen 20 Punkten seines Friedensplanes zustimme, haben die Köpfe der verbliebenen Mörderarmee auf Zeitspiel umgeschaltet. Statt der ultimativen Forderung nach einer Zweistaatenlösung ohne Israel steht oder dem hinhaltenden Vorschlag, erst einmal müsste ein Waffenstillstand geschlossen werden, bevor Israel mit den Terroristen verhandeln dürfe, ist die Zusicherung getreten, die Geiseln freilassen zu wollen, sobald noch zu führende umfangreiche Verhandlungen beendet seien.

Europa wäre sofort dabei und es stände am Ende wieder mit leeren Händen da. Trump aber diskutiert nicht. Entweder oder, jetzt oder nie. Der Präsident weiß, dass die Hamas weiß, dass ihr ohne die Geiseln keinerlei Druckmittel mehr bleibt, so dass sie nur noch hoffen könnte, dass Israels es gut sein lässt. Israel aber weiß, dass es nie gut werden wird, so lange der Hamas Organisationsstrukturen, Waffenlager und Unterstützung in In- und Ausland verbleiben. Natürlich reicht die im Westen oft geradezu liebevoll als "Miliz" bezeichnete Killerarmee nicht die ganze Hand, so lange sie glaubt, der kleine Finger werde reichen. 

Donald Trump aber macht nicht den Eindruck, als würde er sich damit begnügen. Und so könnte es tatsächlich zum Schlimmsten kommen: Frieden im Nahen Osten, vom Verkehrten herbeigeführt. Frieden im Nahen Osten, von den Falschen gewonnen. Das wird Trump niemals verziehen werden. 

Sonntag, 5. Oktober 2025

Der russische Schuldentrick: Hypothek auf Nachbars Haus

Die EU führt den Kampf ums Kapital mit allen Tricks. Jetzt will sie russische Guthaben beleihen, um den Abwehrkampf der Ukraine nicht mehr selbst finanzieren zu müssen.

Wer kennt das nicht? Die Kassen sind leer, das Konto ist im Soll, das Haus bis übers Dach beliehen und doch sind noch immer so viele, viel Wünsche offen. Was würde man nicht alles tun könne, hätte man doch, was man nicht hat! Selbst der Pfandleiher, den man selbst unterhält, gibt einem nichts mehr. Er sagt, er habe schon vor Jahren auf Treu und Glauben aufkaufen müssen, was sich noch in alten Kisten und Kästen auf dem Boden befand. Wo nun doch aber der Amerikaner Europa verraten hat und sich weigert, weiterhin für den Unterhalt der Mündelstaaten aufzukommen, ist guter Rat teuer.  

Enge Spendierhosen 

EU-Europa könnte sich finanziell schon selbst nicht aufrechthalten, wären da nicht die paar Staaten, die noch so viel zu entbehren haben, dass es für einen von Mal zu Mal kräftig über die Teuerung hinaus wachsenden Kommissionshaushalt reicht. Auch bei denen aber werden die Spendierhosen immer enger. Populistische Parteien werben beinahe überall mit demokratiefeindlichen Parolen, nach denen keine Regierung Geld, das sie nicht hat, für Leute ausgeben dürfe, die sie allenfalls etwas angehen dürften, wären die eigenen Wähler versorgt.

Schlimme Zeiten, Zeiten ohne Ausweg. Doch wenn der Wille der Politik zur Gestaltung auf den Einfallsreichtum von Männern und Frauen trifft, die nichts mehr zu verlieren haben, weil ihr Ruf ohnehin restlos ruiniert ist, dann geht sogar, was nicht geht. Es nützt ja nichts. Das hat auch Friedrich Merz endlich eingesehen, der sich lange gegen den Vorschlag wehrte, vermeintlich russisches Vermögen zu nutzen, um es als Sicherheit für einen neuen Kredit für die Ukraine zu hinterlegen. Wie immer wusste bei Merz niemand, ob er seinen Widerstand ernst meinte oder von Anfang entschlossen war, bei nächster Gelegenheit umzufallen.

Eingefrorene Sicherheit 

Jetzt ist er jedenfalls krachend aufgeschlagen: EU-Chefin Ursula von der Leyen, die angesichts ihrer eigenen kümmerlichen Erfolge jede Gelegenheit nutzt, sich als Verkünderin froher Botschaften vor Kameras und Mikrophone zu stellen, wird in Kürze bekanntgeben, dass die als "eingefroren" bezeichneten russischen Vermögenswerte im Westen als Sicherheit für ein neues EU-Sondervermögen dienen werden. Medien bereiten den Tabubruch seit Wochen akribisch vor. Mit Schlagzeilen wie "Die Ukraine soll einen Kredit von fast 140 Milliarden Euro aus eingefrorenen russischen Vermögen erhalten" wird maximal am Kern der Dinge vorbeigeschrieben. Mit Erfolg. Aus der spleenigen Idee einiger Aktivisten wurde zuerst die offizielle Linie der Kommission. Dann auch Deutschland, bis dahin größter Verteidiger der eingeübten Bräuche auf dem Finanzmarkt.

Merz, der die faktische "Konfiszierung" der bei europäischen Banken liegenden Guthaben der russischen Zentralbank anfangs noch als "völkerrechtlich problematisch" bezeichnet hatte und fürchtete, der Eingehungsdiebstahl könne bei Investoren dazu führen, dass sie den von der EZB geplanten Aufstieg des Rolle des Euro zur wichtigsten globalen Reservewährung infrage stellten, hat es sich angesichts der Alternativen anders überlegt. Mit der Nutzung von russischem Vermögen für die Ukraine wolle er, hat er gesagt, "Russland an den Verhandlungstisch bringen". 

Alle wissen es 

Eine schräge Idee. Seit dreieinhalb Jahren kann Russland nicht mehr über seine Auslandsvermögen verfügen. Seit zwei Jahren werden die auf die Guthaben anfallenden Zinsen sogar schon an die Ukraine weitergereicht. Natürlich wird die eines Tages jeden Cent zurückzahlen müssen. Und da sie das nicht können wird, werden die EU-Staaten einspringen. Brüssel weiß das, Berlin weiß das und Moskau weiß es auch. Einen Grund für den Kreml, deshalb an einem Verhandlungstisch aufzutauchen, gab es nie. Und es wird ihn auch nicht geben, wenn sich die EU-Staaten nicht mehr nur der Zinsen, sondern auch der Guthaben selbst bemächtigen, indem sie sie als vermeintlich Sicherheiten für neue Kredite verwenden.

An das Geld selbst gehen sie nicht. Der Trick besteht vielmehr darin, eine Hypothek auf das Haus des Nachbarn aufzunehmen - ein Vorhaben, das die Landesregierung in Sachsen im Sommer 2024 ähnlich gewieft mit dem sogenannten Sachsenschatz aus 50.000 Bitcoin hatte umsetzen wollen. 

Der sächsische Finanzminister Christian Piwarz hatte das Kryptovermögen, das den Angeklagten in einem noch laufenden Gerichtsverfahren gehört, notverkaufen lassen. Um die Einnahmen von rund 2,7 Milliarden Euro zinsbringend anlegen zu können. Klappte nur bedingt: Sachsen verlor durch den hektischen Verkauf 2,7 Milliarden. Und die Zinseinnahmen von 43 Millionen, entschied ein Gericht, darf der Finanzminister bis zum Abschluss des Verfahrens nicht verwenden. Denn vorerst gehören sie immer noch den ursprünglichen Eigentümern der Bitcoin.

Wie ins Sachsen so in Belgien 

Belgien hat darauf verwiesen, dass die Rechtslage beim Russenschatz genauso ist. Aber daran haben auch alle anderen Beteiligten keinen Zweifel.   Umständliche Erklärungen wie die, dass es um eine "Initiative zur Nutzung eingefrorener russischer Zentralbankgelder für die Ukraine" gehe, täuschen nur auf den ersten Blick darüber hinweg, dass der Zweck des Manövers darin besteht, so zu tun, als müsse Russland für das Geld haften, während es doch in Wirklichkeit die EU-Staaten sind. 

Von der Leyen und Merz beteuern, dass Russland sein Geld nur dann zurückbekommen werde, wenn es nach Kriegsende Reparationszahlungen leiste. Nur im Fall, dass die Ukraine nichts zurückzahlen könne, weil Russland nicht zahle, würden die EU-Staaten einspringen müssen. Merz zufolge muss der zinslos gewährte Kredit erst dann zurückgezahlt werden, "wenn Russland die Ukraine für die verursachten Schäden entschädigt hat".

Wird Russland zahlen? 

Doch wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Krieg um die Ukraine ein Ende findet, bei dem Russland alle Kosten der Ukraine trägt und für alle entstandenen Zerstörungen aufkommt? Welche Aussicht besteht, dass eine Kreml-Regierung keinen anderen Ausweg sieht, als einer Regelung zuzustimmen, bei der es der Ukraine seine Rüstungsanstrengungen finanziert?

