Dienstag, 22. April 2025

System stürzen, Gras essen: Lob des Kriegskommunismus

Stylisch inszeniert, gibt Kohei Saito den an Selbstgeißelung interessierten Eliten im Westen den kompromisslosen Stichwortgeber für die Abschaffung von Demokratie und Marktwirtschaft. Dafür lieben sie ihn.

Die Klima kommt, und in Europa kommt es mit aller Macht. Der  Kontinent, der sich am eifrigsten bemüht, die Klimafolgen der eigenen Existenz zu bekämpfen, leidet am stärksten unter dem Versagen bei der Erfüllung seiner Aufgaben. Nur hier blockierten mutige junge Menschen massenhaft die Straßen, um den Verkehr zu stoppen und vom Bundeskanzler ein Überlebensversprechen zu bekommen. Nur hier wird Klimastabilität von Grundgesetz und den europäischen Verträge als Kinderrecht geschützt.  

Traum von weniger Wohlstand

Doch nicht nur hier träumen Menschen von weniger Wohlstand, sondern auch am anderen Ende der Welt. In Japan denkt der Philosoph Kohei Saito schon lange über eine Welt am Abgrund des Klimakollapses nach, die unbeirrt weitermacht mit ihren Versuchen, noch mehr Menschen aus Armut, Hunger und medizinischer Unterversorgung zu holen. Kohei Saito ist 38 Jahre als, ein "Vordenker der Degrowth-Bewegung" und gerade um den halben Globus gereist, um Europa die Vorzüge des auf Minuswachstum geeichten Kriegskommunismus zu predigen. Nur der, so sagt er, könne wieder in bessere Zeiten führen. 

Es ist ein erneuter Versuch, die Menschheit zur Umkehr zu bewegen. Viele sind schon unternommen worden, von deutschen Vordenkerinnen und Wirtschaftsministern, von Think Tanks wie dem Denkwerk Demokratie und Wirtschaftswissenschaftlernden wie Marcel Fratzscher. 

Abbau des Wohlstandes kommt voran

Deutschland steht am Ende aller Anstrengungen vergleichsweise gut da: Zum dritten Mal hintereinander wird die immer noch größte europäische Wirtschaftsnation in diesem Jahr nicht wachsen, sondern schrumpfen. Die Corona-Zeit mitgerechnet, gelang es sogar in vier der letzten fünf Jahre weniger zu produzieren und zu konsumieren als früher.

Zwar stiegen die Staatseinnahmen im selben Zeitraum noch kräftig, aber die Mehreinnahmen reichen nur noch für deutlich weniger als die geringeren Mittel, die früher zur Verfügung standen. Etwas ist erreicht worden, aber es ist zu wenig, sagt Kohei Saito, ein Spezialist für staatliche Planung und Öko-Kommunismus, der das als "Postwachstum" bezeichnete Gesundschrumpfen der Menschheit mit demokratischen Mitteln als nicht erreichbar ansieht.

Echter Zwang und brutaler Druck

Es braucht härtere Bandagen, echten Zwang und brutalen Druck, um die Menschen auf Linie zu bringen und der Natur zum Sieg über den Kapitalismus zu verhelfen, hat er jetzt in Hamburg empfohlen, wo der Professor der Universität Osaka beim Geisteswissenschaftlichen Zentrum  "Zukunft der Nachhaltigkeit" der dortigen Universität vorrechnete, dass "der kapitalistische Weg von kontinuierlichem Wachstum und Akkumulation" nicht mit der Endlichkeit der irdischen Ressourcen vereinbar ist. "Wir können kein weiteres Wachstum dulden", schlussfolgert der Degrowth-Marxist aus der "biophysikalischen Tatsache, dass unsere Ressourcen endlich sind, unsere Welt begrenzt ist".

Nicht jeder kann alles haben, wenn alle aber nichts beanspruchen, dann haben dennoch alle genug. Saito ist kein normaler Klimabewegter, der Menschen zutraut, gemeinsam zu lernen und langsam Fortschritte zu erreichen. Er will seine neue Welt aufbauen, indem er zu Verzicht zwingt, Bürgerinnen und Bürger entmündigt und dem Staat wieder die Macht zurückgibt, die er unter Stalin, Mao und Hitler hatte.

Zurück zum Kriegskommunismus

Er wolle "das Konzept des Kriegskommunismus wiederbeleben", sagt Saito, den augenscheinlich die Vorstellung fasziniert, alle verfassungsmäßigen Rechte des Einzelnen nach dem Vorbild der Pandemiezeit außer Kraft zu setzen. Das müsse so, sagt er, denn die Welt steuere "auf eine sich immer weiter verstärkende, weltumspannende Krise zu". Damit ist alles erklärt und alles entschuldigt.

