Mittwoch, 16. April 2025

Kaffeekrise: Ursulas Krönung

Mocca Fox DDR Kaffeekrise 17,50 DDR-Mark
17,50 DDR-Mark, das waren 1,70 West - und drei Monate aromafrisch.

Er ist gefährlich, kreuzgefährlich sogar. Keine Regierung, die ihn nicht beachtet, hat es jemals geschafft, länger als nötig an der Macht zu bleiben. Kaffee ist das Genussmittel all deren, die sich von Zigaretten fernhalten und tagsüber keinen Alkohol trinken können. Sie brauchen ihren Stoff, importiert aus fernen Ländern und sie brauche ihn so sehr, dass alle Bedenken über Klimaschäden, die die auf unendliche großen Plantagen in Monokultur gezogene Pflanze anrichtet, beiseitegeschoben werden.

Die Doge der Leistungsgesellschaft

Kaffee ist schick, Kaffee ist in. Kaffee ist die Droge der Leistungsgesellschaft, aber zugleich auch der Tröster der Minderleister. Kaffee geht immer. Wer gemocht werden will, lässt sich mit einer dampfenden Tasse fotografieren. Dem kältesten Ablehner von Tricksern und Täuschern in der Politik wird warm ums Herz, wenn er die Obrigkeit genauso genussvoll braune Brühe schlürfen sieht wie seine Frau oder ihren Mann am Frühstückstisch oder der Kaffeetafel. 

Statistisch gesehen trinkt jeder Deutsche etwa 450 Tassen im Jahr. Weltweit ist Kaffee nach Tee das  meistkonsumierte Warmgetränk der Welt. Um den beständig wachsenden Bedarf in den Industrieländern zu decken, wurde die Produktion in den letzten 30 Jahren um 60 Prozent gesteigert. 60 Prozent mehr Ackerfläche, das heißt mehr als doppelt so viel Aufwand bei der Verarbeitung. 

Leidendes Südamerika

In Südamerika leidet der Boden, im Jemen, einem der Ursprungsländer der Droge, herrscht Krieg. Jeder Kaffeetrinker könnte wissen, dass 140 Liter Wasser nötigt sind, um eine kleine Tasse mit dem belebenden Gebräu zu füllen. Jeder Politiker, der das wüsste, müsste eine Verbotsdiskussion anstoßen.

Doch die Geschichte lehrt eben: Viel, noch viel mehr und letztlich fast alles lassen sich Menschen antun. Geht es aber um Kaffee, werden sie schnell unruhig. Und einmal ernsthaft unterkoffeiniert, entwickeln sie sogar rebellische Anwandlungen. Gerissene Lieferketten oder hohe Preise können zum Auslöser von Unruhen werden. 

Aromafrische Erinnerungen


Zu aromafrischfrisch sind die Erinnerungen an das Jahr 1977, in dem der planmäßige Aufbau des Sozialismus in der DDR beinahe an der Kaffeefrage gescheitert wäre. Brasilien hatte eine Missernte zu beklagen. Die DDR, die bis dahin 300 Millionen Dollar für Kaffee hatte ausgeben müssen, nicht genug kein Westgeld, um 600 Millionen aufzubringen. Und die Preise liefen den ostdeutschen Einkäufern weiterhin davon wie Friedrich Merz die Wähler. 

Aus heutiger Sicht war damals alles spottbillig. Ein Kilo Kaffeebohnen kostete umgerechnet sechs bis sieben Euro, zufälligerweise im Osten wie im Westen. Als der Nachschub ausblieb und Aufstände drohten, war es der Legende nach DDR-Staats- und Regierungschef Erich Honecker selbst, der einen Ausweg fand. "Kaffee Mix" bestand aus 51 Prozent Kaffeepulver und 49 Prozent Füllstoff wie gerösteten Erbsen, Rübenschnitzeln oder Roggen. Die Mischung schmeckte wie aufgekochter Kaffeesatz. 

Bessere Klimabilanz

Sie hatte zwar eine deutlich bessere Klimabilanz als das herkömmliche Bohnenkaffeegetränk. Doch die Menschen mochten sie nicht. 14.000 empörte Bürger sollen sich damals mit Beschwerden an die Regierung gewandt haben. Unter der Hand kursierenden Erzählungen zufolge schimpften manche über sexuelle Niedergeschlagenheit, andere beklagten plötzlichen Haarausfall. Denn beim Kaffee hört der Spaß auf. Die als "Erichs Krönung" verhöhnte innovative Mischung als regionaler und globaler Ernte verschwand. Honecker musste an die Staatsreserve gehen, um sein Volk wieder von der Palme zu locken.

Niemand will das, doch Rücksicht nehmen kann auch nicht jede, wenn noch Größeres auf dem Spiel steht. Als die EU-Kommission vor einem Jahr beschloss, in ihrem Kampf gegen außereuropäische Produktionsmethoden von Kaffeebauern  "Sorgfaltserklärungen" zu verlangen, sah auf den Weltmärkten noch alles danach aus, als werde sich niemand an der gutgemeinten Idee verschlucken. 

Die Verordnung (EU) 2023/1115 "über entwaldungsfreie Lieferketten in der Europäischen Union (EU)" hatte nur sicherstellen sollen, dass Rohstoffe wie Kaffee und Soja, aber auch Rinder, Palmöl, Holz,   Kautschuk und alles, was sich daraus herstellen lässt, nur dann in den Unionsmarkt eingeführt  werden dürfen, wenn "diese nicht mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen" Ein kleiner Schwur,ein kleiner Eid, so dachten sie sich das in Brüssel, und schon wäre klar, dass für die liebste Bohne der Unionsbürger kein Wald gerodet und kein Tier vertrieben wurde.

Papierkrieg für die EU

Das Kilo Kaffee kostet zwei Euro, etwa so viel wie 2008. Dass die Kaffeeröster nun Papierkrieg mit ihren Lieferanten führen mussten, die wiederum ihre Bäume zu zählen hatten und hier und da Beschwörungen einkaufen mussten, hatten die Experten der Kommission ebenso eingerechnet wie die Wahrscheinlichkeit, dass der eine oder andere Kaffeebauer vielleicht auch aus Scham das Handtuch werden würde. 

Ein bisschen Schwund ist immer, aber die Welt ist groß und dank Erich Honeckers Initiative baut nicht mehr nur Brasilien Kaffee an, sondern auch Vietnam. Dem Bruderland hatte die DDR seinerzeit beim Aufbau von Kaffeeplantagen geholfen, um sich selbst einen Lieferanten zu verschaffen.

Nachhaltigste deutsche Entwicklungshilfe

Es war das vielleicht das nachhaltigste Stück Entwicklungshilfe, das jemals aus Deutschland, denn Vietnam ist heute der zweitgröße Produzent der Welt, wenn spezialisiert auf die falsche Sorte. Deutschland trinkt Arabica, denn der Islam gehört hier. Robusta darf allenfalls beigemischt werden.  Wenn die Not groß ist. Und das scheint sie zu werden. Denn punktgenau mit dem EU-Ultimatum an die Kaffeebauern der Welt begannen die Preise zu klettern. 

Was 2005 noch keine drei Euro kostete, ist jetzt zehn teuer. Der Kaffeepreis hat sich in zwölf Monaten mehr als verdoppelt. Das haben weder Bitcoin noch Gold geschafft. Selbst die Gemeinsinnsender sind schon aufgeregt: 43 Prozent Preisplus seit Jahresanfang, und das mitten in eine Zeit, in der die europäischen Zentralbanker unverdrossen das Lied vom sinkenden Preisdruck singen. 

Es war der Klimawandel

Dass die Gründe für die Explosionen im Kaffeeregal beim Klimawandel zu finden sind, hilft ein wenig darüber hinwegzutrösten, dass die Röster- und Anbauverbände schon vor einem Jahr vor extrem steigenden Preisen gewarnt hatten, weil die EU-Anforderungen Lieferanten vergraulen würden und dadurch das Angebot schmelze. 

Doch die veritable Kaffeekrise ist da. 1990 haben alle Anbauländer weltweit zusammen noch 93 Millionen 60-Kilogramm-Säcke Rohkaffee produziert, im Jahr 2015 waren es schon 147 Millionen und 2021 dann 167 Millionen. Aber die Missernten! Aber die Dürre! Der viele Regen und die "zunehmenden Extremwetter" (NDR). Alles spricht für den Klimawandel.

Inflationsbereinigt ist Kaffee heute so teuer wie noch nie, seit Mohammed höchstpersönlich als erster lebender Mensch und erster Prophet und Religionsgründer die anregende Wirkung des Getränks entdeckte, nachdem ihm der Erzengel Gabriel eine Tasse angeboten hatte. Was das Tässchen kostete, ist nicht überliefert worden. 

Feindbild Wirklichkeit: Schubsen, Schlagen, Schweigen

Gewalt gegen Journalisten Tagesschau MDR pro palästinensich
Bebilderung einer strukturell weiterhin bestehenden Hauptgefahr. Drei Viertel der Übergriffe auf Journalisten kommen dann im Kleingedruckten vor.

Wer mit Zahlen lügen will, und wer will das nicht!, der hat einige grundsätzliche Regeln zu beachten, um sich nicht sofort unmöglich zu machen. Einerseits ist es möglich, auf Studien zu verweisen, ohne den Inhalt einzuordnen. Es gilt dann, Zahlen ohne jeden Bezug zu präsentieren und als "neuen Rekordwert" einsam und verloren in der Landschaft stehenzulassen.  

Eine Mahnung für jeden, der es nicht glaubt. Und eine Warnung für alle, die aus der dürren Umschreibung "weniger als" oder "mehr als" keinen Erkenntnisgewinn zu ziehen vermögen. Nachfragen sind Zweifel. Zweifel sind schädlich. Das gute Gefühl, auf ein besonders böses Detail des Bösen gestoßen zu sein, ist es allemal wert, auf Verständnis zu verzichten.

Dümmer nach dem Lesen


Ganze Studien werden gemacht, um Material für solche Warnhinweise zu liefern. Die vom ZDF betriebene Meisterwerkstatt für mediale Manipulation (MMM) verwandelt dergleichen Rohdaten meist mit leichter Hand in irritierende Grafiken. Andere Sender, große private Medienheuschrecken und Faktenchecker-Departments einzelner Ministerien zaubern daraus Nachrichten, die es vermögen, jeden, der sie konsumiert, unwissender nach Hause gehen zu lassen als er gekommen ist. 

Manches Problem kannte mancher zuvor nicht einmal. Danach ist er dümmer, denn er hat nun davon gehört. Und alles wie gewünscht falsch verstanden.