So nahe null, dass eine ehrliche Bewertung keinesfalls stattfinden darf. Niemand unter denen, die die vermeintliche "Nutzung von russischem Vermögen für die Ukraine" (DPA) vorantreiben, glaubt ernsthaft daran, dass Russland eines Tages die Kriegskredite der Ukraine zurückzahlen wird, um an Auslandsvermögen heranzukommen, die ihm - niemand widerspricht da - ohnehin gehören. 

Selbst Merz versichert, die geplante "Nutzung der Milliarden" geschehe, "ohne in die Eigentumsverhältnisse einzugreifen". Für den Augenblick aber taugt die Ausrede, dass es so kommen wird, um nicht selbst als Kreditnehmer auftreten zu müssen, obwohl die Garantie der EU-Staaten, einzuspringen, wenn Russland sich doch nicht zur Kasse bitten lässt, natürlich die eigentliche Sicherheit darstellt.

Schlusstrich in Saarbrücken: Wir sind Einheit

Briefamrke 35 Jahre deutsche Einheit
Im neuen Deuschlandtempo hat die Deutsche Post reagiert: Ab kommenden Mittwoch soll es eine Briefmarke mit dem Motiv "Wir sind eins. Wir sind Einheit." geben.

Ein Neustart, ein neuer Aufbruch zur letzten Etappe und ein neuer Versuch, noch einmal "eine neue Einheit" anzugehen - zum 35. Jahrestag der Wiedervereinigung ließ Bundeskanzler Friedirch Merz kaum einen Zweifel daran, wie ernst die Lage ist und wie ernst er selbst es meint mit dem neuen Deutschland, das stehen soll, wenn er dereinst die Geschäfte übergibt. "Erinnern wir uns an die Zuversicht, mit der unsere ostdeutschen Landsleute vor 35 Jahren ihren Aufbruch wagten", zog der Mann aus dem Münsterland eine klare Trennlinie zwischen denen da drüben und uns hier in dem Teil des Vaterlandes, der immer noch ist, was er immer war. Fest verankert in der demokratischen Erde. Ein Hort, aus dem die Demokratie weit übers Land schauen kann, so dass sie genau sieht, wer schon wieder etwas was falsch macht.  

Der positive Geist von Saarbrücken 

In diesem "positiven Geist" waren sie alle zusammengekommen, die Bundespräsidenten, Bundeskanzler und Bundesrichter, umeinander geschart in Saarbrücken, eine der Städte im Westen, in deren Kulissen bis heute problemlos historische Schinken gedreht werden können, die in der DDR der  70er und 80er Jahren spielen. Sahra Wagenknecht lebt hier gemeinsam mit ihrem westdeutschen Partner Oskar Lafontaine, etwas abseits des Trubels, lesend und sinnend in der Villa zur sozialen Gerechtigkeit. Das Saarland hat von allen deutschen Regionen auch die größten Wiederreinigungserfahrungen, weil es schon zweimal glücklich zurückkehrte in den nationalen Schoß, der furchtbar noch ist. 

Dass der 35. Jahrestag der neuen Republik, zugleich Geburtsstunde einer neuen Gemeinschaft, ausgerechnet hier stattfindet, tief im Westen und nur 350 Kilometer vor Paris, dafür aber von Berlin fast 600 entfernt, ist Zufall, aber ein sprechender. "Vieles muss sich ändern, wenn vieles so gut bleiben oder gar besser werden soll, wie es in unserem Land bisher ist", hat Friedrich Merz in seiner flehentlichen Ruckrede gesagt, die darauf abzielte "Kraft freizusetzen" und mit "Pessimismus und Weinerlichkeit" nicht noch mehr Energie zu vergeuden. Das Saarland war halt dran, so hieß es, und auch eine neue Republik könne nicht auf altbewährte Rituale verzichten.

Ein neuer Sound 

Es kann sie nur neu deuten, vorsichtig den Takt ändern und den leeren Floskeln, die Jahr für Jahr verbreitet werden, einen neuen Sound geben. Angela Merkel, die sich in den endlosen Jahren  ihrer bleiernen Kanzlerschaft zu einer Expertin in dieser Disziplin entwickelte, war die erste, die Zeichen zu deuten wusste. 

Der französische Präsident Emmanuel Macron weilte dem Festakt in der Congresshalle Saarbrücken als special guest bei, dafür aber weder ein Spitzenpolitiker aus den Anschlussgebieten noch ein Staatsgast aus dem früheren Ostblock. Merkel, geübt darin, in Vogelflug und Knochenwurf zu lesen, bemängelte das vorab. "Vielleicht", sagte sie, "hätte man auch jemanden aus Osteuropa oder aus Ostdeutschland als Gastredner nehmen können, anlässlich von 35 Jahren Deutscher Einheit."

Aber nein. Nicht nur mit dem Programm, sondern auch mit dem Personal sendete die neue Koalition in Berlin ein klares Signal in das neue Deutschland, das sie sich vorstellt. Keine Trennung mehr zwischen Ost und West, Oben und Unten, Politik und gewöhnlichen Fernsehpromis. Kein ängstlicher Anstand mehr zwischen Verfassungsorganen, die einander kontrollieren. Und keine Scheu davor, die Vielfalt der Gesellschaft in ihrer ganzen Breite abzubilden, inklusive von sechs Versuchen, die berühmte Merkel-Raute nachzustellen.

Die Heldinnen und Helden von 1990 

Zum Gruppenfoto vor der Saarbrücker Basilika traten demonstrativ nahezu alle wichtigen Repräsentanten  des neuen, sich ganz auf westdeutsche Traditionen, Werte und westdeutsches Personal verlassenden Einheitsdeutschlands zusammen. Mit dem Hamburger Fernsehansager Jörg Pilawa und der Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, der Bundespräsidentin und dem Bundespräsidenten, dem Bundeskanzler und seiner Frau, der saarländischen Ministerpräsidentin Anke Rehlinger und dem früheren CDU-Bundestagsabgeordneten und heutigen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, standen gleich neun der Heldinnen und Helden der Jahre 1989 und 1990 Schulter an Schulter. Eine menschliche Brandmauer, aufgestanden, um zu zeigen, was Friedrich Merz gemeint hatte, als er in seiner großen Ansprache gesagt hatte: "Wir, das sind alle Deutschen".

Die neun Personen auf dem Foto, fünf Frauen, vier Männer, sind die Personifizierung des modernen Parteienstaates. Keiner von ihnen stünde hier vor der Kamera, gäbe es nicht die beiden großen Volksparteien, die heute noch knappe 40 Prozent der Wähler repräsentieren. Zwei der Frauen haben eingeheiratet ins Motiv, drei andere haben es selbst die Parteileiter hinauf geschafft. Es sind drei der Männer, für die höchsten Verfassungsorgane dort stehen - stellvertretend für die eine Generation von Politikern aus zwei Volksparteien, die das Land schon immer regieren. Sie haben mit gewirkt am großen Sanierungsstau, an der ausgebliebenen Modernisierung, am Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und am Versagen dabei, alte, sterbende Industrien durch neue innovative Ideen zu ersetzen.

Angedeutete Merkel-Raute 

Selbstbewusst schauen Sie in die Kamera, der eine hat die Hände zu einer angedeuteten Merkel-Raute gefaltet, der andere scheint im Begriff, die berühmte Geste auch gleich nachzustellen. Diese Männer haben sich nichts vorzuwerfen, denn sie haben 20, 30 40 Jahren Parteilaufbahn erkannt, dass es so nicht weitergehen. Am Rand steht Jörg Pilawa, der im Grunde genommen die 99,999 Prozent der Restbevölkerung der Republik verkörpert. Der Moderator ist in Liebe zur Bundestagspräsidentin entflammt. Als ihr Partner durfte er mit vor die Kamera, denn schließlich haben Bundespräsident und Kanzler ihrer Frauen auch mitgebracht.

Wie im Fluge sind die Jahre vergangen, in denen Kanzler und Bundespräsidenten sich zwanghaft mühten, wenigstens so zu tun, als schauten sie nicht mit dem Blick faszinierter und zugleich ein wenig angeekelter Ethnologen auf das, was sich da an der Ostflanke ans Vaterland gepfropft hatte.  Als Friedrich Merz jetzt an den Zusammenhalt in der Bevölkerung appellierte, meinte er damit nicht, dass sich irgendjemand ein Beispiel an denen nehmen sollte, die Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger für ihren Mut gelobt hatte, "gegen die in der DDR herrschenden Zustände auf die Straße zu gehen" und mit ihrer "Entschlossenheit Zukunft geschaffen" zu haben.