Was früher der Sozialismus, der Kommunismus oder der abstammungsreine Volksstaat war, ist heute die CO2-neutrale Klimagesellschaft. Der kommende Klimakollaps zwinge "uns, das aufzugeben, was als business as usual" gilt, sagt er, ganz im kollektiven Duktus aller Weltenretter. "Wenn wir einfach so weitermachen, bedeutet das weniger Freiheit und mehr Chaos." Und um das zu vermeiden, muss die Freiheit vorbeugend neu definiert werden, denn "eine radikale Neukonzeption von Freiheit ist die erste Voraussetzung für eine Transformation".

Das Konzept Zwangsgefolgschaft

Frei soll nicht mehr sein, wer tun kann, was er will. Frei ist der, dem gesagt wird, was er wollen soll.  Weniger produzieren, weniger konsumieren, weniger privat, noch mehr Staat. In der totalitären Vorstellungswelt des japanischen Wanderpredigers für weniger von allem und für alle steht ein allwissender, alles vorausahnender und planender guter Staat als zentraler Mechanismus parat. Er teilt von oben herab Ressourcen zu, bestimmt über zulässige Bedürfnisse und sorgt für die "Kontingentierung und Konzentration auf die essenziellen Güter" (Saito).

Eine totalitäre Dystopie, die der Wissenschaftler stylisch inszeniert verkündet als handele es sich um ein Erlösungsversprechen. Bei den an Selbstgeißelung interessierten Eliten in Deutschland ist der Verfechter eines totalen Staates, der im Dienst einer dräuenden Klimagefahr alle Freiheiten unter Erlaubnisvorbehalt stellt, ein beliebter Guru.

Geht es nach Saito, darf es auch in der zusammenschrumpfenden, untergehenden Welt der Zukunft weiter privatwirtschaftliche Unternehmen geben. Aber es wird der Staat selbst sein, der lebenswichtige Güter und Dienstleistungen bereitstellt. Für alles andere gibt er Anweisungen: Unternehmen anweisen, mehr Elektrofahrzeuge und Solarmodule zu produzieren. Oder es ihnen verbieten.

Eine faschistische Fantasie

Subjektive Bedürfnisse kennt der Japaner so wenig wie die kommunistischen, sozialistischen und faschistischen Führer sie kannten. Wer vom anstehenden Klimakollaps ausgeht und sich selbst im Besitz des großen Rettungsplanes wähnt, denkt nicht anders als Lenin, Mao, Stalin, Pol Pot oder Hitler. Nach seinem Verständnis ist "die Art von Freiheit, die wir heute im Kapitalismus als selbstverständlich erachten" ohnehin schon verloren. Besser also jetzt, von oben und ohne falsche Rücksicht alles abschaffen, was zwischen den Rettern und der Rettung steht.

So verrückt das alles klingt, so ernst wird es genommen. Kohei Saito wird ganz ernsthaft nach seinen Ideen zur Abschaffung von Demokratie und Marktwirtschaft gefragt. Er wird von der "Tagesschau" als "Star-Philosoph" gefeiert. Sein Buch "Systemsturz", im Original von einem britischen Großverlag vertrieben, haben Hunderttausende gekauft. Alle wohl verzweifelt auf der Suche nach jemandem, der ihnen erklärt, warum sie nur in der Lage sind, von Konsum und Götzendienst am Goldenen Kalb abzulassen, wenn es ihnen ein knallhartes Klimaregime verbietet.

Der Irrwitz der Freiheit

Selten nur ist der Irrwitz der freiheitlichen Gesellschaften des Westen, Saito hat sich die Anregungen für seine übergriffigen Ideen beim Studium in Berlin geholt, deutlicher vorgeführt worden als durch diesen Mann. Der Umstand, dass sich der von der Profitmaschine Marktwirtschaft unterhaltene Wissenschaftsbetrieb einen Extremisten hält, der ernsthaft fordert, acht Milliarden Menschen sollten sich "auf eine Form der Selbstversorgung zubewegen", spricht für eine gewisse Grundverunsicherung. Dass der Mann  mit den faschistischen Fantasien überall Beifall bekommt für die Vorstellung, "Degrowth Communism can save the Earth", zeigt, dass der Amerikaner Chris Korda mit seiner Idee seiner Selbstmordkirche Church of Euthanasia nur zu früh dran war, um die ihm eigentlich zustehende Anerkennung zu bekommen.

Die Aberkennung gleicher Rechte 

Saito ist schicker und geschickter als der Verfechter eines freiwilliges Aussterben der gesamten Weltbevölkerung zum Schutz des Weltklimas. Der Bestsellerautor beteuert, dass seine Aberkennung gleicher Rechte für die meisten Menschen nicht auf Verboten und Verzicht basiert, sondern auf einer Neubewertung von Wohlstand und Glück jenseits ökonomischer Maßstäbe. 