Diesen Effekt zu erzielen, ist die Aufgabe engagierter Journalisten und aktivistischer Journalistendarsteller. Kein Verschweigen unangenehmer Nachrichten. Vielmehr und viel besser: Ihre Darbietung in Form eines zirzensischen Spektakels, in dem sich alles in sein Gegenteil verwandelt und nichts mehr übrig bleibt von einer lästigen Wirklichkeit. 

Endstadium Erkenntnisverweigerung

Der Mitteldeutsche Rundfunk, ein Zeit seiner Existenz von bizarren Skandalen geschüttelter Großkonzern mit zeitweise global angelegten Gebührengeldern, hat die Aufgabe jetzt im Fall einer Langzeitstudie des unter anderem von der Europäischen Kommission und der sächsischen Landesregierung finanzierten Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) durchgespielt. 

Darin hatten die Medienfreiheitsforscher zum neunten Mal untersucht, welche Bedeutung Journalisten als Feindbild haben: Seit der Übernahme von der frühen SPD der 30er Jahre erfundenen Beschwörung einer "Lügenpresse" durch rechte und rechtsextreme Kreise, handelt es sich bei der Frage um keine deutlich wesentlichere als vor 2015. 

Allerdings ist die Förderung einer Studie, die regelmäßig neue Rekordwerte bei der Bedrohung der Pressefreiheit zutage fördert, deutlich aussichtsreicher zu beantragen als die für eine Untersuchung, wer Barkeeper, Mindestlohn-Baristas und Tankstellenmitarbeiter bedroht und beleidigt.

Das erwartete Ergebnis

Wie erwartet hat die neue Folge von "Feindbild Journalist:in", bis vor kurzem noch als "Feindbild Journalist" selbst nicht frei von verbaler Gewalt, das Erwartete ergeben. In Deutschland hat die Zahl der tätlichen Übergriffe auf Journalisten 2024 einen neuen Rekordwert erreicht. Es habe 98 "verifizierte tätliche Übergriffe" gegeben – von "Schubsen über Schlagen und Treten bis hin zum Angriff mit Fahnenstangen". 

Ein gefährlicher Job, dieses Reportieren, denn die extreme Rechte stelle "strukturell weiterhin die größte Bedrohung für die Pressefreiheit in Deutschland dar", zitiert der MDR die Autoren. In den MDR-Fernsehnachrichten wird der Bericht darüber mit den passenden Bildern unterlegt: Nazi-Gestalten und AfD-Anhänger marodieren durch ostdeutsche Städte, augenscheinlich auf der Suche nach einem Schreiberling, der sich durch Notizblock und Kamera zu erkennen gibt.

Alles schlimmer, nur nicht warum

Der Film lässt keinen Zweifel daran, wie sich Deutschland verändert haben muss. Alles ist so viel schlimmer geworden, dass es nicht einmal die in der Studie genannte unbekannte "Dunkelziffer" braucht, um die akute Gefahr zu verdeutlichen. 98 Fälle, das sind 29 mehr als im vergangenen Jahr. Zu erkennen sei daran deutlich, wie "die Erfolge der AfD die extremen Rechten außerhalb der Politik mobilisieren".

So komme es neben tätlichen Angriffen am Rand von extrem rechten Kundgebungen auch "zu Beleidigungen und Diffamierungen im Internet sowie Bedrohungen" - Erscheinungen also, die ausdrücklich keine "körperlichen Angriffe" sind, um die es ja in der Studie eigentlich ausschließlich geht. 

Um den Inhalt herumsenden

Weshalb sie trotzdem ausdrücklich angeführt werden und weshalb rechte Schläger nur als "strukturell weiterhin" größte Bedrohung vorkommen, zeigt sich erst beim Blick auf die Studie selbst, um deren eigentlichen Inhalt der MDR vorsichtig herumsendet. Danach stammten im vergangenen Jahr nur 20 Gewalttäter, die Journalisten angriffen, aus dem rechten Spektrum. Drei schlugen den Studienautoren zufolge aus linker Gesinnung zu. 75 aber werden in der Tortengrafik der Leipziger Wissenschaftler als "unbekannt" geführt. Obwohl im Kleingedruckten dann eingeräumt wird: 57 von - hier abgerundeten - 74 Fällen hätten sich bei "pro-palästinensischen Veranstaltungen" ereignet.

Das sind drei Viertel aller Vorkommnisse - 62 davon spielten sich in Berlin ab, zehn in Sachsen, sieben in Bayern. Wie viele wo wie motiviert waren, so weit steigt die Studie nicht in die Materie ein. Wer weiß, was dabei herausgekommen wäre. Journalistische Gewaltforschung ist keine exakte Wissenschaft, sondern ein Gefühl, das 20 "strukturell weiterhin" Bedrohungen ganz anders zu werten weiß als 74, 75 oder 79 "physische Angriffe" (ECPMF), die sich aus unbekannten Gründen bei "pro-palästinensischen Veranstaltungen" zugetragen haben.

Würde also jemand wirklich wissen wollen, wie der neue Rekord zustande kommen konnte, er würde selbst in dieser schütteren Studie den einen oder anderen Hinweis finden können. Wer aber vermeiden will, einen richtigen Eindruck zu vermitteln, der falsch ankommen könnte, verwurstet sie so. Und wundert sich weiter, warum er wohl als "Lügenpresse" beschimpft wird.

Dienstag, 15. April 2025

EU-Migrationsverbot: Eine Sorge weniger

Spielzeugsicherheit  EU-Spielzeugrichtlinie  Verschluckungsgefahr Spielzeug  CE-Kennzeichnung Spielzeug
Spielzeugschwerter von Spielzeugrittern müssen künftig fest mit der Figur verbunden bleiben, um die Verschluckungsgefahr zu minimieren.

Sie kommen harmlos daher, verkleidet als glitzerndes Einhorn, als sprechende Puppen, als Ritter von trauriger Gestalt oder als kleiner, tapferer Nato-Soldat. Sie sind bunt, vielfältig und lassen sich zum Teil sogar fernsteuern wie Tagesschau-Redakteure. Auch sie wurden in den zurückliegenden Jahren nicht von der Inflation verschont, die der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöst hat. Doch Spielzeuge gehören trotz ihrer oft stolzen Preise immer noch zu den beliebtesten Artikeln, die Eltern und Großeltern ihren Jüngsten kaufen.

Mehr Sicherheit für die EU

Ahnungslos und im blinden Vertrauen darauf, dass die Puppen, Baukästen, Teddys, Actionfiguren, Puzzlespiele und Bälle die Fantasie anregen, erste Fertigkeiten von Kindern und Enkeln schulen und den Kleinen ein treuer Begleiter auf dem Weg ins Erwachsenenleben sind. Gerade in der rapide alternden Gesellschaft ist Spielzeug ein Zeitvertreib für mehrere Generationen: Häufig tauchen Spielzeuge, die für Minderjährige angeschafft wurden, später auf den Tischen in den Gemeinschaftseinrichtungen von Pflege- und Altenheimen wieder auf. 

Zum zweiten Mal sind sie hier gefragt, um anregen und zu unterhalten, den Geist auf Trab zu bringen und die Finger zu beschäftigen. Vorausgesetzt wird dabei stets, dass Spielzeug zuallererst sicher ist: Keine kleinen Teile sollen sich unverhofft lösen und nichtsahnenden Spielern im Rachen steckenbleiben. Auch sorgen umfangreiche Rechtssetzungsakte von EU und Einzelstaaten seit Jahren dafür, dass Giftchemikalien, gefährliche Gene und Weichmacher, wie sie sich in Farben, Kosmetika, Klebstoffen und Kabeln finden, bei Spielzeugbagger, Spielzeugpanzer und Spielzeuggewehr nicht finden.

Mit Pigmenten vollgestopft

Trotzdem tauchen sie immer wieder auf, verseuchte Puppen und mit schwermetallhaltigen Stabilisatoren und Pigmenten vollgestopfte Importe aus Drittstaaten. Längst ist die EU alarmiert, seit Jahren schon verhandeln Unterhändler des Europaparlaments und der Mitgliedstaaten über schärfere Maßnahmen gegen problematische Spielzeuge. Nun endlich liegt eine große europäische Lösung vor, die die bisher geltende Norm EN 71-3 ergänzt und die sogenannte "Migration" von potenziell schädlichen Elementen wie Schwermetallen und organischen Verbindungen aus Spielzeug in den Körper von Kindern verbietet. 

Auch Spielzeuge mit scharfen Kanten, Spitzen, Zinken und freiliegenden Drähten fallen unter das neue Verbot. Verkauft werden darf nur noch Ware mit einer CE-Kennzeichnung, die sicherstellt, dass ein Spielzeug den EU-Richtlinien entspricht. Um die CE-Kennzeichnung zu erhalten, muss der Hersteller im Rahmen des umfassenden Bürokratieabbaus in der Union sicherstellen, dass das Spielzeug alle relevanten europäischen Sicherheitsnormen erfüllt. 

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, dass in Europa benutztes Spielzeug das sicherste der Welt sein soll. Damit reagiert die Gemeinschaft direkt auf Aussagen von großen Teilen der Bevölkerung in fast allen Mitgliedsstaaten, nach denen die Sicherheitslage eine der großen Sorgen der Menschen zurzeit ist.

Unbekannte Opferzahl

Bislang ist nicht bekannt, wie viele Opfer verseuchtes Spielzeug in der Gemeinschaft Jahr für Jahr fordert, doch die neuen EU-Vorschriften werden dafür sorgen, dass es weniger werden. Die  Spielzeugrichtlinie, auf die sich EU-Verhandler und Mitgliedsstaaten in mehr als zwei Jahren intensiver Verhandlungen vorläufig geeinigt haben, sieht strengere Vorgaben für Hersteller, mehr Transparenz bei Inhaltsstoffen und als ganz neuen Schwerpunkt die Einführung eines digitalen Produktpasses für jedes Spielzeug vor. Eltern und Großeltern können damit schon beim Kauf eines neuen Baggers, einer Puppe oder eines Fußballs über einen QR-Code den Sicherheitssteckbrief zum Produkt abrufen. 

Eine hochmoderne europäische Spielzeugsicherheitsdatenbank enthält künftig alle Informationen über verwendete Chemikalien, krebserregende oder fortpflanzungsschädigende Gene und spitze und scharfe Bestandteile. Zudem werden Warnhinweise geliefert.