Vorsprung durch Zukunft 

Nein, Merz Idee ist die "Zukunft durch Wandel", ein Mobilisierungsbegriff, den die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin erst Mitte September mit Hilfe der leicht umgravierten Musterplatte des legendären Audi-Claims "Vorsprung durch Technik" geprägt hatte. Diese Zukunft ist eine, in der eine "gemeinsame Kraftanstrengung" eine "neue Einheit" schafft, die "wechselseitige Missverständnisse und Vorurteile" ausräumt und "gegenseitige Abwertungen"  unterlassen.

Es gibt doch keinen Grund. Im MDR, wo Friedrich Merz am Nationalfeiertag im Zuge des Wahlkampfstarts in Sachsen-Anhalt Hof hielt, berichtete der Kanzler von den vielen, vielen Investitionsangeboten, die sich im Kanzleramt stapeln. Viele viele sind es von Firmen aus dem Inland. Noch viele viel mehr aber von ausländischen Investoren. 

Grund zum Optimismus 

Die Menschen draußen im Lande könnten beruhigt sein und gelassen in die Zukunft schauen, sagt Friedrich Merz. "Wir werden das jetzt ordnen", kündigte er an. Und irgendwann eines Tages bald in ferner Zukunft wird bekannt gegeben wem der Staat die schlimmen Standortbedingungen mit wie vielen milliarden schmackhaft machen konnte, dass er  nicht lieber nach Polen, Tschechien oder Ungarn geht.

Die Zukunft verschafft Deutschland einen Vorsprung. Diese Dimension, so Merz, müsse von allen verstanden werden. Zeit für Wandel. Zeit für Zukunft. Zeit für Veränderung. Zeit, dass sich was dreht. Zeit ist Geld. Wandel durch Handel. Sein oder Nichtsein; das ist hier die Frage. "Lassen wir uns nicht von Ängsten lähmen, wagen wir einen neuen Aufbruch", hat Merz im Herzen Europas gerufen und gemeint, dass Deutschland "ein demokratisches, rechtsstaatliches, wirtschaftlich starkes und soziales und auch ein europäisches Land bleiben" wolle, derzeit aber nicht so recht wisse, wie es das anstellen solle. 

Am reinen Tisch 

Noch, hat der Kanzler sich nicht gescheut, reinen Tisch zu machen und eine bittere Wahrheit offen auszusprechen, seien Ostdeutsche in Spitzenpositionen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft unterrepräsentiert wie auf dem Gruppenfoto von der Einheitssause. Kein Bürgerrechtler, kein Behördenchef, nicht einmal Kathrin Göring-Eckhardt, Gregor Gysi oder Joachim Gauck als Maskottchen. Das sieht traurig aus, ist aber notwendiger Teil des Wertewandels rund um die Einheitsinterpretation. 

Saarbrücken symbolisiert einen notwendigen Schlussstrich. Der Westen ist sich einig. Und das ist gut so, denn es zeigt, dass nicht mehr danach geht, wo einer herkommt, welche Wurzeln er hat und auf dem Ticket welcher marginalisierten Gruppe er die Karriereleiter hinaufschleimt. Nur 35 Jahre nach der Wiedervereinigung ist damit eigentlich eine Grundlage für die Zukunft durch Wandel geschaffen.

Abgesehen von  Brandmauer und Drohnenwall hat niemand die Absicht eine Mauer zu bauen. Die, die damals 20 waren, gehen auf die Rente zu. Ihre Kinder aber sind schon Söhne und Töchter des einigen Vaterlandes, denen die niedere Herkunft oft nicht einmal mehr anzusehen ist. Wenn in 40 oder 50 Jahren der letzte Mensch gestorben ist, dem das SED-Regime mit 14 Jahren einen DDR-Personalausweis aufgenötigt hatte, erfährt das Problem der Unterrepräsentation ganz von selbst eine biologische Lösung. 

200 Jahre nach dem Rheinbund 

Bis dahin gilt es, der Wiedervereinigung Deutschland und Frankreich zu gedenken, die erst durch den Kollaps der SED-Diktatur möglich wurde. 200 Jahre nach dem Rheinbund, jener Zeit der französischen Verwaltung, die so segensreich für die Bildung einer nationalen Identität der Deutschen war, nutzten die beiden Zentralmächte der EU die historische Chance, zusammenzuwachsen und sich sogar eine gemeinsame Währung, gemeinsame Schulden und gemeinsame Gesetze zu geben. Mit Fug und Recht verwies Friedrich Merz darauf, dass in den 35 Jahren seitdem "viel erreicht", aber die Einheit trotzdem noch nicht vollendet sei. 

Aufrecht gilt es, der Zukunft, die erst durch Wandel entsteht, so entgegenzutreten, wie es ein altes Volkslied empfiehlt: "Vergessen die Sorgen und Leiden, es wird selbst die Arbeit uns leicht; denn alle wir sehen mit Freuden: das bessere Leben sich zeigt." Merz, mehr Man des Anpackens als der Poesie, hat es "Die Verantwortung für unsere Freiheit" genannt, die "bei uns allen" liege. Der Dichter damals, ein Russe namens Boris Kornilow, fasste es gefühlvoller in die Zeilen "Von Ort zu Ort entbieten wir die Bruderhand / dem neuen Tag entgegen geht jetzt unser Land".

Samstag, 4. Oktober 2025

Zitate zur Zeit: Wie ein schwaches Deutschland

Marie Agnes Zimmermann schwaches Deutschland

Nichts ist schlimmer wie ein schwaches Deutschland.

 

Die letzte FDP-Politikerin Marie-Agnes Zimmermann rechnet im "Morgenmagazin" von ARD und ZDF mit ihrer schlappen Nation ab

Verbot tut not: AfD vor Selbstanzeige?

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Der Verbotsantrag gegen die AfD ist im Bundestag gescheitert, trotz vieler Petitionen trauen sich die demokratischen Parteien nicht an das heiße Eisen. Jetzt will die AfD selbst aktiv werden.

Hin und her und kein Ergebnis seit Jahren. Alle haben versucht, es zu versuchen. Keiner hat letztlich gewagt, es wirklich anzugehen. Trotz vieler Petitionen und mehrfacher Anläufe, im Bundestag eine Mehrheit für die Idee eines AfD-Verbotes zu begeistern, steht Deutschland zehn Jahre nach Gründung der rechtsradikalen Partei, die sich immer weiter radikalisierte, noch immer dort, wo es schon anfangs war. Das Verbot gilt als unumgänglich, um drohende Mehrheiten der Rechtsaußenpartei zu verhindern. Zugleich aber gilt es als gefährlich, weil schon sein Beginn diese Mehrheiten befördern könnte - und sein Scheitern sie im Grunde unabwendbar werden ließe.

Ein demokratisches Dilemma 

Ein demokratisches Dilemma. Angesichts der seit Jahren stabil steigenden Zustimmungswerte zur Partei der Weidels, Chrupallas und Höckes steht die demokratische Mitte unter Druck, die Brandmauer nicht mehr nur einfach durch Abschottung zu verteidigen, sondern die gewaltigen Landstriche, die mittlerweile unerreichbar dahinter liegen, zurückzuerobern. Politisch ist das kaum machbar. Zu sehr unterscheiden sich die Vorstellungen der Gestaltung des künftigen deutschen Staates, die die politische Klasse in Berlin pflegt, von denen, die Herr und Frau Mustermann draußen in der Fläche für wünschenswert halten. 

Auch das als Atombombe im Wettstreit der Ideen immer wieder vorgeschlagene Verbotsverfahren hat allerdings seine Tücken. Groß ist die Angst, dass selbst ein zuletzt deutlich progressiver neubesetzes Gericht in Karlsruhe ein Verbot ablehnen könnte. Die zu Anfang des Jahres schon einmal vorübergehend als komplett gesichert rechtsextremistisch eingestufte Partei werde dadurch noch mehr Aufwind bekommen als in den vergangenen Jahren, in denen sie durch die Bemühungen der Parteien der Mitte kaum mehr selbst aktiv werden musste, um ihre Wählerbasis mehr und mehr auszubauen. 

Hoffen auf den Verbotseffekt 

Auch die AFD selbst hofft jetzt auf diesen Effekt. "Ein AfD-Verbot wird scheitern", hat Ansgar Schledde, Chef der AfD in Niedersachsen, eine neue Strategie seiner Partei im Kampf gegen das Verbot angekündigt. Danach werde die AfD "stärker sein als je zuvor", ist er sicher. Da sich keine andere Partei und schon gar nicht alle anderen zusammen an den Verbotsantrag heranwagen, kann nur noch die AfD selbst aktiv werden: Per Selbstanzeige beim Bundesverfassungsgericht würde das im Raum stehende Verbot anhand der vom Bundesamt für Verfassungsschutz zusammengetragenen Beweisakte geprüft. Und, darauf spekuliert die AfD, im Endeffekt verworfen. 