Jedes Dorf, in das ein Prediger mit dieser Botschaft  in den zurückliegenden 10.000 Jahren gekommen wäre, hätte den Botschafter dieses Blödsinns entweder in Decken gewickelt, bis sein Fieber wieder sinkt, oder ihn schlicht aus der Gemeinde geprügelt. Fortschritt ist, wenn Quatsch mit ernsten Mienen betrachtet und im Kern faschistische Vorschläge mit großer Bewunderung bestaunt werden.

Regulieren als Freiheitsersatz

Keiho Saitos kruden Thesen mangelt es an Ernsthaftigkeit, nicht aber an dreister Umdeutung aller Grundwerte. In der Geschichte habe es genügend Beispiele für Epochen gegeben, in denen "Regulieren und Begrenzen als Freiheit galten", hat er der Taz verraten, wie sich Zwang in ein Gefühl von Freiwilligkeit verwandelt. Sein totalitärer Staat werde natürlich planen, einschränken und regulieren müssen. Aber das klinge nur "sehr nach autoritärer Verneinung von Freiheit". Sei aber eine Chance, die "eher philosophische Definition von Freiheit in der Tradition der Aufklärung" zu erkennen. Dann müsse "man eigentlich nicht so viel Angst vor Begrenzung und Regulierung haben".

Historische Tatsachen scheren den Star-Philosophen wenig. "Für die Mehrheit der Menschen bedeutet der Fortbestand des heutigen Kapitalismus den Verlust von Wohnraum und Arbeitsplätzen", schwatzt er daher und er prophezeit: "Es wird weniger von all den guten Dingen geben, die die Menschen genießen." Doch dafür sei nicht das geringer gewordene Wachstums verantwortlich, sondern der  Kapitalismus: Während der Sozialismus mit Planwirtschaft, Unfreiheit und Bevormundung verhindert habe, dass "Wohnraum der Finanzspekulation zugänglich" gemacht wird, schaffe das Wirtschaftssystem, das ihn besiegte, "mehr Unsicherheit, mehr Verluste und mehr Instabilität".

Lob des Kommunismus

Von alldem ist nicht einmal das Gegenteil wahr. Saitos Warnung, dass "Preise für Lebensmittel und Energie steigen" würden und "ebenso die Inflation", zeigt, dass der Philosoph des Anti-Konsumismus nicht einmal die grundlegenden Zusammenhänge des Wirtschaftlebens verstanden hat. Er versuche gerade, herauszufinden, dass "Kapitalismus Knappheit schafft", denn das wäre ein gutes Argument für den Kommunismus, der nachgewiesenermaßen König in der Disziplin der Knappheitsschaffung ist. Noch istb der Beweis nicht erbracht. Aber die Therapie dagegen hat Keiho Saito schon fertig: "Wir dürfen kein weiteres Wachstum mehr dulden."


7 Kommentare:

  1. Jemand nannte solcherlei Professoren mal die 'Verstärker des Mainstreams'. Sie labern, was alle Laberwissenschaftler labern, drehen die Schraube weiter in die gleiche Richtung wie alle anderen und glauben, sie hätten die Lösung.
    Degrowth wird früher und eher ganz anders ablaufen, also solche Clowns glauben.

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    1. Clown, das trifft 100%ig zu! Hätte nie gedacht, das Nippon solches Gelumpe züchtet und gar an die Öffentlichkeit läßt.

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    2. Die Yakuza ist auch nicht mehr das, was sie mal war.

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  2. Carl GustafApril 22, 2025

    Wenn man derartige Ansichten einmal seriös auseinander nimmt, dann kann man schon sehr viel an Friedrich Nietzsche und Oswald Spengler, auch ein wenig an Ernst Jünger darin entdecken. Warum nun aber ausgerechnet die Linksliberalen so derart auf solche Thesen abfahren, wirft dann doch einiges an Fragen auf.

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    1. Es geht um die Legitimierung von Macht. Das lag den drei oben angeführten sicher sehr fern.

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  3. Anti-Speichel: Verliert Selensky die Unterstützung der USA?
    Wenn Trump bzw. Musk dem ~Pianisten schlicht und ergreifend die Satelliten-Unterstützung
    entzögen, würde ich ganz langsam in Erwägung ziehen, ihnen wieder vorsichtig guten Willen zuzuschreiben, so aber - mitnichten.

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  4. ## Die politische Kaste in Deutschland, die auf ganzer Linie gescheitert ist und das Land in den Ruin getrieben hat ##
    Kurschatten nu wieder. In den Ruin getrieben wohl, nur, das eben war und ist deren Aufgabe. "Gescheitert" - so ein Stuss.

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