Kontrolllücken im Kinderzimmer

Damit werden erstmals weltweit bestehende Kontrolllücken im Kinderzimmer geschlossen. Bereits heute sind Stoffe verboten, die schädlich sein könnten, mit den neuen Regeln fallen auch endokrine Disruptoren, die das Hormonsystem beeinflussen, und alle Chemikalien, die das Nerven-, Atem- oder Immunsystem schädigen können, unter ein Verwendungsverbot. 

Besonders problematische Stoffgruppen wie die als PFAS bekannten "Ewigkeitschemikalien", die sich im kindlichen Körper kaum abbauen und sich in Umwelt anreichern, müssen künftig draußen bleiben. Mit Bioziden behandelt werden dürfen nur noch Spielzeuge, die ausdrücklich für den Außenbereich gedacht sind. Die Unart vieler Hersteller, diese Substanzen, die gegen Schädlinge und Lästlinge wie Insekten, Mäuse oder Ratten, aber auch Algen, Pilze oder Bakterien verwendet werden, auch auf Kuscheltiere, Magnetbausteine und Metallbaukästen  aufzubringen, wird verboten.

Nur wenige Ausnahmen

Ausnahmen gelten nur für unzugängliche Spielzeugkomponenten mit elektronischen Funktionen, die sich aber sicher verplombt im Inneren der Spielgegenstände befinden müssen. Lose Teile wie bei Puzzles, kleinen Schwertern bei Actionfiguren und Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spielen müssen im Spielzustand fest verbunden mit dem Hauptspiel bleiben, um die Verschluckungsgefahr zu minimieren.  Allergieauslösende Duftstoffe werden verboten, wenn Spielzeug für Kinder unter drei Jahren bestimmt ist und in den Mund genommen werden kann. Eltern sind verpflichtet, eventuell vorhandene Duftkerzen oder Spielzeug älterer Geschwister, das nicht unter das Duftstoffverbot fällt, eigenständig mit entsprechenden Warnhinweise zu versehen.

Ziel des umfangreichen Maßnahmenpakets, das die Mitgliedsstaaten nach dem Ende der laufenden Verhandlungen um die detaillierte Ausgestaltung nur noch umsetzen müssen, ist ein besserer Schutz der Kindergesundheit in Zeiten großer Unsicherheit. Die Regeln werden weltweit gelten, also auch für Online-Shops, Internet-Marktplätze und Händlerportale, die aus dem Ausland versuchen, zweifelhafte Ware in die Gemeinschaft einzuführen. 

Sicherheitsfreigabe für Puppe und Ball

Alle Anbieter müssen sicherstellen, dass sie nur europarechtskonformes Spielzeug anbieten – dazu ist ein unbürokratisches Verfahren angedacht, das es erlaubt, den vorgeschriebenen amtlichen QR-Code mit der Sicherheitsfreigabe für Puppe, Ball und Gummikrake binnen weniger Monate von der geplanten neuen EU-Spielzeugbehörde zu erhalten. Nötig ist dazu nur die Einreichung einer Testcharge des Artikels.

Nachdem die Einigung zwischen Parlament und Mitgliedstaaten steht, kann das alles jetzt ganz schnell gehen. Die beiden wichtigsten Gremien für die Spielzeugsicherheit müssen die Einigung nur formell annehmen. Nach der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt tritt die Verordnung dann umgehend in Kraft. Händlern bleibt dann noch eine kurze Übergangsfrist von viereinhalb Jahren, um die neuen Anforderungen umzusetzen. Ab 2029 werden die Vorschriften dann verbindlich und die Hersteller können die zusätzlichen Belastungen auf der Kostenseite an ihre Kunden weitergeben.

Glück für die Kuh Elsa: Tolle Nebenwirkungen bei Corona-Spritze

Deutschland war von Anfang an gut vorbereitet. Durch die neu entdeckten Nebenwirkungen der Corona-Impfung würde das auch bei der nächsten weltweiten Pandemie gelten.

Das hätte auch komplett schiefgehen können! Aber Glück gehabt: Knapp drei Jahre nach der offiziellen Verkündung der Aufhebung der lebensrettenden Grundrechtsaufhebungen während der Pandemie können Forscher jubeln: Zwar zeigt die Corona-Impfung unerwartete, aber glücklicherweise durchgehend positive Nebenwirkungen. Geimpfte sind Untersuchungen zufolge auch viele Monate nach dem Erhalt des berühmten "Pieks" nachweislich fitter, immuner und besserer Stimmung als Impfverweigerer. Sie profitieren von einer Ankurbelung des körpereigenen Immunsystems, die noch über Jahre nach der Spritze anhält.

Das Glück der Tüchtigen

Ein unglaublicher Zufall, aber auch das Glück der Tüchtigen. Als die Pandemie grassierte und auch Menschen betraf, die nicht einmal bemerkten, dass sie sich mit dem neuartigen Lungenvirus infiziert hatten, musste alles ganz schnell gehen. Christian Bogdan von der Ständigen Impfkommission - dem unabhängigen Expertengremium, das je nach Wunsch der Bundesregierung Impfempfehlungen gab - schilderte, wie umsichtig die Corona-Impfstoffe seinerzeit trotz aller Eile geprüft wurde. Kein wichtiger Schritt sei übergangen worden, Zulassungsverfahren und  das Verfahren zur Empfehlung der Impfung hätten genau die gleichen Studien durchlaufen, die sonst üblich seien. 

Einzige Einschränkung: Wegen der Dringlichkeit, so Christian Bogdan, habe man sich "mehr beeilt" und deshalb "zeitnahe Sitzungsabstände" angesetzt. Durch diese kluge Strategie war die Impfung am Ende insgesamt so sicher wie immer.  Auch Nebenwirkungen waren nicht zu erwarten, jedenfalls keine, "die man nicht auch von anderen Impfungen kenne", schildert Christian Bogdan, warum sich die Impfkommission so sicher war, eine bedingte Zulassung befürworten zu können. 

Große Freude

Wie groß war die Freunde der Forscherinnen und Forscher jetzt, als Wissenschaftler der Universität Köln erstmals nachweisen konnten, dass es sich dabei zwar um einen Irrtum handelte. Die neuartigen mRNA-Impfstoffe von Herstellern wie Moderna oder Biontech aber keineswegs die von Querdenkern und Impfgegnern immer wieder beschworenen schrecklichen Auswirkungen auf den menschlichen Metabolismus haben. Sondern ganz im Gegenteil "einen langfristigen Einfluss auf unsere Gesundheit" haben, wie die Kölner Experten in einer Studie im Fachmagazin "Molecular Systems Biology" darlegen.

Späte, aber tolle Nebenwirkungen

Nach den Daten, die die Alexander Simonis und Jan Rybniker ermitteln konnten, hat sich zwar der Verdacht bestätigt, dass das menschliche Immunsystem durch den Impfstoff umprogrammiert wurde. Doch das geschah in einem durchweg positivsten Sinn. "Die SARS-CoV-2-mRNA-Impfung induziert das angeborene Immungedächtnis durch die Etablierung persistenter epigenetischer Markierungen H3K27ac in aus menschlichen Monozyten stammenden Makrophagen", umschreiben die Forscher den Effekt. 
 
Mit solchen Wirkungen hatten bisher nicht einmal die kühnsten Träumer gerechnet, die davon ausgegangen waren, dass sich ein Impfstoff nicht über Wochen im Körper anreichern kann, sondern wird schnell wieder abgebaut wird, so dass Langzeitfolgen nicht schwer aufzuspüren sind, weil sie erst spät eintreten, sondern weil sie extrem selten vorkommen.
 

Gekommen, um zu bleiben

 
Nun aber sind das schnelle Verschwinden der mRNA-Botenstoffe aus dem Körper, die vermutlich langanhaltende Immunisierung, Eigenschutz und Fremdschutz und das Ausbleiben von Impfschäden sind nicht die einzigen Langzeiterfolge von Comirnaty und Co. Dazu kommt jetzt auch noch die Erkenntnis, das mRNA-Impfungen schützen nicht nur gegen Covid-19 schützen, sondern auch gegen andere Infektionen, gegen die die Vakzine ursprünglich gar nicht entwickelt worden waren.
.
Natürlich: das hätte leicht auch ins Auge gehen können. Während der Pandemie waren Milliarden Menschen mit den neuartigen mRNA-Impfstoffe versorgt worden, die in Testes während einer "verkürzten Frist" (NDR) gezeigt hatten, dass "sich unter Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern fast ausschließlich diejenigen Menschen infiziert haben, denen eine Scheinimpfung ohne Wirkstoff (Placebo) gespritzt wurde". Geimpfte waren sicher. Geimpften konnte das Virus nichts mehr anhaben. Die Impfung brachte um den kleinen Preis der Freiheit Einzelner die Freiheit aller zurück.
 

Impfung erste Bürgerpflicht

 
Über Monate hinweg propagierten die damals amtierenden Bundesregierungen deshalb immer wieder die Teilnahme an großangelegten Impfkampagnen als erste Bürgerpflicht. Impfverweigerer wurden als unsolidarisch, Impfskeptiker als Feinde der Wissenschaft bekämpft. 
 
Erst Stunden vor der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht schreckte die Politik angesichts drohender Langzeitschäden beim Vertrauen vor der allerletzten Konsequenz zurück und statt eine allgemeine Impfpflicht erfolgreichen Druckmitteln wie den bereits erprobten Betretungs- und Tätigkeitsverboten durchzusetzen, wurde der Versuch einer kollektiven Grundimmunisierung über amtliche angewiesene Grundrechtsaussetzungen abgesagt. 
 

Weitsichtige warnten früh


Weitsichtige Politiker wie der damalige Grünen-Chef Robert Habeck warnten früh. "Die Freiheitsforderungen von Wenigen dürfen nicht zu Einschränkungen für Viele führen", sagte Habeck. Die Bevölkerung habe das Virus satt, er plädiere dafür: "Bringen wir diese Pandemie endlich hinter uns". Und wenn dazu jeder zwangsgeimpft werden müsste, dann musste auch dieser Preis eben gezahlt werden.
 

Dramatisches Absinken

 
Wie so oft aber hörte niemand, auf die, die berufen waren, das Richtige zu tun. Die Impfquoten im Land blieben immer deutlich hinter den Erfordernissen und den Erwartungen der Regierenden zurück. Durch die politisch festgelegten Ablauffristen des Schutzstatus durch  §22a des Infektionsschutzgesetzes sank die Zahl der Immunisierten schon zwei Jahre nach Einführung der Impfstoffe dramatisch ab.
 