Es wäre das, was alle Demokraten fürchten: Ein Persilschein. Eine Organisation, die anfangs die große "amerikanische" (Peer Steinbrück) Schuldenkrise instrumentalisiert hatte, um gegen die Euro-Rettungspakete Front zu machen, und später dazu überschwenkte, offen Kritik zu üben an offenen Grenzen und Klimapolitik, könnte im Bundestagswahlkampf 2029 damit für sich werben, dass an ihrer Verfassungstreue kein Zweifel bestehe. 

Vorbild Robert Sesselmann 

Vorbild ist der Fall des Robert Sesselmann, einem Mitglied der in Thüringen als rechtsextrem eingestuften Partei, bei dem von den Behörden vor der Landratswahl im südthüringischen Landkreis Sonneberg verabsäumt worden war, ihn vorbeugend vor dem Wahltag nicht zur Wahl zuzulassen. Nachdem Sesselmann die Wahl gewonnen hatte, erfolgte zwar eine Tiefenprüfung. Doch der bis dahin als Rechtsanwalt tätige Vater dreier Kinder überstand den Treuetest glücklich. Das Thüringer Landesverwaltungsamt bescheinigte ihm, in seiner Lebensführung "derzeit keine konkreten Umstände" gefunden zu haben, "die von hinreichendem Gewicht und objektiv geeignet sind, eine ernsthafte Besorgnis an dessen künftiger Erfüllung der Verfassungstreuepflicht auszulösen".

Sesselmann regiert inzwischen seit zwei Jahren in Sonneberg. Je nach Betrachtungswinkel hat er bisher Wahlversprechen wie den Ausstieg aus dem Euro, den Start von Friedensverhandlungen mit Russland und die sofortige Abschiebung krimineller und abgelehnter Asylbewerber gebrochen oder aber gezeigt, dass es gar nicht so schlimm ist, wenn ein Rechtsextremer regiert. Immer mal wieder kommen neugierige Reporter in die frühere Weltspielzeugstadt, um nach dem Rechten zu sehen. Immer stellt sich heraus, dass Sesselmanns Bilanz nach zwei Jahren katastrophal aussieht. 

Es regnet in Sonneberg 

Es regnet oft in Sonneberg, wenn Gäste aus den großen Städten kommen und als der "Tagesspiegel" neulich vorbeischaute, hatte sich "die Stimmung verändert". Die Enttäuschung der 50.000 Sonneberger, sie sitzt tief. Bei der Landratswahl hatte Sesselmann noch 52,8 Prozent der Stimmen eingesammelt. Bei der Bundestagswahl Anfang des Jahres kam seine Partei nur noch auf 45. Dabei müht sich der bisher einzige behördlich anerkannte verfassungstreue AfDler, seine wahren Absichten zu verstecken. Ein Kronzeuge von der SPD beschrieb die perfide Methode: "Er teilt die Ansichten der AfD und manchmal zeigt er es auch. Aber oft versteckt er seine Radikalität gut."

Die Akte, die informell sicher auch schon beim Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe vorliegt, blickt natürlich hinter die Kulisse der leutseligen Bauernfängerei. Klipp und klar steht dort zu lesen, was die Partei im Innersten zusammenhält. 1.000 Seiten Geheimgutachten voller Analysen der "Denk- und Sprechmuster" der AfD, Auflistungen von Gastbeitrag, die dieser oder AfD-Mann da und dort  veröffentlicht hat, und Auswertungen von Fotos von "Austauschtreffen", die darauf hindeuten, dass es Kontakte gibt, die auf mancherlei hindeuten könnten. 

Das alles zusammengestellt aus öffentlichen Quellen und kurz nach der geheimen Vorlage durch die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser durch ein bis heute nicht aufgeklärtes Datenleck im Geheimdienst nach draußen gesickert.

Der große Trumpf 

Der große Trumpf, mit dem die Partei in Karlruhe punkten könnte: Um verboten werden zu können, braucht es neben der - im Rechtsstaat durchaus erlaubten - verfassungsfeindlichen Haltung auch den Willen, sie "in aktiv-kämpferischer, aggressiver Weise" umsetzen. Zudem benötigt jeder ernsthafte Verbotskandidat ein paar nicht ganz abwegige "konkrete, gewichtige Anhaltspunkte" als Argument, die es "möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann" (BMI). 

Im Geheimgutachten hat der Verfassungsschutz keine aufgeführt. Und so schwelt die Debatte, ob die Partei, die 2025 mit 19,6 % der Stimmen bei der Bundestagswahl glänzte und in Ostdeutschland als dominierende Kraft etabliert ist, nun nur als verfassungsfeindlich eingestuft wird oder gleich verboten werden sollte, dauerhaft vor sich hin, gelegentlich unterbrochen durch plötzlich aufschlagende Stichflammen, die den Regeln der Medienökonomie folgend nach spätesten anderthalb Woche von selbst erlöschen.

Je verbotener, desto erfolgreicher 

Die Frage, ob die AfD noch stärker wird, wenn ein Verbotsverfahren scheitert, glaubt die Partei deshalb wohl, jetzt selbst beantworten zu müssen. Niemand anders findet sich, seit der ersten Verbotsdiskussion im Oktober 2019 schon nicht, als das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Teile der AfD, insbesondere den sogenannten "Flügel" um hessischen Lehrer Björn Höcke, als "gesichert rechtsextremistisch" einstufte. 2020 stellte die Linke einen Verbotsantrag, der jedoch an der Brandmauer zur ehemaligen Mauerschützenpartei scheiterte.

Nach dem Geheimgutachten flammte die Debatte zum sechsten Mal auf, im Frühjahr folgte Auflage sieben mit einem parteiübergreifenden Gruppenantrag im Budnestag, dessen Verfasser sich über die Aussichtslosigkeit ihres Verlangens im Klaren waren. Warum also jetzt nicht Anlauf acht, eingeleitet durch die AfD selbst, die durch die "mögliche Verletzung von Dienstgeheimnissen durch die Weitergabe des Verfassungsschutzgutachtens zur AfD an die Medien" legal in den Besitz des umfassenden Beweismaterials gegen sie gekommen ist. 

Debatte kam mit dem Wahlerfolg

Viel spricht aus Sicht der Partei dafür, selbst aktiv zu werden. Der Blick zurück zeigt, dass es die Rechtsaußenpartei ist, die von den Verbotsdebatten profitiert. Jeder einzelne Anlauf zum Versuch eines Anlaufs spülte der Partei zuverlässig Wähler zu. 2020 überholte sie die Linke, 2022 die FDP, eine Partei, an die sich heute nur noch die Älteren erinnern. 2023 überflügelte sie auch Grüne und SPD, 2025 schließlich die Union. Währenddessen wurde der Ruf nach einem Strafverfahren immer lauter - eine Koinzidenz, die Wählerinnen und Wählern offenbar auffällt, so dass mental zur Solidarisierung neigen statt sich entsetzt abzuwenden.

Würde die AfD selbst sich bei den Verfechter des Verbots einreihen, um sich vom Bundesverfassungsgericht vorbeugend von allen Verfehlungen freisprechen zu lassen, wäre das deshalb ein Manöver nicht ohne Risiko. Bisher waren unter den lautesten Stimmen für ein Verfahren wenig beliebte bis nahezu unbekannte Politiker wie Nancy Faeser von der SPD und der CDU-Politiker Marco Wanderwitz, der seinen Wahlkreis bereit 2021 an den AfD-Kandidaten Mike Moncsek verlor und seitdem wohl auch eine persönliche Rechnung zu begleichen hat.

Der letzte Ausweg 

Ähnlich hoch angesehen sind die Verbotsverfechterinnen  Katrin Göring-Eckhardt und Janine Wissler. Die Grünen-Politikerin hatte ein Verbot " als letzten Ausweg" bezeichnet, ohne anzugeben, wohin der fürhen würde. Die nach ihrem Sturz als linke Parteichefin aus der Öffentlichkeit in den Bundestagsarbeitskreises für Arbeit, Umverteilung und soziale Sicherheit verschwundene Wissler hatte ihr Urteil voab öffentlich gemacht: "Die AfD leugnet den Holocaust und stachelt gegen Minderheiten auf. Das ist verfassungsfeindlich", sagte die Frau aus Hessen, die den Kapitalismus als "unmenschliches, grausames System" ablehnt und überzeugt ist, dass die von ihrer Partei angestrebte klassenlose Gesellschaft sei "nicht über Parlamente oder Regierungen zu erreichen" ist. 

Suie alle stünden neben Weidel, Chrupalla, Bernd Baumann und Beatrix von Storch, wenn die ein verbotsverfahren anschieben wolten. Doch wie käme der Plan bei der treuen AfD-Gefolgschaft an und wie bei den Laufkunden, die ihr Kreuz immer noch bei den Blauen machen, um den Schwarzen, Roten und Grünen kaum verschlüsselet Botschaften zu übermitteln? 

Uninteressierte Wähler 

Viele dieser Wähler interessieren weder der Euroskeptizismus noch die Klimawandel-Leugnung oder die russlandfreundlichen Positionen der AfD. Ihre Überlegungen sind viel einfacher: Mit den anderen hat man es immer wieder versucht. Es war mal die Kombination am Ruder und mal jene. Aber herausgekommen ist immer das gleiche Ergebnis: das Leben wurde mühsamer, teurer, der Wohlstand schmolz und die vielen Milliarden, die überhin flossen, um die welt besesr zu machen, erfüllten nie ihren Zweck.

Vor diesem Hintergrun dgesehen, müsste die AfD wie bisher gar nichts tun, abgesehen davon, hin und wieder an ihre Existenz zu erinnern. Ihren Wahlkampf erledigen die anderen, ihre Erfolge werden von SPD, CDU, Grünen und Linken organisiert. Dennoch ist der Reiz, es darauf ankommen zu lassen, groß. Zulett hatte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann der AfD-Chefetage durch die Blume zugeraten, als er sagt: "Ein Verbot könnte ein Bumerang werden. Die AfD würde sich als Märtyrer inszenieren und Stimmen gewinnen." Auch der Philosoph Jürgen Habermas zeigte sich überzeugt, dass ein Verfahren "nur dann sinnvoll ist, wenn der Erfolg sicher ist – andernfalls stärkt es den Rechtspopulismus." 

Dass er nicht sicher ist, ist sicher, sonst  wäre das Verfahren schon lange im Gange. Doch ob die AfD die Chance nutzt, sich freisprechen zulassen, bleibt abzuwarten.

Freitag, 3. Oktober 2025

Drohnenwall: Die fliegende Worthülsenfabrik

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Die SPD hatte lange einen klaren Klassenstandpunkt in der Drohnenfrage. Mittlerweile ist die frühere Volkspartei hier auf die Position der menschenfeindlichen AfD umgeschwenkt.

Sie fliegen überall, immerzu, seit zwei, drei Wochen schon. Als hätte der russische Präsident Wladimir Putin die Europäer vor ihrem Gipfeltreffen in Kopenhagen noch einmal extra motivieren wollen, alles gegen ihn aufzubieten, lässt er seine Drohnen fliegen. Oft beleuchtet, meist in Gegenden, deren Lufterkundung problemlos über Google Earth durchgeführt werden konnte. Der Westen ist gewarnt. Es wird ernst, denn Putin will der Menschen Angst machen mit seinen hybriden Angriffen. Und die Medien in ganz Europa machen sich bereitwillig zum Helfershelfer des Diktators, indem sie jeden Anflug eines mutmaßlich russischen Ufos melden wie einen Tieffliegerangriff.

Drohnen-Friends und -Freunde 

Zum Glück für die 440 Millionen EU-Europäer und ihren in der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) vereinten Freunden ist die Brüsseler Kommission nicht lange um eine angemessene Antwort auf die massenhaften Fremdflüge verlegen. Während Drohnen im deutschen Militär wie in der deutschen Politik noch vor sechs Wochen als unritterliche und unziemliche Waffe galten, die in den angedachten Aufrüstungsplänen keinerlei Rolle spielen sollte, reagierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen blitzschnell. 

Die Frau aus Niedersachsen, durch ihre frühere langjährige Tätigkeit als deutsche Verteidigungsministerin in Militärdingen deutliche erfahrener als der heute amtierende Sozialdemokrat Boris Pistorius, brauchte vom ersten Auftauchen der Rätseldrohnen in Funk und Fernsehen nicht einmal vier Wochen, um mit einem ausgeklügelten Plan zur Verteidigung Europas in der Luft vorzulegen: Ein  "Drohnenwall" solle Europa künftig um geben, quasi der fliegende Teil des "Stählernen Stachelschweins" (steel porcupine), das die Kommissionspräsidentin im März in Dienst gestellt hatte.

Fürchterliche "Tötungsinstrumente" 

Widerworte kommen keine, nicht einmal von der SPD, die eine Bewaffnung der Bundeswehr mit Drohnen über Jahre hinweg mit großen Erfolg verhindert hatte. Unter ihren Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, die von Fraktionschef Rolf Mützenich unterstützt wurden, beharrte die führe Volkspartei darauf, dass militärpolitische Notwendigkeiten keine Rolle spielen dürften, wenn es darum gehe, neue fürchterliche "Tötungsinstrumente" (Taz) wenigstens von der eigenen Seite des Schlachtfeldes fernzuhalten. Mit einer gewissen Verzögerung ist inzwischen auch die SPD vom lange behaupteten klaren Klassenstandpunkt in der Drohnenfrage abgerückt. Mittlerweile hat die frühere Volkspartei hier Stellungen bezogen, die menschenfeindliche AfD seit sechs Jahren vertritt.

Der von der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin gelieferte martialische Name ist natürlich die wirksamste Waffe am geplanten "Drohnenwall". Das neue "System zur Abwehr unbemannter Flugobjekte" werde ein "ein Schutzschild für unseren gesamten Kontinent" sein und die Grenzen "an Land, auf See und in der Luft", hatte Ursula von der Leyen angekündigt. Bei einem "Wall" handelt es sich sprachgeschichtlich um eine Aufschüttung aus Erde, Steinen oder anderen Materialien, mit der ein Bereich schützend umgeben oder abgeschirmt wird. Soll er aus Drohnen errichtet werden, kommt es auf Masse an. Knüppeldick müssen die Flugkörper massiert werden, um durch ihre schiere Menge jeden Angriff abweisen zu können.

Von der Leyens Konzept sieht vor, dass ganz Europa umschlossen wird. Nicht nur die als Ostflanke bezeichnete künftige Ostfront, sondern auch die Grenzen im Westen und Süden des Kontinents sollen demnächst mit großen Mengen von Drohnen geschützt werden. Naheliegend: Seit dem Brexit traut niemand in Brüssel den Briten wirklich. Und so lange Erdogan regiert, gilt es auch, den angriffslustigen Nato-Partner Türkei in Schach zu halten, der immer wieder gierig Richtung Griechenland und Zypern schielt.

Ein fliegendes Wällchen 

Mit Kosten von vier Milliarden rechnet von der Leyen offiziell, in Wirklichkeit aber ließe sich mit dieser Summe nicht einmal ein fliegendes Wällchen errichten. Allein um die NATO-Ostgrenze zu  Russland, Belarus und der Ukraine wirksam abzusichern, gilt es letztlich, entlang einer Strecke von  etwa 3.000 Kilometern Länge  - die finnisch-russischen Grenze mit 1.300 Kilometern, die baltischen Grenzen zu Russland und Belarus mit 1.000 Kilometern und die polnisch-belarussischen und rumänisch-ukrainischen Grenzen mit mehr als 600 Kilometern - grenznahe Drohnenstützpunkte aufzubauen. 

Selbst ohne die Berücksichtigung der maritimen Grenzen, die damit zwangsläufig allerdings Einflugschneisen für russische Drohnen blieben, wäre der Bau von 50 bis 60 Drohnenflughäfen erforderlich. Größere Abstände sind nicht möglich, weil jeder Stützpunkt unter Berücksichtigung der typischen Reichweiten von Drohnen (kleine ~2 km, mittlere ~10–20 km, schwere ~200 km) nur einen  FrontFlankenbereich von etwa 50 Kilometern Breite abdecken kann. Zumindest für mittlere und schwere Drohnen Bauart "Black Hornet" oder MQ-9 "Reaper" wären damit auch unterstützende Überlappungen der Gefechtsbereiche und eine nötigenfalls schnelle Rotation möglich.

Der wahre Preis des Abwehrschirms 

Ein solcher wirklich dichter "Abwehrschirm" (von der Leyen) hätte jedoch seinen Preis. Schon für den Erstbesatz jeder Wachstation wären 1.000 kleine Aufklärungsdrohnen, 200 mittlere und wenigstens zehn schwere Drohnen als Grundausstattung nötig. Eine DJI FlyCart 30 gibt es bereit zum Preis von 18.000 Euro, eine Black Hornet kostet aber bereits 100.000 Euro pro Stück. Die schweren Reaper, hergestellt von General Atomics und bekannt aus Hollywood-Filmen wie "Land of Bad" mit Russel Crowe, kosten schon weit mehr als eine Million Euro pro Stück.

Das summiert sich auf Strecke, ein Umstand, den Ursula von der Leyen und ihre Fachleute im Eifer des Vorgefechts offenbar weitgehend außer Acht gelassen haben. Die Strategin aus dem Berlaymont-Palast sprach gar nicht über Geld, denn das ist ihrer Erfahrung nach am Ende sowieso immer da. Doch Nato-Chef Mark Rutte merkte vorsorglich an, dass all das "viel Geld" kosten werde, "das die meisten Mitgliedsstaaten nicht haben". 