So schade, muss man heute sagen. Denn zwar liegen die Schrecken der Corona-Pandemie bereits so weit zurück, dass Corona, die Maßnahmen und gesellschaftliche Spaltung in Leugner und Pandemiegläubige in der öffentlichen Debatte keine Rolle mehr spielen. Doch jetzt zeigt sich: Die Impfung hat doch unerwartete, aber zum großen Entzücken aller durchweg positive Nachwirkungen. 
 

Geimpfte sind noch immuner

 
Nach den Erkenntnissen aus Köln kann der geimpfte Körper deutlich besser und schneller auf Infektionen reagieren – auch solche, die nicht auf Corona-Viren basieren. Je öfter geimpft worden sei, desto nachweisbarer hätten die Covid-19-Impfstoffe auf mRNA-Basis das menschliche Immunsystem langfristig angekurbelt. Das von Natur aus angeborene Immungedächtnis ermöglicht verstärkte Reaktionen auf Antigene durch lang anhaltende epigenetische Veränderungen, die durch die erste Exposition ausgelöst werden. 
 
Der Corona-Impfstoff aber habe das Immunsystem zudem "grundsätzlich optimiert". Der unspezifische Schutz vor Krankheitserreger, den die angeborene Abwehr bietet, wirkt gegen alle Krankheitserreger gleich. Die durch die Corona-Impfung zufällig hinzugewonnene adaptive Abwehr, die jetzt entdeckt wurde, verändert sich regelmäßig und passt sich so an neue Krankheitserreger an. Ersten Berichten zufolge, die das Phänomen beleuchten, ist das "zum Beispiel sinnvoll, da sich Krankheits-Viren wie bei der Grippe ständig abwandeln und dementsprechend anders bekämpft werden müssen". 

Überraschende Nebenwirkung

Die große Arbeit, die Forscherinnen und Forscher während der Corona-Pandemie leisteten, als sie weltweit in atemberaubendem Tempo dafür sorgten, dass die Menschheit schnellstmöglich mit Impfstoffen versorgt und so bestmöglich geschützt werden konnte, erweisen sich damit als nachhaltig effektiv. Nach der Analyse der Blutproben von geimpften Probanden stellte sich heraus, dass einige veränderte Proteine in der DNA die Aktivität der Gene gesteigert hatte. Bei den Testpersonen konnten sogenannte epigenetische Markierungen des Erbgutes beobachtet werden - eine überraschende, aber wohltuende Nebenwirkung.

Weil weiße Blutkörperchen dadurch schneller in sogenannte Markophage umgewandelt werden, die dafür zuständig sind, verschiedene Krankheitserreger zu erkennen und zu bekämpfen, kann das Immunsystem schneller auf drohende Infektionen reagieren. Den Forschern zufolge kann das aufgepimpte Immunsystem den Körper damit jetzt bestmöglich schützen: Den Wissenschaftlern zufolge sind die neuartigen mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 nicht nur in der Lage, die Immunantwort des adaptiven Immunsystems zu verbessern, sondern auch die Abwehrzellen des angeborenen Immunsystems langfristig umzuprogrammieren.

Besser geht es nicht

Alexander Simonis, der Erstautor der Studie, nennt es "eine epigenetische Schulung des angeborenen Immunsystems", die eine verstärkte Immunantwort zu Folge habe. Auch sechs Monate nach der letzten Boosterung sei dieser Effekt noch nachweisbar. Das Immunsystem speichere die Änderung als Reaktion auf die Impfung ab und gebe sie auch an neue Zellen weiter. Diese bei der Entwicklung der Covid-Impfstoffe gar nicht beabsichtige Aktivierung des angeborenen Immunsystems bedeute, "dass die mRNA-Impfungen zumindest für eine gewisse Zeit auch vor anderen Viren und Bakterien schützen", erklärt Sebastian Theobald, ein weiterer Erstautoren der Studie. 

Ein wenig Essig aber gießen die Forscher doch in den Wein der tollen Nebenwirkung. Um sie zu erzielen, reiche eine einzige Impfung nicht aus. Erst eine Impfung plus mindestens ein Booster gelten als Minimum, um den Gesundheits-Effekt zu erzielen. Diese Verstärkung der Immunisierung hingegen  stabilisierte die epigenetische Modifikation dann nachhaltig. Diese Beobachtung unterstreiche die Notwendigkeit "mehrerer Impfungen für die langfristige Aufrechterhaltung der Immunantwort" durch die langfristige Umprogrammierung der Abwehrzellen des angeborenen Immunsystems, sagt Prof. Jan Rybniker, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.

Montag, 14. April 2025

Neuordnung der Meinungslandschaft: Strenge Regeln gegen Schwindel

Neuordnung der Meinungslandschaft: Strenge Regeln gegen Schwindel
Als "Meinung" getarnte gefälschte Tatsachenbehauptungen könnten künftig wie Betrug strafbar werden.

Zu viel Gegenwind für Höhenflüge. Zu viel Skepsis, Kritik und Gemaule. Bis in die staatsnahen Medien hat sich der Trend ausgebreitet, mit Gelöcke wider den Stachel populistisch auf den Applaus der Masse zu schielen, statt verantwortlich zu handeln und die Politik und deren notwendige Maßnahmen einfach noch besser zu erklären. Es war der von außen hineingetragene Streit um den richtigen Kurs auf einen strengeren, in Sachen Steuererhebung weniger freigiebigen und bei der Durchführung seines Grenzregime großzügigeren Staates, der die Ampelkoalition zu Fall brachte. Die Neuen in Berlin, beileibe nicht neu im Geschäft, haben daraus ihre Konsequenzen gezogen.

Die neue Morgenrockerlaubnis

Zentral im Koalitionsvertrag und während der Verhandlungen um das Fell des Bären auch kaum umstritten war eine umfassende Neuordnung der Meinungslandschaft. Angefangen von einer Bademantelpflicht, die in Zeile 1459 des Vertrages als "Morgenrockerlaubnis" auftaucht, beschäftigen sich mehrere Kapitel des Papiers mit der Einhegung von Grundrechten zum Ausbau des Schutzes der Meinungsfreiheit. 

Deren konstitutive Rolle und Bedeutung für die demokratischen Grundwerte betonen die drei künftigen Regierungsparteien ausdrücklich. "Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind in unserer Verfassung als elementare Menschenrechte anerkannt", heißt es da unumwunden. Für die künftige Regierungskoalition sei "die Vielfalt der Meinungen und Ideen, ebenso wie ein kontinuierlicher intellektueller Dialog, sowohl in unseren Reihen als auch mit Anhängern abweichender Vorstellungen, unbedingt erforderlich". 

Nur so lasse "sich nämlich das ganze Potenzial unseres Volkes freilegen und fruchtbar nutzen. Ohne die kollektive Intelligenz und das kollektive Handeln von Millionen unserer Bürger, ohne ihren Ideenreichtum ist kein sozialer Fortschritt möglich."

Angriff aus Amerika

Das ändere jedoch nichts am Erfordernis, die von so vielen Seiten angegriffene Freiheit der Rede künftig noch besser zu hüten. Auslöser der neuen Bemühungen um eine geordnete Gesinnungsgemeinschaft sind die Ausfälle des amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance bei der Sicherheitskonferenz.

 Der US-Politiker hatte sich in München angemaßt, den europäischen Verbündeten Vorwürfe dahingehend zu machen, dass der in Europa gepflegte kanalisierende Umgang mit free speech nicht dem entspreche, was amerikanische Soldaten vor 80 Jahren im Gepäck hatten, als sie nach Europa kamen. 

Mitten in der einstigen Hauptstadt der Bewegung stellte ein US-Amerikaner die Lernfähig der Deutschen infrage - ein Affront, der die Planungen der rot-schwarzen Koalition für die kommende Jahrzehnte nicht weniger prägt als der Rauswurf Volodymyr Selenskyjs aus dem Weißen Haus. Der hatte Friedrich Merz veranlasst, von seinem Null-Schulden-Versprechen abzurücken und stattdessen Kurs auf die höchste Neuverschuldung aller Zeiten zu nehmen. 

Anmaßende Erinnerung

Vance anmaßende Erinnerung, man müsse "mehr tun als über demokratische Werte zu reden", man müsse sie nämlich "leben", gilt einer Analyse der Bundeszentrale für politische Bildung zufolge "radikalisierte Freiheit" . Aufsichtslos gelassen, tendiere der europäische und insbesondere der deutsche Mensch dazu, Auffassungen zu vertreten, die nicht hilfreich seien, um ein Land oder einen halben Kontinent durch die Fährnisse einer gefährlichen Zeit zu lenken.

CDU, CSU und SPD haben Vorsorge getroffen. Mit der Formulierung im Koalitionsvertrag, dass "die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt" sei, legen sich die drei Parteien noch nicht auf konkrete Maßnahmen gegen einen Wildwuchs in der Meinungslandschaft fest. Sie lassen sich aber alle Optionen offen, um streng gegen Meinungskriminelle vorzugehen. 

Vorbild Heimtückegesetz

Denkbar wäre auf der Grundlage der gemeinsamen Vereinbarung etwa eine Rückkehr zum  Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei. Das hatte noch bis in den September 1945 klare Grenzen für Verbreitung falscher Tatsachen gezogen: "Wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des Reichs oder eines Landes oder das Ansehen der Reichsregierung oder einer Landesregierung oder der hinter diesen Regierungen stehenden Parteien oder Verbänden schwer zu schädigen", hieß es da, "wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und, wenn er die Behauptung öffentlich aufstellt oder verbreitet, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft." 

Boykotthetze und Staatsverleumdung 

Eine nützliche Regelung, die seinerzeit durch vorschnell den alliierten Kontrollrat aufgehoben worden war. In Art. 6 Abs. 2 der Verfassung der wenig später gegründeten DDR wurde stattdessen der Begriff der "Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen, Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundung von Glaubens-, Rassen-, Völkerhaß, militärischer Propaganda sowie Kriegshetze und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung richten", als Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches aufgenommen. 

Das erlaubte es dem fürsorgenden Staat, die Ausübung demokratischer Rechte jederzeit als "staatsfeindliche Hetze", "Staatsverleumdung" oder als Betätigung zu "Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit" zu betrafen.

schon Heiko Maas, der in seiner Zeit als Bundesjustizminister viele Pflöcke zum Abbau von Strafverfolgungshindernissen bei Meinungsverbrechen einschlug, hatte mit dem Meinungsfreiheitsdurchsetzungsgesetz (MFDG) versucht, Hetzer, Hasser und Zweifler mit schärferen Gesetzen zu bekämpfen und den Hass endgültig aus dem Netz zu verbannen. Täter*innen aber umgingen die Vorschriften zur Verfolgung von Verbalverbrechen, indem sie zu neuen Mitteln wie Witz, Hohn und Humor griffen.