Lautes Schweigen über die Kosten 

Wie viel, darüber schwieg sich auch der nach seinem Scheitern als niederländischer Ministerpräsident  rasch zum Militärbündnis gewechselte Mann von der Volkspartij voor Vrijheid en Democratie aus. Rutte war im Unterschied zu von der Leyen selbst nie beim Militär, nicht einmal wie der amtierende deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius als einfacher Gefreiter. Vielleicht wollte er nicht die Pferde scheu machen.

Denn was da auf die Gemeinschaft zukommt, wird etwas richtig Großes. Im  Idealfall werden zur Abdeckung der gesamten Grenze drei Millionen kleine Drohnen. Eine halbe Million größere und wenigstens 25.000 schwere Kampfdrohnen gebraucht. Die Kosten für die Starausrüstung dieses Drohnenwall-System liegen - großzügige Herstellerrabatte bereits eingerechnet - bei mehr als 300 Milliarden Euro. 

400 Milliarden in die Luft 

Um die 60 Stützpunkte rund um die Uhr zu besetzen und die Drohnen jederzeit einsatzbereit zu halten, wird basierend auf den militärischen Standards für Drohnenbasen pro Standort wenigstens ein Trupp von zwölf Personen benötigt. Drei bis vier Techniker und Piloten pro Schicht, dazu Ersatz- und Unterstützungspersonal. Rein rechnerisch wäre mit 720 Soldaten und Offizieren auszukommen. 

Doch Urlaubs- und Dienstfreizeiten nebst Befehlsketten-, Kantinen- und Logistikpersonal berücksichtigt, dürfte die notwendige Personalstärke eher bei 5.000 als bei 3.000 liegen. Handelte es sich bei allen 3.000 Soldaten um Angehörige der Bundeswehr mit dem niedrigsten Dienstgrad, würde das Personalkosten von etwa 100 Millionen Euro im Jahr ergeben. Bei der Bundeswehr ist allerdings jeder fünfte Bewaffnete ein Offizier. Was bedeutet, dass 1.000 der 5.000 Mann der Drohnentruppe eine  deutlich höheren Sold erhalten, so dass sich zusätzliche Kosten in Höhe von etwa 50 Millionen ergeben.

Die Armierung des Drohnenwalls 


Nur verglichen mit den Bau- und Unterhaltungskosten der Drohnenstützpunkte wirkt das günstig. Die kleinen, kompakten, aber vollfunktionalen militärischen Einrichtungen, die die stählerne Armierung des Drohnenwalls bilden, brauchen Hangars, Bodenkontrollstationen, Generatoren, Kommunikationssysteme und Radare, Breitbandverbindungen und ausfallsichere Versorgungsleitungen.  Je nach Lage variieren die Kosten für solche Drohnenbasen, doch aus den Daten der Kosten realer US-Militärbasen in Afrika oder Europa ergibt sich eine Bandbreite der Baukosten von 50 bis 100 Millionen Euro pro Stützpunkt. Jeder wäre eine kompakte, praktische Einrichtung ohne unnötige Schnörkel, dafür mit modularen Hangars, einer Piste von zwei Kilometern Länge und Unterkünften.

Mit diesem Betrag baute das Pentagon seine Drohnenbasis in Agadez (Niger), Europas Drohnenwall aber wird günstiger werden, weil die Vielzahl der zu vergebenden Bauaufträge den Auftraggebern eine hohe Preissetzungsmacht verleiht. Mit vier bis fünf Milliarden solle gerechnet werden, bei Betriebskosten, die später kaum darüberliegen werden. Alles in allem aber ergibt das eine Gesamtinvestitionssumme von um die 500 Milliarden Euro.

Geld, das, wie Rutte sagt, niemand hat. Ohne ein neues Sondervermögen für den Drohnenbewaffnung des freien Europa wird es angesichts solcher Summen wohl bei einer fliegenden Worthülsenfabrik bleiben müssen.

Zweistaatenlösung: Geteilte Freude, doppeltes Leid

Wadephul Zwei-Staaten-Lösung Deutschland
Deutschland ist gespalten, die beiden Landesteile verstehen einander weniger als vor 35 Jahren. Ist eine Zweistaatenlösung der einzige Weg?


Es wird diesmal nichts geben am Brandenburger Tor, keine wilde Party mit Eintrittsbändchen, Sekt und bollernder Diskomusik.  Als 2020 die Pandemie kam, nutzten  die Bundesorgane die Gelegenheit, die große Sause in Berlin nicht nur ausfallen zu lassen, sondern gleich ganz abzuschaffen. "Der 3. Oktober ist Nationalfeiertag", informiert das Berliner Landesportal: "Das beliebte Fest zum Tag der Deutschen Einheit findet seit 2020 nicht mehr statt". Und zwar nicht irgendwo, sondern an der "Location Platz der Republik, Brandenburger Tor und Straße des 17. Juni".

Keine Feier ohne Steinmeier 

Der "Tag der Deutschen Einheit" hat sich im 35. Jahr nach der Wiedervereinigung nach Saarbrücken zurückgezogen, 650 Kilometer entfernt von Mauerfall und Sturz der SED, die zuletzt immerhin von einem Saarländer geführt worden war. Dort unten in Fastfrankreich liegt ein Landstrich mit deutlich mehr Wiedervereinigungserfahrungen als der Rest der Republik. 1935 und 1957 ist das Saarland schon einmal zurückgekehrt in den Schoß der nationalen Familie. 2025 nun wird Bundespräsident Walter Steinmeier nach einem "Gruppenfoto mit den Repräsentantinnen und Repräsentanten der Verfassungsorgane des Bundes vor der Ludwigskirche" starke Worte zu finden, Mut zu machen, aufzurütteln, zu erinnern und zu warnen.

Das Motto der Feier am Rande der Republik lautet "Zukunft durch Wandel" und es passt ausnehmend gut in eine Zeit, in der Politiker, Parteien, Regierungen und multinationale Behörden sich im Glauben eingerichtet haben, sie säßen am Steuer von irgendetwas und könnten die Welt nach Gutdünken lenken. "Zukunft durch Wandel", das ist die Behauptung, Zukunft komme nicht sowieso, sondern eben erst durch "Wandel". Darin steckt die Vorstellung, dieser Wandel - häufig als "Transformation" verwichtiggetan - sei ein Planvorgang, der sich gestalten lasse, indem Ziele gesetzt und über Fortschritte Rechenschaft abgelegt werde.

Alles spricht dagegen 

Alles in der Geschichte spricht dagegen. Und doch ist alles darauf ausgerichtet, immer wieder so zu tun, als funktioniere das Konzept. Dabei ist die deutsche Einheit, in der Hochsprache der Amts- und Würdenträger als "Deutsche Einheit" bezeichnet, selbst der beste Gegenbeweis. Alles, was die Alten glaubten, ist nicht so geworden. Alles das, was Menschen vor 35 Jahren noch unvorstellbar schien, ist eingetreten. 

Glaubten die Leute, die damals auf der Mauer tanzten, dass mit dem Abzug der Sowjettruppen der Weltfriede ausgebrochen war, belehrte sie eine unerbittliche Wirklichkeit  eines Besseren. Auch die Vorstellung, der Osten müsse sich in einem schon ein wenig anstrengenden Kraftakt nur mal eben schnell dem Westen anpassen und dann werde er zu blühenden Landschaften geworden sein, hat sich als falsch herausgestellt. 

Anpassung hilft auch nicht 

Angepasst wurde der Osten, doch je größer die Fortschritte dabei wurden, desto kratzbürstiger reagierten die Ureinwohner. Anfangs bekundeten sie ihren Unwillen gern durch die Wahl der zur PDS umgeflaggten SED. Später, die nunmehrige Linkspartei war in aller Stille in die mehrheitssichernde Gruppe der Parteien der demokratischen Mitte aufgenommen worden, entdeckten sie die schmuddelige, rechtsextreme und der Sehnsucht nach einer Rückkehr ins Nazireich verdächtige AfD als Hebel, die "versteinerten Verhältnisse zum Tanzen zu bringen", wie es der kommunistische Säulenheilige Karl Marx seinen Anhängern geraten hatte.

Anpassung hat ja auch nicht geholfen, das ist die Erfahrung vieler Ostdeutscher aus 25 Jahren Mühe, nicht aufzufallen, mitzumachen und sich als gute Demokraten zu bewähren. Dass es angesichts der vielen Blütenträume, die die friedliche Revolution genährt hatte, auch im neuen Deutschland ein wenig an Freiheit und Mitwirkungsmöglichkeiten mangelte, ging lange als Petitesse durch. So wie die meisten der verspotteten Ossis in der DDR ein Leben unterhalb des offiziellen Staatsbetriebes geführt hatten, so scherten sie sich auch jetzt wenig um das Palaver in Berlin, die Ruckreden und Ermahnungen, Klima, Demokratie und Vielfalt ernst zu nehmen.