Deckmantel der Satire

Die kommenden Koalitionäre haben noch keine Details dazu bekanntgegeben, wie sie gegen die Verbreitung von Staatskritik unter dem vor allem bei Rechtsextremen beliebten Deckmantel der Satire vorgehen wollen.

 Sicher aber ist, dass die Untersagung von "unwahren Tatsachenbehauptungen" ein zentraler Hebel sein soll: Wer etwa künftig behauptet, dies und das dürfe man nicht mehr sagen, wer Witze über Minderheiten macht, die gesellschaftliche Spaltung vertieft oder Ausländerhass schürt, kann sich nicht mher hinter seinen vermeintlichen verfassungsmäßigen Rechten verstecken.

In Fällen wie der gerade erst von der "Berliner Zeitung" verbreiteten Nachricht, der US-Konzern Apple haben wegen Donald Trumps Zollpolitik "600 Millionen Tonnen iPhones" in die USA einfliegen lassen, wird sanktioniert. 

Wenn der Verbreiter seine Meinung nicht mit Fakten belegen kann, würde die noch zu gründende staatsferne Medienaufsicht unmittelnbar eingreifen. Der Missbrauch der Meinungsfreiheit wäre durch einen tiefen, aber chirurgisch exakt gesetzten Löschauftrag für die gegen die Wahrheitspflicht verstoßenen Inhalte sofort zu stoppen.

Verwirrende Wirklichkeit

Wie aber sieht es mit Einschränkungsmöglichkeiten der Meinungsaufseher aus, wenn unterschiedliche Interpretationen der Wirklichkeit für Verwirrung sorgen? In den Durchführungsgesetzen zur Neuordnung der Meinungslandschaft, fordern Experten, müssten diesmal klare gesetzliche Vorgaben zur erkennungsdienstlichen  Behandlung von Informationsmanipulation, Hass und Hetze gemacht werden.

 So sei abschließend festzulegen, wie eine "bewusst falsche Tatsachenbehauptung" rechtssicher identifiziert werden könne, um sie von einer irrtümlich ohne Täuschungsabsicht verbreiteten sogenannten beweglichen Wahrheit zu unterscheiden.

Listen über zulässige Begriffe und erlaubte Ansichten gelten als Grundlage für einen sicheren Schutz der Meinungsfreiheit und ein strengeres Vorgehen gegen Desinformationen, die den gesellschaftlichen Frieden zerstören. Fake News manipulieren den öffentlichen Diskurs, Mythen, Märchen und frei erfundene Verschwörungstheorien können gesellschaftliche Radikalisierung befeuern und Gewalt auslösen.

 Die freie Rede einzuschränken, um dieses Risiko zu minimieren, ist ein kleiner Preis, den jede Gesellschaft gern zahlen wird, wenn sie sich weder vor noch nach der Wahl vor die Wahl gestellt sieht, weil die Parteigremien über die strenge Abgrenzung zwischen Meinung und falscher Behauptung hinter verschlossenen Türen entschieden haben.

Verfolgung von Verbalstraftaten

Aus den Erfordernissen der Strafverfolgung von Verbalstaten leitet der Gesetzgeber neue Notwendigkeiten auch bei der technischen Überwachung der Bürgerinnen und Bürger ab. Neben der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung nicht nur von Telefonnummern, sondern erstmals auch von IP-Adressen sollen automatisierte Kennzeichenlesesysteme zur Strafverfolgung genutzt werden. 

Der Ausbau der Videoüberwachung und das Niederreißen der Brandmauer zwischen Geheimdiensten und Strafverfolgungsbehören gelten als Grundlagen für die Gewährleistung eines sicheren Meinungsumfeldes. Im Koalitionsvertrag hat die Erweiterung des geheimdienstlichen Datenaustauschs bei weniger intensiver Kontrolle deshalb Prioriät. 

Verpflichtende Überwachungsbereitschaft

Kombiniert mit der verpflichtenden digitalen Identität für jeden Bürger, die ergänzt wird durch ein verpflichtendes "Bürgerkonto", ergibt sich für Behörden erstmals die Möglichkeit, einen wirklich komplett gläsernen Bürger zu verwalten. Daten können nicht nur erfasst, sondern auch effizient gespeichert und ausgewertet werden.

Das mit dem Volkszählungsurteil im Dezember 1983 geschaffene "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" darf hinter dem Bedürfnis des Staatsapparates zur Schaffung von Gefährder-Datenbanken und einer vorbeugenden Überwachung von möglicherweise psychisch auffälligen Personen zurücktreten. 

Die zuletzt vor allem von den Rändern her übernutzte Meinungsfreiheit wird als Gefahr für die Grundrechte eingehegt und neu interpretiert: Die Wippe, auf der Staatsicherheit und Freiheit sich schon immer auf den beiden gegenüberliegenden Sitzen breit gemacht hatten, neigt sich deutlich - ein klares Zeichen an alle, die immer noch versucht sind, ihr Glück in Staatskritik zu suchen.

 

Alle auf Amerika: Werwolf mit Einkaufswagen

Antiamerikanismus ist Antifaschismus.
Immer mehr Deutsche wollen US-Waren byokottieren, bis Donald Trump seinen Zollkrieg aufgibt.


Aus, vorbei, für immer. Diesmal haben es sich die Vereinigten Staaten wohl endgültig mit ihrem europäischen Mündel verscherzt. Donald Trumps "Angriffe auf den Welthandel" (Lars Klingbeil), die den früheren Grünenchef Joschka Fischer um die Weltordnung fürchten lässt, die er selbst als junger Straßenkämpfer hatte zerstören wollen, zwingen Deutschland zu einem Zweifrontenkrieg. 

Militärisch muss die Ukraine nun mit noch mehr Engagement unterstützt werden. Zugleich gilt es aber, eine Brandmauer samt Burggraben zum aggressiven Autoritarismus der Washingtoner Administration auf der anderen Seite des Atlantik zu errichten.  

Neue Kennzeichnungswelle

Seit dänische Supermärkte Trumps Abwerbeangebote an Grönland mit einer Markierung echter europäischer Waren im Stil der großen Kennzeichnungswelle für jüdische Waren beantwortet haben, um Verbraucher von der Teilnahme an der großen "Buy European"-Kampagne im Rahmen der EU-Initiative "Europe First" zu begeistern, boykottieren auch immer mehr Deutsche gezielt US-Produkte. Die verzichten auf Urlaubsreisen in die Vereinigten Staaten, greifen zum Döner statt zum Big Mac, kaufen Volla- und Nothing-Smartphones, suche mit "Quant" statt mit Google und trinken Mecca-Cola aus Frankreich statt Pepsi und Coke. Verzicht wird zur Waffe. Der Supermarktkunde zum Werwolf mit Einkaufswagen.

Antiamerikanismus ist Antifaschismus.
Antiamerikanismus ist Antifaschismus.

Boykottaufrufe von Verbrauchern und Unternehmen gegen amerikanische Produkte sind 92 Jahre nach der letzten großen deutschen Boykottwelle Volkes Wille. Die Ablehnung von "Made in USA" gilt als Ausdruck des europäischen Wehrwillens.  

Um vom Kauf abzuschrecken, stellen Freiwillige US-Produkte im Supermarkt auf den Kopf. US-Marken werden links liegengelassen, amerikanische Internetseiten gemieden und aus Solidarität wird bei kaufland.de statt bei Amazon gekauft. Gemeinsinnsender wie der Bayrische Rundfunk erstellen derweil Listen mit europäischen Internetalternativen für Suchanfragen, E-Maildienste und Messenger. 

Die Macht der Masse

Amerika soll die Macht der europäischen Verbraucher zu spüren bekommen, bis Donald Trump klein beigibt. Wenn niemand mehr US-Produkte benutzt, keine iPhones mehr, keine Android-Software, keine Microsoft-Programme und keine sozialen Netzwerke außer Tiktok, weil 440 Millionen Nutzer im größten Binnenmarkt der Welt nur noch bei den eigenen Herstellern kaufe und nur alternative Dienste aus der EU benutzen, würden US-Konzerne Druck auf Trump machen und ihn veranlassen, seine im Moment nur aufgeschobenen Zollerhöhungen dauerhaft zurückzunehmen.

Der Protest begründet ein neues Zeitalter des Antiamerikanismus. Galt die Ablehnung der USA bisher zumindest im Westen Deutschland immer als regressiver Rückfall in die Zeit vor 90er Jahren, als Adolf Hitler das Land auch für seine Innovationen bewunderte, es aber zugleich als "Zentrale des Weltjudentums" hasste, wird verächtliche Ablehnung der ältesten Demokratie der Welt jetzt als schickes weltanschauliches Modeaccessoire

Alle gegen Amerika

Den Vereinigten Staaten nachzusagen, dass sie dabei seien, sich in eine faschistische Diktatur zu verwandeln, gehört in den Leitmedien zum guten Ton. Donald Trump als Menschheitsbedrohung in einem Atemzug mit Wladimir Putin zu nennen, ist Ehrensache. Die EU scheint sogar bereit, sich lieber mit der kommunistischen Diktatur in China ins Benehmen zu setzen, als das Angebot von US-Vizepräsidenten J.D. Vance anzunehmen, sich auf die ehemals geteilten grundlegenden Werte zu besinnen.

Die mediale Front gegen die jahrzehntelang genossene amerikanische Vormundschaft sprießt aus Wurzeln, die tief in deutscher Erde gründen. Zwar haben Deutsche die USA und die Blüten ihrer Kultur in den Jahren seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht nur angenommen, sondern verinnerlicht. 

Von Hollywood über Graceland bis zu Netflix, Rolling Stones und Levis-Jeans führt eine Linie ins deutsche Herz, das seiner romantischen Liebe für die früheren Indianer zwar nur noch als Verehrung für Natives und Indigene frönen darf. Zugleich aber eine junge Generation großzieht, die ihre enorme Welt- und Zukunftsangst am liebsten in einem denglischen Pidgin-Dialekt ausdrückt.

Verachtung für die Freiheitsschutzmacht

Die Verachtung, mit der viele Deutsche schon immer auf amerikanische Politik, amerikanische Kultur, die amerikanische Wild-West-Wirtschaft und die nach europäischen Maßstäben unzureichend normierte Gesellschaft schauten, muss sich erstmals seit den Tagen des Vietnam-Krieges nicht mehr verstecken. 

"Ami go home", ehemals eine Parole linker Extremisten, und der rechtsextreme Vorwurf des "Kulturimperialismus" legen in eins nun die Hände: Die Linke versucht, sich auf ihre einstige Radikalität zu besinnen. Die Rechte sieht sich bestätigt in ihrer Kritik, das Ziel aller amerikanischen Politik sei "die Vernichtung der kulturellen Eigenständigkeit eines Volkes" und seiner "völkischen Identität".

Ende einer Ära

Nach acht Jahrzehnten unter dem Schutz Amerikas wird man doch wieder sagen dürfen, dass man das Mutterland des mordenden Westens nicht mehr für eine Freiheitsmacht hält, sondern für dekadent, kulturlos, materialistisch oder aggressiv-imperialistisch. 

Trump ist nur das Symptom, seine Wähler sind die, die Europa verraten haben. Mit ihrer Entscheidung gegen Europas erklärte Favoritin Kamala Harris haben sie das Tischtuch zerschnitten, das Europa und Amerika so lange verband. Mit diesem Fehler müssen sie nun leben. 

Europa sieht in den Vereinigten Staaten das "Land der Bösen und Blöden" (Cicero). Endlich  darf jeder das "politisch heikle Gefühl" (Die Zeit) nach Herzenslust ausleben, ohne fürchten zu müssen, für seine Auffassung als Anhänger der Idee einer Überlegenheit der europäischen Vorstellung von unsere Demokratie und in Brüssel zentralisierter multistaatlicher Verwaltung verlacht zu werden. 

Fantasie der Eliten

Die Fantasie der europäischen Eliten, sie wüssten besser, was gut und richtig für Gesellschaft, Wirtschaft, Klima und Weltfrieden sei und der amerikanische Weltpolizist solle sich weiterhin darauf beschränken, die auf dem alten Kontinent produzierten Waren aufzukaufen und sich dafür mit militärischem Schutz zu revanchieren, ist zur Grundlage der kritischen Haltung gegenüber der Führungsmacht geworden. 

Es soll nicht einmal mehr verhandelt werden. Es gelte, "unabhängig von den USA" zu werden, heißt es in der linken Wochenschrift "Freitag", bei der EU-Kommission, bei der FDP, aber auch bei CDU, SPD, Linkspartei und in den Leitmedien von FAZ bis "Spiegel".

Der neue Antiamerikanismus, er trägt die modische Maske des Antifaschismus. Dieses Kostüm ist nach neun Jahren der beständigen Beschwörung von Donald Trump als neuem Hitler, Amerika als neuem Zugang im Lager der Autokratien und Reich des Bösen und der Erklärung von 77 Millionen US-Bürgerinnen und Bürgern zu "Faschisten" prächtiger denn je. 

Scheiten die Leitmedien in Erinnerung an ihre Gründung auf dem Acker Amerikas lange davor zurück, sich zum Teil einer Bewegung machen zu lassen, die den Bruch mit dem Verbündeten vorantreibt, sind es jetzt nur noch wenige Stimmen, die an der Feier der Abnabelung nicht mitprosten. 

Der Rest im Rausch

Der Rest ist im Rausch, auf der Suche nach einem neuen Selbstbewusstsein, das sich selbst als neue Weltmacht sehen will und die in Washington herrschenden Befürworter von Meinungsfreiheit, schlankem Staat und freier Wirtschaft erklärtermaßen ablehnt. 

Der USA wird - damit kennt sich Deutschland aus - ein "Blitzkrieg" vorgeworfen, "überfallartig" und mit "größenwahnsinnigen Ziele". Man selbst ist "besonnen" (Weser-Kurier) und bleibt "gelassen"

Pat und Patachon haben die Rollen sind vertauscht: der große Bruder jenseits des Atlantik ist nur noch ein kleines Licht. Europa Großmacht, zumindest in Gedanken. Den früheren Verbündeten schmerzhaft zu erwischen, etwa so, wie es der Links- und spätere Rechtsextremist Horst Mahler nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 mit seinem Satz "endlich sind sie mal im Herzen getroffen" verzückt gelobt hatte, ist das Ziel. 

Amerika soll fallen. Der Versuch, die Führungsmacht des Westens neu zu gründen, soll scheitern.

Geschwächter Westen

Er muss es, damit die Demokratien im alten Europa nicht Gefahr laufen, selbst unter Reformdruck zu geraten. Wie der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD zeigt, langt die Kraft der Parteien der Mitte in Deutschland allenfalls noch zu einem durchparagrafierten Weiterso. In vielen Teilen der EU sieht es sogar noch schlimmer aus - Partnerstaaten sind schon abgefallen, bei anderen bestehen ernst Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit oder es wird schon überlegt, wie sie zum Besten der Gemeinschaft ausgeschaltet werden können. 

Der neue Antiamerikanismus funktioniert in diesem zusammenhang nicht nur wie der alte als Schreckgespenst, bevölkert von überdicken, dumpfen, schießwütigen und Anti-Demokraten, die die in ihrer Verfassung niedergelegten Prinzipien von Demokratie und Menschenrechten fortwährend ignorieren. Sondern auch als gemeinsames Feindbeild, das nach innen verbindend wirkt. Den Mangel an eigenen Erfolgen auf irgendeinem Gebiet ersetzt eine demonstrative Amerikaskepsis. 

Leider nützlich

Seit die Vereinigten Staaten 1776  unabhängig wurden und als erstes und einziges Land der Welt die Verwirklichung der Ideale von Aufklärung, Demokratie und Liberalismus zum Staatsziel erklärten, halten Demokraten in Frankreich, Deutschland und Italien die USA für anmaßend und arrogant. Leider wurden sie immer gebracht, zum Schutz vor der Sowjetunion und dem Warschauer Park, als Weltpolizist, der in Krisengebieten für Ruhe sorgt, und nicht zuletzt auch als Lieferant von Technologie und Innovation.

Jetzt ist die Gelegenheit günstig, sich abzunabeln von einem Land, das bei allen Problemen und Mängeln zeigt, dass eine liberale, multikulturelle, multiethnische und pluralistische Gesellschaft funktionieren kann, ohne dass eine Überlast aus Vorgaben, Bürokratie und Reglementierungen jede Initiative erstickt. Einst galten die USA ihren Feinden als staatgewordenes Werkzeug des Judentums, später waren sie die von Blackrock und Goldman Sachs gelenkten Profiteure der Globalisierung und Kriegstreiber, unterwegs zur Weltherrschaft. 

Die aktuelle Erscheinungsform des Antiamerikanismus sieht sie nur zur Abwechslung als Globalisierungszerstörer und friedensbesoffene Kapitulanten.

Sonntag, 13. April 2025

Reden für die Ewigkeit: Vom auch angewiesen sein

Um aus einer wegweisenden Rede des Bundespräsidenten zu zitieren, darf sich jeder ausdenken, was er gehört haben will.
Er hat ihn nie gesagt, diesen rätselhaften, ungeschlachten Satz, den ihm die großen Gazetten in den Mund legen, als sei dieser erste Mann im Staat nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu formulieren. Als Bundespräsident Walter Steinmeier nach Köln eilte, um eingebürgerte Menschen aus anderen Ländern als Bereicherung für Deutschland zu würdigen und Einbürgerungsurkunden an zwölf neue deutsche Staatsbürger zu überreichen, verwies er darauf, dass Deutschland "auch in Zukunft auf Zuzug und Einwanderung angewiesen sein" werde.  

Die Frage des Auch

Dass daraus ein Zitat wurde, nach dem er gesagt habe, "Deutschland wird auf Zuzug und Einwanderung auch angewiesen sein", verdankt sich allein der kreativen Fantasie der Nachrichtenagentur DPA, der ersten Adresse für Allgemeingültigkeit im Medienland Deutschland. 

Der wirkliche Wortlaut einer Rede mag vorliegen. Doch Sinnverschiebungen in Richtung Leerparole sind immer machbar. Erst in Kürze sollen umfassende Regelungen greifen, nach denen die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen als durch die Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt gelten. Bis dahin aber ist es hier nur ein "auch", das die Satzstellung wechselt und nun im Gesamtzusammenhang dort steht, wo es keinen Sinn ergibt. 

Verquere Formulierung

Deutschland wird "auf Zuzug und Einwanderung auch angewiesen" sein? Wer außer Deutschland noch? Und worauf wird Deutschland noch angewiesen sein? Das "auch" wirft viele Fragen auf. Doch Steinmeier, als erster höchstrichterlich bestätigter Verfassungsbrecher ins höchste Amt im Staate gerutscht, hat sich nicht über die Formulierung beschwert, die ihm in den Mund gelegt wurde. Steinmeier weiß, es kommt auf Details nicht an, wenn die Grundbotschaft stimmt. 

Von Präsidentenreden ist seit Menschengedenken bekannt, dass nie etwas übrig bleibt als ein einziger Satz oder ein einzelnes Wort. Bei Roman Herzog, dem letzten knorrigen alten Konservativen im Schloss Bellevue, war es der "Ruck", der durch Deutschland gehen sollte, um den Abschied von liebgewordenen Besitzständen einzuleiten. Bei Walter Steinmeier wird es womöglich das ermutigende "auch" sein.

Dem aktuellen Präsidenten, der in zwei Jahren in den Ruhestand gehen wird, wäre es wohl recht. Der Mann, der als "Referent für Medienrecht und Medienpolitik" begann, als Minenhund eines heute verfemten Kanzlers aufstieg und als Kanzlerkandidat der SPD scheiterte, gilt nicht als Prozesshansel, der wie andere Sozialdemokraten auch mal Anzeigen gegen Bürgerinnen und Bürger erstattet. 

Nichts ist ihm fremd

Vielmehr bleibt der 69-Jährige gelassen. Er mahnt und fordert unverdrossen und mittlerweile hat er sich so den Ruf eines Politikers erarbeitet, der alleweil Reden hält, wie sie kein anderer so überzeugend präsentieren könnte. Eine typische Steinmeier-Ansprache deckt alle Bedeutsamkeiten ab, sie geht tief und flach, rüttelt auf und ruft in Erinnerung. 