Der Osten wurde nie gefragt 

Der Osten ließ den Westen machen, er wurde ja auch nicht gefragt. Der Westen sah sich in Verantwortung, in einer Erziehungs- und Betreuungsrolle, die gelegentlich etwas peinlich wurde. Umso besser, dass sich mit der in Hamburg geborenen Angela Merkel bei Nachfragen auf eine ostdeutsche Kanzlerin verweisen ließ. Was wollten die Leute denn noch mehr? Mutti Merkel sorgte doch gut für alle und sie war sogar eine von den Nochnichtsolangehierlebenden, die es besonders nötig hatten.

Es muss um 2015 gewesen sein, als der Osten begann, langsam vom Westen abzurücken, kopfschüttelnd. Während sie im Westen, von der eigenen Güte berauscht, an den Bahnhöfen standen und Neuankömmlinge aus aller Herren Ländern mit Plüschtieren versorgten, wiegten sie in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt die Köpfe. Ist es möglich, dass ein Land mit begrenzten Ressourcen und unübersehbaren Problemen jedermann aufnimmt und jeden versorgt, der vor seiner Tür steht und Einlass begehrt? Das sei doch schon mathematisch so unmöglich wie das Auffangen des Wassers aller Ozeane in einem Eimer. 

Alles Nazis, auch Mutti 

Weil die Frage im früheren Bundesgebiet kaum anders beantwortet hätte werden können, wurde sie dort lieber nicht gestellt. Ost und West wandten sich voneinander ab. Geteilte Freude. Doppeltes Leid. Die großen Medien begannen einmal mehr mit dem Reden über die Problemfälle, die sich die Demokratie da aufgeladen habe. Ungebildet. Ungewaschen. Schlecht gekleidet. Alles Nazis und Stasis, selbst Mutti. Arm, aber nicht mal sexy. 

Der Linkspolitiker Dietmar Bartsch, selbst ein Herkunftsbetroffener, forderte nach Benzin-, Bau und Migrations- auch einen eigenen Ostler-Gipfel. Die SPD schrieb Zwölf-Punkte-Pläne zur endgültigen Integration der Ossis. Es sei "an der Zeit mit Missverständnissen zwischen Westdeutschen und Ostdeutschen aufzuräumen, und wir brauchen Gespräche über die vielen Brüche, die Familien in den 90er Jahren erlebt haben: Ehrlich und einander zugewand", hieß es im Masterplan für den Aufbruch in Ostdeutschland in Originalschreibweise. 

Die ungeheuren Pläne 

"Jetzt ist unsere Zeit" war 2019. Sie ist lange vorbei. Auch der Plan der deutschen Sozialdemokratie, mit einem "neuen Pakt für strukturschwache Regionen in Ost und West", der "die Wirtschaftskraft weiter stärken und gute Arbeit sichern" sollte, "nun endlich gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West zu erreichen", teilte das Schicksal all dieser Absichtserklärungen. Aus den Schlagzeilen, aus dem Sinn wie die CDU-Initiative "Gemeinsam anpacken Für einen neuen Aufbruch Ost", die im Endspurt des Bundestagswahlkampfes versucht hatte, mit elf Seiten voller Worthülsen noch ein paar Stimmen für Friedrich Merz zu mobilisieren. 

Spätere Historikergenerationen werden sich fasziniert über all diese bizarren Papiere beugen, in denen die Klagen über "zu wenig Respekt" und "fehlende Anerkennung" für Ostdeutsche dazu dienen, Verständnis, Einsicht und die feste Entschlossenheit zu Besserung zu simulieren. Plakative Bücklinge, die kaum mehr Wirkung erzielen. Am 35. Tag der Deutschen Einheit blickt nach einer Insa-Umfrage nur noch eine knappe Mehrheit der Ostdeutschen positiv auf die Wiedervereinigung. 52 Prozent der befragten Einwohnerinnen und Einwohner aus dem früheren DDR-Gebiet sagen demnach, dass sie die Einheit als Gewinn für sich empfinden. Vor 15 Jahren sagten das noch 60 Prozent, vor 30 Jahren sogar 77 Prozent.

Je länger, desto  

Liegt es am ungleich verteilten Reichtum, wie die Linke, die SPD und neuerdings auch die CDU argwöhnen? Liegt an der Lohnlücke, an den trotz Behördenansiedlungsinitiative immer noch fehlenden prächtigen Bundesinstitutionen in der ausgekohlten ostdeutschen Fläche? Oder an der in den Polytechnischen Oberschulen zwangseingeimpfen Russlandhörigkeit? Was, zum Teufel, so lautet die Übersetzung zahlloser Würdenträgerreden aus dem Politischen ins Deutsche, wollen diese Leute denn nur? Vielleicht, der Gedanke schwing unausgesprochen immer mit, wäre eine Zweistaatenlösung doch das Beste für alle.

Es gibt Studien wie die in Leipzig verfasste "Autoritarismus-Studie", die den bockigen Brüdern und Schwestern im Osten  seit 19 Jahren unermüdlich "Vorurteile und Ressentiments" nachweist. So schlimmt ist das alles, dass die Erforschernden der "autoritäten und rechtsextremen Einstellungen" ihre anfangs noch harmlos "Mitte-Studie" gennate Jahresarbeit schon 2018 in "Autoritarismus-Studie" umbenennen mussten. Finanziert wird die bienenfleißige Autopsie "autoritären Dynamiken in unsicheren Zeiten" inziwschen nicht mehr von der Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD, sondern von der Böll-Stiftung der Grünen. Allerdings erreichte das erzeugte Entsetzen bereits 2016 seinen Peak, als  "Vom KZ zum Eigenheim" erschien und klar wurde: Nichts passiert zufällig. Es steckt den Leuten da drüben in den Genen.

Unerforschte Weiten 

Wirklich gut erforscht ist der Ostdeutsche bis heute nicht. Viele wollen nicht herausrücken mit der Sprache. Sie halten ARD-Reporter für Nachfolger der Kamerateams des DDR-Fernsehens, ausgestattet mit dem gleichen besonderen Talent, jeden Satz so falschverstehen zu können, dass er von Anfang an falsch gewesen sein muss.

Wenigstens aber gibt es Beobachtungen verlässlicher Gewährleute wie Bodo Ramelow, einem Mann der Generation Buschzulage, der vermutet, dass es bei Ostdeutschen eine ungestillte "Sehnsucht nach Anerkennung und Gleichberechtigung" durch die westdeutsche Mehrheitsgesellschaft ein "Gefühl des Zurückgelassenseins" produziert habe. Und es gibt Anzeichen dafür, dass es genau dieses Vonobenherab ist, das den Älteren aus der DDR noch gut bekannte Anweisen aus Berlin, das unten Abwehrreflexe produziert. 75 Prozent der Befragten behaupten dann dreist, sie wohnten gern im Osten. Nur die Regierung müsse langsam mal was tun, damit das mit den "blühenden Landschaften" (Helmut Kohl) doch noch was wird.

Rechtsdrall, Hass und Hetze 

Ist die zentrale Feier in Berlin auch weggefallen, bei den Besuchen bekannter Ansager auf den Baustellen der Einheit bleibt es. Die wagemutigen Expeditionen in die Ostmenschenzonen fördern zutage, wie großer Unmut im Westen herrscht, weil die Dankbarkleit so klein ist. Haben die Betreuungsbedüftigen nicht sogar einen eigenen "Ostbeauftragter" bekommen? Haben nicht selbst die Reporternden des SPD-Medienhauses RND immer wieder "ostdeutsche Verhältnissen" und allerlei Verführer und nicht die einfachen Menschen für "Rechtsdrall, Hass und Hetze" verantwortlich gemacht?  Und war das nicht sher großzügig?

Demokraten im Gespräch mit Ureinwohnern, die sich dem Weltgericht des westdeutschen Selbstgesprächs stellen müssen. Ward ihr denn alle fein artig? Habt ihr die Hände gewaschen? Seid ihr denn auch schön dankbar, dass die niedrigen Löhne jetzt höher sind? Nein, bitte, fangen Sie jetzt nicht mit den Preisen an.

Donnerstag, 2. Oktober 2025

Nächster Neustart: Jetzt geht die Party richtig los

Kümram Klingbeil Merz Dobrindt Karikatur
Den Moment der Befreiung, in dem Klingbeil, Merz und Dobrindt mit dem fertigen 80-Punkte-Plan beschwingt vor die Weltpresse traten, hat der junge Maler Kümram mit spitzem Stift festgehalten.