Keine gesellschaftliche Spaltung ist dem Präsidenten auch fremd, kein Milieu hat ihm nicht auch Anlass, etwas zu sagen. Reden, die grundsätzlicher Natur sind, hat Steinmeier schon oft gehalten. Nicht immer ist er verstanden worden. Aber er würde es werden, hielte er endlich einmal diese: 


Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

heute wende ich mich wiedereinmal an Sie alle, um über etwas zu sprechen, das uns alle verbindet: unsere Demokratie. Sie ist nicht nur unser System, nicht nur unnsere Ordnung – sie ist tatsächlich genau das Fundament unseres Zusammenlebens, die Grundlage für unseren Wohlstand, der Ruhe im Land, unseres Gemeinwohles und unserer Zuversicht in eine gemeinsame Zukunft in einer Friedensordnung, die sich in diesen Tagen auch bereit zu unserer Selbstverteidigung macht. 

Genau deshalb ist es auch unsere gemeinsame Verantwortung, sie zu schützen, zu stärken und mit Leben zu füllen. Diese Verantwortung liegt bei uns allen – bei Ihnen, bei mir, bei jeder und jedem Einzelnen, der Teil dieser Gesellschaft ist, es sein will und sein darf.

Demokratie lebt von uns allen

Wenn wir über unsere Demokratie sprechen, dann sprechen wir auch über ein Versprechen, das uns die Amerikaner vor 80 Jahren gegeben haben. Ein Versprechen, das uns Freiheit und Gerechtigkeit garantiert, das uns einbindet und uns gehört. Aber dieses Versprechen ist kein Selbstläufer. Es ist tatsächlich so: Unsere Demokratie lebt von unserer Bereitschaft, uns einzubringen, von unserer Fähigkeit, auch Verantwortung zu übernehmen, und von unserem Willen, die Beschlüsse, die wir gemeinsam fassen, zum Wohle aller durchzusetzen. 

Absolut zentral ist dabei unser Zusammenhalt – ein Zusammenhalt, der nicht nur in guten Zeiten Bestand haben muss, sondern besonders in herausfordernden Momenten. Bis dass der Tod uns scheidet, sagt died Bibel und gerade in Zeiten, in denen wir mit Unsicherheiten konfrontiert sind – sei es durch globale Krisen, wirtschaftliche Herausforderungen oder unsere inneren gesellschaftliche Spannungen durch Kräfte, die nicht unsere sind –, wird auch deutlich, wie wichtig es ist, dass wir zusammenstehen.

Einheit bedeutet nicht Gleichmacherei. Sie bedeutet, dass wir unsere Vielfalt als Stärke begreifen und uns dennoch auf das einigen, was uns auch verbindet: Unser Wunsch nach einem guten Leben für alle, nach Sicherheit, nach Wohlstand und nach einem Gemeinwohl, das niemanden zurücklässt.

Die Rolle der Gemeinschaft 

Unsere Demokratie ist ein Gemeinschaftswerk. Jede Stimme zählt, jedes Engagement trägt auch dazu bei, jede Idee kann auch einen Unterschied machen. Dass wir dabei strikt trennen zwischen dem, was uns allen nützt, und dem, was wir alle ablehnen sollten, genau das macht unsere Gesellschaft so besonders. Dass wir nicht nur Rechte haben, sondern auch Pflichten – die Pflicht, aufeinander zu achten, die Pflicht, uns gegenseitig zu respektieren, und die Pflicht, unsere Demokratie nicht als gegeben hinzunehmen. Genauso sieht es aus: Dass wir nicht nur Linke haben, mit denen eine Zusammenarbeit vorstellbar, und wünschenswert ist, sondern auch Rechte, mit denen wir das nicht tun dürfen werden.

Die führende Rolle der Bedeutung bei der Durchführung der Beschlüsse ist tatsächlich eine Errungenschaft. Dass wir in einem Land leben, in dem wir frei unsere Meinung äußern können, in dem wir wählen dürfen, in dem wir streiten und uns versöhnen können, ist auch kein Zufall. Aber ein fragiler Zustand, wenn wir ihn nicht pflegen. 

Ich möchte Sie daher ermutigen: Bringen Sie sich ein! Gehen Sie wählen, beteiligen Sie sich an Diskussionen, engagieren Sie sich in Ihrer Nachbarschaft, in Vereinen, in Initiativen. Sagen Sie, was Sie denken, wenn es unserer Gemeinschaft dient. Jede kleine Tat zählt, denn sie stärkt das Gesamtgefüge unserer Gemeinschaft. Absolut entscheidend ist, dass wir nicht nur fordern, sondern auch geben – dass wir nicht nur kritisieren, sondern auch gestalten. 

Zuversicht statt Resignation 

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ich weiß, dass es auch in unserem Land Momente gibt, in denen die Herausforderungen groß erscheinen. Manchmal scheint es, als würden die Probleme uns überrollen – sei es der Klimawandel, soziale Ungleichheit oder die Spaltung in unserer Gesellschaft. Doch ich sage Ihnen: fallen Sie nicht vom Glauben ab. Resignation ist keine Option. Unsere Zuversicht ist der Motor, der uns voranbringt. Zuversicht bedeutet nicht, die Augen vor Schwierigkeiten zu verschließen. Sie bedeutet, die Kraft zu haben, Lösungen zu suchen, und den Mut, sie umzusetzen. Dazu gehört die Geduld, manchmal lange, lange warten zu können.

Genau hier liegt die Bedeutung unserer gemeinsamen Anstrengungen. Wenn wir als Gemeinschaft handeln, wenn wir die Beschlüsse, die wir fassen, mit Entschlossenheit durchsetzen, dann können wir Großes erreichen. Denken Sie an die Errungenschaften der Vergangenheit: den Wiederaufbau nach Kriegen, die Wiedervereinigung unseres Landes, den Ausbau unseres Sozialstaates. Mindestlohn und Kindergeld. Atomausstieg und die neuen 5G-Netze. Unsere Landwirtschaft, um die uns viele beneiden.
All das war auch nur möglich, weil Menschen zusammengearbeitet haben – mit Zuversicht, mit Engagement, mit einem Blick für das Gemeinwohl. 

Herausforderungen gemeinsam meistern

Reden wir nicht drumherum. Lassen Sie mich einige der Herausforderungen ansprechen, vor denen wir heute stehen. Unser Klimawandel ist eine der größten Bedrohungen unserer Zeit. Er fordert uns auf, umzudenken, neue Wege zu gehen und Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für uns, sondern für die kommenden Generationen. Genau deshalb müssen wir jetzt handeln, mit klugen Beschlüssen, die nachhaltigen Wohlstand sichern und unser Gemeinwohl fördern. 

Auch die soziale Gerechtigkeit bleibt dauerhaft ein zentrales Anliegen aller. Wohlstand darf nicht nur wenigen vorbehalten sein. Eine starke Gemeinschaft sorgt dafür, dass alle die gleichen Chancen haben – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sozialem Hintergrund oder Geldbeutel. Absolut unverzichtbar ist dabei ein Bildungssystem, das jedem Kind die Möglichkeit gibt, sein Potenzial zu entfalten. Bildung ist der Schlüssel zu Einheit, zu Wohlstand und zu einer lebendigen Demokratie. 

Und schließlich: unsere digitale Zukunft. Die Digitalisierung bietet seit Jahren enorme Chancen, aber sie birgt auch Risiken – etwa für den Zusammenhalt, wenn Falschinformationen oder Hassrede die Debatte vergiften. Hier sind wir alle gefragt, verantwortungsvoll mit den Möglichkeiten umzugehen, die uns die Technologie bietet. Lassen Sie uns die digitale Welt so gestalten, dass sie auch unsere Demokratie stärkt, anstatt sie auch zu schwächen. 

Ein Appell an uns alle 

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Verantwortung für unsere Demokratie liegt in unseren Händen. Sie ist keine Aufgabe, die wir an andere delegieren können. Sie ist eine Aufgabe, die uns verbindet, die uns herausfordert und die uns die Chance gibt, etwas zu bewirken. 

Genau das ist der Kern unserer Gemeinschaft, bei aller Gespaltenheit, die wir gemeinsam so oft und engagiert beklagen müssen. Dass wir gemeinsam gestalten, dass wir auch gemeinsam entscheiden, dass wir gemeinsam zum Wohle aller handeln und jeden mitnehmen, während wir auch keinen zurücklassen. Ich appelliere an Sie: Lassen Sie uns diese Verantwortung mit Zuversicht annehmen. 

Lassen Sie uns unsere Demokratie mit Leben füllen – durch Engagement, durch Respekt, durch Zusammenhalt. Absolut klar ist: Wenn wir zusammenstehen, wenn wir die Beschlüsse, die wir fassen, mit Entschlossenheit umsetzen, dann können wir nicht nur die Herausforderungen von heute meistern, sondern auch eine Zukunft gestalten, die uns allen gehört. 

Unsere Demokratie ist kein Geschenk, sondern eine Aufgabe. Lassen Sie uns diese Aufgabe gemeinsam angehen, für unser Gemeinwohl, für unseren Wohlstand, für unsere Einheit. Ich danke Ihnen – und ich zähle auf Sie. Vielen Dank.

EU-Digitalsteuer: Zollbombe für den Cyberspace

Als digitale Weltmacht verfügt die EU über Internetgiganten wie Zalando, Delivery Hero und Spotify.

Warum denn auch nicht? Dass höhere Zölle auf Motorräder, Sojabohnen und Jeans Donald Trump nicht abhalten werden, mit seinen Zollattacken auf Europa fortzufahren, wissen sie in Brüssel schon lange. Die langen Vergeltungslisten, die EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen ihren Apparat hat anlegen lassen, waren vor allem für das Schaufenster gedacht.

Sie sollten der Öffentlichkeit in Europa zeigen, dass die Frau an der Spitze der Gemeinschaft Manns genug ist, sich mit dem Mann in Washington zu messen, der es bisher nicht einmal für nötig gehalten hat, die Vorsitzende der größten Staatengemeinschaft der Weltgeschichte zu einem Antrittsbesuch zu empfangen. 

Friedenskontinent im Handelskrieg

Für 440 Millionen EU-Bürger, für eine Bürgerin aber insbesondere, gleicht das ohne einem Affront, wie ihn der einzige jemals mit dem Friedensnobelpreis geehrte Kontinent, auf dem seit nunmehr drei Jahren wieder dauerhaft Krieg herrscht, nicht mehr erlebt hat. Zumindest nicht, seit Chinas Großer Vorsitzender Xi von der Leyen von seinem Haushofmeister empfangen ließ und Recep Erdogan die aktuell mächtigste Frau der Welt am Katzentisch platzierte. 

Allein diese Demütigung schrie bereits nach Rache. Ursula von der Leyen aber gilt als besonnene Strippenzieherin, die Vergeltung gern kalt genießt. Stoisch ließ sie die Zurücksetzung an sich abperlen. Sie war es, die Washington, Ankara und Peking anschließend die kalte Schulter zeigte und ganz darauf verzichtete, weiterhin um Besuchstermine zu betteln.