Jetzt geht die Party richtig los! Bundeskanzler Friedrich Merz und seine Minister waren noch gar nicht richtig zurück aus der Berliner Villa Vino, wo sich die verkrachten Koalitionäre noch einmal das Ehrenwort gegeben hatten, Deutschland ab jetzt doch zu retten, da hagelte es eine gute Nachricht. Seit der offiziellen Ankündigung der "Made for Germany"-Initiative der neuen Deutschland AG haben sich 44 weitere Unternehmen dem Vorhaben angeschlossen, mit Milliarden die von der "KleiKo" (Felix Banaszak) anvisierte Merzens "Wirtschaftswende" in Gang zu bringen.  

Immer mehr Milliarden 

Aus 631 frischen Milliarden innerhalb von drei Jahren sollen jetzt sogar 735 Milliarden werden, knapp 135 Milliarden weniger als Friedrich Merz am Freitag noch angekündigt hatte. Dafür aber ist die Zahl der Mitmach-Firmen von "mehr als 61" im Sommer auf genau 105 gestiegen. Sie alle setzen mit einer Erklärung ein deutliches Zeichen: "Wir stehen zum Standort, wir ziehen kein Kapital ab, sondern investieren und gestalten damit aktiv die Zukunft Deutschlands".

Ein Silberstreif am düsteren Stimmungshorizont, den Vizekanzler Lars Klingbeil für die Malaise der prekären Gesamtlage verantwortlich macht. "Im Prinzip ist unser Hauptgegner die Laune", hatte der SPD-Chef den Teilnehmern der Klausurtagung mitgeteilt. Wichtig sei jetzt - nach der Zeitwende - ein Kulturwandel weg von der "negativistischen Haltung" , die von politischen Gegnern "wie der AfD" instrumentalisiert werde.

Schluss damit. Neuanfang. Es ist bereits der dritte einer Koalition, die sich erst nach der malerischen Pleite um die geplante und dann geplatzte Wahl der Juraprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin hatte zusammenraufen müssen. Aber jetzt geht`s los. Ein Masterplan ist es diesmal. Eine Neustart-Strategie. Friedrich Merz bescheinigte seiner schwarz-roten Mannschaft zum Neustart eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Man sei einander auch menschlich nähergekommen. 

Sehr, sehr, sehr, sehr 

"Wir haben es wirklich in den letzten Monaten geschafft, eine sehr, sehr gute, sehr kollegiale, sehr offene Arbeitsatmosphäre in dieser Koalition zu schaffen", sagte der CDU-Chef nach der Kabinettsklausur im Norden von Berlin. Nachdem erst ein Achtel der Legislaturperiode verstrichen ist, muss das optimistisch stimmen. Merz jedenfalls trat demonstrativ "sehr zuversichtlich" auf, "dass die uns gestellten Aufgaben gelöst werden können."

Immerhin: Der Kanzler "sieht" jetzt die "die Probleme der Wirtschaft" und er hat den Anspruch formuliert, "hier wieder an die Spitze zu kommen". Wie ernst es die zuletzt bei den Kommunalwahlen in NRW abgestraften früheren Volksparteien meinen, zeigt der "80-Punkte-Plan für einen modernen Staat" (ZDF), auf den sich das Kabinett geeinigt hat. 80, das ist neuer deutscher Rekord bei Punkteplänen, die lange mit zehn Anstrichen auskamen, ehe die galoppierende Inflation zuletzt auch hier zuschlug und die Anzahl der Punkte auf zwölf, 14 und sogar 26 trieb.

Modern oder moderner 

"Etwa" (Stern) 80 Maßnahmen für einen "moderneren" (Stern) Staat aber ist eine Hausnummer. Niemals zuvor hatte eine Bundesregierung die Zentralisierung der Online-Zulassung versprochen, die in so vielen Wahlkampfveranstaltungen von unzähligen Bürgerinnen und Bürger gefordert worden war. Keine frühere Koalition hatte sich gewagt, nach dem vielen zivilgesellschaftlichen Meldeportalen, über deren Schnittstellen Hetze, Hass und Zweifel direkt an die Strafverfolgungsbehörden gemeldet werden können, endlich auch ein Bürokratiemeldeportal einzurichten, über das Bürger sogenannte "Verbesserungsvorschläge" machen können sollen. 

Mer, Klingbeil und ihre Kollegen gehen angesichts mauer Zustimmungswerte in der Bevölkerung und eines weiter schwindenden Vertrauens in ihre Retterfähigkeiten aber noch weiter. Geradezu rebellisch wirkt die Ankündigung, EU-Recht demnächst nur noch wörtlich umsetzen zu wollen - statt wie bisher immer noch ein paar ehrgeizigere Regeln und strengere Vorgaben in die entsprechenden Gesetze zu packen.

Die EU hat Friedrich Merz ohnehin als Zielscheibe ausgemacht, die zu treffen draußen im Land stets mit Applaus belohnt wird. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen selbst hatte zwar vor Monaten schon angekündigt, den Kampf gegen die von ihrem Haus produzierte Bürokratie künftig ebenso ernst zu nehmen wie die gegen Russland und das Klima. 

Doch Friedrich Merz reicht das nicht. Der CDU-Chef, der im EU-Rat allen EU-Regeln zustimmen muss, prangerte eine "zu hohe Regulierungsdichte" an. Es könne so nicht weitergehen. "Es ist einfach zu viel", sagte Merz, der klipp und klar "grundlegende Korrekturen" forderte, ohne sich jetzt schon in Einzelheiten zu ergehen. Beim Gipfel wird alles besprochen. Beschlüsse sollen dann in den kommenden Monaten fallen, in aller Ruhe, mit Augenmaß. 

Wie genau man sich das vorstellen muss, zeugt die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Idee, zwar nicht wie anfangs zugesagt Überstunden-, aber Überstundenzuschläge steuerfrei zu stellen. "Der versprochene Steuervorteil für Fleißige wackelt", mittlerweile sieht es so aus, als platze der große Plan "Mehrarbeit soll Freude machen" (FAZ).

Neues Meldeportal 

Deutschland wird voranschreiten, sobald die Bürgerinnen und Bürger über das neue Meldeportal überbürokratische Regelungen anzeigen. Eine noch zu gründende  Bundesbürokratiebekämpfungsbehörde (BBB) - Städte können sich ab sofort am Ansiedlungswettbewerb beteiligen -  wird der bisher noch von jeder Bundesregierung seit Ludwig Erhard versprochenen Entbürokratisierung Schwung verleihen. "Bürokratieabbau ist keine Ankündigung mehr, sondern Wirklichkeit", hatte die CDU vor zwei Monaten noch einmal bekräftigt, was Friedrich Merz im Wahlkampf  nicht müde wurde zu betonen: "Weniger Ankündigungen, mehr Umsetzung! Zeigen, dass Bürokratieabbau kein Randthema ist, bei dem weiterhin nichts als Kritiküben geschieht! Der Staat muss bei sich selbst anfangen, denn gerade hier liegt der Schlüssel zu einem funktionierenden Staat.

Neue Ämter gegen die Bürokratie 

Gemeinsam mit dem Bundesbürokratieabbauzentralamt (BBABZA), das bereits im kommenden Jahr den Wirkbetrieb aufnehmen soll, hoffen CDU, CSU und SPD, dass die deutsche Wirtschaft kräftig spart. "Dazu gehört zuallererst, dass wir die überbordende europäische Bürokratie in den Griff bekommen und substanziell zurückbauen", hatte Merz im Januar noch in seiner Merzmail betont. Derzeit verlören allein deutsche Unternehmen jährlich 146 Milliarden Euro durch ineffiziente Verwaltungsprozesse. Aber Schulter an Schulter mit von der Leyen gehe er "jetzt konsequent diesen Weg" und "mit Nachdruck gegen übermäßige Bürokratie vor".  

Zehn Monate später wird es langsam, ganz langsam ernst. Noch ist nicht von einem Bürokratiegipfel die Rede, aber mit der "Bürokratiebremse" hat die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin die One-in-one-out-Regel von 2015 wiederentdeckt. Damals hatte Kanzlerin Angela Merkel bereits einmal entdeckt, dass das Thema Wettbewerbsfähigkeit kein ganz nebensächliches mehr ist. Kurzentschlossen verkündete sich damals die sogenannte 1 : 1 - Umsetzungen von EU-Vorgaben: EU-Recht werde künftig nur noch wörtlich umgesetzt, statt wie bis dahin immer noch ein paar ehrgeizigere Regeln und strengere Vorgaben in die entsprechenden Gesetze zu packen.

Zehn Jahre später ist Friedrich Merz schon wieder so mutig. Werden Unternehmen an einer Stelle durch eine neue Regelung belastet, wie etwa demnächst durch die neuen Vorschriften zum europaweiten Aufessenmüssen, muss es an anderer Stelle eine Entlastung geben. Eines Tages. Das erledigt dann aber wahrscheinlich schon eine andere Bundesregierung.