Der größte Binnenmarkt

Europa, zumindest eigenen Berechnungen nach der größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Welt, der zwar kleiner ist als der der USA allein, doch die hat eben keinen "gemeinsamen Binnenmarkt", unterwarf sich zwar demonstrativ den maskulinistischen Forderungen der US-Administration. Zugleich verzichtete sie auch auf eine Wiederholung ihrer Vorladungen an den Trump-Freund Elon Musk, der sic h eigentlich bereits vor zwei Jahren hätte in Brüssel für seine kruden Vorstellungen  von Meinungsfreiheit hätte rechtfertigen sollen. 

Im Hintergrund aber schmiedete die Kommission an einer echten Bombe für den Zollkrieg. Mit einer neuen "Digitalabgabe", die jeder europäische Nutzer der Dienste von Apple, Google, Amazon, X oder Facebook, aber auch von Microsoft-Programmen, Netflix-Abonnenten und Android-Smartphones zahlen müssten, will die Gemeinschaft zweierlei erreichen.

Druck auf den Riesen

Einerseits soll die neue Steuer die USA zwingen, ihre Angriffe gegen die europäischen Handelshemmnisse für US-Produkte abzubrechen. Andererseits sieht die Europäische Kommission nach Trumps "Zollhammer" (Spiegel) eine hervorragende Gelegenheit, dauerhaft am wirtschaftlichen Erfolg der US-Großkonzerne zu partizipieren.

Diese großen US-Konzerne machen bisher "viel Geld in der EU", wie die Wochenschrift "Die Zeit" herausgefunden hat, die auf ihrer Webseite selbst ein halbes Dutzend US-Dienste nutzt. Deshalb gilt die Erklärung des Handelskrieges durch Donald Trump als hervorragende Gelegenheit, mit einer neuen Digitalsteuer einerseits "wuchtig" auf die US-Zölle zu antworten. Und sich so andererseits gut gedeckt dauerhafte Einnahmen durch eine neue Steuer auf Umsätze verschaffen, die große Techkonzerne in Europa generieren. 

Bisher zu viel Aufwand

Alle bisherigen Versuche waren aufwendig und langwierig gewesen, ohne das mögliche Potenzial auszuschöpfen. Firmen wie Meta, Google oder Microsoft verkauft in der EU Lizenzen für ihre Software, Abos oder Werbeplätze in ihren Netzwerken und Suchmaschinen. Die Einnahmen aber versteuerten sie nur zu einem geringen Teil im kleinen Irland, das eigens zu diesem Zweck Niedrigsteuern eingeführt hatte. Zum großen Teil aber genau wie deutsche Autokonzerne erst an ihrem Stammsitz. Die von Olaf Scholz weltweit so erfolgreich eingeführte globale Mindeststeuer änderte daran gar nichts. Nicht einmal der EU-Mitgliedsstaat Irland erklärte sich bereit, entsprechend der Vorgaben aus Berlin umzusteuern.

Die EU-Kommission hatte deshalb immer wieder neue und immer strengere Regeln erlassen müssen,  anschließend war sie gezwungen, jedem Konzern einzeln Verstöße nachzuweisen. Erst am Ende von Verfahren, die sich teilweise über zehn Jahre hinzogen, standen im besten Fall lukrative Strafzahlungen und begeisterte proeuropäische Schlagzeilen wie "EU verdonnert Apple zu Milliardenzahlung" (Tagesspiegel), "EU verdonnert Apple zu Steuerrückzahlung" (Weser-Kurier) oder "Schäuble begrüßt EU-Entscheid zu Apple"

Alles Geld der Welt

Der Aufwand aber blieb beträchtlich. Obwohl eine Institution wie die EU nicht nur jede Menge Zeit und dank der eigenen Hausbank EZB auch alles Geld der Erde hat, um Niederlagen vor Gericht immer wieder anzufechten, sondern auch Personal, das ohnehin beschäftigt werden muss, sind dauerhaft laufende 1.500 Rechtsstreitigkeiten zwischen Kommission und Internetkonzernen auch ein Kostenfaktor. Beschäftigt sich auch nur ein Anwalt in einer Kanzlei eine einzige Stunde am Tag mit einem der Fälle, summiert sich der Stundensatz für alle Verfahren für die Mandantin auf  100 Millionen Euro im Jahr. 

Über die zehn Jahre, die manche Auseinandersetzung andauert, kommt eine runde Milliarde Euro an reinen Anwaltskosten zusammen. Selbst wenn hier und da deutlich mehr eingespielt wird, kostete es in anderen Fällen mehr als es einbringt.

Weg vom Einzelfall 

Nachvollziehbar, dass die EU weg will vom Einzelfall, in dem den US-Internetkonzernen mühsam Verstöße gegen die diffizilen europäischen Regeln aus dem Digital Service Act , die Digitale-Dienste-Richtlinie, die Cookie-Verordnung, die europäische Meinungsfreiheitsinterpretation oder den KI Act nachgewiesen werden müssen, ehe es an Versenden von Bußgeldbescheiden geht. Günstiger für die Gemeinschaft, die selbst über kein Digital-Unternehmen, Internet-Konzern oder Software-Riesen von Bedeutung verfügt, wäre eine Regelung, nach der die amerikanische Techindustrie von Apple bis Microsoft pauschal zahlen muss. 

Digitale Dienstleistungen zu besteuern, könnte unfassbar viel Geld einbringen. Eine solche neue Steuer hätte überdies den Vorteil, dass sie sich gegen die den Europäern ohnehin verhassten amerikanischen Großkonzerne richten würde. Selbst die kleinen Teile der Bevölkerung, die prinzipiell gegen Steuererhöhungen auftreten, gelten in diesem Fall als kompromissbereit: Trifft sie Reiche, Manager oder multinationale Konzerne, ist zumindest in Deutschland jede Steuer im Handumdrehen durchsetzbar.

Nur zehn Cent 

Natürlich würden am Ende die Nutzer zahlen. Aber nur "zehn Cent für jedes Software-Update", so hatte die scheidende grüne Bundesaußenministerin Annalena Baerbock das Konzept einprägsam beschrieben. "Das würde viel Geld für Europa bringen, anderen vielleicht nicht so gut gefallen", rechnete sie vor. Die Summe ist tatsächlich beeindruckend: Apple hat etwa 120 Millionen Nutzer in Europa, pro Monat bietet das Unternehmen etwa zehn Updates für seine verschiedenen Produkte an. 

Die EU, die seit Jahren beharrlich nach eigenen Geldquellen sucht, dürfte sich auf etwa 1,5 Milliarden Euro jährlich nur vom Konzern aus Cupertino freuen. Android-Nutzer würden 4,5 Milliarden beisteuern. Microsoft müsste für den Weiterbetrieb der 500 Millionen Windowsrechner in Europa fünf Milliarden im Jahr an Brüssel überweisen. Einnahmen etwa 37,5 Milliarden Euro, wie sie die überwiegend von der EU-Kommission finnazierte Gefälligkeitsgutachtenfabrik Center for European Policy Studies (CEPS) unter der Annahme einer fünfprozentigen Digitalsteuer ermittelt hat, könnten deutlich zu niedrig angesetzt sein. Würden den aufgeblähten EU-Haushalt aber schon zu fast einem Fünftel finanzieren.

Der Baerbock-Plan

Und nach dem Baerbock-Plan wäre deutlich mehr drin. Das großmütige Abschiedsgeschenk der grünen Außenministerin, die ihre Karriere demnächst in den USA fortsetzen wird, überlässt es der EU-Kommission, den Begriff "Update" auf eine ihr angemessen erscheinende Weise zu interpretieren. Damit könnte jedes Update jedes einzelnen Programmes mit einem Vergeltungsaufschlag von zehn Cent belegt werden. Als "Update" könnte sogar jede einzelne Google-Suchanfrage gewertet werden. Schnell kämen auf diese Weise hunderte Milliarden an Euro, ja, sogar Billionen zusammen.

Dass die EU keine Angst mehr vor den Großkonzernen hat, ist längst bewiesen. Im Streit um den Einheitsstecker hat die EU-Kommission ihren weltweiten Anspruch auf Technologieführerschaft eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Auch beim Streit um die Öffnung von Zahlungssystemen für gefährliche side attacks konnte sich Brüssel gegen die Digitalgiganten durchsetzen. 

Zuletzt war es im dynamischsten und fortschrittlichsten Wirtschaftsraum der Welt sogar gelungen, die Einführung von Künstlicher Intelligenz in Europa hinauszuzögern und teilweise ganz zu verhindern - aus Furcht vor den harten Strafen der Kommission verzichteten Meta und Apple darauf, ihre artifiziellen Assistenten in der EU auszurollen.

Es geht auch ohne

Es geht hier auch so. Und wie. Die Gemeinschaft der 27 Mitgliedsstaaten gilt heute als einzige Staatenfamilie weltweit, die weder über eine nennenswerte Digitalindustrie noch über bedeutsame Cloudfarmen, KI-Systeme, Rechenzentren oder Softwareschmieden verfügt. Dafür aber über weitreichende Pläne. Eben erst hat Henna Virkkunen, eine studierte Philosophin, der in der neuen EU-Kommission der Posten der Digitalkommissarin zugelost wurde, Europas "Jetzt-oder-nie-Moment" für die KI-Unabhängigkeit ausgerufen. 

Sechs Jahre nach der Ankündigung Europas, die Gängelbänder aus Amerika abzuschütteln und mit der federated data infrastructure eine  sovereign cloud stack mit dem schönen Namen Gaia-X aufzubauen, ist dieses gigantische Gemeinschaftsprojekt zwar mausetot. EU-Europa will dafür aber nun in der Entwicklung und Anwendung Künstlicher Intelligenz weniger abhängig von den USA und von China werden. "Die Aufholjagd ist groß", hat die "Tagesschau" zutreffend beschrieben. Es fehlt an Geschwindigkeit, an Energie, an Geld und, nicht aber an einer "ehrgeizigen Strategie". 

Gigafabriken für Großdigitalien

Sprudeln erst die Einnahmen aus den Taschen von Millionen Google-, Facebook-, X- und Netflix-Nutzern, so hat Henna Virkkunen errechnen lassen, werden sogenannte "Gigafabriken" gebaut, in denen die EU-Planer aus "Tausenden von Startups" und der "stärkste Forschungsgemeinschaft der Welt" die besten Trainingslager für KI-Systeme schmieden werden.